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Artikel „Friedrich Franz II., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin“ von Karl Schröder in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 96–116, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_Franz_II.&oldid=- (Version vom 13. Oktober 2024, 04:28 Uhr UTC)
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Friedrich Franz II., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, war geboren am 28. Februar 1823 zu Ludwigslust als ältester Sohn des damaligen Erbgroßherzogs Paul Friedrich und dessen Gemahlin Alexandrine, der zweiten Tochter des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen; † zu Schwerin am 15. April 1883 nach 41jähriger Regierung, tief betrauert von seinem Volke, das in ihm einen Herrscher von seltener Pflichttreue, von großer Herzensgüte, von ungewöhnlicher persönlicher Liebenswürdigkeit und aufrichtiger Frömmigkeit verehrte und stolz war auf die rühmliche Rolle, die sein Landesherr in den großen Krisen der neuesten deutschen Geschichte gespielt hatte. Aufgewachsen war F. F. in dem politischen Stillleben Norddeutschlands in den zwanziger und dreißiger Jahren; in seine Regierungszeit aber fielen die Jahre 1848, 1866 und 1870 und erfüllten mit großem Inhalte das Leben dieses Mannes, der, als er die Augen schloß, eben erst die Grenze des Alters überschritten hatte.

Seine ersten Jugendjahre verlebte F. F. in Ludwigslust unter den Augen seiner Eltern und am Hofe seines Urgroßvaters, des regierenden Großherzogs Friedrich Franz I. Der hatte seinem in der Blüthe der Jahre 1819 gestorbenen ältesten Sohne Friedrich Ludwig eine Theilnahme an den Regierungsgeschäften in sehr weitem Umfange eingeräumt, die er seinem Enkel Paul Friedrich ebenso hartnäckig versagte wie die Gründung einer eigenen Hofhaltung, wodurch das Verhältniß des Erbgroßherzogs zu seinem Großvater zeitweise getrübt wurde. Der Regierungsantritt Paul Friedrich’s am 1. Februar 1837 hatte dann begreiflicher Weise durchgreifende Veränderungen zur Folge, deren wichtigste die Verlegung der Residenz nach Schwerin, dem Sitze [97] der Regierungsbehörden, war. Für den nunmehr Erbgroßherzog gewordenen F. F. war die Uebersiedlung nach Schwerin übrigens von um so geringerer Bedeutung, da er bereits im Herbst 1837 Mecklenburg verließ, um seine weitere Ausbildung in Dresden durch die Lehrer des Blochmann’schen Instituts zu erhalten. Im Juli 1840 fand diese Vorbereitungszeit in einem wohlbestandenen schriftlichen und mündlichen Examen vor der Prüfungscommission des Instituts ihren Abschluß. Am 15. October war F. F. in Berlin Zeuge der feierlichen Huldigung der Landtage vor dem neuen Könige Friedrich Wilhelm IV. und schrieb in sein Tagebuch begeisterte Worte über „das felsenfeste Vertrauen, auf dem der preußische Thron gegründet steht“; dann machte er sich auf den Weg nach Bonn. In den Rheinlanden vernahm er noch den Nachhall der Kriegsbegeisterung, die in Nicolaus Becker’s „Rheinlied“ ihren dichterischen Ausdruck gefunden hatte. Am 5. November wurde der Prinz unter E. M. Arndt’s Rectorat immatriculirt; an Vorlesungen hörte er Privatissima bei Walter, Perthes, Loebell, Urlichs, Brandis, dazu in jedem Semester ein Publicum, im ersten eines bei Arndt über die Germania des Tacitus, fand aber, daß „Arndt’s weitschweifige Vortragsweise nicht auf der Höhe des anziehenden Stoffes stand“. Die Universitätsferien füllten längere Reisen aus, nach den Niederlanden, nach Italien. Ein Freund harmlos geselligen Verkehrs, gastfrei und wegen seiner Anspruchslosigkeit und jugendlichen Heiterkeit geschätzt, unterhielt F. F. lebhafte Beziehungen nicht nur zu seinen Altersgenossen, besonders zu seinen Landsleuten unter den Commilitonen, sondern auch zu der Bonner Gesellschaft, zu den Officieren der Garnison, zu Professorenkreisen und zu der englischen Colonie der Stadt; an Standesgenossen fehlte es ihm an der „Fürstenuniversität“ nicht, mit den Prinzen Christian von Schleswig-Holstein- Sonderburg-Glücksburg (jetzt König von Dänemark), Friedrich von Hessen und Leopold von Lippe-Detmold verband ihn enge Freundschaft.

Die Studienzeit fand ein unvermuthetes jähes Ende. Am 1. März 1842 beschied eine Stafette den Prinzen an das Lager des erkrankten Großherzogs. F. F. fand seinen Vater noch am Leben, aber wenige Tage darauf, am 7. März, verschied Paul Friedrich, und die schwere Bürde einer Regierung senkte sich auf die ungeübten Schultern seines neunzehnjährigen Sohnes, dessen Lehrjahre noch nicht beendet waren. Den Mangel an Reife und gründlicher Vorbildung empfand der junge Fürst schmerzlich. „Es ist ein ernstes Ding, Land und Leute regieren zu sollen in einem Alter, wo einem sonst noch keine Compagnie anvertraut wird“, schrieb er und dachte in dieser Zeit wohl zuweilen daran, die Krone niederzulegen.

