ADB:Christoph (Graf von Oldenburg)

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Artikel „Christoph, Graf von Oldenburg“ von Johann Friedrich Ludwig Theodor Merzdorf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 241–243, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Christoph_(Graf_von_Oldenburg)&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 15:32 Uhr UTC)
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Christoph, Graf von Oldenburg, geb. 1502 oder 1504, † 1566, war der dritte Sohn des Grafen Johann XIV. von Oldenburg und der Gräfin Anna, geborenen Fürstin von Anhalt. Der Graf Johann, welcher seine Erbländer unter seine Nachkommen nicht zersplittern wollte, suchte bei Zeiten den Grafen Ch., der sich als Lehrer des nicht unbekannten Chronisten und Mönchs Schiphover zu erfreuen hatte, eine bedeutende geistliche Stellung zu verschaffen. Schon 1509 ertheilte das Capitel zu St. Ansgarii in Bremen dem Knaben eine Anwartschaft auf eine Präbende und Papst Leo X. ließ sich durch den Einfluß des dänischen Königs Christian II. bewegen, dem jungen Grafen am 18. März 1515 die Weihe eines Subdiaconus zu ertheilen, auch ward er 1516 ins Capitel St. Gereon zu Köln aufgenommen, weshalb er sich wol schon von 1517 an bis 1524 mit kleinen Unterbrechungen in Köln aufhielt, dort die Reformationshinneigung des Erzbischofs Grafen Hermann von Wied aus nächster Nähe betrachtend. Am 4. April 1524 erhielt er feierlichst eine adeliche Dom-Präbende und kehrte dann nach Oldenburg zurück, wo er blieb, theils sich in Bremen aufhielt, um dort seine Erwählung zum Propst von St. Willehad und St. Stephan zu betreiben, was auch gelang, denn wir finden den Grafen 1530 als Propst zu St. Stephan. Die meiste Zeit aber verlebte er, nach Hamelmann, am Hofe des hessischen Landgrafen Philipp des Großmüthigen, um sich unter dessen Augen die vorzüglichste ritterliche Ausbildung anzueignen, wozu sich vielfache Gelegenheit fand, denn der Landgraf war ein streitlustiger Herr und Graf Ch. sein treuer Begleiter. In der Schlacht von Frankenhausen erwarb er sich 1525 die Sporen, später (1528) wurde seine kriegerische Thätigkeit in den Händeln in Anspruch genommen, welche zwischen dem Landgrafen Philipp und den geistlichen Fürsten von Mainz, Würzburg und Bamberg ausgebrochen waren. Ob er dem Landgrafen nach Wien, das 1529 die Türken belagerten, gefolgt ist, läßt sich nicht bestimmen. Die von kriegerischen Begebenheiten freie Zeit von 1527 und 1528 widmete er dem Studium der Schriften Urban Rhegius’, Luther’s und Melanchthon’s sowie der Bibel. Dadurch und durch die ganze Umgebung des Landgrafen trat wol der Gedanke ins Leben, in seinem Heimathslande der Reformation weitern Einfluß zu verschaffen, welche durch den Pastor von Esensham, Edo Boling, den von Rodenkirchen, Edo Jolrich Stithard, den von Zwischenahn, Johann Hechler und den von Edewecht, Hermann Crispinus, sowie den oldenburg’schen Stadtprediger Walter Renzelmann angeregt worden war, zum großen Verdruß der verwittweten Gräfin Anna, welche sich nicht in die neue Lehre finden konnte. Namentlich nahm sich Ch. des eifrigen Umme Ulrich Jlksen (bekannter unter dem Namen Ummius) aufs wackerste an und förderte so in Oldenburg die Reformation, der sein Bruder Anton, welcher nach der Mutter Tode die Regierung übernommen hatte, zugethan war. Während seiner Anwesenheit in Oldenburg schlichtete Ch. die Händel zwischen seinen Brüdern und den ostfriesischen Grafen, die in einer Doppelheirath durch den Vertrag von Utrecht vom 16. Oct. 1529 ihren Abschluß fanden. Er trat zugleich in dieser Zeit seinem Vetter, dem vertriebenen König von Dänemark, Christian II. näher, der nebst dem Herzoge Heinrich dem Jüngeren von Braunschweig auch Sorge trug, daß Graf Ch., welchen die Brüder als geistlichen Herrn für [242] versorgt hielten und auf die Seite schieben wollten, bei dem Vertrage der Erbtheilung nicht ganz unberücksichtigt blieb, obgleich er sehr