Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schmiterlow, Nikolaus II.“ von Theodor Pyl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 38–42, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Smiterlow,_Nikolaus_II.&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 07:08 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Schmitt, Alois
Band 32 (1891), S. 38–42 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Nikolaus Smiterlow in der Wikipedia
Nikolaus Smiterlow in Wikidata
GND-Nummer 136874746
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|32|38|42|Schmiterlow, Nikolaus II.|Theodor Pyl|ADB:Smiterlow, Nikolaus II.}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=136874746}}    

Schmiterlow: Nikolaus S. II., Bürgermeister von Stralsund und Förderer der dort (1524–25) eingeführten kirchlichen Reformation, war in der Mitte des XV. Jahrhunderts als der älteste Sohn des Bürgermeisters Nikolaus S. I. (siehe diesen Artikel) zu Greifswald geboren, wo er sich infolge der Beziehungen seines Vaters zu der Universität und unter dem Einfluß seines Großvaters Nikolaus Lotze, eine hervorragende Bildung und Erfahrung erwarb. Als sich jener bei den im J. 1483 ausgebrochenen Unruhen nach Stralsund begab, begleitete er den Vater und trat dort mit den Familien v. d. Lippe und v. Lübeck in so innige Beziehung, daß er sich in der Folge mit Gesa v. Lübeck, einer Tochter Bertram’s v. L. und Urenkelin des Bürgermeisters Nikolaus v. d. Lippe, verheiratete und nach des Vaters Tode (1485) seinen Wohnsitz nach Stralsund verlegte. Die Erinnerung an die Unruhen, welche seinen Vater bedrohten, sowie an den großen von König Erich XIII. erregten Stralsunder Aufstand, welcher durch die mächtige Thatkraft seines Urgroßvaters Nikolaus v. d. Lippe (1428 ff.) unterdrückt wurde, erregten in ihm eine bedeutende Abneigung gegen alle gewaltsamen Veränderungen und begründeten auf diese Art nicht [39] nur seine feste Stellung innerhalb des Stralsunder Patriciats, sondern auch seine ausgezeichnete Fähigkeit, verwickelte Streitigkeiten auf diplomatischem Wege zu lösen. Schon bald nach seiner Rathsherrnwahl (1507) hatte er Gelegenheit, dieses Talent im dänischen Kriege (1507–12), und in der Fehde zwischen Stralsund und Herzog Bogislaw X. zu bethätigen, an deren Beilegung zu Greifswald (17. Juni 1512) er lebhaften Antheil nahm. Seine Bemühungen fanden auch auf beiden Seiten so dankbare Anerkennung, daß man ihn (1516) in Stralsund zum Bürgermeister wählte, und daß der Herzog bei seinem Zuge zum Reichstage in Nürnberg (1523), wo er bei Karl V. die Befreiung Pommerns von der brandenburgischen Oberlehnsherrlichkeit durchsetzen wollte, ihn und seinen Sohn Christian zu seinen Begleitern und Berathern auserkor. Auf der Rückkehr hörte S., als Bogislaw Wittenberg besuchte, Martin Luther predigen und wurde von der Macht seiner Persönlichkeit und seines Wortes in so hohem Grade ergriffen, daß er sich von dieser Zeit an nicht nur offen für die neue Lehre erklärte, sondern auch seinen Sohn Christian in Wittenberg studiren ließ. Dieser religiöse Umschwung, welcher mit seiner politischen Richtung in Widerspruch zu stehen scheint, erklärt sich namentlich durch zwei Ursachen, einerseits dadurch, daß S. vermöge der von seinem Vater und dem Professor Joh. Sartoris (s. A. D. B. XXX, 379) gepflegten Denkungsart der Brüder vom gemeinsamen Leben und des Thomas v. Kempen schon innerlich für die kirchliche Reformation vorbereitet war, andererseits dadurch, daß gerade in Stralsund durch die Ausschreitungen des Oberpfarrherrn Cord Bonow (1407–17) und seines Nachfolgers Reimar Hahn (1512), sowie durch den Uebermuth, mit welchem der Administrator des Bisthums Schwerin Dr. Zutfeld Wardenberg († 1527, siehe diesen Artikel) die canonische Justiz ausübte, die Geistlichkeit und der Cultus in große