ADB:Friedrich Karl (Prinz von Preußen)

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Artikel „Friedrich Karl, Prinz von Preußen“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 118–126, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_Karl_(Prinz_von_Preu%C3%9Fen)&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 04:07 Uhr UTC)
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Friedrich Karl, Prinz von Preußen: Friedrich Karl Nikolaus, Prinz von Preußen, königlich preußischer Generalfeldmarschall, am 20. März 1828 im Schlosse zu Berlin geboren, war der einzige Sohn des Prinzen Karl von [119] Preußen, dritten Sohnes König Friedrich Wilhelm’s III. und der Prinzessin Marie, einer Tochter des Großherzogs Karl Friedrich von Sachsen-Weimar, Schwester der Kaiserin Augusta, war also von väterlicherlicher wie von mütterlicher Seite ein Neffe Kaiser Wilhelm’s I. und Vetter Kaiser Friedrich’s III. Er wurde streng erzogen und seine Kinderzeit war nicht glücklich. „Seine Jugendjahre wurden durch die schwierigen Verhältnisse am Hofe seiner Eltern in wenig erfreulicher Weise beeinflußt, der warme Sonnenschein wahrer Elternliebe, sowie des Kindes zu Vater und Mutter hatte wenig Platz gefunden“ – schreibt Einer, der dem Prinzen in späteren Jahren nahe gestanden hat (Heros v. Borcke, Mit Prinz Friedrich Karl, S. 7, Berlin 1893); manches Rauhe und Schroffe in seinem Wesen, was ihm später zum Vorwurfe gemacht wurde, sowie eine gewisse Befangenheit und Verlegenheit im Auftreten, erklären sich durch die Verhältnisse, unter denen er aufwuchs. Seine Erziehung war sehr streng und durchaus militärisch; in dem für seine Studien maßgebenden Lehrplane nahmen die Kriegswissenschaften und, was zur Vorbereitung auf die Beschäftigung mit ihnen diente, den vornehmsten Platz ein; ein tüchtiger Officier zu werden, war von seiner Knabenzeit an des Prinzen eifriges Bestreben. Eine Heimath fand er zuerst im Officiereorps des 1. Garderegiments zu Fuß, in welchem er, nach Hohenzollernbrauch, an seinem zehnten Geburtstage zum Secondlieutenant, am 23. September 1844 zum Premierlieutenant ernannt, alsdann einige Zeit Dienst that. An diesem Regimente hing er damals mit allen Fasern seiner Seele. Ostern 1846 bezog er die Universität Bonn, der erste unter den preußischen Prinzen, welche später sämmtlich dort studirt haben. Major v. Roon, der nachmalige Kriegsminister, der ihn schon früher unterrichtet hatte, war sein militärischer Begleiter (Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Graf v. Roon, Berlin 1892). Er lenkte des Prinzen Studien, bei denen dieser „treffliche Auffassungskraft, aber nicht gerade heroischen Eifer“ zeigte, in die richtige Bahn; sie blieben nicht auf die von ihm bevorzugten kriegswissenschaftlichen Ziele beschränkt, sondern sorgten auch für die allgemeine Bildung des Geistes und des Herzens. Die Herbstferien 1846 und 1847 wurden durch Reisen in die Schweiz, nach Oesterreich, Italien und Frankreich ausgefüllt. In diese Zeit fällt der Erwerb des ersten der dem Prinzen später in so großer Zahl und in so seltener Weise zu Theil gewordenen Ehrenzeichen, der Medaille, die er sich am 12. Juli 1847 durch seine thätige Mitwirkung bei der Rettung eines dem Ertrinken nahen Knaben aus dem Rheine verdiente.

