ADB:Wrangel, Friedrich Graf von

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Artikel „Wrangel, Friedrich Graf von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 226–232, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wrangel,_Friedrich_Graf_von&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 06:47 Uhr UTC)
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Wrangel: Friedrich Heinrich Ernst, Graf von W., königlich preußischer Generalfeldmarschall, wurde am 13. April 1784 zu Stettin geboren, wo sein 1805 gestorbener Vater als Commandeur des Infanterieregiments von Owstien in Garnison stand. Zuerst im elterlichen Hause, dann auf dem Gymnasium zu Neustettin unterrichtet, trat er schon mit zwölf Jahren als Junker bei dem in Ostpreußen stehenden Dragonerregimente v. Werther (Orlop, Geschichte des Kürassierregiments Graf Wrangel, Berlin 1892), in das Heer, am 15. August 1796 leistete er auf die Standarte der Leibescadron zu Königsberg den Diensteid. Dann kam er zu der in Wehlau stehenden Escadron, wurde am 8. Juni 1797 Fähnrich, am 15. October 1798, also vierzehnjährig, Secondlieutenant und rückte als solcher im J. 1806 mit seinem Regimente, jetzt Auer-Dragoner, in das Feld. Da die ostpreußischen Truppen erst nach den Niederlagen von Jena und Auerstedt mobil gemacht wurden, kam W. erst am 23. December 1806 bei einem in der Nähe von Gurczno stattfindenden Vorpostengefechte in nähere Berührung [227] mit dem Feinde, aber er zeichnete sich sofort aus, indem er, wie Oberst v. Bülow, der nachmalige Sieger von Dennewitz, schon damals aussprach, „die überlegene französische Cavallerie kühn und entschlossen angriff und auf ihre im Walde stehende Infanterie zurückwarf“. In der Nacht zum 8. Februar 1807 erhielt W. Befehl, die Stellung der Russen auf dem Schlachtfelde von Preußisch-Eylau zu erkunden, wo diese sich Tags zuvor geschlagen hatten und wo sein General l’Estocq am kommenden erfolgreich in den Kampf eingriff; W. stattete ihm zu dem Ende am Frühmorgen eine zutreffende Meldung ab. Am 10. Juni verdiente letzterer sich in der Schlacht bei Heilsberg durch einen gelungenen Angriff auf ein französisches Carré, wobei er einen Schuß in die Schulter erhielt, den Orden pour le mérite. Mit einem guten Namen, ungebeugten Geistes und voll Vertrauen auf die preußischen Waffen, wenn sie auch dieses Mal unterlegen waren, kehrte er aus dem Felde zurück. Bei der Neugestaltung des Heeres kam er zum Ostpreußischen Kürassierregimente Nr. 3, wurde am 10. März 1808 Premierlieutenant und am 18. April 1809, nachdem er – in der Ueberzeugung, daß ihm durch die Beförderung eines anderen Officiers Unrecht geschehen sei – sich mit Genehmigung seiner Vorgesetzten an den König gewandt hatte, Stabsrittmeister. Am 20. September 1811 erhielt er eine Escadron, aus welcher er mit Erfolg bestrebt war, eine Mustertruppe zu machen.