Mißachtung gerathen waren. Für’s Erste vermochte S. noch nicht für die Einführung der Reformation in Stralsund thätig zu wirken, da er fortwährend in dem von der Hansa gegen König Christian II. geführten Kriege (1520–24), als Gesandter der Stadt in den nordischen Reichen und auf den Bundesversammlungen, abwesend sein mußte. Erst nachdem der Unionskönig entthront und an seiner Stelle Friedrich I. in Dänemark und Gustav I. Wasa in Schweden als Nachfolger eingesetzt waren, konnte er den kirchlichen Dingen seine Aufmerksamkeit zuwenden und erlangte es durch seinen Einfluß, daß Chr. Ketelhodt (s. A. D. B. XV, 666), welcher zuerst in Stralsund in Luther’s Sinne predigte (1524), gegen den Willen des Bürgermeisters Oseborn und des Kirchherrn Hip. Steinwehr (siehe diesen Artikel) in seiner Lehrthätigkeit geschützt wurde. Zu gleicher Zeit entstand jedoch eine andere den Bestrebungen Sarnow’s (s. A. D. B. XXX, 374) verwandte Bewegung, welche gegen Schmiterlow’s Willen mit der Reformation verschmolz. Unter den Leitern derselben traten namentlich die Patricier Rolof Moller und Christoph Lorbeer, sowie die Altermänner Wessel, Vischer und Blomenow hervor, von denen die ersteren vorzugsweise von Ehrgeiz, die letzteren von Eifersucht gegen das Patriciat und von demokratischen Neigungen beherrscht wurden; bei Wessel und Vischer vereinigte sich mit der politischen Richtung auch eine aufrichtige Verehrung der lutherischen Lehre. Durch ihr Zusammenwirken kam (1524–25) nicht nur eine neue Verfassung mit einer bürgerschaftlichen Vertretung von 48 Männern, sondern auch die Entsetzung der katholischen Geistlichen zu Stande, deren Stellen mit evangelischen Predigern besetzt wurden. Beide Ereignisse, in Schmiterlow’s Abwesenheit vollzogen, erlangten seine Billigung nicht, die Verfassung galt ihm als Angriff gegen die Rechte des Patriciats, die reformatorische Bewegung aber, welche einen Bildersturm und andere Gewaltthätigkeiten zur Folge hatte, konnte seinem vermittelnden, an geordnete Rechtspflege gewöhnten Charakter gleichfalls nicht zusagen: aus diesem Grunde weigerte [40] er sich, die Verfassungsurkunde zu unterzeichnen, und da er es verschmähte, mit den (1524) neu gewählten Bürgermeistern R. Moller und Chr. Lorbeer die Würde zu theilen, so begab er sich in freiwillige Verbannung nach Greifswald, wo sein Bruder Johann infolge ähnlicher Aufstände (1525) gleichfalls sein Rathsherrenamt niederlegen mußte. Hier lebte er mehrere Jahre bei der Tochter seines verstorbenen Bruders Bartholomäus, die an Nik. Sastrow verheirathet war, und beschäftigte sich mit der Erziehung von deren Söhnen Johann und Bartholomäus, von denen jener als lateinischer Dichter, dieser als Stralsunder Bürgermeister und Selbstbiograph (s. A. D. B. XXX, 398) bekannt geworden ist. Auch lernte er die dortigen Anhänger der Reformation: Peter Swawe, Herm. Bonnus, Joh. Aepinus und Ant. Gerson kennen, welche später mit ihm nach Stralsund übersiedelten und dort für die neue Lehre thätig waren. In letzterer Stadt hatten sich inzwischen die Verhältnisse wesentlich verändert, insofern einerseits der neue Bürgermeister R. Moller (1527) durch Uebermuth und Ungesetzlichkeit beim Rath und bei der Bürgerschaft solchen Haß auf sich lud, daß er in die Verbannung gehen mußte, andererseits aber die neue Lehre von Herzog Georg von Pommern und dem vertriebenen Kirchherrn H. Steinwehr, sowie von dem Administrator Z. Wardenberg auf’s gefährlichste bedroht wurde. Aus diesem Grunde verglich Lorbeer die Streitfrage hinsichtlich der Verfassung von 1524 dahin, daß man S. die Unterschrift der Verfassungsurkunde erließ und ihn an Stelle Moller’s (1527) zur Führung des Bürgermeisteramtes zurückrief, damit er seinen Einfluß zur Wahrung der evangelischen Lehre gegen den Herzog und seine Anhänger mit desto größerem Erfolge aufbieten könne. In diesem