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Artikel „Philipp Julius, Herzog von Pommern-Wolgast“ von Theodor Pyl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 37–43, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Philipp_Julius&oldid=- (Version vom 6. Dezember 2024, 01:02 Uhr UTC)
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Philipp Julius, Herzog von Pommern-Wolgast, war ein Sohn des Herzogs Ernst Ludwig aus dessen Ehe mit Sophia Hedwig, einer Tochter des Herzogs Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel († 1589) und von Hedwig, Tochter des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg, und wurde am 27. December 1584 auf dem Schlosse zu Wolgast als das dritte Kind dieser am 20. October 1577 vollzogenen Ehe geboren. Nach dem frühen Tode seines Vaters am 17. Junius 1592, lebte er mehrere Jahre mit seiner Mutter und seinen Schwestern auf dem Schlosse zu Loitz und wurde von dem späteren Greifswalder Professor der Rechte Friedrich Gerschow, einem Sohne des Stettiner herzoglichen Rathes Timotheus G., erzogen, während sein Oheim Bogislaw XIII. in seinem Namen die vormundschaftliche Regierung über das Herzogthum Wolgast führte. Die fürstliche Wittwe, welche erst das 35. Lebensjahr überschritten hatte und von dem Braunschweiger Hofe an glänzende Repräsentation und fröhliche Geselligkeit gewöhnt war, kehrte jedoch schon im J. 1597 mit ihren Kindern nach Wolgast zurück, wo sich ihr eine günstigere Gelegenheit zur Entfaltung höfischen Gepränges darbot. In dieser Umgebung erlangte der junge Herzog, welcher sich durch anmuthige Gesichtszüge, eine schöne Gestalt und angenehme Formen auszeichnete, eine große Gewandtheit in ritterlichen Uebungen, zugleich aber eine Neigung zu herrschsüchtiger Willkür und zu übermäßigem Aufwand, welche die Grundlage für jene Streitigkeiten mit Ständen und Städten, und für jene finanzielle Zerrüttung bildete, durch die seine spätere Regierung so sehr beeinträchtigt wurde. In seiner Jugend traten diese Eigenschaften weniger hervor, vielmehr erfreute er sich allgemeiner Anerkennung, und galt, der Kränklichkeit seines Vetters Philipp II. von Stettin gegenüber, als die Hoffnung des Landes, umsomehr als er sich neben ritterlicher Gewandtheit auch durch gelehrte Bildung auszeichnete, der lateinischen Sprache mächtig war, und historische Studien, namentlich in den Schriften von Philipp Cominäus und Justus Lipsius, trieb. Diese Eigenschaften durch weltmännische Erfahrung zu fördern, unternahm er nach empfangener Huldigung (1601) eine größere Reise, in Begleitung des Landmarschalls Berndt Buggenhagen und des Kämmerers Erasmus Küssow, sowie seines Erziehers Friedrich Gerschow, welcher über diese Fahrt ein Tagebuch hinterließ. Demzufolge besuchte er zuerst seine Großmutter Hedwig, des Herzogs Julius von Braunschweig Wittwe, sowie seine Oheime Ulrich von Mecklenburg und Franz von Niedersachsen, und begab sich dann auf längere Zeit nach der Universität Leipzig, wo er mit dem Fürsten Christoph Radziwill Freundschaft schloß und am 23. April 1602 die Würde des Rectorats empfing, welche Ehre zu erwidern er die Hochschule mit einem Rectorornate, einer Epomis mit seinem Namen und dem pommerschen Greifen, in Goldstickerei, beschenkte. Letztere ward bei der feierlichen Introduction des Herzogs am 19. Mai zuerst eingeweiht, und dieser Tag auch noch durch ein solennes Mahl und andere Gaben desselben an seinen Wirth Balthasar Kühlewein, sowie an den vorigen Rector Math. Dresser und den Vicerector Andr. Humelius, der das Bildniß des Herzogs empfing, ausgezeichnet. Von Leipzig unternahm er mehrere Ausflüge bis Carlsbad, und besuchte die ihm verwandten Höfe in