Die Regierungssorgen begannen bald genug; die Katastrophe von 1848 bereitete sich auch in Mecklenburg vor. Der Conflict zwischen den bürgerlichen und adeligen Mitgliedern der Ritterschaft, der zu Paul Friedrich’s Zeiten ausgebrochen war, setzte sich unter der Regierung seines Sohnes fort und gewann an Schärfe. Die bürgerlichen Gutsbesitzer, die früher in der Minderzahl gewesen waren und an den Landtagsgeschäften wenig theilgenommen hatten, waren im Laufe der Zeit den adeligen Rittern an Zahl gleich geworden, sie hatten an Standesbewußtsein gewonnen, bezogen die Landtage und beanspruchten die ihnen bisher vorenthaltenen Rechte des ritterschaftlichen Adels, insonderheit die Wählbarkeit zu den Landrathsstellen und in den „Engeren Ausschuß“ (ein ständisches Collegium, das die ständischen Angelegenheiten in dem Zeitraum zwischen den Landtagen verwaltet) und den Mitgenuß der drei Landesklöster. Der Streit, bei dem die bürgerliche Partei sich vielfach mit der Landschaft (den Vertretern der Städte) verband und in den auch die Männer [98] der Wissenschaft eingriffen: v. Kamptz und Laspeyres als Verfechter des Standpunktes des Adels, Zachariae und Beseler als Wortführer der bürgerlichen Opposition – dieser Streit verbreitete sich von den Landtagen über das ganze Land. F. F., der in den ersten Jahren seiner Regierung vorzugsweise von den Ministern seines Vaters, v. Lützow[WS 1] und v. Levetzow, berathen wurde – „Lützow stellt das bewegliche Element dar, Levetzow das stabile“, so charakterisirte der Großherzog die beiden Männer –, der aber von Anfang an und mit Erfolg bemüht war, sich selber ein Urtheil zu bilden, verkannte die Mängel der alten ständischen Verfassung nicht. Auf seine persönliche Initiative hin machte 1843 die Regierung den freilich erfolglosen Versuch, die ständischen Differenzen im Wege eines gütlichen Ausgleichs beizulegen. Indessen kam auf dem Landtage dieses Jahres der von F. F. angeregte Verzicht des Adels auf die alleinige Wählbarkeit in den „Engeren Ausschuß“ zu Stande; da aber gleichzeitig dem Adel seine anderen Vorrechte bestätigt wurden, setzte die bürgerliche Partei den Kampf fort. Es gelang ihr, wenigstens im Schweriner Landestheil die Majorität in der Ritterschaft zu gewinnen. Auf den stürmisch verlaufenden Landtagen von 1846 und 1847 wurden die Landräthe, die Inhaber der höchsten ständischen Würde, welche die Directorialgeschäfte der Landtage führen und herkömmlicher Weise in die Landtagsausschüsse (Committen) gewählt waren, in denen sie dann den Vorsitz führten, aus den Committen fast gänzlich verdrängt, und auf dem 1847er Landtage stellte der Gutsbesitzer Pogge-Roggow (s. d.) den freilich nur vom Vertreter der Stadt Schwerin unterstützten Antrag auf Einführung einer constitutionellen Verfassung. F. F. litt schwer unter diesen Zuständen. Mehrmals wandte er sich mit der Bitte um Rath an seinen von ihm sehr verehrten Oheim Friedrich Wilhelm IV., der aber meinte noch 1847, an dem strammen Festhalten der alten Grundsätze werde die Opposition schließlich erlahmen. Der König machte allerdings auch positive Vorschläge, aber dafür war es, selbst wenn sie ausführbar gewesen wären, bereits zu spät. Schon kam es in einigen kleinen Städten zu Unruhen, die militärisches Einschreiten erforderten; das Sturmjahr 1848 nahte.

Neben den politischen Sorgen war es auch eine volkswirthschaftliche Angelegenheit von höchster Bedeutung, die die Aufmerksamkeit des jungen Fürsten in Anspruch nahm: die Eisenbahnfrage. Im November 1841 war in Berlin zwischen den betheiligten Staaten eine Convention zum Bau der für Mecklenburg höchst wichtigen Bahn Berlin-Hamburg geschlossen, für den Abschluß der Contracte aber nur die Frist von einem Jahre vorgesehen worden. Die Zeichnungen flossen indessen so spärlich, daß Preußen die Uebernahme einer Zinsgarantie ablehnte; in Berlin bevorzugte man überdies die Linie über Magdeburg. Ein Umschwung dieser Stimmung war trotz der Bemühungen des Ministers v. Lützow nicht zu erzielen, die Frist für die Bahn auf dem rechten Elbufer nahte ihrem Ende. Da entschloß sich F. F., dem Könige von Preußen brieflich die Angelegenheit ans Herz zu legen und erreichte wenigstens die Verlängerung der Frist um sechs Monate. Lützow entfaltete nun eine emsige Thätigkeit, Verhandelte mit den Ständen, mit Dänemark und mit Hamburg erfolgreich, fand aber in Berlin keinerlei Entgegenkommen. Wieder bedurfte es des persönlichen Eintretens des Großherzogs, der sich zum Könige nach Potsdam begab. Es erfolgte dann in der That ein Umschlag in den Berliner Regierungskreisen. Am 7. Juni 1843 konnte den zu einem Convocationstag nach Schwerin berufenen Ständen das Project in seinen allgemeinen Umrissen vorgelegt werden, im Frühjahr 1844 begann der Bau auf mecklenburgischem Gebiet und am 15. December 1846 wurde die ganze Linie dem Verkehr übergeben. Daß an diese Bahn sich Zweiglinien ins Innere des [99] Landes, namentlich nach den mecklenburgischen Hafenstädten anschließen sollten, hatte F. F. schon auf dem Convocationstage verheißen; mit dem Bau der Linie Hagenow-Schwerin ging der Großherzog selbständig vor, sie wurde 1847 eröffnet; daß 1848 Schwerin-Wismar und 1850 auch Schwerin-Rostock folgen konnten, war wieder sein persönliches Verdienst, da er die dem Unternehmen sich entgegenstellenden, heute kaum noch verständlichen Schwierigkeiten beseitigen half.

Während die Verhandlungen wegen der Berlin-Hamburger Bahn noch schwebten, stattete F. F. dem verwandten russischen Hofe einen Besuch ab; im folgenden Jahre 1844 ging er nach Italien und Constantinopel. Er hat dieser Fahrt noch mehrere große Reisen folgen lassen, betrachtete aber jede Reise wesentlich als Bildungsmittel und bereitete sich dementsprechend sprachlich und litterarisch darauf vor, verschaffte sich an Ort und Stelle die sachkundigsten Führer, war nie müßig und ermüdete nie, so daß seine Begleiter es nicht leicht hatten. Sorgsam wählte er seine Reisegefährten; 1844 wie bei einigen späteren Reisen (1865 nach Spanien, 1872 in den Orient) hatte er sich dazu seinen Landsmann Ad. Fr. v. Schack ausersehen. In alledem fand das starke Fortbildungsbedürfniß des Großherzogs, der seinen Studiengang nicht hatte zum Abschluß bringen können, seinen Ausdruck. Wie er denn auch bis in seine späteren Jahre es liebte, sich Vorlesungen theils durch Schweriner Gelehrte, theils durch Rostocker Professoren, ja selbst durch Auswärtige halten zu lassen. Daß er auch in der Ferne an allen, selbst den unbedeutendsten Vorkommnissen der Landesverwaltung ein nie ermüdendes Interesse nahm, ist durch zahlreiche Schriftstücke von seiner Hand bezeugt.