Aus Praußnitz in Schlesien, wohin er mit derselben beim Ausbruche des Krieges vom Jahre 1812 gegen Rußland von Königsberg verlegt war, rückte er am 14. März 1813 in das Feld. Das ostpreußische Kürassierregiment, der Brigade Jürgaß und mit dieser der Reservecavallerie unter Oberst v. Dolffs zugetheilt, gehörte zu den Blücher unterstellten Truppen. Bei Groß-Görschen kam Rittmeister v. W. am 2. Mai zum ersten Male ins Gefecht. Während des Tages hatte er eine russische Batterie zu decken, ein Auftrag, dessen er sich mit besonderer Umsicht entledigte. Bei dem in später Abendstunde von der Reservecavallerie ausgeführten Angriffe blieb er mit gequetschtem Fuße unter seinem erschossenen Pferde liegen, erst am nächsten Morgen wurde er aus seiner peinlichen Lage befreit, der Unfall hielt ihn aber nicht ab, an der Spitze seiner Schwadron zu bleiben. Auf dem Rückzuge wohnte er am 20. und 21. d. M. der Schlacht bei Bautzen bei und nahm am 26. an dem glänzenden Reitergefechte von Haynau theil. Während des Waffenstillstandes erhielt er das Eiserne Kreuz 2. Classe und am 3. August das Majorspatent; die neue Ordre de Bataille, welche bei Wiederbeginn der Feindseligkeiten maßgebend war, hatte die ostpreußischen Kürassiere dem II. Corps unter General v. Kleist und der Reservecavallerie desselben unter General v. Röder überwiesen. Bei Dresden kamen sie gar nicht, bei Kulm nur wenig zur Verwendung, um so bedeutender war diese in der Schlacht bei Leipzig gelegentlich der Reiterkämpfe von Liebertwolkwitz am 14. und von Wachau am 16. October, für Auszeichnung in letzterem Gefechte erhielt W. daß Eiserne Kreuz 1. Classe.

Noch mehr trat er im Winterfeldzuge des folgenden Jahres hervor. Zunächst war er bei der Blokade von Luxemburg unter schwierigen und gefährlichen Umständen erfolgreich thätig; dann, zu Blücher’s Heere in Frankreich herangezogen, traf er mit dem Corps Kleist in den bösen Tagen des Februar an der Marne ein, als Blücher im Rückzuge vor dem mit überlegenen Kräften gegen ihn andringenden Napoleon weichen mußte. Am Tage des Treffens von Vauchamps, am 14. Februar, führte W., da der Commandeur krank war und der nächstälteste Stabsofficier verwundet wurde, das Regiment. Auf allen Seiten von Feinden umgeben, hatte er als äußerste Nachhut den Rückzug der Preußen nach Etoges zu decken. Der Weg dorthin führte durch einen Wald. W. sollte vor demselben so lange ausharren, bis die übrigen Truppen hindurch wären. Da erschien [228] ein französischer Officier als Parlamentär und forderte ihn zur Uebergabe auf, er sei von allen Seiten eingeschlossen und könne auf ein Entkommen nicht hoffen. W. wies den Antrag zurück und bedeutete den Officier, sich zu entfernen. Als dieser darauf das nämliche Ansinnen an das Regiment richtete, befahl W. seinem Ordonnanzunterofficier, auf ihn zu schießen. Der Officier fiel. W. wollte nun, nachdem vollständige Dunkelheit eingetreten war, selbst den Rückzug antreten. Da rasselten feindliche Kürassiere heran. Er warf sie zurück, bewerkstelligte dann seinen Marsch durch den Wald und gelangte glücklich nach Etoges, seine Ueberzeugung bewahrheitend, „daß eine Reiterschaar, welche sich dem Tode geweiht hat, durch irdische Macht nicht aufgehalten werden kann und daß ihr der Sieg so gewiß ist, als der Tag der Sonne folgt“ (Militärwochenblatt, Berlin 1894, 5. Beiheft). Bei Gué à Trêmes verlor er wiederum ein Pferd unter dem Leibe, bei Sézanne ritt er mit seinem auf 187 Pferde zusammengeschmolzenen Regimente noch zwei glänzende Attacken, dann war der Kampf für ihn zu Ende. Nach Friedensschluß machte er von Dieppe aus einen Abstecher nach London. Aus dem Besuche einer Parlamentssitzung brachte er den Glauben mit nach Hause, daß dergleichen in Preußen undenkbar sei und daß eine constitutionelle Regierung für sein Vaterland nicht passe. Da in England das Rauchen verpönt war, warf er seine Tabakspfeife in die Themse und hat in Zukunft dieser Neigung, welcher er leidenschaftlich ergeben war, nie wieder gefröhnt.