Dresden, Weimar, Altenburg und Eisenach, und setzte dann seine Reise über Schmalkalden nach Hessen und den Rheingegenden fort. Hier wurde er in Marburg von dem Rector mit einer lateinischen Rede begrüßt, betrachtete in Mainz die werthvolle Bibliothek des Jesuitencollegiums und verkehrte in Straßburg mit dem Philosophen Melchior Junius, sowie mit dem berühmten Juristen Dionysius Godofredus. Nach einem längeren Aufenthalte beim Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz in Heidelberg und beim Herzoge Karl II. (III.) von Lothringen und dessen Sohne Franz II. in Nancy, begab er sich über Paris [38] nach England, wo er London und andere größere Städte besuchte, und in Oxford vom Prokanzler mit einer lateinischen „epistola, illustri hospiti ignoto“ begrüßt wurde, welche von dem Geschenk eines Paares goldgestickter Handschuhe und einer Kanne Weins begleitet war. Nach Frankreich zurückgekehrt nahm er in Paris an den dortigen Ritterspielen theil, und verweilte mehrere Tage als Gast am Hofe des Königs Heinrich IV. zu Fontainebleau; dann besuchte er die Universitäten Orleans und Montpellier und ließ seinen Namen mit denen seiner Begleiter in der Matrikel verzeichnen, auch gab er am 15. December den Mitgliedern der deutschen Nation ein festliches Mahl und verkehrte mit dem berühmten Juristen Julius Pacius. Nachdem er dann die Schweiz kennen gelernt hatte, gelangte er in Genf (18. Februar 1603) zu einer Unterredung mit dem calvinistischen Theologen Theodor Beza, welcher, obwohl er schon im 84. Jahre stand und über die Abnahme seines Gedächtnisses klagte, dennoch gesund und frisch einen lebhaften Briefwechsel führte und sich im hohen Alter noch mit einer jungen Frau verheirathet hatte, die er jedoch, anscheinend aus Eifersucht wegen der Jugend und Schönheit des Herzogs, demselben nicht vorstellte. Durch die Lombardei setzte er dann seine Reise über Mailand nach Venedig fort, wo er am Himmelfahrtstage (7. Mai 1603), bei der Vermählungsfeier des Dogen mit dem Meere auf dem Bucentauro, gegenwärtig war. Dann begab er sich über Ferrara, Bologna, Pesaro, Ancona und Loreto nach Rom, wo ihn Papst Clemens VIII. durch seinen Leibarzt begrüßen ließ. In Bologna verweigerte er jedoch seine Einzeichnung in das Album, weil die deutsche Nation zuvor durch Ertheilung von Leibesstrafen beleidigt und infolge dessen aufgelöst war; dieselbe wurde jedoch später, wie Fr. Gerschow’s Tagebuch bemerkt, durch päpstliche Vermittelung wiederhergestellt, und mit erweiterten Privilegien bedacht. Von Neapel kehrte er über Gaeta, Siena, Florenz, Lucca, Pisa, Genua, Mailand, Piacenza, Parma und Padua nach Venedig zurück und reiste dann über Trient nach Innsbruck, wo er im August von dem Erzherzog Maximilian von Oesterreich festlich empfangen und mit einem reich ausgestatteten türkischen Rosse beschenkt wurde, auch bei den dort gehaltenen Ritterspielen sich auszeichnete. Gleicher Empfang und gleiche Festlichkeiten wurden ihm in München von dem Kurfürsten Maximilian I. von Baiern und seinem Bruder Albert VI. von Leuchtenberg, sowie in Neuburg vom Pfalzgrafen Philipp Ludwig und in Stuttgart vom Herzog Friedrich von Würtemberg bereitet: als er aber hier die Nachricht vom Tode seines Oheims, Barnim XII. (1. September 1603), empfing, kehrte er über Nürnberg und Bamberg, wo er vom Rathe und Bischof feierlich begrüßt wurde, sowie Erfurt und Eisleben, wo er Luther’s Andenken ehrte, in die Heimath zurück und traf am 16. October 1603 wieder in Wolgast ein. Nachdem dann Bogislaw XIII. ihn am 8. November der Vormundschaft entlassen und durch den Kanzler Dr. Martin Chemnitz in die Regierung eingeführt hatte, erhielt er am 21. Juli. 1604 die Belehnung