Zu Beginn des Jahres 1848 schrieb F. F. an einen Jugendfreund: „Mir geht es gut, so gut wie es einem Fürsten gehen kann, der seine Pflicht zu thun bestrebt ist: viel Arbeit, manche bittere Erfahrung, manche freudige Stunde, ewige Sorge und Unruhe, Sorge für die Gegenwart und Sorge für die Zukunft, denn wir gehen im Vaterlande einer ernsten Zeit entgegen.“ Diese ernste Zeit kam schneller als er und Andere gedacht hatten. Die Nachricht von der Pariser Februarrevolution traf den Großherzog zunächst persönlich, denn Louis Philipp’s Schwiegertochter, die Herzogin von Orleans, war eine mecklenburgische Prinzessin, die Stiefschwester seines Vaters; dann aber gab sie das Signal zu der revolutionären Bewegung, in die auch Mecklenburg hineingerissen wurde. Hier war, wie wir sahen, die Reformbewegung ausschließlich von der bürgerlichen Partei der Gutsbesitzer ausgegangen, der Kampf hatte sich wesentlich innerhalb der Ritterschaft abgespielt. Jetzt traten die Städte an die Spitze und in ihnen waren es wieder die radicalen Elemente, denen die Führerschaft zufiel. F. F. war zu Anfang März in Berlin gewesen, mit dem Könige und den Ministern die Lage zu besprechen. „Wir Kleinen blicken erwartungvoll auf Dich“, hatte er schon am 2. März dem Könige geschrieben, „auf Preußens Adler steht unser Vertrauen“; man hatte ihn zu beruhigen gewußt und ihm eine abwartende Haltung empfohlen. Gleich nach seiner Rückkehr überreichte ihm eine Deputation des Schweriner Magistrats eine auf Revision der Verfassung und Berufung eines außerordentlichen Landtags antragende Petition und Tags darauf erschien eine Abordnung der Rostocker Bürgerschaft mit einer unter dem Einfluß von Moritz Wiggers (s. d.) formulirten Bittschrift, welche Reform der Landesverfassung auf Basis einer Volksvertretung, Mitwirkung zur Begründung eines deutschen Parlaments, Preßfreiheit und Aufhebung der Censur, unbegrenztes Versammlungsrecht, öffentliches und mündliches Gerichtsverfahren mit Schwurgerichten, allgemeine Volksbewaffnung [100] mit Beschränkung der stehenden Heere forderte. Aehnliche Adressen folgten von allen Seiten, eine Petitionsfluth ergoß sich nach Schwerin, es wurden zum Theil die weitestgehenden Forderungen, nicht selten in drohendem Tone, erhoben. F. F. beantwortete die Rostocker Eingabe ablehnend und ließ am 14. März in einem Regierungserlaß erklären, daß er nicht gewillt sei, „Petitionen, die etwa in Landesverfassungs- oder ähnlichen Angelegenheiten an ihn gerichtet werden möchten, weiter persönlich entgegen zu nehmen, daher denn dergleichen Vorträge nicht durch Deputationen, sondern in dem gewöhnlichen Wege an ihre Bestimmung zu befördern seien“. Der kühle Ton dieser Abfertigung wirkte weithin erbitternd; die Regierung suchte zunächst durch Bewilligung der Preßfreiheit die Gemüther zu beschwichtigen und beraumte dann, als eine Versammlung der ritterschaftlichen Oppositiomspartei in Güstrow und darauf sogar der Engere Ausschuß die sofortige Einberufung eines Convocationstages verlangten, einen außerordentlichen Landtag auf den 26. April an. Inzwischen aber hatte sich unter dem Eindruck der Nachrichten aus Berlin in den Anschauungen des Großherzogs eine entscheidende Wendung vollzogen. Die Durchführung einer Reform auf ständischer Grundlage erschien ihm völlig aussichtslos, ein ferneres Temporisiren war unmöglich, so entschied er sich für das Repräsentativsystem und erließ am 23. März unter dem Jubel der liberalen Partei eine Proclamation „An meine Mecklenburger“, in der es u. a. hieß: „Es liegt die Nothwendigkeit vor, daß Mecklenburg in die Reihe der constitutionellen Staaten eintrete, und weil ich diese Nothwendigkeit erkenne, so ist es mein ernstlicher Vorsatz, daß der Schritt unverzüglich geschehe, damit die Ungewißheit, welche zur Zeit über den künftigen Verhältnissen des Landes schwebt, sobald als irgend möglich gehoben werde.“ Wie schwer dieser Schritt dem Großherzog geworden war, hat er später selbst bekannt: „Ich hatte bisher gesucht, das monarchische und ständische Princip zu retten. Im Gegensatz zu letzterem erschien mir das constitutionelle ungeeignet, weil in der Theorie falsch und in der Praxis nicht hinlänglich bewährt. Durch Gewalt gedrängt, war ich entschlossen, den Andrängenden mich oder die Constitution zur Wahl zu stellen. Da kam die Proclamation des Königs vom 18., der Kampf in der Nacht auf den 19.! Das alte System war gefallen, das constitutionelle hatte gesiegt. Jetzt galt es nur, die Einheit Deutschlands zu retten, auf die Ideen des Königs einzugehen. Die Zukunft wird lehren, ob dieser Weg der richtige war. Ich konnte keinen anderen einschlagen nach Lage der Umstände und nach bestem Willen und Wissen. So mußte ich denn ein Opfer bringen, aber es ist ein schweres!“

Am 26. April wurde der Vereinigte Landtag der beiden Großherzogthümer im Schweriner Dom eröffnet. Die Zeit zwischen diesem Tage und der Proclamation des Großherzogs war von der sehr rührigen freisinnigen Partei zur Veranstaltung von Versammlungen und Gründung von Reformvereinen, die ihre Directive von einem Rostocker Centralcomité erhielten, lauter bisher im Lande ungewohnten Dingen, ausgenutzt worden, während die altständische Partei und die conservativen Kreise der Bewegung einstweilen muth- und rathlos, ohne festen Mittelpunkt, ohne Organ, ja eigentlich ohne Programm gegenüberstanden und erst im Sommer 1849 sich zu consolidiren begannen. Die Schweriner Landtagsproposition, der sich die Strelitzer in allen wesentlichen Punkten anschloß, schlug vor „die Auflösung der bisherigen Landesvertretung, die Anbahnung einer neuen Ständeeinrichtung auf Grundlage von Wahlen im ganzen Lande, den unveränderten Fortbestand übriger staatsrechtlicher Verhältnisse des Landes bis dahin, daß durch die Vereinbarung der Landesherren mit den neu zu erwählenden Ständen andere Einrichtungen getroffen [101] sein werden“. Von vornherein erklärte F. F., daß er auf sein bisher unbeschränktes Gesetzgebungs– und Besteuerungerecht im Domanium verzichte, allerdings aber auch erwarte, daß die Seestädte Rostock und Wismar ihre Sonderrechte aufgeben würden. Die zahlreich erschienene Ritter- und Landschaft willigte in die Auflösung der alten Stände mit der Bedingung, daß der neuen Volksvertretung als Minimum diejenigen Rechte eingeräumt würden, die ihr bisher zugestanden hätten, und daß die Auflösung erst in dem Augenblicke eintrete, wo infolge einer im Wege der neuen Verfassung erfolgten Vereinbarung die Landesherren die Ritter- und Landschaft als politisch berechtigte Corporationen für aufgelöst erklärten. Die Verhandlungen über das Wahlgesetz, die durch das tumultuarische Gebahren der nach Schwerin citirten Deputirten der Reformvereine auf den Galerieen des Ständesaales vielfach gestört wurden, endeten mit der Annahme indirecter Wahlen ohne Census. Als der Landtag am 17. Mai geschlossen wurde, schrieb F. F.: „Die alte ehrwürdige Verfassung ist zu Grabe getragen, die Berliner Märztage haben diese Wendung heraufbeschworen.“