Es folgten nun für W. fünfunddreißig Friedensjahre. Er begann sie an der Spitze der 2. Westpreußischen Dragoner- (jetzt 5. Kürassier-)Regiments, zu dessen Führer er während des Rückmarsches aus Frankreich ernannt wurde. Aus Halberstadt rückte er, seit dem 13. Mai 1814 Oberstlieutenant und am 3. October zum Oberst aufsteigend, nochmals nach Frankreich, aber zu spät, um an kriegerischen Ereignissen theil zu nehmen; im Februar 1816 bezog er Standquartiere in Riesenburg und benachbarten kleinen Städten, im Dienst und im geselligen Verkehr sich allgemeiner Anerkennung und Zuneigung erfreuend, die erstere, wenn sie ihm – wie dies bei seinem commandirenden General v. Borstell der Fall war – nicht freiwillig gewährt wurde, ertrotzend. Am 25. März 1821 erhielt er das Commando der 10. Cavalleriebrigade in Posen, am 30. März 1823 wurde er Generalmajor. Im J. 1831 befehligte er einen Abschnitt des gegen Polen gezogenen Grenzcordons, am 5. October hatte er bei Straßburg in Westpreußen die Truppen des Generals Rybinski zu entwaffnen. 1833 ward er zur Begrüßung des Zar Nikolaus nach Warschau entsendet, am 13. November 1834 erfolgte seine Beförderung zum Commandeur der 13. Division zu Münster, wo er 1837 die aus Anlaß der Gefangennahme des Erzbischofs von Droste-Vischering entstandenen Unruhen mit Geschick und Thatkraft im Keime unterdrückte, am 30. März 1838 wurde er Generallieutenant und am 20. November 1839 commandirender General des I. Armeecorps, welches er im folgenden Jahre dem inzwischen zur Regierung gelangten König Friedrich Wilhelm IV. vorführte. Derselbe verlieh ihm damals den Rothen Adlerorden 1. Classe und ein Revuegeschenk von 3000 Thalern. In Königsberg, dem Sitze seines Generalcommandos, gerieth er jedoch bald in Mißhelligkeiten mit dem Oberpräsidenten, Minister v. Schön, dessen freisinnige Ansichten er nicht theilte, und da dieser damals das Ohr des Königs hatte, wurde W. am 7. April 1842 an die Spitze des II. Armeecorps nach Stettin versetzt.

Im nächsten Jahre wurden seine Dienste zum ersten Male auf einem Gebiete dienstlicher Thätigkeit in Anspruch genommen, für das er seine Beanlagung im Ernste mehrfach dargethan und auf welchem seine Friedensleistungen in allen von ihm bekleideten Stellungen große Anerkennung gefunden hatten: bei den Uebungen größerer Reiterkörper. Daran schloß sich eine Mitarbeiterschaft an den [229] für die Ausbildung und die Verwendung der Waffe bestimmten Vorschriften und Anweisungen. Der Auftrag, im Herbst 1843 bei Berlin die Uebungen eines Reitercorps zu leiten, zu denen 7500 Pferde und 32 Geschütze herangezogen wurden, hat ihn veranlaßt, in einem demnächst in den Beiheften zum Militärwochenblatte vom Jahre 1851 veröffentlichten Aufsatze „Ueber die Ausbildung und den Gebrauch der Cavallerie unter Berücksichtigung der preußischen Verhältnisse nach den Ansichten des Generals v. Wrangel“ seine Grundsätze und Rathschläge zum Ausdrucke zu bringen; diesen in der Praxis Geltung zu verschaffen, hatte er ferner Gelegenheit, als ihm im J. 1845 der Auftrag wurde, den Entwurf zu einem neuen Exercierreglement für die Cavallerie zu begutachten, dessen endgiltige Fertigstellung aber nicht in allen Stücken seinen Beifall fand, sodaß er die Abdrücke desselben, welche er ihm bekannten hochstehenden Persönlichkeiten außerhalb Preußens übersandte, mit einem seine abweichenden Ansichten vertretenden Aufsatze begleitete. Neuer Anlaß zur Entfaltung cavalleristischer Thätigkeit auf dem Uebungsfelde bot sich, als er 1853 zum zweiten Male große Reiterübungen bei Berlin zu leiten hatte, und bei der Herstellung der nöthigen Vorschriften durfte er mitwirken, als er 1855 an der Spitze einer Commission stand, welche das damals zur Ausgabe gelangende Exercierreglement vor der endgiltigen Drucklegung einer letzten Durchsicht zu unterziehen hatte.

