Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schwegler, Albert“ von Wilhelm Sigmund Teuffel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 327–328, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwegler,_Albert&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 06:10 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 33 (1891), S. 327–328 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Albert Schwegler in der Wikipedia
Albert Schwegler in Wikidata
GND-Nummer 119088967
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|33|327|328|Schwegler, Albert|Wilhelm Sigmund Teuffel|ADB:Schwegler, Albert}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119088967}}    

Schwegler: Friedrich Karl Albert S., bekannt besonders als eines der bedeutendsten Mitglieder der Tübinger Theologenschule und als Verfasser einer unvollendet gebliebenen wissenschaftlichen Bearbeitung der römischen Geschichte, war geboren am 10. Februar 1819 zu Michelbach an der Blitz, in der Nähe der ehemaligen Reichsstadt Hall, wo sein Vater († 1839) Pfarrer war, als ältestes Kind von fünf Geschwistern, aus unbemittelter Familie, daher zur theologischen Laufbahn bestimmt. In allen Lehrgegenständen, außer der Mathematik, jederzeit seine Altersgenossen überragend durchlief S. das niedere Seminar in Schönthal (1832–1836) und das höhere in Tübingen (1836–1840), wo eine gekrönte Preisschrift über den Montanismus (1841) seine vielversprechende Erstlingsarbeit wurde. Auf einer Bildungsreise nach München, Berlin und durch Westdeutschland machte er auch Kunststudien. Vom Juli 1843 bis zu ihrem Aufhören im Jahre 1848 redigirte er die „Jahrbücher der Gegenwart“ und habilitirte sich im Herbst 1843 als Privatdocent der Philosophie und Philologie an der Universität Tübingen mit einer Abhandlung „Ueber die Composition des platonischen Symposions“ (Tübingen 1843). Im folgenden Jahr schloß er seine theologischen Studien ab durch das in unglaublich kurzer Zeit ausgearbeitete zweibändige Werk über das nachapostolische Zeitalter (Tübingen 1845), worin er die Baursche Anschauung vom Urchristenthum als einem Product der Bewegung zwischen den beiden Polen des Judenchristenthums (Ebjonitismus, auch Petrinismus) und des Heidenchristenthums (Paulinismus) mit glänzender Beherrschung des gesammten Stoffes und meisterhafter Darstellung ausführte. Der Uebergang zu einem neuen Arbeitsfelde vermittelte sich S. durch eine fünfmonatliche angestrengte [328] und entbehrungsreiche Reise nach Italien und Sicilien im Jahre 1846. Zurückgekehrt veröffentlichte er zunächst eine „Geschichte der Philosophie im Umriß“ (Stuttgart 1847; Theil der Franckhschen Encyklopädie der Wissenschaften), welche durch ihre lichtvolle übersichtliche Behandlung des Gegenstandes sich solchen Beifall gewann, daß im Jahre 1870 davon die siebente Auflage nöthig und das Werk ins Englische und Dänische übersetzt wurde. In demselben Verlage erschien (Stuttgart 1847) von S. eine kritische Ausgabe der clementinischen Homilien mit lateinischer Uebersetzung und fast gleichzeitig eine Bearbeitung der aristotelischen Metaphysik (Grundtext, Uebersetzung und Commentar nebst erläuternden Abhandlungen, Tüb. 1847 u. 1848 in vier Theilen). Nun aber begann er mit allem Eifer die Vorstudien zu einer römischen Geschichte, zumal da er durch seine Ernennung zum außerordentlichen Professor für römische Litteratur und Alterthümer (4. Juli 1848) endlich der drückendsten Nahrungssorgen enthoben worden war. Als solcher las er besonders über Geschichte der griechischen Philosophie, welche Vorlesungen aus seinem Nachlaß durch C. Köstlin (Tübingen 1859, zweite, vermehrte Auflage 1870) herausgegeben worden sind; ferner über Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften, die er aber trotz großer Lehrerfolge darin nach 1851 nicht mehr hielt, über Kunstmythologie, Geschichte der römischen Verfassung und römische Privatalterthümer, in seinem letzten Halbjahr auch über römische Kaisergeschichte, über Platon’s Protagoras, Republik und Gastmahl, Tacitus’ Germania und Agricola, Juvenal’s Satiren. Neben seiner akademischen Wirksamkeit aber gingen, nur einmal im Jahre 1852 auf kurze Zeit unterbrochen durch die Herausgabe der Kirchengeschichte des Eusebius (cum brevi adnotatione critica, Tübingen 1852), die Arbeiten an der Römischen Geschichte her, für die er seine ganze riesige Arbeitskraft einsetzte und die er mit seiner kolossalen Energie so rasch förderte, daß im Laufe des Jahres 1853 der erste über 800 Seiten starke Band (enthaltend die Königszeit) erscheinen konnte, welchem schon 1856 vom zweiten die erste (755 S. starke) Hälfte, reichend von der Gründung der Republik bis zum Decemvirat, nachfolgte. Aber freilich rieb diese Tag und Nacht fortgesetzte Anstrengung seine Kräfte, so unerschöpflich sie schienen, vor der Zeit auf: am 6. Januar 1857 erlag er einem Nervenschlag (Hirnlähmung?), und die zweite Hälfte des zweiten Bandes, reichend vom ersten Decemvirat bis zu den licinischen Gesetzen, die sich in seinem Nachlasse druckfertig vorfand, mußte durch einen Dritten (Dr. F. F. Baur) herausgegeben werden (Tübingen 1858. 306 S., nebst einem Register zu den drei Bänden). Mit diesem Werke, für das er sein Leben opferte, hat S. aber auch eine Musterarbeit geschaffen, ebenso bewundernswürdig durch die sichere Beherrschung des gewaltigen Stoffes, wie durch die classische Darstellung. Auf dem durch Niebuhr gelegten Boden mit Umsicht weiterbauend, unterscheidet sich Schwegler’s Werk von dem gleichzeitigen Mommsen’schen dadurch, daß es nicht bloß mehr oder weniger subjectiv gefärbte Ergebnisse bietet, sondern das Material vor dem Leser ausbreitet und die Untersuchung vor dessen Augen führt. An Schwegler’s Arbeit unternahm es der gleichfalls frühverstorbene Oct. Clason die seinige anzuknüpfen, ohne aber an Schärfe der Kritik wie an Darstellungsgabe denselben von weitem zu erreichen. Ueberhaupt war S. ein Mann von ganz ungewöhnlicher Begabung, der überall, wo er eingriff, Bedeutendes leistete und nur durch die Ungunst der Verhältnisse von einem Gebiete zum andern getrieben, von der Theologie zur Philosophie und von dieser zur Geschichte und Philologie, an den Schranken der Individualität anlangte, ehe er das selbstgesteckte hohe Ziel erreicht hatte.

E. Zeller’s Lebensabriß von S. vor dem dritten Bande von dessen Röm. Geschichte (S. VII–XXXVI). - W. Teuffel in seinen Studien und Charakteristiken (Leipzig 1871) S. 503–515.