Am Tage nach dem Landtagsschlusse trat in Frankfurt die Nationalversammlung zusammen. Die Vorgänge in der Paulskirche haben auf die Verhältnisse Mecklenburgs so wenig eine besondere Rückwirkung ausgeübt, wie die mecklenburgischen Abgeordneten eine hervorragende Rolle spielten. Ihren bundesstaatlichen Verpflichtungen kam die Regierung gewissenhaft nach. F. F. wünschte das Einheitswerk auf jede Weise zu fördern, war zu jedem Opfer zum Besten der Gesammtheit bereit. Daß er, als die Oberhauptsfrage nahe rückte, in unzweideutiger Weise auf Preußen hinweisen ließ, bedarf kaum der Hervorhebung.

Näher als durch die Frankfurter Versammlung wurde Mecklenburg durch die schleswig-holsteinsche Bewegung berührt. Schon am 30. März hatte F. F. einen Brief des an der Spitze der holsteinschen Bewegung stehenden Prinzen Friedrich v. Noer erhalten, worin um schleunige Unterstützung durch Absendung des mecklenburgischen Dragonerregiments gebeten wurde. Dieses Ansinnen mußte F. F. natürlich ablehnen, doch erklärte er sich bereit, eine größere Truppenzahl ins Feld zu senden, sobald der Bund die Kriegserklärung beschlossen habe. Nachdem am 12. April die Execution gegen Dänemark durch ein preußisches und ein combinirtes Armeecorps verfügt war, rückten auch die mecklenburgischen Truppen aus, nahmen an den Gefechten bei Düppel und Nübel theil, hatten dann Vorpostenstellung an der jütischen Grenze und traten nach dem Waffenstillstand von Malmoe zu Anfang September den Rückmarsch an. Zwei Mal hatte F. F. seine im Felde stehenden Truppen inspicirt und am 5. August ein Militärverdienstkreuz „für Auszeichnung im Kriege“ gestiftet.

Das folgende Jahr 1849 sah die mecklenburgische Brigade wiederum im Felde, und zwar dieses Mal auf Reichsrequisition gegen die badischen Insurgenten; sie betheiligte sich am 12. und 13. Juni an den Gefechten von Waldmichelbach, Siedelbrunn und Käferthal, am 15. und 16. an den Treffen von Hirschhorn, Ladenburg und Groß-Sachsen, am 29. an dem Scharmützel von Gernsbach und kehrte im October in die Heimath zurück. Auch dieses Mal hatte F. F. seinen Soldaten im Felde einen Besuch abgestattet; befriedigt schrieb er an seine Mutter: „Ich bin sehr stolz auf meine braven Truppen.“ –

Am 13. Juli 1848 war das Wahlgesetz veröffentlicht worden. Mit seinem Alterscensus von 30 Jahren für die Abgeordneten und der Beschränkung der Wahlfähigkeit durch das Niederlassungsrecht erregte es das entschiedene Mißfallen der Reformvereine. Auf einem am 21. Juli nach Güstrow einberufenen Reformtag sprach sich das gehobene Machtbewußtsein der Partei in [102] dem Bekenntniß: „Wir wollen, daß der Volkswille als das höchste Gesetz des Staates gilt“ und in dem Antrag auf Entlassung der Minister in schärfster Weise aus. Von diesem Tage aber datirte eine zunehmende Zersetzung im liberalen Lager, die gemäßigten Männer unter den Liberalen verweigerten die fernere Gefolgschaft und sammelten sich in den nunmehr ins Leben tretenden „constitutionellen Vereinen“, während die Conservativen unthätig bei Seite standen. Der Antrag der Reformpartei auf Entlassung der Minister blieb natürlich ohne praktische Wirkung. F. F. nahm zwar aus den Händen ihrer Abgesandten das schriftliche Mißtrauensvotum entgegen, erklärte aber sehr bestimmt, daß er nicht gesonnen sei, ihnen eine Befugniß einzuräumen, die zur Zeit weder Einzelnen noch Privatvereinen zustehe und auch später nach Einführung verantwortlicher Ministerien nur von den Repräsentanten aller Staatsangehörigen geübt werden dürfe; er werde auch unerinnert darauf Bedacht nehmen, sich mit angemessenem Rathe zu umgeben und müsse es entschieden zurückweisen, wenn man ohne allen Beruf es unternehme, ihm für die Bildung von Behörden Rathschläge zu ertheilen. Ebenso wurde eine Massendeputation, die eine Abänderung des Wahlgesetzes erwirken sollte, abschlägig beschieden.