Zu anderweiter Wirksamkeit wurde General v. W. im J. 1848 berufen (Beihefte zum Militärwochenblatt, Berlin 1852). Am 19. April erhielt er zu Stettin den Befehl, nach Berlin zu kommen, weil er den Oberbefehl der vom Deutschen Bunde zum Kampfe gegen Dänemark nach Schleswig-Holstein entsandten Bundescontingente übernehmen sollte. Zum General der Cavallerie ernannt, traf er am 21. in Rendsburg ein, am 23. schlug er mit Preußen und Schleswig-Holsteinern den Feind bei Schleswig, am 24. holte seine aus Truppen des X. Bundesarmeecorps bestehende Vorhut denselben bei Oeversee ein und brachte ihm eine Schlappe bei, dann besetzten diese die Düppelstellung, während W. mit den Preußen nach Jütland ging und die Schleswig-Holsteiner zurückgesandt wurden, um sich kriegsbrauchbarer zu machen, als ihnen bis dahin möglich gewesen war. Aber die Eifersucht der Fremdmächte duldete die Deutschen nicht lange in Jütland. Auf den Einspruch namentlich Rußlands und Englands mußte W. die Provinz Ende Mai wieder räumen und sich auf den Besitz der Herzogthümer beschränken, wo er am 5. Juni durch ein Gefecht den im Sundewitt verloren gegangenen Besitz zurückeroberte und am 28. d. M., gegen Hadersleben vorgehend, den Feind, der ihm nachgefolgt war, über die Nordgrenze zurückdrängte. Dann führten die Verhandlungen der Diplomaten bald zum Aufhören der Feindseligkeiten und am 26. August zum Waffenstillstande von Malmö, welcher das Errungene größtentheils wieder preisgab.

W. kehrte heim. Aber nicht nach Stettin. Als er sich am 13. September beim Könige in Potsdam meldete, erhielt er neben Ordensauszeichnungen den Befehl, das Obercommando über alle Truppen in den Marken zu übernehmen. Der Wind wehte aus einer anderen Richtung als im April. Der König wollte die Zügel der Regierung selbst wieder übernehmen und W. sollte sie ihm in die Hand geben. Die Nationalversammlung hatte abgewirthschaftet, die Hauptstadt wollte Ruhe haben und das Land war sich bewußt geworden, was es im Begriffe stand, zu verlieren. In Berlin gab es freilich Militär, aber es wurde möglichst wenig gezeigt und führte in den Kasernen ein beschauliches Stilleben; den Wachdienst besorgte die Bürgerwehr. W. beschloß, den Berlinern einmal wieder Soldaten zu zeigen und sie auf den Wandel aufmerksam zu machen, welcher sich bald vollziehen sollte. Von seinem Hauptquartiere im königlichen Schlosse zu Charlottenburg aus befahl er für den 9. October eine Parade unter [230] den Linden, an welcher die Berliner