Sinne finden wir denn S. (1527) zu Stettin, nicht nur bei der Bestätigung des zwischen Pommern und Brandenburg abgeschlossenen Lehnsvertrages, sondern namentlich zur Vertheidigung der Stadt gegen Steinwehr’s Anklage anwesend; dann aber, als Stralsund trotz aller Gegenrede (1530) vom Reichskammergericht zur Restitution der katholischen Geistlichen verurtheilt wurde, suchte er zwischen diesen und der evangelischen Partei zu vermitteln und gewaltthätigen Ausschreitungen vorzubeugen. Er vermochte dies um so leichter, als durch den Tod des Herzogs Georg (1531) und den Religionsfrieden zu Nürnberg (1532) die Macht des Protestantismus wieder befestigt wurde; wenn er bei seiner versöhnlichen Richtung freilich in eine zweideutige Stellung gerieth und es mit beiden Parteien verdarb, so hat er dies in dem Bewußtsein redlichen Strebens gewiß leicht überwunden, desto schmerzlicher fühlte er sich jedoch durch einen zweiten Aufstand (1534) getroffen, der ihn auf’s neue für mehrere Jahre aus seinem Amte entfernte. Die Ursache desselben lag diesmal nicht in heimathlichen Verhältnissen, sondern in der Stellung der Hansa zu den nordischen Reichen und in ihrer Eifersucht gegen den Handel der Niederländer auf der Ostsee. Die Könige Friedrich I. von Dänemark und Gustav I. Wasa von Schweden, obwohl durch die hansische Hülfe auf den Thron gehoben, fühlten sich durch die den verbündeten Städten gegebenen Privilegien bedrückt und leisteten dem niederländischen Handel, den sie als Gegengewicht gegen die Hansa betrachteten, bereitwillig Vorschub. Als dann aber in Lübeck Georg Wullenwever (1533) zur Bürgermeisterwürde gelangte und dort ähnlich, wie Sarnow in Stralsund, eine bürgerschaftliche Vertretung und neue Verfassung einführte, trat er, auf die Volksgunst gestützt, energisch dem niederländischen Handel entgegen, und als Dänemark und Schweden sich darauf einzugehen weigerten, suchte er den zu Friedrich’s I. († 1533) Nachfolger designirten Sohn desselben, Christian III. und Gustav Wasa ihrer Throne zu entsetzen, und an die Vergangenheit anknüpfend, in Dänemark den (1523) gefangenen Christian II., in Schweden aber den Nachfolger Albrecht’s III. von Mecklenburg († 1412), Albrecht VII., als Prätendenten aufzustellen, [41] während er den Grafen Christoph von Oldenburg mit der Eroberung Dänemarks beauftragte und ihm im Fall des glücklichen Gelingens in Wirklichlichkeit die dänische Krone versprochen zu haben scheint. Als S. nun auf der Versammlung in Hamburg (1534) die Stadt Stralsund vertrat und hier aus Wullenwever’s Reden die überspannte Kühnheit seiner Pläne, sowie die Unzuverlässigkeit der aufgestellten Prätendenten erkannte, erklärte er sich im Namen des Rathes und der Patricier entschieden gegen dieselben und fand unter den Gesandten der übrigen Städte eine so lebhafte Zustimmung, daß Wullenwever im höchsten Zorn den Hansatag verließ und nach Lübeck zurückkehrte. Hier erlangte dieser nun durch seine volksthümliche Beredsamkeit einen Aufstand der Bürger, infolge dessen der dem Patriciat angehörige Theil des Rathes ausschied und durch Wullenwever’s Anhänger ersetzt wurde. Zugleich sandte er die ihm ergebenen Vertrauten Nicolaus Holm und den früheren Greifswalder Professor Dr. Joh. Oldendorp (s. A. D. B. XXIV, 265) nach den übrigen Bundesstädten, um deren Hülfe für einen Krieg gegen die nordischen Reiche zu gewinnen, und das Regiment der Patricier, wo es seinen Plänen entgegenstand, zu stürzen. Dieser Auftrag war namentlich gegen S. gerichtet, theils zur Vergeltung wegen des Widerstandes auf dem Tage in Hamburg, theils weil S. mit Herzog Philipp I. von Pommern, einem Vetter Christian’s III., persönlich befreundet war und beide Fürsten wegen ihrer treuen Anhänglichkeit an die lutherische Lehre besonders hochschätzte. Wullenwever’s Gesandte wußten ihr Ziel so gut zu verfolgen, daß in