Am 31. October fand die Eröffnung des neuen Landtages im Schweriner Dome statt. Der Minister v. Levetzow, ein grundsätzlicher Gegner der Verfassungsreform, hatte wenige Tage zuvor seinen Abschied genommen. In der Kammer hatten die Männer der Reformpartei von vornherein die Majorität. Gleichwohl wollte F. F. alles aufbieten, mit diesem Landtage das neue Staatsgrundgesetz zu Stande zu bringen; er war selbst gewillt, einem Beschlusse des Abgeordnetenhauses, der die politische Gewalt der Landstände und ständischen Corporationen für erloschen erklärte, nachzugeben, obgleich nach den Beschlüssen des Frühjahrslandtages die Auflösung der alten Stände erst eintreten sollte, wenn die neue Verfassung zwischen den beiden Regierungen von Schwerin und Strelitz und dem Abgeordnetenhause vereinbart worden wäre. Dem aber widerstrebte der Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz mit Entschiedenheit, auch Friedrich Wilhelm IV. rieth wiederholt von diesem Schritte ab. F. F. aber gedachte den einmal betretenen Weg weiter zu verfolgen und gab nur in so weit nach, als er erklärte, die Auflösung der alten Stände einstweilen verschieben zu wollen. In der Abgeordnetenversammlung aber machte sich inzwischen die veränderte Zeitströmung geltend, die demokratische Linke wurde mehr und mehr zurückgedrängt, das schließlich vereinbarte Staatsgrundgesetz stand dem Regierungsentwurfe sehr nahe. Am 22. August wurde die Kammer aufgelöst, am 23. unterzeichnete F. F. das neue Staatsgrundgesetz. Großherzog Georg aber trennte sich nun von Schwerin; er war nicht durch eine unbedingte Zusicherung gebunden, hatte nur widerwillig sich den Schritten Friedrich Franz’ angeschlossen, das alte ständische Princip war ihm werth und jede Gelegenheit zur Umkehr erwünscht, er lehnte daher nunmehr jede Betheiligung an dem Verfassungswerke ab, ohne dessen Zustandekommen für Schwerin hindern zu wollen, und fand sich dabei im Einklang mit der starken conservativen Stimmung seines Landes. Diese seine Haltung gab allen Gegnern der Verfassung auch im Schwerinschen einen gewissen Rückhalt, die Conservativen schlossen sich endlich zusammen und nun regte sich auch die bis dahin unthätige Ritterschaft, deren Ziel die Wiederherstellung der noch nicht formell aufgehobenen ständischen Verfassung war. Für F. F. häuften sich damit die Schwierigkeiten. Seine Räthe drängten ihn, ohne Rücksicht auf Strelitz vorzugehen, und er fügte sich: am 10. October erfolgte die Publication des Staatsgrundgesetzes und die Aufhebung der bisherigen Landesverfassung – freilich berichtet das Tagebuch des Großherzogs aus dieser Zeit von „bangen Zweifeln, seelischen [103] Kämpfen, innerer Unruhe und furchtbaren Krisen“. Er konnte sich nicht darüber täuschen, daß dieser bedeutungsvolle Schritt Gegenmaßregeln hervorrufen werde, die denn auch alsbald erfolgten. Zunächst erklärte Strelitz, die schwebende Frage zur richterlichen Entscheidung des provisorischen Bundesschiedsgerichts in Erfurt (beide Mecklenburg waren der Union beigetreten) bringen zu wollen; sodann legten die fürstlichen Agnaten Protest ein; ferner protestirte die Krone Preußen: der König ließ nach Schwerin melden, er habe durch den Eventualsuccessionsvertrag von 1442 ein besonderes Interesse an der Sache und könne der neuen Verfassung keine rechtsverbindliche Kraft beilegen; gegen Ende des Jahres trat auch Oesterreich mit einem Protest hervor. Endlich reichte die Ritterschaft durch drei Bevollmächtigte eine Rechtsverwahrung ein und bekundete ihre Absicht, den Rechtsweg gegen den Großherzog zu beschreiten; da dieser es ablehnte, sie zu empfangen, wandten sich die Abgewiesenen nach Wien mit dem Erfolge, daß die Bundescommission in Frankfurt ihre Klage entgegennahm und am 28. März 1850 ihre Entscheidung dahin abgab: der Großherzog werde die Berufung eines Schiedsgerichts, wie es die Patentverordnung vom 28. November 1817 zur Austragung von Zwistigkeiten zwischen Landesherrn und Ständen vorgesehen hatte, nicht verweigern können. F. F. beschloß den Vorschlag eines Schiedsgerichts anzunehmen, entgegen der Meinung seiner Räthe, die darauf hin ihre Entlassung nahmen; an Lützow’s Stelle trat der preußische Unterstaatssecretär Graf v. Bülow, seine Collegen wurden für das Finanzdepartement Herr v. Brock, ein Angehöriger der Mecklenburger Ritterschaft, für die Justiz- und die Unterrichtsangelegenheiten der Rostocker Oberappellationsgerichterath Wilhelm v. Schröter (s. d.), ein bedeutender Jurist von streng conservativ-kirchlicher Richtung; das Departement des Innern blieb einstweilen unbesetzt. Das neue Cabinet war ein entschieden conservatives, aber zunächst sicher kein altständisches„ wenn es auch späterhin mehr und mehr bei der ständischen Partei eine Anlehnung suchte und fand. Für F. F. aber war der Cabinetswechsel ein entscheidender Schritt zur völligen Selbständigkeit, einen ähnlich dominirenden Einfluß, wie ihn Lützow besessen hatte, hat keiner seiner Räthe je wieder ausgeübt. Um übrigens keinen Zweifel aufkommen zu lassen, daß die neue Cabinetsbildung keine Reaction bedeute, erließ F. F. eine Proclamation des Inhaltes, daß er durch Gewährung der Compromißinstanz nur dem Rechte seinen Lauf gelassen habe, daß er aber inzwischen den bestehenden Rechtszustand nicht einseitig verändern und, wie auch der Rechtsspruch ausfallen möge, an dem durch die Proclamation vom 23. März 1848 betretenen Wege festhalten werde.

Das Schiedsgericht war in Freienwalde zusammengetreten. Es erklärte unterm 11. September 1850 das Staatsgrundgesetz vom 10. October 1849 und das Gesetz wegen Aufhebung der ständischen Verfassung für nichtig und den Großherzog für verbunden, einen Landtag nach Anleitung des Erbvergleichs für den Herbst 1850 auszuschreiben. Dieser Urtheilsspruch wurde am 14. September durch landesherrliche Verkündigung bekannt gemacht, eine Verordnung vom gleichen Tage setzte die für nichtig erklärten Gesetze außer Wirksamkeit. Die Kammer war inzwischen erst vertagt, dann aufgelöst worden; einen Versuch, sie noch einmal zu versammeln, verhinderte das Ministerium, die zahlreichen Proteste gegen die Verfügung vom 14. September blieben unbeantwortet. Der Engere Ausschuß wurde wieder eingesetzt, auch die sonstigen ständischen Behörden traten wieder in Function, die Landräthe wurden reactivirt und die Landschaft, die ohne ihr Zuthun und fast gegen ihren Willen wieder in den Besitz ihrer alten Corporationsrechte gelangt war, fügte sich den veränderten Umständen. So war das constitutionelle Zwischenstadium [104] beendet, die alte Verfassung in ihrem vollen Umfange wieder hergestellt. Nur drei Institutionen des Jahres 1849 haben die Reaction überlebt: die neue Kirchenverfassung, die Trennung des Hausguts vom Domanium und die veränderte Organisation des Ministeriums (drei Ministerialvorstände und ein präsidirender Minister). Den Plan, die alte Verfassung zu reformiren, gab F. F. deshalb doch nicht auf. Es fanden darüber mit Strelitz Verhandlungen statt, mit den Landräthen des Schweriner Landestheils wurde im November 1850 zu Schwerin berathen, die Unvermeidlichkeit einer Verfassungsrevision schien allgemein anerkannt zu sein, aber auf dem Frühjahrslandtag 1851 trat die Abneigung der Stände gegen die Reform bereits deutlich zu Tage, die commissarisch-deputatischen Verhandlungen im October desselben Jahres verliefen völlig resultatlos und der bald darauf zusammentretende Landtag brachte die Reform gänzlich zum Scheitern. F. F. war schmerzlich enttäuscht. Aufgeben wollte er seine Pläne nicht, aber es vergingen doch 20 Jahre, bevor er mit seinen Ständen wieder über die Verfassungsfrage verhandelte.