vom Kaiser Rudolph II. und ernannte seinerseits Dubislaw v. Eichstedt zum Oberhofmarschall und seinen Reisebegleiter Erasmus Küssow zum Kanzler; auch vermählte er sich am 25. Juni 1604 mit Agnes, einer Tochter des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg, welche Ehe jedoch kinderlos blieb. Auf solche Weise in seinem Familienleben beglückt und von trefflichen Räthen umgeben, wandte er den verschiedenen Zweigen der Regierung eine rege Aufmerksamkeit zu und suchte die Verwaltung und Rechtspflege durch zweckmäßige Verordnungen zu heben: dessen ungeachtet litt das Herzogthum Wolgast, im Gegensatz zu Stettin, an den Folgen der fortgesetzten Verschwendung im fürstlichen Hofhalte, namentlich bei den Jagden und anderen prunkvollen Festlichkeiten, sowie durch den Aufwand der großen Reisen, welche P. nach Berlin, Danzig, Polen, Dänemark und zu seinem Schwager, dem [39] Herzog Friedrich von Kurland (1610–15) und endlich (1619) über Hamburg und Bremen nach Holland und England und zum Grafen Enno III. von Ostfriesland nach Emden und Aurich unternahm, welches Gepränge die disponiblen Einkünfte erschöpfte und das Land mit Schulden belastete. Selbst die Abtretung der Aemter Barth und Franzburg, welche Bogislaw XIII., nach seiner Succession im Herzogthum Stettin und dem Tode seines Bruders Casimir (10. Mai 1605), an seinen Neffen übergab, konnte die Zerrüttung der Finanzen des Wolgaster Hauses nicht beseitigen, da P. J. sich verpflichten mußte, seinem Oheim die aus dessen Privatmitteln, namentlich von der Mitgift seiner beiden Gemahlinnen Clara von Braunschweig-Lüneburg und Anna von Holstein bestrittenen Bauten und anderen Auslagen für die Schlösser in Barth und Franzburg, und für Manufacturen und Druckerei mit 110 000 Gulden zu vergüten. Dieser Zustand fortwährenden Geldmangels gewährte einen um so peinlicheren Eindruck, wenn man ihn mit dem Haushalte Bogislaw’s XIII. verglich, welcher nicht nur geordnete Finanzen hinterließ, sondern auch im Stande war, Kunst und Wissenschaft mit der genannten großen Summe zu unterstützen. Auch die Universität Greifswald entbehrte die wohlwollende Fürsorge ihres früheren Landesherrn Ernst Ludwig, welcher nicht nur die wissenschaftlichen Interessen derselben gefördert, sondern auch aus eigenen Mitteln ein neues Gebäude für die pommersche Hochschule begründet hatte; dieses wurde zwar nach dessen Tode (17. Juni 1592) unter der vormundschaftlichen Regierung Bogislaw’s XIII. in seiner äußeren Gestalt vollendet, blieb aber, da die Wolgaster Hofhaltung alle Einkünfte aufzehrte, in seinem obersten Stockwerk unausgebaut. Die Fürsorge des Sohnes beschränkte sich darauf, daß er dem Rector, ähnlich wie in Leipzig, einen neuen Sammetmantel schenkte, auf dem die neun Schilder des pommerschen Wappens in farbigem Golde gestickt waren, wie die Inschrift: „Philippus Julius, dei gratia dux Stettinensis, Pomeraniae. Cassubiorum et Vandalorum, princeps Rugiae, comes Gutzkoviae, terrarum Leoburgensium et Butoviensium dynasta, vestem hanc rectoralem universitati suae Gryphiswaldensi donavit, anno MDCXIX“ bezeugt. Dieses künstlerisch hervorragende Denkmal befindet sich im Original und in einer vom König Friedrich Wilhelm IV. geschenkten Nachbildung noch jetzt im Besitz der Universität. Hinsichtlich der wichtigsten Angelegenheiten der Hochschule, namentlich der baulichen Reparaturen, der Gehalte der Professoren und der Anlage einer Bibliothek, fehlte es jedoch an den nöthigen Fonds. Infolge dessen erlitt das Gebäude in seinen oberen Stockwerken einen solchen Schaden, daß es schon im J. 1750 durch einen Neubau ersetzt werden mußte; andererseits sah sich die Universität beim Ankauf der