Im Frühjahr 1848 schied er von Bonn; der Aufenthalt war durch die Märzstürme des Jahres um einige Wochen verkürzt. Der niederdrückenden Abgeschiedenheit, in welcher die königliche Familie damals in Potsdam lebte, machte für ihn bald darauf, nachdem er am 30. März zum Hauptmann und Compagniechef im 1. Garderegimente zu Fuß ernannt worden war, die Ueberweisung zum Stabe des mit dem Oberbefehle der zum Kampfe gegen Dänemarck in die Elbherzogthümer entsandten Bundestruppen betrauten, von ihm hochverehrten Generals v. Wrangel ein Ende. Für die Art und Weise, in welcher er in der Schlacht bei Schleswig am 23. April 1848 die ihm ertheilten Aufträge ausgeführt hatte, verlieh auf Wrangel’s Vorschlag König Friedrich Wilhelm IV. dem Prinzen den Orden pour le mérite, die damals allein vorhandene Auszeichnung für kriegerisches Verdienst. Nach der Rückkehr aus dem Felde trat er zur Cavallerie über. Am 2. December 1848 wurde er als Rittmeister dem Regimente der Gardes du Corps aggregirt und am 8. Juni 1849 als Major und Escadronsführer zum Gardehusarenregimente versetzt, aber schon in demselben Monate erschien er zum zweiten Male im Felde. Er war zu dem [120] unter dem Oberbefehle des Prinzen von Preußen, nachmals Kaiser Wilhelm I., aus Anlaß des Aufstandes in Baden und der Pfalz entsandten Armeeeorps commandirt und am 19. Juni in Germersheim angelangt. Dem Stabe des Commandeurs der Avantgarde, Generallieutenant v. Hanneken, zugetheilt, der am Frühmorgen des 20. Philippsburg überrumpelt hatte und von hier zur Verfolgung des im Rückzuge begriffenen Gegners aufgebrochen war, erhielt er den Auftrag, der ersten Schwadron, die er anträfe, den Befehl zum Nachsetzen zu überbringen. Es war die 1. des 9. Husarenregiments, unter dem Rittmeister v. Wachowski, nur 90 Pferde zählend (v. Bredow und Böhmer, Geschichte des 2. Rheinischen Husarenregiments Nr. 9, 2. Auflage. Berlin 1899). Mit dem etatsmäßigen Stabsofficier des Regiments, Major Rückert, setzte der Prinz sich an die Spitze. Sobald sie vor dem Dorfe Wiesenthal der Gegner ansichtig wurden, ließ letzterer Galopp blasen. Aber die Abziehenden waren keine verächtliche Truppe. Den Kern bildeten Mannschaften eines badischen Bataillons, mit ihnen standen Angehörige der Polnischen Legion im Gliede, unerschrockene Soldaten, von einem tüchtigen Officier, wahrscheinlich dem Major v. Biedenfeld, befehligt, und stehenden Fußes, mit wohlgezieltem Gewehrfeuer, wurden die anstürmenden Reiter empfangen. Die Infanteristen wurden theils niedergeritten, theils zersprengt, aber vor dem stark besetzten Dorfe Wiesenthal mußten die Husaren umkehren und den durchrittenen Weg unter dem feindlichen Feuer nochmals zurücklegen. Major Rückert und des Prinzen Adjutant, Premierlieutenant v. dem Bussche-Münch, bezahlten den anfänglichen Erfolg mit ihrem Leben; der Prinz wurde durch zwei Schüsse, den einen in die linke Schulter, den anderen in die rechte Hand, verwundet, von denen der erstere die Bewegungsfähigkeit des Armes für immer in so hohem Grade beeinträchtigte, daß der Prinz die Hand nicht höher als bis zur Schulter zu erheben vermochte. Dem ferneren Verlaufe des Feldzuges mußte er zu Fuß oder im Wagen folgen. Auf seine Denkungsart machte der Vorfall einen tiefen Eindruck. Der frische Wagemuth der Jugend war dahin; an seine Stelle traten Bedächtigkeit und kaltblütigere Ueberlegung.