Garnison und auswärtige Truppen Theil nehmen sollten. Der Kriegsminister v. Pfuel suchte ihn von dem Gedanken abzubringen; er befürchtete Ausschreitungen, welche die schlimmsten Folgen haben könnten. W. ließ sich nicht irre machen. Unter dem Zujauchzen der Bevölkerung ging die Parade vor sich; eine Anrede, welche W. nach derselben im Lustgarten an die Stabsofficiere und zugleich an die Zuschauer richtete, ward von letzteren mit Beifall aufgenommen. Er erkannte, daß er die Berliner richtig beurtheilt hatte und wußte, wessen er sich von ihnen zu versehen hatte. Aber erst nachdem am 8. November das Ministerium Pfuel durch das der rettenden That, mit dem General Graf Brandenburg an der Spitze, ersetzt, die Nationalversammlung vertagt und der Sitz derselben nach der Stadt Brandenburg verlegt worden war, durfte er zum Werke schreiten. Am 10. November rückte er durch das Hallische Thor in die Stadt, ließ die Volksvertreter bedeuten, daß sie binnen fünfzehn Minuten den Sitzungssaal im Schauspielhause zu räumen hätten, erklärte der Bürgerwehr, daß sie jetzt überflüssig sei und daß er ihren Dienst wahrnehmen würde, und war binnen wenigen Stunden ohne Blutvergießen Herr von Berlin, nach kurzer Zeit war er dort eine volksbeliebte Persönlichkeit. Eine große Schlauheit und eine ausgeprägte Verschlagenheit, hervorragende Eigenschaften seines Charakters, verliehen ihm die Gabe, mit Leuten aller Stände umzugehen; den Berlinern gefielen namentlich sein schlagfertiger Witz und daß er mit ihnen in ihrer eigenen Mundart redete, welche er bei seiner schauspielerischen Veranlagung sich rasch angeeignet hatte. (H. Ferschke, Papa Wrangel, Stuttgart 1896.) Am 12. November wurde der Belagerungszustand verhängt, der ohne jegliche Störung verlief und am 28. Juli 1849 aufgehoben wurde. W. blieb dann Oberbefehlshaber in den Marken, bezog eine Dienstwohnung, welche er bis zu seinem Lebensende innegehabt hat, im Rohdich’schen Legatenhause am Pariser Platze Nr. 3, erhielt am 15. October den Schwarzen Adler-Orden und übernahm am 3. November das Generalcommando des III. (brandenburgischen) Armeecorps, welches er bis zum 19. October 1857 geführt hat. Dann wurde er desselben enthoben und unter Beibehalt seiner Stellung als Oberbefehlshaber in den Marken zum Gouverneur von Berlin ernannt. Am 15. August 1856 war er zum Generalfeldmarschall befördert worden, am fünfzigsten Jahrestage der Schlacht von Heilsberg verehrte König Friedrich Wilhelm IV. ihm einen Marschallsstab.