Selfisch’schen Bibliothek in Wittenberg (1604) genöthigt, den Kaufpreis von 2000 Gulden, bei Ratenzahlungen von 30 Gulden, zum größeren Theile zu verzinsen, und war im J. 1646 bei den Selfisch’schen Erben noch mit 1000 Gulden im Rückstande. Hinsichtlich der Gehalte wandte sich der Herzog (1605–6) an die Stände, welche jedoch die gewünschte Verbesserung, mit Hinweis auf die wegen des fürstlichen Aufwandes bestehende Steuerüberbürdung, ablehnten. Ebenso wiesen dieselben seine Forderung, die herzoglichen Kammerschulden, im Betrag von 5 Tonnen Goldes, durch neue Steuerausschreibungen zu decken, entschieden zurück, und übernahmen nur 1/5 derselben, ca. 100 000 Gulden. Durch diese Weigerung erzürnt, entschloß sich P. J., anstatt den höfischen Aufwand zu beschränken und dadurch das Vertrauen und mit diesem die Bereitwilligkeit der Stände zu gewinnen, zu rachsüchtigen Gewaltthätigkeiten gegen dieselben und namentlich gegen die unter ihnen vertretenen reichen Städte und deren Bürgermeister und Rathsmitglieder, deren kostbare Besitzthümer ihn für die Ebbe in seinen Kassen schadlos halten sollten. Bei diesen Unternehmungen bediente [40] er sich einer Mischung von mittelalterlicher Willkür und moderner unter der Form des Rechtes geübter List. Er bezeichnete die ihre alten vererbten Privilegien schützenden Rathsherren als Rebellen gegen den Landesfürsten und als Despoten gegen die Bürgerschaft, und um sie dafür zu strafen, griff er zu dem schon von seinen Vorfahren, damals aber unter der Form des ritterlichen Absagebriefes, geübten Mittel des kleinen Krieges, indem er dieselben hinterlistig überfiel, ihre Güter plünderte und brandschatzte, und die Gefangenen einkerkerte. Zugleich wußte er durch geschickte Unterhändler die Bürger, welche stets von Vorurtheilen gegen Rath und Patricier, bald mit Recht, bald mit Unrecht, eingenommen waren, für sich zu gewinnen, und durch diese, unter dem Schein des Beschützers der bürgerlichen Rechte, gewonnene Macht im Innern der Gemeinde den Widerstand des Rathes zu brechen. Zuerst wandte er dies Verfahren gegen Greifswald, wo im J. 1604 die Bürgermeister Nikolaus Schmiterlow VI. und Georg Corswant, mit dem Syndicus Dr. Theodor Meyer, infolge der bürgerlichen Unruhen ihre Aemter niederlegten, die Stadt verließen und an das Reichskammergericht appellirten. Sie erlangten jedoch keine Restitution, vielmehr wurden ihre Stellen durch andere Personen besetzt und vom Herzoge ein neuer Receß erlassen, welcher die Macht des Rathes beschränkte. Nachdem P. J. auf diese Art seine Macht innerhalb der Gemeinde verstärkt hatte, wußte er den Widerstand der Stadt gegen die Deckung der oben erwähnten 500 000 Gulden Kammerschulden durch angedrohte Aufhebung ihrer alten Handels-, Verwaltungs- und Justizprivilegien, sowie durch fernere Beschlagnahme des Stadtgutes Fresendorf zu überwinden, und bewirkte, daß Greifswald sich im J. 1611 zu einer einmaligen Zahlung von 14 000 Gulden verstand und außerdem von 1604–25 an Steuern ca. 25 000 Gulden in jährlichen Raten von 2200–2300 Gulden entrichtete. Als der Herzog auf diese Art seine Uebermacht an der kleineren Gemeinde geprüft hatte, wandte er sich in Selbstgewißheit auch gegen die reichste und mächtigste pommersche Stadt, gegen das durch seine Privilegien fast souverän dastehende Stralsund. Nach einer Reihe gegenseitiger Verwicklungen, namentlich Eingriffen in die Justiz, Ueberfall mehrerer Rathsherren, schlechter Behandlung der städtischen Gesandten, Quartiernahme ohne Geleitsbrief des Rathes und anderen Händeln, welche letzterer vergeblich durch Verträge und Abdankung des Syndicus Dr. Domann (1606) beizulegen suchte, entschloß sich P. J. (1611) zum offenen