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Artikel „Lorbeer, Christoph“ von Theodor Pyl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 169–170, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lorbeer,_Christoph&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 22:16 Uhr UTC)
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Lorbeer: Christoph L., Bürgermeister der Stadt Stralsund zur Zeit der Reformation, aus einer alten dänischen Ritterfamilie gebürtig, wurde seit 1507 Mitglied des Raths und gelangte durch seinen Schwiegervater, den Bürgermeister Oseborn, schon früh zu bedeutendem Einfluß. In der Folge jedoch, als seit dem J. 1523 die Lehre Luther’s sich nach Stralsund verbreitete und zugleich eine demokratische Verfassung gegen den Rath und das Patriciat begünstigte, wandte er sich von Oseborn, der dem Katholicismus und aristokratischem Regimente ergeben blieb, allmählig ab und war, im Verein mit den späteren Bürgermeistern Rolof Moller und Franz Wessel (s. d. B.), sowie dem Mitgliede des Gewandhauses Ludwig Vischer, ein eifriger Beschützer der neuen Lehre und der liberaleren Verfassung des städtischen Gemeindewesens. In dieser Richtung gestattete er, mit Hülfe des lutherisch gesinnten, im übrigen aber conservativ gebliebenen Bürgermeisters Nicolaus Schmiterlow II. (s. d. B.), den protestantischen Predigern Ketelhodt und Kureke (s. XV, S. 666) in Stralsund zu predigen und beschützte auch den Augustiner Joh. Berckmann (s. II, S. 353), welcher von Mecklenburg nach Stralsund übersiedelte und uns in einer Chronik ausführliche Nachrichten über seinen Gönner berichtet hat. Als endlich im J. 1524 der Sieg der Reformation, nach einem Aufstande der Bürger entschieden war, erhielten Moller und L. die Bürgermeisterwürde; mehrere ihrer Anhänger traten in den Rath und vereinigten sich mit der Gemeinde zu einem Recesse, kraft dessen neben dem Rath ein aus 48 Personen bestehendes bürgerschaftliches Collegium die Verwaltung führte. Neben einer sorgfältigen Ordnung der städtischen Finanzen, war nun ihr vorzügliches Bestreben auf die Besetzung der Pfarren mit lutherischen Predigern gerichtet, unter denen sich Joh. Knipstrow (s. XVI, S. 298), [170] später Generalsuperintendent von Pommern, auszeichnete, sowie auf die Anstellung von Lehrern für die städtische Schule, in den Personen von Joh. Aepinus und Anton Gerson, für welche eine Kirchen- und Schulordnung entworfen wurde. In dieser bewegten Zeit wußte sich L. durch große Lebensklugheit, welche von seinem Feinde Sastrow (s. d. B.) u. A. Treulosigkeit genannt ist, gewandt in die wechselnden Verhältnisse zu fügen, während seine Genossen, Nic. Schmiterlow II. und Rolof Moller, welche offen und energisch ihre abweichenden Anschauungen vertraten, sich genöthigt sahen, wiederholt aus ihrem Amte zu scheiden. L. führte die Bürgermeisterwürde jedoch bis zu seinem Tode, wirkte als Bevollmächtigter Stralsunds in der Fehde mit dem Abte Valentin v. Neuencamp (1528) und in dem langwierigen Processe, welchen der Kirchherr Hippolytus Steinwer (1527–30) gegen die Stadt beim Reichskammergericht führte und gewann, sodaß die vertriebenen katholischen Geistlichen wieder zurückkehrten. Der im J. 1531 erfolgte Tod des katholisch gesonnenen Herzogs Georg von Pommern [WS 1] und der Religionsfriede zu Nürnberg verhinderten jedoch die Ausführung jenes Urtheils. Bei dem neuen Volksaufruhr im J. 1534, entstanden durch die Weigerung Schmiterlow’s, den Krieg Lübecks unter Wullenwever und Marcus Meyer gegen Dänemark und Schweden zu unterstützen, welcher mit der Absetzung Schmiterlow’s und der Beschränkung des rathsherrlichen Regimentes endigte, fügte sich L. dem Willen der Menge, indem er jeden Widerstand für nutzlos ansah, und gewährte den Lübecker Unternehmungen bereitwillig Hülfe an Geld, Schiffen und Söldnern. Als er aber dann auf einer Fahrt nach Wismar erkannte, daß Wullenwever in der Person des Herzogs Albrecht von Mecklenburg einen ungeeigneten Prätendenten aufstellte, widerrief er den von den Stralsunder Achtundvierzigmännern eigenmächtig ausgestellten Vertrag mit Albrecht durch Abschneidung des Siegels, und schloß sich in der Folge, als die Volksgunst, nach unglücklichem Ausgange des Krieges, sich dem Bürgermeister Schmiterlow und dem Patriciate wieder zuneigte (1537), mit gleicher Gefügigkeit dem alten Regimente an, indem er die Aufhebung der Recesse von 1254 und 1535 und des Achtundvierzigercollegiums genehmigte. Nach Schmiterlow’s Tode (1539) ältester Bürgermeister und von den pommerschen Herzogen geehrt und mit Grundbesitz belehnt, sowie ein gewandter Vertreter der Stadt auf den Landtagen, erlebte er noch die Befestigung der Reformation durch den Passauer Vertrag und Augsburger Religionsfrieden und starb am 16. October 1555, von dem Chronisten Berckmann ebenso gefeiert, wie in Sastrow’s Selbstbiographie in gleicher Weise, wie seine Söhne Olof und Zabel, geschmäht.

Sastrow’s Leben, h. v. Mohnike, I, S. 30–62, 111–183; III, S. 91–130; Mohnike und Zober, Stralsunder Chroniken, I, S. 32–145; Fock, Rüg.-pomm. Gesch., V, 140–330; Dinnies, Stemm. Sund. XXXIX.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Georg I. (1493–1531), Herzog von Pommern-Wolgast.