Als im J. 1859 Krieg mit Frankreich in Aussicht stand, war W. bestimmt, eine aus fünf Corps bestehende Armee zu commandiren; als die Kriegsgefahr vorüber war, bat er um seinen Abschied, der ihm in Gnaden verweigert wurde. Als dann im J. 1864 der Krieg mit Dänemark thatsächlich ausbrach, fiel auf ihn die Wahl zum Oberbefehlshaber des preußisch-österreichischen Heeres (H. Granier, Der Feldzug von 1864, Berlin 1897). Sie fand keineswegs allgemeine Zustimmung. Trotz Wrangel’s körperlicher Rüstigkeit hielten Viele ihn der Aufgabe geistig nicht oder nicht mehr gewachsen, der Kriegsminister Roon und der Ministerpräsident – dieser namentlich, weil er fürchtete, daß W. ihm in das politische Handwerk pfuschen würde – hätten lieber gesehen, daß die Wahl auf den Prinzen Friedrich Karl von Preußen gefallen wäre; Kaiser Franz Josef war bereit, einem jeden von ihnen seine Truppen zu unterstellen; König Wilhelm entschied sich schließlich für W., weil er seinen Neffen, obgleich dieser General der Cavallerie war, den unterstellten Führern gegenüber für zu jung im Dienstalter hielt und daher den alten Feldmarschall vorzog. Es zeigte sich aber, daß der Griff kein glücklicher gewesen. Dem Oberbefehlshaber fehlten der Ueberblick und das Geschick sich in die gegen 1848 wesentlich veränderte Kriegslage zu finden, seine Befehle, an denen er mit Halsstarrigkeit festhielt, waren [231] weitschweifig und vielfach unverständlich, es entstanden Weiterungen und Reibungen, deren Ausgleiche sich der im Hauptquartiere, ohne einen dienstlichen Wirkungskreis zu haben, anwesende Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen in stets gleicher Liebenswürdigkeit mit vielem Erfolge unterzog. Als Generalstabschef war W. der Generallieutenant Vogel v. Falckenstein (s. A. D. B. II., 131) beigegeben, welcher keinen leichten Stand hatte. Die verbündete Armee war anfänglich fast 60000 Mann stark und erhielt bald erhebliche Verstärkungen. General v. Moltke, der Chef des Generalstabs der preußischen Armee, hatte einen Kriegsplan entworfen, welcher dem Oberbefehlshaber jedoch nicht als bindende Vorschrift, sondern nur zur Kenntnißnahme, mitgetheilt war. Daß W. den Plan nicht befolgte, daß er zunächst starr an dem Vorsatze festhielt, das Danewerk in der Front anzugreifen, während Moltke das Hauptgewicht auf dessen Umgehung legte, setzte den Feind in den Stand, sich der letzteren rechtzeitig zu entziehen, denn nicht am zweiten Operationstage, wie Moltke es geplant hatte, sondern erst am fünften trat die Umgehung in Wirksamkeit.

Am 1. Februar wurde die Eider überschritten, am 3. ward der Versuch des Prinzen Friedrich Karl, bei Missunde den Uebergang über die Schlei zu erzwingen, blutig zurückgewiesen, am nämlichen Tage bestanden die Oesterreicher vor der Danewerkstellung bei Ober-Selk und bei Jagel glückliche Gefechte. Da erst wurde W. wankend in seiner Absicht, die Stellung in der Front anzugreifen, er beschloß, die Wirkung der Umgehungen abzuwarten, die Offensive gerieth ins Stocken, in der Nacht vom 5. zum 6. wurde die Danewerkstellung von den Dänen geräumt und nur die Nachhut derselben wurde am 6. von den Oesterreichem unter Gablenz bei Oeversee erreicht und geschlagen. Aber die Kräfte der Oesterreicher waren erschöpft, und so erreichte die Hauptmacht der Dänen, wenn auch in aufgelöstem Zustande, die rettenden Düppeler Schanzen, in welche ihre Gegner, namentlich Prinz Friedrich Karl, wenn ihm nicht durch die Anordnungen des Obercommandos die Hände gebunden gewesen wären, sehr wohl gleichzeitig hätten eindringen können. Nachdem der Versuch dazu unterblieben war, verlor das Obercommando wiederum kostbare Zeit, sodaß, während die Oesterreicher und mit ihnen zunächst auch die preußische Garde nach Jütland gingen, Prinz