Stralsund ein zweiter Aufruhr gegen S. entstand, der sein und der Seinigen Leben bedrohte. Nur gegen eine Bürgschaft des ganzen Rathes wurde er freigelassen, jedoch bis zum Jahre 1535, ebenso wie sein Verwandter Nik. Sastrow und sein Freund Joach. Rantzow, in Gefangenschaft gehalten. In dieser Zeit wurde der Rath durch 6 Mitglieder der bürgerschaftlichen Vertretung ergänzt, 2 neue Bürgermeister Joach. Prütze und Joh. Kloke gewählt und ein neuer Receß vom 5. Februar 1535 vereinbart, welcher die Macht des Rathes noch mehr beschränkte. Unter diesen Verhältnissen, wo die kriegerisch gesonnenen Bürger die Uebermacht hatten, war es leicht, Lübeck mit Schiffen und Mannschaft zu unterstützen, auch schien Wullenwever’s Unternehmen anfangs vom Glück begünstigt zu werden, da Graf Christoph v. Oldenburg binnen kurzer Zeit Dänemark und Kopenhagen eroberte, ein Erfolg, welcher die Mißstimmung gegen S. noch vergrößerte. Inzwischen hatte sich Herzog Philipp I. für S. verwendet, jedoch nichts anderes erlangt, als daß man ihn und seine Freunde aus der Haft entließ, woran jedoch die Bedingung geknüpft war, daß er der Bürgermeisterwürde entsage und einen Revers unterzeichne, daß er die Stadt verrathen und gegen seine Amtspflichten gehandelt habe. Lange weigerte er sich, diesem ebenso schmählichen als unwahren Verlangen zu genügen, endlich ließ er sich durch die Bitten seiner Gattin und seiner Kinder bewegen, seine Unterschrift zu vollziehen. Dann ging er zur Nikolaikirche, um zu beten, und von dort in die Rathssitzung, wo ihm jedoch, im Gegensatz zu dem Inhalte des Reverses, ein ehrenvoller Empfang zu Theil wurde. Von Chr. Lorbeer zum Bürgermeistersitz geführt, vertheidigte er seine langjährige Amtsführung, wünschte seinen Nachfolgern eine glücklichere friedliche Regierung und empfing dagegen das Versprechen freien Geleites für die Zukunft, welche er im Kreise seiner Familie auf die Verwaltung seiner Güter und Handelsgeschäfte verwendete. In Lübeck trat jedoch in den folgenden Jahren für Wullenwever’s Unternehmungen eine unglückliche Wendung ein, Heere und Flotten wurden geschlagen, Christian III. erhielt die dänische Krone und schloß (14. Februar 1536) mit der Hansa den Hamburger Frieden, während Wullenwever nicht allein die Bürgermeisterwürde, sondern bald darauf (1537) auch das Leben verlor. Dieser unerwartete Ausgang wirkte auch auf [42] Stralsund zurück, die beiden Recesse von 1524 und 1535 wurden für ungültig erklärt, der Altermann Blomenow, gleich Sarnow, zum Tode verurtheilt und S. unter dem Beifall der Bürger in die frühere Würde restituirt, während man zugleich den ihm abgedrungenen Revers vernichtete. So hatte er, im Gegensatz zu Wulflam, das Glück, die letzten Jahre seines Lebens in friedlichen Verhältnissen zu wirken, sowie endlich im Juli 1539, von seiner Familie innig betrauert, unter allgemeiner Anerkennung seiner Amtsgenossen und der Bürgerschaft sein Leben zu beschließen. Seine Töchter waren glücklich mit den Rathsherren Hasert, Hoyer und Schwarz verheirathet, von seinen Söhnen starb der älteste, Nikolaus III., als Officier bei der Belagerung von Rom (1527); der zweite, Bertram, wirkte dem Vater ähnlich als Bürgermeister von Greifswald (1555–72); aus dessen 2 Ehen stammten 20 Kinder, unter denen Nikolaus VI. als Bürgermeister von Greifswald (1598–1607) ähnliche Stürme unter dem Herzog Philipp Julius erlebte, wie sein Großvater; der dritte, Christian, studirte in Wittenberg, Greifswald und Rostock, bereiste Italien und empfing von Karl V. die Würde eines Comes Palatinus; der vierte, Georg, folgte dem Vater in der Stralsunder Bürgermeisterwürde (1559–71), von ihm stammt die noch jetzt blühende Familie „von Schmiterlöw“.

Kruse, Sundische Studien I–II. – Sastrow’s Leb., h. v. Mohnike I, 25–181. – Fock, Rüg.-Pom. Gesch. V, 24–373. – Pyl, Pom. Geneal. II, 298–365.