Bruche, übte auf städtischen Gütern fürstliche Justiz, und ließ, als der Rath sich widersetzte, mehrere Höfe in der Nachbarschaft Stralsunds und auf Rügen, u. A. des ihm besonders verhaßten Bürgermeisters Heinrich Buchow, plündern und zerstören, ein Verfahren, infolge dessen die Stadt den Herzog beim Reichskammergericht als Landfriedenesbrecher verklagte und dessen Verurtheilung erwirkte. Ueber diese ihm als empörende Anmaßung erscheinende Handlung aufs Höchste erzürnt, beschloß P. J., nachdem er sich zuvor der Zustimmung der gegen den Rath wegen Verfassungstreitigkeiten eingenommenen Bürgerschaft versichert hatte, am 3. Februar 1612, mit einem Gefolge von 180 Pferden und 248 Personen, ohne nachgesuchtes Geleit in die Stadt zu rücken und den Widerstand des Patriciats zu brechen. Der Rath suchte zwar diesen Eingriff in seine Privilegien durch Sperrung der Brücken und Thore, sowie durch Bewaffnung der Bürger zu verhindern; da letztere aber durch die Unterhändler des Herzogs für diesen gewonnen waren, fanden seine Befehle keinen Gehorsam, vielmehr zogen Fürst und Gefolge ungehindert ein, und der erstere begab sich am 4. Febr. aufs Rathhaus, um Bürgermeister und Rathsherren an derselben Stelle, wo diese früher Recht gesprochen hatten, vor seinen Richterstuhl zu laden. Hier verlas der fürstliche Kanzler Dr. Daniel Runge die Beschwerdeschrift, in welcher der Rath der Angriffe gegen die Landeshoheit des Herzogs und gegen die Freiheit [41] der Bürger angeklagt wurde, dann berief P. J. eine Commission, jene Beschwerden zu prüfen, entsetzte die Bürgermeister Heinrich Buchow und Henning Parow, sowie den Syndicus Dr. Lambert Steinwich und acht Rathsherren ihrer Aemter, an deren Stelle Thomas Brandenburg und Heinrich Hagemeister zu Bürgermeistern und fünf neue Rathsherren aus der Bürgerschaft gewählt wurden, und ernannte für letztere besondere ihm ergebene Wortführcr, u. A. Jusquinus v. Gosen, welche die bisher durch die Altermänner des Gewandhauses und der übrigen Companien im Sinne des Patriciats geführte Leitung im Interesse des Herzogs und der Demokratie reformiren sollten. Ein Versuch der Hansa, den Conflict zwischen beiden Parteien zu vermitteln, wurde von P. J. in derselben schroffen Weise, wie früher bei dem Greifswalder Recesse von 1604, zurückgewiesen; Stralsund seinerseits war damals so machtlos, daß es von 1612–16 die Bundesversammlungen nicht zu beschicken wagte. Dieser Zustand unumschränkter Macht beraubte jedoch den Herzog der verständigen Ueberlegung, und seine maßlose Willkür ließ die bisher, unter dem Schein des Rechts und des Beschützers bürgerlicher Freiheiten, geübten Handlungen im wahren Lichte als Gewaltthaten und Eigennutz erscheinen. Gegen die von ihm selbst ernannten Bürgermeister Brandenburg und Hagemeister erlaubte er sich, als dieselben bei den Verhandlungen über die neue Verfassung gerecht und unparteiisch verfuhren, so empfindliche Beleidigungen, daß der erstere nur, unter Vermittelung des Freiherrn Volkmar Wolf v. Putbus und des Prälaten Albrecht Wakenitz und nach einer von P. J. ausgesprochenen Entschuldigung, im Amte blieb, während Hagemeister infolge der fortgesetzten Gemüthsbewegungen schon im J. 1616 verstarb; Jusquinus v. Gosen aber, welcher niemals auf Seite des Rathes gestanden, sondern nur eifrig die Sache der Bürgerschaft vertreten hatte, wurde nicht nur seines Amtes entsetzt, sondern (1614–16) auf längere Zeit in Wolgast gefangen gehalten. Am meisten entfremdete der Herzog sich jedoch die Gesinnungen der Bürger durch sein von Jahr zu Jahr mehr hervortretendes Bestreben, den Mangel seiner Kassen aus dem reichen Silberschatze der Stralsunder Gewerke zu decken. In den