Zunächst verblieb der Prinz nun im Cavalleriedienste. Anfangs beim Gardehusarenregimente in Potsdam, seit dem 15. April 1852 als Oberst und Commandeur des Gardedragonerregiments in Berlin. Zwei Jahre später wurde er zum Commandeur der 1. Gardecavalleriebrigade und zum Generalmajor befördert. In dieser Zeit nahm er mehrfach an den Uebungsreisen des Großen Generalstabes unter Leitung des Generals v. Reyher theil; Moltke, welcher ihn dabei kennen lernte, rühmt seinen Eifer und seine Arbeiten; „ich glaube, er ist der Mann“, schreibt er, „der einmal den alten Waffenruhm von Preußens Heere wiederherstellen wird“. Am 29. Novbr. 1854 vermählte der Prinz sich mit der Tochter des verstorbenen Herzogs Friedrich[1] von Anhalt, Prinzessin Marie Anna. Der Ehe sind vier Kinder entsprossen: drei Töchter, von denen die älteste mit dem Prinzen Heinrich der Niederlande und nach seinem Tode mit dem Prinzen Albert von Sachsen-Altenburg, die zweite mit dem Erbgroßherzoge August von Oldenburg, die dritte mit dem Herzoge Arthur von Connaught sich verheirathete, und ein Sohn, das jüngste Kind, Prinz Friedrich Leopold. Am 19. Februar 1857 trat er durch die Beförderung zum Commandeur der 1. Gardeinfanteriedivision zu dieser Waffe über. Aber nur kurze Zeit blieb er in der Stellung. Alsbald hatte er sich mit allen höheren Officieren überworfen. Er hatte andere Ansichten über Ausbildung und Gebrauch der Truppen als sie. König Friedrich Wilhelm IV., der, ihre Ansichten theilend, ihn gelegentlich scharf und leidenschaftlich anließ, versetzte ihn schon am 19. September des nämlichen Jahres zur 2. Gardeinfanteriedivision. Hier [121] fand er sich ebensowenig befriedigt. Er bat um seine Enthebung von der Stellung. Am 29. Mai 1858 wurde seinem Wunsche gewillfahrt. Er nahm Urlaub und begab sich auf Reisen, die ihn namentlich das französische Heer kennen lehrten. Die Garde stand bei ihm fortan in wenig freundlichem Andenken. Dann kamen das Jahr 1859 und die Mobilmachung zum Kriege gegen Frankreich. Bei dieser Gelegenheit wies der Prinzregent seinem Neffen eine Stellung an, welche diesem mehr zusagte. Er ernannte ihn zum Commandeur der 3. Division in Stettin und gab ihm damit einen ausgedehnteren Wirkungskreis, in welchem der Prinz Gelegenheit fand eine seiner hervorragendsten militärischen Eigenschaften, das Geschick die ihm unterstellten Truppen zu erziehen und für den Krieg auszubilden, in reichem Maße zu entfalten. Sein Auge war dabei vornehmlich auf Frankreich und die französische Armee gerichtet, in welcher er den zunächst zu bekämpfenden Gegner sah. Er hatte vor kurzem ihre Friedensausbildung beobachtet und jetzt gesehen, wie sie diese im Kriege verwertheten. Am 19. Januar und am 19. Februar 1860 hielt er den Officieren des Standortes Stettin Vorträge über die Kampfesweise der Franzosen. Eine Abschrift davon wurde, anscheinend ohne sein Vorwissen, zu Frankfurt a. M. unter dem Titel: „Eine militärische Denkschrift von P. F. K.“ gedruckt (in Commission bei F. B. Auffarth, 1860) und unter der absichtlich entstellten Aufschrift: „L’Art de combattre les Français“ (statt des Français) in das Französische übersetzt. Sie brachte die Grundsätze zum Ausdrucke, welche der Prinz bei der Ausbildung der ihm unterstellten Truppen in Anwendung gebracht sehen wollte, und machte berechtigtes Aufsehen. Die Vorträge verfolgten den Zweck, der eigenen Armee gegenüber, den damals allgemein verbreiteten, durch die Ereignisse des Krieges von 1859 in Italien noch verstärkten Glauben an die Unüberwindlichkeit des französischen Heeres zu bekämpfen.

