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Artikel „Wessel, Franz“ von Theodor Pyl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 139–141, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wessel,_Franz&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 15:27 Uhr UTC)
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Wessel: Franz W., Bürgermeister von Stralsund und Förderer der hier (1524–25) eingeführten Reformation, war der Sohn des dortigen Brauers Hans W. aus dessen Ehe mit Otke Strelow und am 30. September 1487 geboren. Nachdem er (1497–99) die Schule der Marienkirche besucht und bei [140] Mathias Löwe auch die Anfangsgründe der lateinischen Sprache gelernt hatte, begab er sich (1499–1507) auf längere kaufmännische Reisen nach Dänemark, Schonen, den Ostseeprovinzen und nach Holland, um eine praktische Lebenserfahrung zu gewinnen. Auch nahm er, dem Sinne jener Zeit gemäß, an mehreren Wallfahrten theil, u. a. fuhr er (1508) zu Schiff durch die Nordsee, an der englischen und französischen Küste nach S. Jago de Compostella in Spanien, sowie (1510) nach Sternberg, Einsiedeln, Aachen und Trier, wobei er manche Abenteuer und Lebensgefahren zu überwinden hatte. Nach dem Tode seines Vaters (1509) zu ansehnlichem Wohlstande gelangt, verheirathete er sich (1511) mit Margarete Lange, einer Tochter des Rathsherrn Ludeke Lange (1494–1530), und war in seinem Hause, sowie bei anderen Gastlichkeiten ein beliebter Gesellschafter, der durch Erzählungen von seinen Reisen und kunstvolle Spiele seine Umgebung zu erheitern wußte. Im Interesse seiner Vaterstadt war er unermüdlich thätig, u. a. im Kriege mit dem König Johann von Dänemark (1511), da er mit Böten und Geschützen den Stralsunder Hafen vertheidigte und auf diese Art vielen seiner Mitbürger das Leben rettete, sowie als Provisor der Marienkirche (1516), deren erst vor einem Menschenalter vollendete Thurmspitze von ihm durch Ergänzung des frühzeitig vergangenen Bauholzes und der entwendeten eisernen Verbandstücke vor dem Umsturze bewahrt wurde. Im Zusammenhange mit dieser Baute steht auch wol die von ihm ausgeführte Anlage eines Eichengehölzes und eines Teiches in unmittelbarer Nähe der Stadt. Ein noch höheres Verdienst erwarb sich W. dadurch, daß er, in Gemeinschaft mit L. Vischer, B. Buchow, C. Böke, B. Prütze, J. Trittelvitz und Chr. Lorber, die evangelische Lehre, welche (1523 ff.) zuerst von Georg v. Ukermünde und dann von Chr. Ketelhodt (s. A. D. B. XV, 666) in Stralsund gepredigt wurde, gegen die Geistlichkeit, namentlich gegen den Administrator des Bischofs von Schwerin, G. Wardenberg und den Oberpfarrherrn H. Steinwehr (s. A. D. B. XXXVI, 25), und den BM. Z. Oseborn und dessen Anhänger im Rathe in Schutz nahm, wobei ihn auch der von einer diplomatischen Reise heimkehrende BM. Schmiterlow (s. A. D. B. XXXII, 37), unterstützte. In Anerkennung dieser Verdienste und zugleich mit der Absicht, die evangelische Partei im Rathe zu stärken, wurde W. dann (1524), nach des BM. Trittelvitz Tode, von dessen Nachfolgern Chr. Lorber und R. Moller in den Rath gewählt, und, nebst B. Buchow, vorzugsweise mit der Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten beauftragt, da dieselben nach der Flucht der katholischen Geistlichen und bei dem Mangel lutherischer Prediger einer besonderen Aufsicht bedurften. In dieser Stellung leitete er die Entfernung der Heiligenbilder aus den Kirchen, die Aufhebung der Klöster, die Inventarisirung der geistlichen Güter und Anstellung protestantischer Prediger. Auch vertrat er die Stadt bei den Zeugenverhören in ihrem Processe gegen H. Steinwehr (1527–30), und bei ihrer Fehde mit dem Abte von Neuencamp (1528), sowie auf dem Landtage zu Treptow (1534). Ebenso betheiligte er sich an den Verhandlungen Stralsunds mit den pommerschen Herzogen und auf den Hansatagen, namentlich während des von Wullenwever (1534–37) gegen Dänemark unternommenen Krieges, wobei er der Stadt aus seinem bedeutenden Vermögen wiederholt große Vorschüsse an Geld leistete, und häufig in Lebensgefahr gerieth. Als dann der BM. Lorber in richtiger Erkenntniß, daß jener Krieg hoffnungslos sei, durch Entfernung des Stralsunder Siegels dem Vertrage der Städte mit Albrecht von Mecklenburg seine Anerkennung versagte, gab W., vermöge seiner praktischen Lebenserfahrung, nicht nur seine Zustimmung, sondern reichte ihm überdies noch sein Taschenmesser zur Beschleunigung seines Vorhabens, und hatte auch bald darauf (1537), als Zeuge bei der Krönung des an Albrecht’s Stelle gewählten König Christian III. in Kopenhagen, die [141] Genugthuung, daß seine Voraussicht sich bewahrheitet habe. Im J. 1541 zum Bürgermeister erwählt, wirkte er in gleicher Weise für das Wohl seiner Vaterstadt, und vertrat dieselbe auch, in Gemeinschaft mit Chr. Lorber (2. Oct. 1541), bei der Huldigung des Herzogs Philipp I. Infolge eines durch die Predigten des religiösen Schwärmers Peter Suleke, und dessen Gefangennehmung entstandenen Aufruhrs, erlitt W. jedoch (1. Febr. 1559) einen Schlaganfall, welcher ihn verhinderte, die Kirche und die Rathssitzungen zu besuchen. In dieser Zeit bis zu seinem Tode (19. Mai 1570) erwarb er sich noch durch mehrere Stiftungen und Anordnungen, besonders um die Marienkirche ein hohes Verdienst, welche, im Zusammenhang mit seinen Aufzeichnungen in der von ihm (1555) der Kirche geschenkten Bibel, seiner Schilderung des katholischen Cultus und seinem im Stralsunder Rathhaus aufgestellten Bildniß ihm ein bleibendes ehrenvolles Andenken erhalten.

Gerh. Dröge, Leben Fr. Wessel’s, in Mohnike’s Asg. v. Sastrow’s Leben III, 264–324. – Dinnies, stemm. Sund. – Etlike Stucke, wo it vormals im Pawestdhome thom Stralsunde gestahn, d. Fr. Wessel beschreven, 1550, hrsg. v. A. Balthasar, Pom. Kirchenr. (ius past.) II, 876 ff., Rühs, Pom. Denkw. 162 ff. u. Zober, 1837. – Die Aufzeichnungen der Wessel’schen Bibel v. 1555, h. v. Zober 1837 und Strals. Chroniken III, 507–527. – Vgl. auch Mohnike u. Zober, Strals. Chron. I, 17, 35, 38, 47, 68, 117, 119, 144, 145, 152, 223, 245. – Kantzow, h. v. Kosegarten II, 344, 363. – Mohnike, Sastrow’s Leben I, S. LIX-LXII, 127–131. – Fock, Rüg.-Pom. Gesch. V, 86 ff. 142 ff. – Pyl, Pom. Genealogien II, 303.