ADB:Fock, Otto Heinrich Friedrich

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Artikel „Fock, Otto Heinrich Friedrich“ von Adolf Häckermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 142–145, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fock,_Otto_Heinrich_Friedrich&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 10:23 Uhr UTC)
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Fock: Otto Heinrich Friedrich F., sowol auf dem Gebiete der Theologie als der pommer’schen Specialgeschichte ausgezeichnet, geboren am 29. April 1819 zu Schwarbe auf der rügen’schen Halbinsel Wittow, † zu Stralsund am 24. October 1872, war der Sohn eines wohlhabenden Domänenpächters, des Oberamtmannes Johann Peter F., welcher ihm in Gemeinschaft mit seinen zahlreichen Geschwistern durch tüchtige Hauslehrer eine sorgfältige Erziehung geben ließ. Als er dann seit Michaelis 1834 die beiden oberen Klassen des Stralsunder Gymnasiums besuchte, erlangte er sowol durch natürliche Anlagen, wie durch unermüdlichen Fleiß auf allen Gebieten des Schulunterrichts eine so gleichmäßige Sicherheit des Wissens, daß er bald unter seinen Mitschülern die erste Stelle einnahm und solche bis zum Abgange im Herbste 1837 behauptete. In dieser Zeit trat bei ihm auch schon eine besondere Neigung und Begabung für Musik und Zeichenkunst hervor. Zur eigentlichen Fachwissenschaft wählte er jedoch die Theologie und widmete sich diesem Studium auf den Universitäten Bonn und Berlin. Als er sich hier in der Folge im J. 1842 um die theologische Licentiatenwürde bewarb, ward er trotz Marheineke’s Verwendung wegen [143] der in seiner eingereichten Arbeit hervortretenden liberalen kritischen Richtung zurückgewiesen. Doch gelang es ihm in Greifswald, wo damals in der theologischen Facultät eine freiere Anschauung herrschte, in Anerkennung der in seiner „Dissertatio de christologia Berylli Bostreni“, sowie bei der Prüfung (31. Juli 1843) bewährten gründlichen Kenntnisse, zum Licentiaten der Theologie promovirt zu werden. Da das Ministerium Eichhorn, welches die freisinnigen Lehrkräfte der Facultät zu vermindern wünschte, jedoch nur unter der Bedingung seine Zustimmung gab, daß er auf die Habilitation an der pommer’schen Hochschule verzichtete, so begab er sich nach Kiel, wo er ohne Schwierigkeit seine Habilitation im Herbste 1843 erreichte und im Sommersemester des folgenden Jahres seine Vorlesungen begann. In ununterbrochener Folge las er dort bis zum März 1848 über Dogmengeschichte, Symbolik, Geschichte der neuesten Theologie, sowie über die Paulinischen Briefe und erfreute sich in allen Collegien eines zahlreichen Zuhörerkreises. Mit den Vorlesungen verband er eine umfangreiche schriftstellerische Thätigkeit, indem er Recensionen für die Halle’sche Allgemeine Litteraturzeitung schrieb und einige historische Arbeiten in der Leipziger Zeitschrift für historische Theologie veröffentlichte, während andere, größere Aufsätze allgemeineren Inhalts in den von Schwegler in Tübingen herausgegebenen Jahrbüchern der Gegenwart und in den Cotta’schen Monatsblättern zur Ergänzung der Allgemeinen Zeitung erschienen. Eine von ihm 1845 verfaßte Monographie betraf den Mißbrauch der Verehrung des heiligen Rockes zu Trier; von größerer Bedeutung für die theologische Wissenschaft war dagegen ein ausführliches Werk über die Socinianer. War es ihm in Folge der am Hofe zu Kopenhagen begünstigten theologischen Richtung auch versagt, eine Beförderung zur Professur zu erlangen, so betrachtete F. dennoch seine akademische Laufbahn in Kiel als eine glückliche Zeit, an die er mit Vorliebe zurückdachte. Nicht nur erfreute ihn seine erfolgreiche Wirksamkeit als Lehrer der akademischen Jugend, sondern er schöpfte auch eine Fülle von Anregungen aus dem frischen wissenschaftlichen Leben, welches; damals unter den Docenten der Universität herrschte, unter denen namentlich der Theologe Baumgarten, die Historiker Waitz und Droysen, Otto Jahn und Johannes Christiansen einen bleibenden Einfluß auf ihn ausübten. Seine Universitätslaufbahn wurde jedoch im J. 1848 durch die Erhebung Schleswig-Holsteins gegen die dänischen Uebergriffe unterbrochen. F. hatte sich bis dahin vom öffentlichen politischen Leben ferngehalten, jetzt aber schloß er sich der nationalen Sache von ganzer Seele an. Beim Ausbruch des Kampfes