Der nachmalige General v. Döring (A. D. B. XLVIII, 32), in Stettin des Prinzen Generalstabsofficier, kennzeichnete ihn zu jener Zeit folgendermaßen: „Seine hervorstechenden Eigenschaften sind Thatendrang, Muth, Ehrgeiz, Pflichttreue, schnelle Auffassungsgabe, vorzügliches Gedächtniß besonders für Persönlichkeiten, ausgezeichnetes Sehvermögen, militärisches coup d’oeil, Rednergabe, Talent zum Schreiben, gewinnende Liebenswürdigkeit wenn er will, selbst große Gemüthlichkeit, die Gabe schnell das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden, eine sehr ansprechende äußere Erscheinung“ (Wilhelm v. Döring, von Th. Krieg, Berlin 1899, S. 85). Ueber die Zeit des Stettiner Aufenthaltes berichtet auch G. E. v. Natzmer in den Juli/Augustheften der Neuen militärischen Blätter, Berlin 1894. Die Möglichkeit, jene an ihm gerühmte Eigenschaft, als Lehrer und Erzieher seiner Untergebenen zu wirken, in noch weiteren Kreisen zu bethätigen, ward ihm durch seine am 1. Juli 1860 erfolgte Ernennung zum commandirenden General des III. Armeecorps geboten, als welcher er nach Berlin zurückkehrte. Kräftigung des militärischen Geistes war sein Hauptbestreben: moralisch, intellectuell und taktisch den Soldaten wie dessen Vorgesetzte auf eine möglichst hohe Stufe zu fördern, war das Ziel, auf welches der gesammte, von ihm geleitete Dienstbetrieb gerichtet wurde. Der Samen, welchen er damit in der Mark, in die ganze Armee ausstreute, die Früchte, welche solche Arbeit zunächst bei seinem Armeecorps, dann im Heere überhaupt, zeitigte, sollten bald glänzend zu Tage treten.

Zunächst geschah es im J. 1864. Der Streit mit Dänemark um die Elbherzogthümer mußte endlich zum Austrage gebracht werden. Die beiden deutschen Großmächte hatten sich geeinigt und zum Schutze der Rechte Schleswig-Holsteins ein Heer aufgestellt, dessen Oberbefehl dem preußischen Generalfeldmarschall [122] Freiherrn v. Wrangel, des Prinzen Vorgesetzten im J. 1848, anvertraut wurde. Einen Theil davon bildete ein aus der 6. Division des III. (Brandenburgischen) und der 13. des VII. (Westfälischen) Armeecorps zusammengesetztes Armeecorps, das I. der verbündeten Armee. Es bestand aus 25 Infanteriebataillonen, 25 Escadrons, 17 Batterien, 2 Pionierbataillonen, und zählte 32438 Mann, 11935 Pferde, 96 Geschütze, unter ersteren 28579 Streitbare. Als Chef des Generalstabes stand dem Prinzen der Oberst v. Blumenthal, der nachmalige Generalfeldmarschall Graf v. Blumenthal, zur Seite. Am 1. Februar 1864 in aller Frühe wurde bei Cluvensiek die Grenze Schleswigs überschritten und damit das dänische Gebiet betreten. Am 2. ward der Vormarsch fortgesetzt. Da Prinz Friedrich Karl die ihm für diesen Tag gestellte Aufgabe durch die vom Feinde ohne weiteres gestattete Besetzung eines bestimmten Geländeabschnittes schon um 9 Uhr erfüllt hatte, beschloß er, die für die nächste Zeit ihm zugedachte Arbeit durch einen Angriff auf den durch Schanzen befestigten Uebergang über die Schlei bei Missunde einzuleiten. Dichter Nebel verhinderte jegliche Umsicht, die Wege waren spiegelglatt. Die Infanterie holte sich blutige Köpfe, ein heftiger Artilleriekampf lieferte kein Ergebniß, das Gefecht wurde daher Nachmittags abgebrochen. Es war ein Mißerfolg, welcher nur den Nutzen gebracht hatte, daß er für das Vorhandensein von Befestigungswerken und den Willen der Besatzung, sie zu halten, Zeugniß ablegte. Um so peinlicheres Aufsehen rief ein am 8. aus Glücksburg erlassener Corpsbefehl hervor, in welchem es im Napoleonischen Bulletinstile hieß, daß, wenn in Zukunft ein Mitkämpfer sagte: „Ich bin ein Kanonier von Missunde“, er die Antwort erhalten würde: „Siehe da, ein Tapferer“ (Th. Fontane, Der Schleswig-Holsteinsche Krieg im Jahre 1864, Berlin 1866). Dem Prinzen wiederholte der Tag die bei Wiesenthal empfangene Lehre; sie wird in gleicher Richtung wie damals gewirkt haben. Der Gedanke an einen Uebergang bei Missunde wurde nun aufgegeben. Die feindliche Stellung sollte umgangen werden. Es