Jahren 1613–17 gingen fast sämmtliche Geräthe edlen Metalles aus den Truhen der Gilden an den Wolgaster Hof, deren hohen Werth man darnach berechnen kann, daß allein die Gaben von drei Innungen an Gewicht 673 Loth Silber betrugen. In der Erkenntniß solchen Wandels der Gesinnungen berief nun der Herzog einen ausländischen Juristen, Heinrich Stamke (Stammichius)) aus Braunschweig, welcher (1613–16) mit großer Umsicht und Thatkraft die zwischen den drei Parteien, dem Landesherrn, dem Rath und der Bürgerschaft, waltenden Streitigkeiten durch zwei Verträge, den Erbvertrag vom 11. Juli 1615 und den Bürgervertrag vom 14. Februar 1616, beilegt. Letzterer regelte die inneren Angelegenheiten der Stadt und bewirkte, abgesehen von strengerer Ordnung in der Verwaltung der Kirchengüter und des städtischen Vermögens, eine Theilung der Macht zwischen Rath und Bürgerschaft, indem jener die Cooptation, die Justiz und Execution behielt, diese aber die Administration der Güter, namentlich die Cassenführung und Steuerverwaltung empfing. Der Erbvertrag sollte die Machtverhältnisse zwischen der Stadt und dem Herzoge regeln und die seit der Zeit der rügischen Fürsten schwebenden Streitigkeiten beilegen. Dies wurde jedoch nur zum Theil erreicht. Hinsichtlich der Kirchen behielt Stralsund das alte Recht der Vocation der Prediger; Ordination und Institution geschah dagegen durch den pommerschen Generalsuperintendenten, auch übte der Herzog beim Stadtsuperintendenten, anscheinend in Erinnerung des von Bogislaw X. (1497) erworbenen Rechts, die Propsteien und Prälaturen zu besetzen, die Bestätigung, und hinsichtlich der geistlichen Güter die durch fürstliche Räthe in bestimmten Terminen zu vollziehende Visitation. [42] Hinsichtlich des Bürgereides erhielt der dem Herzoge zu leistende Eid den Vorrang, erst nach dessen Ablegung durfte der neu aufzunehmende Bürger dem Rathe Treue schwören. Hinsichtlich der Competenz des fürstlichen Hofgerichts und des Stadtgerichts, sowie der Appellation nach Lübeck traf man sehr specialisirte Anordnungen, aus denen neue Zwistigkeiten hervorgingen; dagegen einigte man sich ohne Schwierigkeit wegen der von P. J. geforderten Geldzahlungen. Die Stadt übernahm, abgesehen von den bereits erwähnten Silbergaben der Gewerke, sämmtliche Unterhaltungskosten des Hofes und der fürstlichen Räthe, die sich für das Jahr 1616 auf 19 000 Mark beliefen, und zahlte außerdem, als Gratification für angebliche Bemühungen des Herzogs, in verschiedenen Raten die Summe von 35 000 Gulden. Nachdem auf diese Art der angebliche Zweck der Gerechtigkeit, und der verborgene des finanziellen Vortheils erreicht war, zeigte sich der Herzog versöhnlicher; er genehmigte nicht nur die Restitution der suspendirten Rathsmitglieder und die Wahl des früheren Syndicus Dr. Lambert Steinwich zum Bürgermeister an des verstorbenen Hagemeisters Stelle, sondern willigte auch in die Entlassung des Bürgerworthalters Stamke, dessen Amt an den Dr. Jakob Hasert überging, und erkannte sogar das Recht des Hansabundes an, bei Erneuerung der Streitigkeiten mit Stralsund, (1620–22) zwischen ihm und der Stadt zu vermitteln. Zu solcher Nachgiebigkeit entschloß sich P. J. einerseits wohl in der richtigen Erkenntniß von L. Steinwich’s ausgezeichneten Fähigkeiten und seiner trefflichen Führung des Stralsunder Gemeindewesens, mit welcher seit 1620, nach Dr. Domann’s Tode, auch das Syndicat der Hansa verbunden war, andererseits aber unter dem Einfluß mehrerer verderblichen Mächte, welchen er nicht mit Willkür zu begegnen vermochte. Bald nach seiner niederländischen Reise verfiel er nämlich einem solchen Siechthum, daß die von ihm consultirten Greifswalder Aerzte