erhielt er anfangs die Stellung eines Zugführers in einer Freiwilligencompagnie; vor dem Ausmarsch aber ward er als Bevollmächtigter der provisorischen Regierung an den Schweriner Hof geschickt, um die Hülfe desselben in dem beginnenden Kampfe anzusprechen. Dies blieb zwar ohne Erfolg; inzwischen waren jedoch die preußischen Truppen unter General Wrangel eingerückt, und nach erfolgter Kriegserklärung auch das 10. Bundesarmeecorps herangezogen. F. folgte nun als Freiwilliger der über das Danewirke siegreich vorrückenden preußischen Armee, glaubte aber aus der Art der Kriegführung bald zu erkennen, daß mit der Sache der Elbherzogthümer ein zweideutiges Spiel getrieben werde. Ende April nach Kiel zurückgekehrt, begab er sich, da Vorlesungen nicht gehalten wurden, nach Berlin, wo er sich vergeblich um eine Professur bemühte, von da nach Frankfurt, wo er zwei Monate lang als Correspondent der von der provisorischen Regierung ins Leben gerufenen „Schleswig-Holsteinischen Zeitung“ thätig war. Um jene Zeit ward F. von Dr. Heinrich Kruse zur Mitredaction der „Neuen Berliner Zeitung“ berufen, löste sein Verhältniß zu der Kieler Universität, auf der ihm keine Beförderung in Aussicht gestellt ward, und trat in den neuen Beruf ein, lag demselben jedoch nur kurze Zeit ob. In [144] Folge von Mißhelligkeiten aus der Redaction geschieden, folgte er der Aufforderung, die Redaction der „Schleswig-Holsteinischen Zeitung“ zu übernehmen, welche von Rendsburg nach Altona übersiedelte. So stand denn F. an der Spitze eines Blattes, welches als das Organ der nationalen Erhebung bald das verbreitetste und einflußreichste in Schleswig-Holstein ward, und hatte einen Beruf gefunden, welchem er mit Eifer und Geschick drei Jahre lang genügte. Als am 1. April 1849 die „Schleswig-Holsteinische Zeitung“ mit bedeutenden Erweiterungen in die „Neue Freie Presse“ umgewandelt wurde, theilten F. und Olshausen sich in die Redaction, doch blieb die Hauptleitung Ersterem überlassen. Seine Thätigkeit war ebenso anstrengend, als bildend und interessant. Hamburg und Altona, wo sich der Sitz der Redaction befand, waren Mittelpunkte des bewegtesten Lebens und gaben ihm Gelegenheit, mit manchen bedeutenden Persönlichkeiten, insbesondere mit politischen Flüchtlingen, unter ihnen dem ungarischen Insurgentenführer Klapka, in Berührung zu treten. Zur Regierung der Herzogthümer stand die „Neue Freie Presse“ bald in scharfer Opposition, namentlich seitdem die provisorische Regierung durch die „gemeinsame Regierung“ von vorherrschend aristokratisch-conservativem Charakter ersetzt wurde und letzterer dann 1849 die von der deutschen Centralgewalt ernannte Statthalterschaft folgte. Ebenso wurde, als nach dem Ablauf des Malmöer Waffenstillstandes der Bundesgeneral v. Prittwitz den Kampf mit Rücksicht auf die diplomatischen Verhältnisse nur zögernd und ohne Glück für die Herzogthümer fortsetzte, die Kriegsführung von der „Neuen Freien Presse“ scharf getadelt. Nachdem durch den Waffenstillstand von Berlin (10. Juli) Schleswig den Dänen so gut wie preisgegeben und nur Holstein der Statthalterschaft verblieben war, trat F. am 10. Januar 1850 in die schleswig-holsteinische Landesversammlung und nach deren Auflösung in Dithmarschen wiedergewählt in die erste ordentliche Landesversammlung als thätiges Mitglied der Linken. Nach der unglücklichen Schlacht bei Idstedt (25. Juli 1850) trat er jedoch selbst vorübergehend als Artillerist in die Armee, da nach seiner Meinung die ganze Wehrkraft des Landes aufgeboten werden mußte. Die Anstrengungen der Schanzarbeiten überstiegen jedoch seine körperlichen Kräfte; er kehrte daher am 1. September zur Redaction zurück, zugleich in Kiel wieder als Abgeordneter thätig. Hier erhielt er auch nach dem verunglückten Sturm auf Friedrichsstadt am 4. October, als General v. Willisen das Obercommando an den Freiherrn v. d. Horst abtrat, in dem zur Prüfung der Sachlage berufenen Landesausschuß Sitz und Stimme. In diesem blieb er jedoch gegenüber der preußisch-österreichischen Aufforderung vom 6. Januar 1851, welche die Feindseligkeiten einzustellen und die Waffen niederzulegen gebot, mit seinem Votum für die Fortsetzung des Kampfes in der Minorität. Auch der endgültige Beschluß der Landesversammlung fiel angesichts der thatsächlichen Unmöglichkeit bewaffneten Widerstandes