war dazu die Gegend weiter östlich, bei Arnis und bei Cappeln, in Aussicht genommen und alles vorbereitet, um in der Nacht vom 5. zum 6. den Meeresarm zu überschreiten, als man am Spätabend des 5. in des Prinzen Hauptquartiere zu Carlsburg erfuhr, daß die Dänen abgezogen seien. Da Brücken fehlten, konnte erst am nächsten Morgen die Verfolgung angetreten werden und am 7. wurde Flensburg erreicht. Die Verbündeten faßten nun einen doppelten Kriegszweck ins Auge. Der eine Theil des Heeres schickte sich an Jütland zu besetzen, dem anderen lag ob die Düppeler Schanzen zu nehmen. Die letztere Aufgabe wurde dem Prinzen gestellt, welcher sein Hauptquartier in Gravenstein nahm. Die stattfindenden Erkundungen, welche zu mehreren Gefechten geführt hatten, stellten fest, daß die Aufgabe nur im Wege der Belagerung gelöst werden konnte. Bis zum Eintreffen der dazu erforderlichen schweren Geschütze wurde im Sundewitt eine verschanzte Stellung bezogen. Nachdem am 11. März zwei Festungsartilleriecompagnien mit vierundzwanzig Geschützen angekommen waren und das Belagerungscorps Verstärkungen an Infanterie durch die der preußischen Gardedivision und Theile der aus dem Vaterlande herangezogenen 5. Division erhalten hatte, begann in der Nacht vom 29. zum 30. März der Bau der ersten Parallele. In der Nacht zum 11. April wurde, nachdem der Prinz ungern auf die Verwirklichung der Absicht verzichtet hatte, seine Aufgabe durch den Uebergang nach Alsen an einer nördlicher gelegenen Stelle zu erfüllen, zum Bau der zweiten, in der Nacht zum 15. zur Herstellung der dritten Parallele geschritten und am 18. Morgens 10 Uhr wurde unter Führung des Generals v. Manstein durch 46 Infanterie- und 5 Pioniercompagnien nebst 120 Artilleristen in sechs Colonnen der [123] Sturm ausgeführt. Das sorgfältig vorbereitete Unternehmen hatte einen glänzenden Erfolg. Nach fünf Minuten war das erste unter den angegriffenen Werken, die Schanze Nr. 6, in preußischer Hand, um 2 Uhr hatten die Dänen auch den Brückenkopf geräumt. Dann machte ein am 10. Mai abgeschlossener Waffenstillstand den Feindseligkeiten vorläufig ein Ende. Während seiner Dauer, am 18. Mai, wurde an Stelle des nach Berlin zurückberufenen Wrangel der Prinz mit dem Oberbefehle der verbündeten Armee betraut. Als Generalstabschef fand er den Generallieutenant Freiherrn v. Moltke vor. Mit dem 25. Juni war der Waffenstillstand abgelaufen und schon in der Morgenfrühe des 29. wurde ein ebenso sorgsam wie der Sturm auf Düppel vorbereitetes und ebenso glücklich verlaufendes Unternehmen ausgeführt. Es war der Uebergang nach Alsen und die Besitznahme der Insel. Der Prinz hatte den Kampf zunächst von einer Höhe bei Düppel beobachtet, sich dann in einem Kahne nach Sonderburg übersetzen lassen und auf Alsen dem Schlußacte des Gefechtes beigewohnt. Sein nächster Kriegsplan, nach Fünen überzugehen und auch diese Insel zu nehmen, kam nicht zur Ausführung. Der Verlust von Alsen hatte die Kopenhagener Regierung zur Besinnung gebracht. Am 18. Juli ward ein zweiter Waffenstillstand vereinbart, am 30. October wurde der Friedensvertrag unterzeichnet und am 20. November kehrte Prinz Friedrich Karl nach Berlin heim. Zunächst trat er wieder an die Spitze des III. Armeecorps und zurück in das stille, abgeschlossene Leben, welches er außerdienstlich schon vorher geführt hatte.

Aber nicht für lange Zeit. Der glücklich beendete Krieg gab den Anlaß zu einem ernsten Zerwürfnisse zwischen den verbündet gewesenen Mächten, bei welchem es sich aber im Grunde darum handelte, den Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland zum Austrage zu bringen. Es geschah im Kriege von 1866. Dem Prinzen war darin eine hervorragende Rolle zugetheilt, das Commando einer der drei Armeen, welche in Böhmen der Streitmacht des Kaiserreiches entgegen traten. Es war die I. Eine Cabinetsordre vom 12. Mai stellte ihn an ihre Spitze. An seinem Generalstabschef, dem General v. Voigts-Rhetz, hatte er einen trefflichen Berather.