Ebenso wenig wie der Gang der Verfassungsfrage befriedigten den Großherzog die Verhandlungen über die deutsche Bundesreform. Wie erwähnt, war er unter den Ersten dem Dreikönigsbündniß beigetreten, nur im engen Anschluß an Preußen sah er die Möglichkeit, aus dem Wirrsal der deutschen Fragen ungefährdet herauszukommen und stellte sich in dem diplomatischen Kriege Oesterreichs gegen Preußen entschieden auf die Seite Preußens, mit dem er 1849 eine Militärconvention abschloß; seinen Vertreter auf den Dresdener Conferenzen wies er an, die Vorschläge Preußens thunlichst zu unterstützen. Der Verlauf und die schließliche Ergebnißlosigkeit erfüllte ihn mit Betrübniß; er hatte bald nach dem Beginn derselben die Ueberzeugung gewonnen, „daß außer dem Wiedererstehen des Bundestages nichts Wesentliches zu Stande kommen würde“, er vertagte seine Hoffnungen auf die ihm dringend geboten erscheinende engere Einigung Deutschlands und ließ, als Preußen in seiner Note vom 27. März 1851 den Unionsregierungen die Wiederherstellung des Bundestages empfahl und dessen Beschickung zusagte, wieder als einer der Ersten seine Zustimmung aussprechen.

Noch vor Beendigung der mecklenburgischen Krisis, die einen Wendepunkt im Leben des Großherzogs bezeichnet, mitten in den Wirren der deutschen Verfassungskämpfe, hatte sich F. F. am 25. Juli 1849 verlobt mit seiner Jugendliebe, der Prinzessin Auguste von Reuß-Schleiz-Köstritz. Fast um dieselbe Zeit verlobte sich seine einzige Schwester, die Herzogin Luise (geb. 1824), mit dem Prinzen Hugo von Windisch-Graetz. Noch in demselben Jahre erfolgte die Trauung der beiden fürstlichen Brautpaare in Ludwigslust: am 20. October wurde die Herzogin Luise, am 3. November der Großherzog getraut. Das demonstrative Fernbleiben des alten eingesessenen Adels von den Festlichkeiten, welche die Vermählung des Landesherrn begleiteten, warf einen Schatten auf die Stimmung. Der Bund mit der frommen, gottseligen Fürstin, die mit ihrem Gemahl auf gleichem Glaubensgrunde stand, mit ihm in den Werken der Barmherzigkeit wetteiferte und in der er „das Ideal einer Lebensgefährtin“ sah, wurde für F. F. eine Quelle des reichsten Familienglücks. Die Großherzogin schenkte ihrem Gemahl sechs Kinder, von denen vier zu ihren Jahren gekommen sind: den Erbgroßherzog Friedrich Franz (geb. 19. März 1851, gest. als regierender Großherzog 10. April 1897), den Herzog Paul Friedrich (geb. 19. September 1852), die Herzogin Marie (geb. 14. Mai 1854) und den Herzog Johann Albrecht (geb. 8. December 1857, 1897–1901 Regent des Großherzogthums Mecklenburg-Schwerin). Der Tod der Großherzogin am 3. März 1862 erweckte dem Zurückbleibenden das Gefühl einer „furchtbaren [105] Oede“; „er hat aber wie ein Held sich durchgerungen, und vielleicht ist die Vollendung dieses seltenen Menschen erst durch diesen Kampf und Sieg völlig erreicht worden“. –

Die politischen Ereignisse des Jahres 1848 hatten auch auf die kirchlichen Verhältnisse, die dem Großherzoge Herzenssache waren, eingewirkt. Seit der Reformation lag in Mecklenburg das Kirchenregiment in den Händen der Landesherren, die im Domanium, wo sie auch das Patronatsrecht hatten, in der Kirchengesetzgebung unbeschränkt waren, in den übrigen Landestheilen aber zuvor das „rathsame Bedenken“ der Stände einzuholen hatten; den Ständen hatten die Reversalen von 1621 das evangelisch-lutherische Bekenntniß garantirt, wie sie daselbe bei ihren Mitgliedern voraussetzten; der Erbvergleich von 1785 hatte wie die staatlichen so auch die Kirchensachen einer Mitwirkung der Stände unterstellt und selbst Abänderungen an deren Zustimmung gebunden. Dieser synodale Charakter der Landtagsversammlung war indessen erschüttert, seit sich unter den Mitgliedern der Ritterschaft auch Andersgläubige befanden, und mit dem constitutionellen System war eine synodale Function der Stände nicht vereinbar. Im Herbst 1848 setzte daher F. F. eine Kirchencommission ein, der er mit Ausnahme der Kirchenhoheitsrechte alle diejenigen kirchlichen Befugnisse übertrug, die bisher der Regierung zustanden; sie trat am 1. Januar 1849 in Wirksamkeit und wurde ein Jahr später in eine ständige Behörde, den Oberkirchenrath, umgewandelt, gegen dessen Einsetzung zwar die reactivirten Stände protestirten, indessen erklärte F. F. wiederholt, daß er die Zuständigkeit eines ständischen Einspruches hierbei nicht anerkenne, daß er sich vielmehr in der Bestimmung der Behörden, durch die er als Landesherr oder Oberbischof seine Regierungsrechte ausübe, keine Beschränkung auferlegen lasse. Die Seele des Oberkirchenraths war, mindestens in allen nicht rechtlichen Fragen, des Großherzogs früherer Instructor Kliefoth, der sich in kirchlichen Dingen mit seinem Landesherrn völlig eins wußte, und dessen mächtiger Persönlichkeit die Kirche Mecklenburgs ihre innere Erneuerung zu danken hat. Ernstere Störungen des kirchlichen Friedens drohten um diese Zeit zu werden die Angelegenheit des Convertiten Herrn v. d. Kettenburg, dessen Hausgeistlicher katholische Propaganda trieb, und die Amtsentsetzung des Rostocker Professors der Theologie Baumgarten; in beiden Fällen, von denen der erste sogar den Bundestag beschäftigte und der zweite viele Federn in Bewegung setzte, wurde scharf zugegriffen. Die Aeußerungen der Entrüstung weiter Kreise in beiden Fällen machten den Großherzog nicht irre, der niemals wankte, wenn bei Schritten, die er für heilsam hielt, „die Leute nachher die Mäuler aufsperrten“, aber er milderte die Härte der Urtheile auf dem Gnadenwege. Dieselbe Milde ließ er auch in dem unseligen Rostocker Hochverrathsproceß (siehe den Art. Moritz Wiggers) walten.

