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Artikel „Meyer, Marx“ von Georg Waitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 611–612, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meyer,_Marx&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 20:17 Uhr UTC)
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Meyer: Marx M., Lübecker Feldhauptmann, geb. am Ausgang des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts, ursprünglich Grob- oder Ankerschmied in Hamburg, diente später als Söldnerführer nach der Weise der Zeit, im J. 1532 für König Friedrich von Dänemark, als der vertriebene Christian II. versuchte von Norwegen aus die verlorene Herrschaft wieder zu gewinnen, dann für Lübeck, das ihn mit 600 Knechten als Reichshülfe gegen die Türken schickte. Durch Heirath mit der Wittwe eines Bürgermeisters, deren Gunst der stattliche, stark sinnliche Mann zu gewinnen wußte, faßte er Fuß in der Stadt, wo er durch Prunk und üppiges Leben, wie es die Chronisten der Zeit schildern, Aufsehn erregte, bald aber auch eine politische Rolle spielte, da er in nähere Beziehungen zu Jürgen Wullenwever trat, der damals als Führer einer demokratischen Bewegung kühne Pläne für die Macht Lübecks verfolgte, dabei aber, wol gerade unter Meyer’s Einfluß, auf die Wege weit aussehender abenteuerlicher Unternehmungen geführt ward. Wenig glücklich bei einem Zug gegen die feindlichen Holländer, lief dieser in einen englischen Hafen ein, wo er anfangs feindlich behandelt ward, dann aber vor den König Heinrich VIII. geführt, diesen zu gewinnen wußte, von ihm den Ritterschlag und das Versprechen eines Jahrgehalts empfing und nichs geringeres betrieb als eine Verbindung gegen Dänemark, über dessen Herrschaft nach dem Tode Friedrichs I. man in Lübeck zu verfügen sich vermaß. Bei all den wechselnden Unternehmungen, zu denen das führte, war M. thätig; mehr als eine hat er veranlaßt: er führte den Svante Sture, den Lübeck gleichzeitig in Schweden als Prätendenten aufzustellen gedachte, da lockende Versprechungen nichts geholfen, mit Gewalt nach der Stadt; er überfiel die holsteinsche Feste Erittau, vielleicht aus persönlicher Feindseligkeit gegen den Ritter, der sie innehatte, und eröffnete so den Krieg, der nach einem Verbündeten der Stadt, dem Grafen Christoph von Oldenburg, die Grafenfehde genannt worden [612] ist. Da dieser ungünstig für Lübeck verlief, der Herzog Christian III. von Schleswig-Holstein die Stadt einschloß und bedrängte, erfuhr M. wie Wullenwever den Umschwung in der Gunst des Volkes: man beschuldigte ihn die Vertheidigung schlecht zu leiten, nichts von dem Kriege zu verstehen. Als der Friede mit dem Herzog geschlossen war (18. November 1534), ging M. nach Dänemark, wo er nach manchem Wechsel der Dinge seine Tage beschließen sollte. In der schonischen Festung Warberg von den verbündeten Dänen und Schweden gefangen (15. Januar 1533), wußte er (11./12. März) mit Hülfe der Bürgerschaft sich des Schlosses zu bemächtigen und sich dann eine Zeit lang in selbständiger Stellung zu behaupten. Aber die Hülfe, die er suchte, ward ihm nicht zutheil; neue Verhandlungen mit Heinrich VIII., dem er Warberg übergeben wollte, führten zu keinem Resultat; von den Truppen und Schiffen Christians III., der in Dänemark als König anerkannt war, zu Lande und zu Wasser eingeschlossen, mußte er nach längerer Gegenwehr sich ergeben (27. Mai 1536). Es waren ihm Aussichten gemacht wenigstens mit dem Leben davonzukommen; vielleicht hoffte er noch den König selbst gewinnen zu können, vor dem er sich „verantworten“ sollte. Aber persönliche Feinde in Christians Umgebung drängten auf peinliche Untersuchung und Gericht; auch Lübeck, mit dem er nach Wullenwever’s Sturz zerfallen, das selbst die Frau „unmilde“ behandelte, mahnte zur Strenge. Fast alle Vorgänge der letzten Jahre wurden in dem Verhör zur Sprache gebracht, und manches sagte M. aus, auch daß ihm bei dem Unternehmen gegen Dänemark die Insel Gothland zugedacht; anderes aber schob er auf Wullenwever. Am Ende mußte die Ueberrumpelung Warberg’s als Grund der Verurtheilung dienen. M. ward enthauptet, geviertheilt, der Leib aufs Rad gelegt (Juni 1536). Ein Bruder Gerd, der in der letzten Zeit ihm zur Seite gestanden, theilte auf Anklagen hin, die Lübeck erhob, dies Schicksal. So endete ein Mann, den wenig rühmliche Eigenschaften zierten, der aber wohl den Tod eines tapferen Kriegsmannes verdient hätte.

Nachrichten in den Lübecker Chroniken des Bonnus, Regkmann und Reimer Koch, den Hamburger Jahrbüchern seit 1531 (Lappenberg, Hamburger Chroniken, S. 300). Briefe von ihm und die Protokolle seines Processes bei C. Paludan Müller, Aktstykker til Nordens historie: Grevefeidens Tid I (1852). Vgl.: Wurm, Die politischen Beziehungen Heinrich VIII. zu Marcus Meyer und Jürgen Wullenwever (1852) und die Darstellung in dem Buche: Jürgen Wullenwever und die Europäische Politik, 3 Bde., 1855–1856.