Von Görlitz aufbrechend, überschritt die Armee am 23. Juni die Grenze. Des Prinzen bedächtiger Natur entsprechend, rückte sie langsam vor. Am 26. bestand sie bei Sichrow ihr erfolgreiches erstes größeres Gefecht; der Prinz wohnte ihm bei. Am 28. folgte der Sieg von Münchengrätz, die I. Armee erhielt Fühlung mit der Elbarmee, welche nunmehr auch an die Befehle des Prinzen gewiesen war; am 29. nahm dieser nach heißem, bis in die Nachtstunden des 30. dauerndem Kampfe Gitschin und am 2. Juli, sobald die auf seinen Befehl ausgeführten Erkundungen festgestellt hatten, daß die Hauptmacht der Oesterreicher hinter der Bistritz, mit der Elbe im Rücken, stand, faßte er den Entschluß, sie am folgenden Tage dort anzugreifen. Er sandte der Elbarmee die entsprechenden Weisungen, ersuchte die II. Armee um ihre Mitwirkung und erbat von König Wilhelm die Genehmigung seines Vorhabens. Sie wurde gegeben und die Folge davon war die Schlacht bei Königgrätz. Die I. Armee hatte zunächst einen schweren Stand, und vielfach ist dem Prinzen der Vorwurf gemacht, daß er mit ungenügenden Kräften – er hatte 127 000 Mann unter seinen Befehlen, nämlich das II. Armeecorps mit 28 500, das III. mit 24 500, das IV. mit 26 500, das Cavalleriecorps mit 8500, die Elbarmee mit 39 000 Mann – angegriffen habe, um den Kampf vor der Ankunft des Kronprinzen zur Entscheidung zu bringen und diesem, dem er, wie allgemein erzählt und geglaubt wurde, im tiefen Innern seines Herzens von jeher wenig hold gewesen und den er stets um seine Stellung unmittelbar [124] am Throne beneidet hatte, einen möglichst geringen Theil der erhofften Lorbeeren zukommen zu lassen. Und schließlich brachte dieser doch die Entscheidung. Prinz Friedrich Karl trat, nachdem um 8 Uhr Morgens König Wilhelm auf dem Schlachtfelde eingetroffen war, in die Stellung eines Unterführers. Im weiteren Verlaufe des Feldzuges war er am Kampfe persönlich nicht betheiligt und zu selbständiger Thätigkeit nicht berufen.

Nach Friedensschlusse übernahm er von neuem das Commando seines brandenburgischen Armeecorps. Aber bald führte ihn der Ausbruch des Krieges gegen Frankreich wieder in größere Verhältnisse. Er wurde zum Oberbefehlshaber der II. Armee, aus dem Garde-, III., IV., IX., X. und XII. (Sächsischen) Armeecorps, der 5. und 6. Cavalleriedivision bestehend, ernannt, welche, als sie am 30. Juli 1870 bei Alzey versammelt war, 156 Bataillone, 148 Escadrons, 91 Batterien, 156 000 Mann Infanterie, 22 200 Pferde und 546 Geschütze zählte; das IV. Armeecorps (25 000 Mann Infanterie, 1200 Pferde, 84 Geschütze) gab sie bald darauf an die III. Armee ab, Chef ihres Generalstabes war der General v. Stiehle. Der Prinz nahm sich sofort der theoretischen Vorbereitung der ihm unterstellten Truppen auf den Krieg dadurch an, daß er ihnen vortreffliche Anleitung für ihr Verhalten im bevorstehenden Feldzuge gab. Namentlich der Cavallerie wies er eine der Bedeutung der Waffe entsprechende Rolle zu und verwandte sie in dieser als das Ohr und Auge der Armee. In der Schlacht bei Spicheren am 6. August hatten Theile der Truppen bald Gelegenheit, die empfangenen Lehren zu verwerthen. Der Prinz selbst nahm erst am 16., dem Tage von Vionville-Mars la Tour, am Kampfe theil. Er wähnte die Franzosen in vollem