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Artikel „Wedel, Joachim von“ von Gottfried von Bülow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 409–410, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wedel,_Joachim_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 13:57 Uhr UTC)
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Wedel: Joachim v. W., auf Blumberg, Replin, Cremzow, Latzkow und Gertzlow, pommerscher Annalist, geboren am 2. Juli 1552 zu Blumberg als Sohn des Otto v. W. († 1557) und der Gertrud v. Eichstedt, studirte von 1569 an in Greifswald und Frankfurt. Im J. 1574 übernahm er Blumberg, baute sich daselbst ein neues Wohnhaus und heirathete am 4. März 1576 Ilse v. Arnim († 13. Juli 1606), Tochter des Otto v. Arnim († 1583) auf Schönermarck und Gerswalde, die ihm 9 Söhne und 6 Töchter gebar. Er selbst wird im J. 1609 als verstorben aufgeführt. Am 17. October 1604 war er als ritterschaftlicher Landrath vereidigt worden. Seine männliche Nachkommenschaft ist mit seinem Enkel Levin v. Wedel 1681 ausgestorben, die weibliche blüht noch heute fort. Nachdem W. ein „Opusculum von Regimentsordnung“ geschrieben, faßte er den Plan, ein Werk „Annales oder Hausbuch“ zusammenzutragen, welches die vornehmsten Geschichten, die sich von 1500 bis zum Jahre 1606 in Pommern und anderwärts ereignet, enthalten sollte. Ein drittes Werk „Paralipomena Pomeranicae historiae“ wird von Böhmer für ein Ueberbleibsel des vorerwähnten Opusculum gehalten. Beide sind verschwunden. Die Annalen dagegen oder, nach dem üblichen Ausdruck, Wedel’s Hausbuch ist erhalten und bietet, für den Anfang des 16. Jahrh. auf Kantzow’s Pomerania (s. A. D. B. XV, 97) beruhend, für das letzte Drittheil dieses Zeitraums und bis zum Jahre 1606 eine wichtige Quelle pommerscher Geschichte dar. Das Werk war nicht für die Oeffentlichkeit, sondern nur für die Familie bestimmt und enthält daher viele Nachrichten, die nur für diese von Werth sind, doch haben schon bald nach des Verfassers Tode pommersche Geschichtsschreiber aus dieser Quelle in ausgiebiger Weise geschöpft. Friedeborn (s. A. D. B. VII, 388) in seiner „Historischen Beschreibung der Stadt Alten-Stettin“, 1613, Cramer (IV, 546) im „Großen pommerschen Kirchenchronikon“, 1628, und Micraelius (XXI, 700) in den „Sechs Büchern vom alten Pommerlande“, 1639, haben das Hausbuch stark ausgeschrieben. Nur was nach irgend einer Seite hin hätte verletzen können, haben sie ausgelassen, und das ist oft das Interessanteste. Daß sie ihre Quelle nicht genannt haben, widerspricht allerdings den heutigen Anschauungen; aber früher war man bei Aneignung fremden litterarischen Gutes weniger scrupulös. Das Original des Hausbuches scheint verloren, doch existiren allein in Pommern eine größere Anzahl Abschriften. Eine vollständige Textausgabe beabsichtigte Chr. Schöttgen (s. A. D. B. XXXII, 412) herzustellen, ist aber nicht dazu gekommen, nur [410] Dähnert (IV, 700) hat in seiner „Pommerschen Bibliothek“, 1753, die von Friedeborn, Cramer und Micraelius ausgelassenen Stellen unter dem Titel: „Nachrichten zur pommerschen Geschichte aus Joachims v. W. pommerscher Chronik“ veröffentlicht. Böhmer’s Vorschlag, das Hauptsächlichste aus dem Hausbuch auszuziehen und mit einer Einleitung versehen, auf etwa 2 Bogen drucken zu lassen, hat glücklicher Weise keinen Beifall gefunden. Erst in jüngster Zeit hat Freiherr Julius v. Bohlen den Text des Hausbuches nach der in Stettin verwahrten Abschrift von Chr. Kiel herausgegeben und sich damit immerhin ein Verdienst erworben, wenngleich dadurch einer wissenschaftlichen, auf der erforderlichen Berücksichtigung der anderen Abschriften basirenden Bearbeitung vorläufig der Weg verlegt ist. v. W. bestrebt sich nach seinen eigenen Worten, in dem mit zahlreichen classischen Citaten gelehrt verbrämten Hausbuch überall die lautere, wenn auch herbe Wahrheit zu sagen, und Thatsachen und Personen so zu schildern, wie sie wirklich waren. Seine gesellschaftliche Stellung, seine Bildung und sein Amt befähigten ihn durchaus, die wahre Beschaffenheit der Dinge in seiner Umgebung kennen zu lernen und die leitenden Persönlichkeiten so zu kennzeichnen, wie sie vor dem Auge eines scharfen Beobachters sich darstellten, und insofern verdient er durchaus das Lob, welches frühere Geschichtsschreiber namentlich v. Bohlen mit großer Wärme ihm zollen. Das Hausbuch ist in der That für das letzte Drittheil des 16. Jahrh. und für Alles, was v. W. aus eigner Anschauung kannte, nächst den gleichzeitigen Acten und Urkunden die wichtigste Quelle pommerscher Geschichte. Nichtsdestoweniger aber bleibt v. W. immer ein Kind seiner Zeit, welches die Dinge mit dem Auge und Verständniß eben dieser Zeit sieht und beurtheilt. Wie schief dieses Urtheil zuweilen ausfällt, zeigt die falsche und gehässige Darstellung des Bankerottes Loytz (s. A. D. B. XIX, 320), dessen wirkliche Ursache, die Zahlungsunfähigkeit der Krone Polen gegenüber Pommern im J. 1572, W. aus den gleichzeitigen Landtagsverhandlungen wohl hätte erfahren können. Man suchte aber ein Opfer, dem man die Schuld an der daraus entstehenden Landescalamität aufbürden konnte, und wenn bis in die Neuzeit hinein die Loytze als die Schuldigen galten, so beruht dies falsche Urtheil wesentlich auf v. Wedel’s parteiischer Schilderung.

J. v. Bohlen, Hausbuch des Joachim v. Wedel, Tübinger Litterar. Verein, 1882. – W. Böhmer in Baltische Studien III, 90.