benachtheiligt wurde, woran namentlich der Herzog Christian von Holstein Schuld hatte. Gewissermaßen seines Vaterlandes beraubt, fand der junge feurige Graf, dem das traurige Schicksal des entthronten und in Gefangenschaft gerathenen Vetters Christian II. sehr zu Herzen ging, sich bewogen, mit den Lübeckern unter Wullenweber und Meier gemeinschaftliche Sache zu machen, um den gefangenen König wieder einzusetzen und nebenbei den holländischen Seehandel, der den Lübeckern sehr unbequem war, zu schädigen. Graf Ch. ward Führer des lübeckischen Heeres, er verlangte vom Herzog Christian die Befreiung des gefangenen Königs und warf sich nun in daß Herzogthum Holstein, das er schnell fast ganz eroberte, dann mit der lübeckischen Flotte auf Seeland landete und bald dasselbe mit Kopenhagen in Besitz nahm, sich im Juli 1534 auch den Titel als Gubernator des Reichs Dänemark beilegte und Geld schlagen ließ, daß auf der einen Seite den Namen des gefangenen Königs, auf der Rückseite den seinigen trug. Das Glück der Waffen begünstigte ihn auch ferner noch, selbst gegen den Herzog Christian, den die Jütländer unter dem Namen Christian III. zum König von Dänemark erwählt hatten. Das Kriegsglück schlug um, König Christian III. erhielt Bundesgenossen, die Lübecker schlossen Frieden, aber Graf Ch. wollte Kopenhagen nicht lassen, bis endlich der Hunger und die höchste Noth zur Unterwerfung zwangen. Der August 1537 machte dem verheerenden Kriege, der unter dem Namen der Grafenfehde eine traurige Berühmtheit erhalten hat, ein Ende. Graf Ch. ging nach Oldenburg zurück und betheiligte sich bei den Zügen seines Bruders Anton gegen Delmenhorst, wendete sich aber dann ganz der protestantischen Sache zu, so daß wir ihn in alle Kämpfe jener Zeit verwickelt finden, selbst seinem Bruder Anton stand er gegenüber, als dieser einen Span mit Bremen hatte, das durch den Grafen Albrecht von Mansfeld Hülfe bekam. Endlich zog sich Ch. ins Oldenburgische nach Rastede zurück, wo er sich niederließ, den Studien lebte und eine Bibliothek sammelte, die später an den Grafen Johann XVI., sodann an den Grafen Anton Günther überging, der sie seinem natürlichen Sohne Anton, Grafen von Aldenburg hinterließ und die im vorigen Jahrhunderte zu Varel in Feuer aufging. Hauptsächlich auf Betrieb des Grafen Ch. breitete sich die Reformation im Oldenburgischen aus und ward den Geistlichen der Befehl gegeben, sich im Lehren und Predigen die Augsburgische Confession zur Richtschnur dienen zu lassen. Den wegen der Abendmahlslehre aus Bremen vertriebenen Hardenberg, der früher eine Art Feldpredigerstelle beim Grafen Ch. bekleidet hatte, nahm er in Rastede auf, wie überhaupt dort sowol Kriegsleute als Gelehrte verkehrten, die den erfahrenen Kriegsmann, den Liebhaber der Gelehrsamkeit aussuchten und sich seines Umganges erfreuten. Er starb 4. August 1566 und legte in seinem Testament durch verschiedene, für damalige Zeit große Summen den Grund zu heute noch bestehenden Stiftungen, z. B. dem sog. Legaten-Fundus, welcher fortdauernd zur Besoldung der Geistlichkeit dient; dem sog. Armen-Mägde-Fundus, aus dem „unbescholtene“ Mägde nach dem ersten Jahre ihrer Verheirathung eine erkleckliche Summe erhalten. Diese Stiftungen haben ihm einen bessern Nachruhm geschaffen, als seine dänischen und münsterischen Feldzüge, für die er – der Protestant, welcher gern seine Canonicate mit ihren Einkünften behalten wollte – sich päpstliche Absolution wegen der verübten Excesse erbat, welche ihm gewährt wurde, so wie die Legitimation seines natürlichen Sohnes, dem auch die Erlaubniß zum Clericat zugelassen zu werden ertheilt wurde: „si paternae incontinentiae non fuerit imitator“.

Hamelmann, Oldenb. Chronik. Oldenb. 1599, S. 305–360. v. Halem, Gesch. Oldenb. II. S. 33–101. v. Alten, Graf Christoph von Oldenburg [243] und die Grafenfehde. Hamb. 1853. Waitz, Lübeck unter Jürgen Wullenweber. Berlin 1855, Bd. II. Ders., Geschichte Schlesw.-Holst., Bd. II. 219 ff.