Rückzug von Metz nach Westen. Am 16. Nachmittags 2 Uhr wurde er in seinem Hauptquartiere Pont-à-Mousson durch eine vom Schlachtfelde einlaufende Meldung aus seinem Irrthume gerissen. In 55 Minuten legte er den 3¼ Meilen langen Weg bis zur Wahlstatt zurück. Dort angelangt, traf er sofort Anordnungen, welche darauf hinausliefen, dem Vordringen der Franzosen durch Offensivstöße entgegen zu treten. Den letzten davon setzte er, als schon die Nacht hereingebrochen war, durch einen Reiterangriff der 6. Cavalleriedivision ins Werk. Der Erfolg des Tages, freilich theuer erkauft, war ein vollständiger. Bazaine’s Durchbruchversuch war fehlgeschlagen, der Weg nach Westen war ihm verlegt. Am 18. wurde er durch die Schlacht von Gravelotte-St. Privat ganz nach Metz hineingeworfen, auf die Moselfeste und ihre nächsten Umgebungen beschränkt. Auch an diesem Siege hatten Prinz Friedrich Karl und seine II. Armee den wesentlichsten Antheil. Sie gaben den Ausschlag. Am folgenden Tage wurden von letzterer das Garde- und das XII. Armeecorps nebst den Cavalleriedivisionen der Maasarmee des Kronprinzen Albert von Sachsen unterstellt, der mit ihr gen Sedan zog; der Prinz blieb mit dem Reste her II. sowie der ihm gleichzeitig unterstellten I. Armee und der Landwehrdivision Kummer vor Metz zurück. Bis zum 27. October dauerten die Einschließung und das Ringen um die Festung, dann übergab sie Marschall Bazaine und mit ihr die letzte Feldarmee des Kaiserreiches. Des Prinzen königlicher Kriegsherr sprach diesem die Anerkennung der geleisteten Dienste durch die Ernennung zum Generalfeldmarschall aus. General der Cavallerie war er seit dem Krönungstage Wilhelm’s I., dem 18. October 1861.

Von der Mosel berief ihn die veränderte Kriegslage im Innern Frankreichs an die Loire. Ein Theil der Einschließungsarmee von Metz erhielt anderweite Bestimmungen; mit dem III., IX., X. Armeecorps und der 1. Cavalleriedivision brach der Prinz sofort dahin auf und Mitte November langte er auf dem neuen Kriegsschauplatze an, wo auch die aus den dort befindlichen [125] Streitkräften zusammengestellte Armeeabtheilung des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin unter seine Befehle trat. Die Kämpfe bei Beaune-la-Rolande am 28. November, bei Loigny-Poupry am 2., bei Arténay und Orléans am 3. und 4. December sind die Hauptmarksteine auf dem Siegeszuge, der ihn am 5. in die letztgenannte Stadt führte. Nachdem in den ersteren Kämpfen die Offensivkraft des Feindes sich gebrochen hatte, schritten in den letzteren unter des Prinzen persönlicher Leitung die Deutschen zum Angriffe. In Orléans gab es eine kurze Rast, bis zu Anfang des Jahres 1871 die unermüdete Thätigkeit der Regierung der nationalen Vertheidigung die eigene Heeresleitung zu weiterem Vorgehen nach dem Westen bewog. Es führte zu einer langen Reihe von Kämpfen, die zum Theil unter unmittelbarer Leitung des Prinz-Feldmarschalls ausgefochten wurden. Die Kriegsgeschichte verzeichnet sie unter dem Gesammtnamen der siebentägigen (6. bis 12. Januar) Schlacht von Le Mans. Mit diesem Erfolge kamen des tüchtigen Generals Chanzy Thätigkeit und des Prinzen Antheil an den kriegerischen Ereignissen in der Hauptsache zum Abschlusse und am 17. März traf der letztere wieder in der Heimath ein.