ihn zur äußersten Vorsicht und zur Aenderung seiner Lebensweise ermahnten; zwar scheint P. J., wie sich aus einem Briefe von 1624 schließen läßt, ihrem Rathe nicht gefolgt zu sein, doch dürfen wir annehmen, daß seine körperlichen Schmerzen und Beschwerden ihn hinsichtlich der Stralsunder Verhältnisse gefügiger machten. Die zweite unheimliche Macht, welche den Schluß seiner Regierung beeinflußte, war die Gefahr des 30jährigen Krieges, welcher anfangs auf Süddeutschland beschränkt, seit Aufhebung des Majestätsbriefes (1623), auch die pommerschen Grenzen bedrohte, und der seit dem Jahre 1624 von einer furchtbaren Pest begleitet wurde. Dieser Vereinigung körperlicher Gebrechen mit den Schrecken des Krieges und einer verderblichen Epidemie mußte seine frühere Energie und Herrschsucht nothwendiger Weise unterliegen. Um so empfindlicher litten Herzog und Land unter der noch immer bestehenden Verschuldung, welche trotz der erwähnten Bewilligung der Stände und der Contributionen in Greifswald und Stralsund noch immer auf 500 000 Gulden veranschlagt werden mußte. In dieser Noth entschloß sich P. J. die Insel Rügen für 150 000 Thaler an Dänemark zu verpfänden, doch scheiterte dieser Plan an dem verständigen Widerspruche Bogislaw’s XIV. von Stettin. Bei solchem Mangel disponibler Fonds ließ sich demnach auch die Wehrkraft Pommerns nicht in dem Maße verstärken, wie es die Kriegsgefahr erforderte, jedoch ordnete der Herzog, nachdem sich die Hansa mit Holland (1616) zu einem Bündnisse vereinigt hatte, im J. 1623, zugleich mit dem nieder- und obersächsischen Kreise, eine Landesvertheidigung an, und hielt zu diesem Zweck auch eine Zusammenkunft mit dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg in Gramtzow. Unter diesen Rüstungen und nachdem er, infolge des Todes des Herzogs Ulrich († am 31. October 1622), die Würde eines Coadjutors im Bisthum Cammin empfangen hatte, starb P. J. am 6. Februar 1625, während eine furchtbare Sturmfluth die pommerschen Küsten verheerte. Erst sein Nachfolger [43] Bogislaw XIV., welcher ganz Pommern und das Bisthum Cammin unter seinem Scepter vereinigte, zugleich aber (10. März 1637) das herzogliche Geschlecht beschloß, erlebte die Stürme, welche der 30jährige Krieg über Pommern verhängte; jenes Unglück jedoch, welches seine Verschwendung über ihn brachte, schien ihn auch noch in seinem Tode zu verfolgen, denn die fürstliche Gruft zu Wolgast, in welcher er mit großer Pracht beigesetzt war, erlitt im J. 1688 eine Plünderung, die namentlich durch das Gerücht über die in seinem Sarkophage befindlichen Kleinodien verursacht wurde. Sein Bildniß befindet sich auf dem Rathhause zu Anklam.

Quellen: Beschreibung des Lebens Philippi Julii, von 1625, in Bohlen’s Personalien und Leichenprocessionen der Herzöge v. Pommern, 1869, S. 417 ff. – Joach. v. Wedels Hausbuch h. v. Bohlen i. d. Bibl. d. litt. Vereins in Stuttgart, CLXI, 1882, S. 402 ff. – Cramer, Pom. Kirchen Chronicon, IV, c. 13, S. 43–226. – Schwallenberg, Geschichtscalender, 1600–25. – Balt. Stud. II, 2, S. 174 ff. – Micrälius, v. altem Pommerlande, III, S. 385 ff. – Sell, Pom. Gesch. III, 209–19. – Barthold, Pom. Gesch. IV, 2, S. 420–508. – Gesterding, Beitr. z. Gesch. d. St. Greifswald, Nr. 649–747, S. 207–43. Pyl, Pom. Genealogien, II, 354; Lib. Decanat. fac. art. Gryph. f. 211 ff.; Alb. univ. Gryph. II, f. 21 ff. – Kosegarten, Gesch. d. Univ. II, S. 225–38. – Aug. Balthasar, v. d. Akad. Gebäuden, S. 12. – Mohnike u. Zober, Stralsunder Chroniken, II, 90–145. – Brandenburg, Gesch. d. Strals. Magistrats, 57 ff., 91 ff. – Dinnies u. Charisius, Man. – Fock, Rüg. Pom. Gesch. VI, 35–82, 108–112. – Heller, Chronik v. Wolgast, 334–348.