gegen die preußisch- österreichischen Truppen für die Unterwerfung aus. F. aber legte am Tage, mit welchem die neue Regierung der Bundescommissäre eintrat, die Redaction der „Neuen Freien Presse“ nieder, da dieselbe mit der verlorenen Sache des Vaterlandes Ziel und Zweck ihres Bestehens verloren hatte. So aus seiner amtlichen und politischen Thätigkeit entfernt und durch wachsende körperliche Leiden an Uebernahme eines neuen Berufes gehindert, kehrte er in das väterliche Haus zu Schwarbe auf Rügen zurück, siedelte später mit seiner Familie nach Prohn und endlich nach Stralsund über, wo sein Vater im J. 1862 starb. Die erste Zeit dieser Muße widmete er einem Rückblicke auf seine politische Vergangenheit und verwerthete seine reichen persönlichen Erfahrungen durch Herausgabe einer ausführlichen Darstellung, welche unter dem Namen „Schleswig-Holsteinische Erinnerungen aus den J. 1848–51“ erschien; dann aber wandte [145] er sich fast ausschließlich dem Studium der rügisch-pommer’schen Geschichte zu. Schon in seiner Jugend hatte die Lage seines Geburtsortes unter den Wällen der alten Tempelburg Arkona ihm die Anregung gegeben, den Bericht des dänischen Geschichtsschreibers über den Fall des heidnischen Wendenheiligthums mit kritischem Auge zu prüfen, jetzt in der stillen Zurückgezogenheit auf Wittow ward er immer tiefer in das Studium der heimathlichen Geschichte geführt und dehnte seine Forschungen auf das ganze Gebiet derselben aus, welches kurz zuvor von Barthold (1839–45) behandelt war. Als Frucht dieser gründlichen vieljährigen Arbeit entstanden dann in der Folge (1861–72) seine „Rügensch-Pommer’schen Geschichten aus sieben Jahrhunderten“. Das endgültige Urtheil über den wissenschaftlichen Werth dieses Werkes hat sich längst festgestellt. Besondere Hervorhebung aber verdient der wahrhaft historische Sinn, in welchem dasselbe geschrieben ist. Nicht nur in der Detailforschung, welche auf gründlicher Prüfung der Quellen beruht, sondern namentlich auch in der Auffassung des gewonnenen Stoffes zeichnet sich das Geschichtswerk aus, denn es zeigt uns die historische Entwicklung in einem kleinen landschaftlichen Kreise auf dem Untergrunde und im Reflex des großen nationalen Lebens. In Verbindung mit dieser Thätigkeit stand Fock’s Betheiligung an Sybel’s historischer Zeitschrift, in welcher er die Pommerns Geschichte betreffenden litterarischen Erscheinungen besprochen hat, ebenso seine lebhafte und thätige Theilnahme für die politische Entwicklung der Gegenwart, indem er eine Reihe trefflicher Aufsätze in der Nationalzeitung veröffentlichte, welche ihn in dankbarer Anerkennung in dem ihm gewidmeten Nekrolog (Nr. 506 vom 29. October 1872) zu ihren ältesten und bewährtesten Mitarbeitern zählt. Diesem fortgesetzten, mit unveränderter Sorgsamkeit geführten schriftstellerischen Wirken, welches auch durch den klaren, frischen, bald durch sittlichen Ernst, bald durch heitere Ironie gefärbten Stil einen besonderen Werth erlangte, wurde in der Heimath, wie auch in weiteren Kreisen die verdiente Anerkennung zu Theil. Obwol ein entschiedener Anhänger der Fortschrittspartei galt er doch allen Heimathsgenossen der verschiedensten Richtungen auf dem Gebiete seiner Specialgeschichte als eine Autorität ersten Ranges, und während die philosophische Facultät zu Greifswald sein Werk beim ersten Beginne mit der philosophischen Doctorwürde krönte, nahm ihn die Gesellschaft für pommer’sche Geschichte kurz vor seinem Tode, bei Abschluß des 6. Bandes, unter die Zahl ihrer Ehrenmitglieder auf, eine Auszeichnung, welche nur den Koryphäen der historischen Wissenschaft ertheilt zu werden pflegt. Wie weit aber sein Name im Auslande verbreitet war, zeigte eine Berufung als Professor an die Universität in Buenos Ayres. Jedoch seine zunehmende körperliche Schwäche versagte ihm zuletzt jede Thätigkeit, auch die Vollendung seines Rügensch-Pommer’schen Geschichtswerkes und am 24. October 1872 beschloß er sein arbeitsreiches, den edelsten Interessen geweihtes Leben.

Fock, Schleswig-Holsteinische Erinnerungen aus den J. 1848–51. – R. Baier, Strals. Ztg., 1872, Nr. 252–55. – Pyl, Pommer’sche Geschichtsdenkmäler, IV. S. 1–113, wo eine Parallele zwischen Fock’s und Barthold’s Geschichtswerken aufgestellt ist und mehrere Nachträge zu seiner rügensch-pommerschen Geschichte gegeben sind.