Neben diesen Fragen waren es auch volkswirthschaftliche, die die Thätigkeit der Regierung in Anspruch nahmen. Hier stand in erster Linie die Auswanderung, die dem dünnbevölkerten Lande eine Summe von schwer entbehrlichen Arbeitskräften entzog und allmählich zu einer offen anerkannten Calamität wurde. Indessen gelangte man über theoretische Erörterungen nicht hinaus, auch trat das Interesse an der Frage gegenüber den Erschütterungen der nächsten Zeit zurück und die Auswanderung selbst verlor allmählich ihren beunruhigenden Charakter. Zweitens handelte es sich um eine neue Steuergesetzgebung, die mit dem 1. October 1863 in Kraft trat; sodann um den Abschluß eines Handelsvertrages mit Frankreich – denn Mecklenburg war, weniger aus politischen als aus praktischen Gründen, dem Zollverein ferngeblieben –, der 1865 zu Stande kam, aber infolge der politischen Umgestaltung [106] Deutschlands nur von kurzem Bestande war; weiter um den Bau der mecklenburgischen Ostbahn von Güstrow nach Neubrandenburg, die F. F. aus eigenen Mitteln zu bauen beschloß und für die der Landtag 1861 einen Zuschuß von 1 Mill. Thlr. bewilligte; endlich um die Revision der Elbzollakte: am 1. Juli 1863 wurde dieser neue Zollvertrag wirksam.

Zu persönlichem Eintreten fand sich F. F. veranlaßt, als 1859 in Mecklenburg die Cholera verheerend auftrat. Furcht war eine ihm unbekannte Empfindung; der Gefahr nicht achtend, bereiste er die am schwersten heimgesuchten Städte und Ortschaften, traf selbst die nothwendigen Anordnungen, besuchte die Hospitäler und richtete durch sein unerwartetes Erscheinen den Muth der Bewohner wieder auf.

Nicht an letzter Stelle stand unter den Dingen, denen F. F. sein Interesse zuwandte, das Heerwesen. Früh zur Regierung berufen, hatte er keine Gelegenheit gehabt, gleich anderen jugendlichen Thronerben in einem großen Heere den Dienst zu erlernen, er mußte seine entschiedenen militärischen Anlagen auf dem Wege ernster theoretischer Studien weiter entwickeln. Seinem Bestreben, sich in der Truppenführung auszubilden, kamen seine Oheime, die Könige Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm, bereitwillig entgegen, indem sie ihn nicht nur zur Theilnahme an allen wichtigen Uebungen einluden, sondern ihm auch durch Uebertragung von Commandos während der Manöver Gelegenheit gaben, seine strategischen Fähigkeiten zu erproben und zu erweitern. Seinen eigenen Truppen die größtmögliche Ausbildung zu geben, war sein ernstes Bestreben; daß diese nur im engsten Anschluß an das preußische Vorbild erfolgen dürfe, stand ihm außer Frage, so sehr er auch auf anderen Gebieten der Verwaltung gewillt war, der Eigenart seines Landes Rechnung zu tragen und selbst ausgesprochen particularistischen Bestrebungen bis zu einem gewissen Grade Raum verstattete. Daß er 1849 eine Militärconvention mit Preußen abschloß, wurde schon erwähnt; mit der Reorganisation der mecklenburgischen Brigade betraute er um dieselbe Zeit, zum Mißvergnügen vieler im Lande, einen preußischen Officier, den Obersten v. Witzleben, der sich dieser Aufgabe völlig gewachsen zeigte; das 1855 veröffentlichte Militärgesetzbuch, das 1856 erlassene Rekrutirungsgesetz u. a. m. waren ganz nach preußischem Muster ausgearbeitet. Daß der Großherzog den Manövern seiner eigenen Truppen regelmäßig beiwohnte, die Generalidee angab, häufig die Kritiken abhielt, ist selbstverständlich, aber er suchte auch die Gelegenheiten zur Besichtigung anderer Contingente. Ein Mal als General mit ins Feld zu ziehen, war sein glühender Wunsch, der sich aber doch erst später erfüllen sollte. Denn als 1859 der Bundestag die Kriegsbereitschaft der deutschen Contingente beschlossen hatte und F. F. zum Commandeur der 2. Division des X. Armeecorps bestimmt war, trat mit dem Frieden von Villafranca eine Wendung ein, die das Ausrücken der Truppen unnöthig machte, und als 1864 König Wilhelm seinem Neffen die Führung eines preußischen Armeecorps im Kriege gegen Dänemark anbot, sah sich F. F. doch veranlaßt, das Commando abzulehnen, da die Schutzlosigkeit der langen mecklenburgischen Küste Rücksichten erheischte und überdies F. F. Bedenken hegte, gegen seinen alten Bonner Jugendfreund, der seit kurzem die dänische Krone trug, ohne genügenden Grund das Schwert zu führen, aber er erbat und erhielt die Erlaubniß, sich dem preußischen Hauptquartier anschließen zu dürfen.

Bei den engen Beziehungen des Großherzogs zum König Wilhelm, bei seinem Glauben an Preußens Beruf in Deutschland, verstand es sich von selbst, daß seine Regierung an dem von Oesterreich und seinen Helfern zu Beginn der sechziger Jahre inscenirten diplomatischen Feldzuge gegen Preußen theilzunehmen [107] sich weigerte, z. B. es ablehnte, sich den identischen Noten anzuschließen, welche das Wiener Cabinet und andere Regierungen zu Anfang Februar 1862 nach Berlin richteten, als Graf Bernstorff den Beust’schen Reformplan abgelehnt hatte, bei welcher Gelegenheit die preußische Regierung nach Schwerin die Erklärung gelangen ließ: es habe ihr zur Genugthuung gereicht, „daß Mecklenburg sich an einer Demonstration nicht betheiligt habe, welche ein Akt theils des Mißtrauenes, theils der Ueberhebung sei“. Wenn Herr v. Oertzen, der inzwischen an des Grafen Bülow Stelle Minister geworden war, es aussprach, daß damals „eine Mehrheit gegen Preußen ein größeres Unglück sein würde, als die antiföderale Berliner Politik de facto wäre“, so wußte er, daß er im Sinne seines Herrn redete. Dem entsprach auch die Haltung des Großherzogs auf dem Frankfurter Fürstentage 1863. Er hatte die Einladung des Kaisers von Oesterreich im Princip angenommen, zugleich aber vorgeschlagen, den Congreß um einige Wochen zu verschieben, damit noch eine Verständigung mit Preußen, welches sich ablehnend verhielt, stattfinden könne. Indessen waren die Sachen schon zu weit gediehen. So ging F. F. mit geringen Erwartungen nach Frankfurt. Zunächst war er es, der schon in der ersten Sitzung am 17. August hervorhob, daß in dem Fernbleiben Preußens ein entscheidendes Hinderniß für jede Bundesreform liege, und eine Deputation an König Wilhelm beantragte – ein Antrag, der auch genehmigt wurde und zu der bekanntlich erfolglosen Sendung des Königs Johann von Sachsen nach Baden-Baden führte. Nach dem Beginn der Berathungen trat F. F. alsbald mit Modificationsanträgen zu dem österreichischen Entwurfe hervor, die erkennen ließen, daß er eine möglichst kräftige, den mittelstaatlichen Einflüssen entzogene Centralgewalt und die politische Gleichberechtigung Preußens im Vorsitz wünsche; er versagte schließlich, da das Resultat der Verhandlungen darüber ihn nicht befriedigte, dem Gesammtergebniß derselben seine Zustimmung. In einem besonderen Handschreiben hat nach dem Schlusse des Fürstentages König Wilhelm dem Großherzog seinen persönlichen Dank ausgesprochen für die Art und Weise, wie derselbe in Frankfurt die deutschen Gesammtinteressen vertreten und die Stellung Preußens zu dem Reformproject gewürdigt habe.