Es war ihm nicht vergönnt, zum dritten Male nach siegreich beendetem Feldzuge an die Spitze des III. Armeecorps zu treten. Er mußte sich daran genügen lassen, daß er zum Inspecteur der III. Armeeinspection ernannt wurde. Daneben war er Inspecteur der Cavallerie, eine Stellung, die ihm schon nach dem Kriege von 1866 angewiesen war, die ihm aber, abgesehen von der Leitung größerer Reiterübungen, ebensowenig wie die als Armeeinspecteur, Gelegenheit zu praktischer Thätigkeit verschaffte. Dringend wünschte er sich einen weiteren Wirkungskreis und gern wäre er an die Spitze der Marine getreten. So kam es, daß er immer mehr die Abgeschiedenheit suchte, zu der ihn ohnehin ein angeborener und anerzogener Hang zur Einsamkeit zog. So weit es möglich war, hielt er sich abseits vom Hofleben und von der großen Welt, aber auch seiner Familie blieb er fern; am liebsten hielt er sich in seinem Jagdhause Dreilinden, unfern von Potsdam, auf und in dem Blockhause, welches er sich bei Saßnitz auf der Insel Rügen erbaut hatte. Von hier aus unternahm er Seefahrten, in Dreilinden lebte er der Jagd, seiner Land- und Forstwirthschaft; in Berlin hielt er sich nur während einiger Wintermonate auf, die größere Geselligkeit nach Kräften meidend; einen kurzen Theil des Sommers verlebte er in seinem Schlosse Klein-Glienicke, ein anderer Theil des Jahres gehörte den soldatischen Pflichten. Daneben war er unausgesetzt bemüht, sich militärisch weiterzubilden. Seinen Verkehr suchte er ausschließlich in einem engen Kreise befreundeter Männer, aus allen Berufsarten ausgewählt. Es waren Officiere des Heeres wie der Flotte, Gelehrte und Künstler, die er gern und häufig in kleiner Tafelrunde um sich versammelte und mit denen er ungezwungen, aber immer als Prinz, verkehrte. Im J. 1872 unternahm er eine Reise nach dem Mittelländischen Meere, 1882/3 eine größere nach dem Morgenlande. Ueber die letztere haben zwei seiner Begleiter in einem Prachtwerke Bericht erstattet (Prinz Friedrich Karl im Morgenlande, dargestellt von seinen Reisebegleitern Professor Dr. Brugsch-Pascha und Major v. Garnier, Frankfurt a. O. 1883).

Im Frühjahr 1883, bald nachdem er durch den am 21. Januar 1883 erfolgten Tod seines Vaters aus den bescheidenen Verhältnissen, in denen er bisher gelebt hatte, in eine sehr günstige Vermögensiage gekommen war, traf ihn ein leichter Schlaganfall. Eine Cur in Marienbad, die im Frühjahr 1884[2] wiederholt wurde, sollte der Wiederkehr vorbeugen. Aber die Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Schon in der Nacht vom 13. zum 14. Juni wiederholte sich [126] zu Klein-Glienicke der Anfall und am 15. machte ein Herzschlag dem Leben des Prinzen ein Ende. Die Beisetzung erfolgte in der nahegelegenen Waldkirche von Nikolskoe.

Eine würdige Lebensbeschreibung des Prinzen ist noch nicht veröffentlicht. Die erschienenen Bücher sind theils Gelegenheitsschriften, theils bestimmt, dem Lesebedürfnisse weiter Kreise zu genügen. Von den über einzelne Abschnitte unterrichtenden Quellen sind einige schon nachgewiesen. Außerdem sind zu nennen für die Kriege von 1864, 1866, 1870/71 die Generalstabswerke; für 1866 Friedjung, Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland (Stuttgart 1896/97), und v. Lettow-Vorbeck, Der Krieg von 1866 in Deutschland (II, Berlin 1899); für 1870/71 C. v. der Goltz, Die Operationen der II. Armee (Berlin 1873), und F. Hoenig, Der Volkskrieg an der Loire (Berlin 1891); für sein Privatleben (Heros v. Borcke s. oben) B. Rogge, Prinz Friedrich Karl von Preußen (Berlin 1885), Th. Fontane, Fünf Schlösser (Berlin 1889). Eine vortreffliche Würdigung der ganzen Persönlichkeit des Prinzen und seiner Entwicklung hat F. Hoenig in jenem Werke (VI, 23) gegeben.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. Friedrich Karl, Pr. v. Preußen XLIX 120 Z. 13 v. u. l.: des Herzogs Leopold (statt des verstorbenen Herzogs Friedrich). [Bd. 56, S. 396]
  2. 125 Z. 3 v. u. l.: im Frühjahr 1885 (statt 1884). [Bd. 56, S. 396]