Friedrich Karl zur Belagerung der Düppelstellung schreiten mußte. Wrangel’s neuere Anordnungen, namentlich sein Eingreifen in die Kriegführung in Jütland, erwiesen sich bald als so verderblich, daß ihm am 30. März der König durch eine Cabinetsordre zur Pflicht machte, fortan keinerlei militärische Anordnungen ohne vorherige Rücksprache mit dem Kronprinzen zu treffen. Beim Empfange dieses Schreibens widerfuhr W. ein eigenes Mißgeschick. Ohne sich von dem Inhalte unterrichtet zu haben und in der Annahme, daß es eine besondere Anerkennung für ihn enthalten werde, las er es im Kreise der Officiere seines Stabes vor und mußte mit den Schlußworten enden, „diese Cabinetsordre ist nur für Sie bestimmt und geheim zu halten“. Damit war dem alten Feldmarschall thatsächlich der Oberbefehl genommen. Als am 12. Mai ein Waffenstillstand abgeschlossen war, entsagte er dem Commando ganz. Nachdem unter seinen Augen am 18. April die Düppeler Schanzen erstürmt worden waren und im Zusammenhange mit diesem Erfolge eine vorläufige Verlegung des Schwerpunktes der Operationen nach Jütland stattgefunden hatte, bat er, bewogen durch sein hohes Alter und die richtige Erkenntniß seiner Kräfte sowie durch die Mißstimmung, welche die der Kriegführung durch politische Rücksichten auferlegten Beschränkungen in ihm hervorgerufen hatte, um seine Enthebung, welche am 18. Mai bewilligt wurde. Er empfing die Nachricht in Veile, wohin er am 25. April von Flensburg sein Hauptquartier verlegt hatte. Die nämliche Cabinetsordre brachte ihm die Grafenwürde für sich und seine Nachkommen und die Zusicherung einer Jahrespension von [232] 3000 Thalern für seine Wittwe. Er kehrte nun nach Berlin zurück und übernahm von neuem das Obercommando in den Marken, der Posten des Gouverneurs von Berlin war anderweit besetzt.

Bei Ausbruch des Krieges vom Jahre 1866 erhielt er kein Commando. Es ward ihm jedoch erlaubt, beim 3. Kürassierregimente, dessen Chef er seit dem 16. September 1845 war, den Feldzug mitzumachen. Am 30. Juni verließ er zu diesem Zwecke Berlin, langte aber erst nach der Schlacht von Königgrätz auf dem Kriegsschauplatze an. Als er im nämlichen Jahre sein siebenzigjähriges Dienstjubiläum feierte, wurde diesem Regimente für alle Zeiten der Name Graf Wrangel beigelegt. Sein Wunsch, im J. 1870 in irgend welcher Weise verwendet zu werden oder, wie 1866, als Kürassier in das Feld rücken zu dürfen, ward mit gnädigen Worten abgelehnt. In seinen letzten Jahren beschäftigte den alten Feldmarschall die Herstellung einer Lebensgeschichte, welche zu schreiben der untengenannte Verfasser des hier als Quelle verwertheten Aufsatzes im Militärwochenblatte auf sich genommen hatte; sie ist in wenigen Exemplaren gedruckt, welche W. verschenkte; für seine Geschichte darf sie nur mit Vorsicht benutzt werden. Bis an sein Ende war er körperlich verhältnißmäßig sehr rüstig und als Oberbefehlshaber in den Marken auch noch dienstlich thätig, seine geistigen Kräfte aber nahmen ab; sein Erscheinen auf den Straßen von Berlin, wo er allbekannt und gern gesehen war, und sein Verkehr mit den ihn umdrängenden Kindern entsprachen nicht immer dem Ansehen, welches seine Stellung erforderte.

Er starb am 2. November 1877. Kaiser Wilhelm I. gab ihm persönlich das Geleit auf seinem letzten Wege. Wrangel’s Freund, der Generalsuperintendent D. Büchsel, hielt die Leichenrede. Des Feldmarschalls drei Söhne waren vor ihm gestorben, er hinterließ nur seine Wittwe, eine Tochter des Bruders seiner Mutter, des Landstallmeisters v. Below in Trakehnen, mit welcher er seit dem 26. December 1810 vermählt war, und einen Enkel.

Beiheft zum Militär-Wochenblatt, Berlin 1877 (Verfasser Oberst F. von Meerheimb). – Lebensbeschreibungen von v. Köppen und v. Maltitz (Berlin 1884).