Während der Frankfurter Tage hatte F. F. den benachbarten Fürstenhöfen Besuche abgestattet. Er hatte in Darmstadt die Prinzessin Anna von Hessen kennen gelernt, die in ihrer tiefgegründeten Frömmigkeit, ihrem etwas schüchternen Wesen eine gewisse Aehnlichkeit hatte mit der Großherzogin Auguste; die Prinzessin hatte einen tiefen Eindruck auf den Großherzog gemacht, gegen Ende des Jahres ließ er um ihre Hand werben, am 10. December fand die förmliche Verlobung statt und im Mai 1864 führte F. F. seine junge Gemahlin in das Schweriner Schloß ein, in welches mit ihr ein neues, fröhliches und gesegnetes Leben einzog. Das Glück des neuen Ehebundes schien vollkommen zu sein, als am 7. April 1865 eine Prinzessin geboren wurde, aber wenige Tage darauf, am 16. April, schied die Großherzogin Anna aus dem Leben. Der Schlag traf F. F. unvorbereitet, er war fassungsloser, als da er seine erste Gemahlin nach deren langem Siechthum verlor. Damals, im J. 1862, hatte er, theils dem Rathe der Seinigen, theils eigenem Verlangen folgend, seinen Schmerz durch die Anregungen einer größeren Reise, nach England und Frankreich, zu lindern gesucht, auch dieses Mal griff er zu demselben Mittel und ging nach einigem Aufenthalte in den Pyrenäen, wo damals seine beiden ältesten Söhne weilten – denn der Erbgroßherzog sollte auf Rath der Aerzte für einige Zeit den Einflüssen des nordischen Winters entzogen werden –, nach Spanien und Portugal. Der Zweck wurde erreicht, erfrischt kehrte F. F. [108] zurück, und er bedurfte dessen, denn der politische Horizont umwölkte sich mehr und mehr, in Mecklenburg standen wichtige Fragen auf der Tagesordnung (Reform des Niederlassungsrechtes und der Erwerbung kleinen Grundbesitzes) und hohe Staatsämter sollten neu besetzt werden: der Minister v. Schröter war während der Abwesenheit des Großherzogs gestorben und der Staatsminister v. Oertzen hatte um Enthebung von der Leitung des Ministeriums des Innern gebeten. Zu Schröter’s Nachfolger ernannte der Großherzog den Rostocker Oberappellationsgerichtsrath Buchka (s. d.), einen hervorragenden Juristen von streng conservativer Gesinnung, das Departement des Innern übernahm der Tübinger Professor Wetzell, der eine Reihe von Jahren an der Universität Rostock gewirkt hatte und daher kein Fremdling in Mecklenburg war; beide Männer haben in ihren Stellungen auch dem Nachfolger des Großherzoges, der sie berief, gedient.

Ueber die Stellung des Großherzogs in der Krisis des Jahres 1866 konnte von vornherein kein Zweifel sein, obwohl er wußte, daß er sich damit in einen starken Gegensatz brachte zu sehr weiten und einflußreichen Kreisen seines Volkes. Nur daß er bei aller Hinneigung zu Preußen der Pflichten und Rücksichten eingedenk blieb, die ihm die bestehende Bundesverfassung auferlegte. In diesem Sinne war auch die Antwort gehalten, die Herr v. Oertzen auf das preußische Rundschreiben vom 24. März ertheilte. So lange es anging, wurde der formelle Bundesstandpunkt festgehalten. Aber bei der verhängnißvollen Abstimmung über den österreichischen Mobilisirungsantrag am 14. Juni, die den Bund factisch sprengte, legte der mecklenburgische Gesandte v. Wickede seiner Weisung gemäß gegen die Verbindlichkeit des Majoritätsbeschlusses Verwahrung ein. König Wilhelm hatte inzwischen den Grafen Finkenstein in besonderer Mission und mit einem eigenen Handschreiben nach Schwerin gesandt und auf demselben Wege die Antwort des Großherzogs erhalten; als dann die preußische Note vom 16. mit dem Anerbieten eines Bündnisses und der Zusicherung der Integrität des Gebiets im Falle der Annahme in Schwerin eintraf, konnte der Minister erwidern, daß zwischen dem Könige und dem Großherzoge bereits eine Verabredung getroffen sei, die keine Ungewißheit über Mecklenburgs militärische Haltung zulasse und die Garantie des Besitzstandes schon gewähre. Der Bundestagsgesandte war schon seit dem 15. Juni angewiesen worden, sich bei allen mit dem Beschluß vom 14. in Beziehung stehenden Anträgen – und ein solcher war am 16. gestellt, als Sachsen Bundeshülfe gegen das Einrücken preußischer Truppen beantragte – der Abstimmung zu enthalten, er wurde am 23. nach Schwerin berufen und kehrte nur noch zu der Sitzung des 3. Juli nach Frankfurt zurück um zu erklären: seine Regierung könne an den Verhandlungen nicht mehr theilnehmen, da „durch die Beschlüsse vom 14. und 16. Juni sowie durch die seitdem eingetretenen Ereignisse die Bundesverfassung thatsächlich suspendirt, die Existenz des Bundes in Frage gestellt und dessen Mitgliedern die Ausübung ihrer Rechte und Pflichten unmöglich geworden sei“. Am 21. Juni erließ F. F. den Befehl zur Mobilmachung seiner Truppen, und die nach dem Muster der preußischen Heeresverwaltung in den letzten Friedensjahren getroffenen Einrichtungen bewährten sich vorzüglich, in der vorgeschriebenen Zeit von drei Wochen war die Division marschbereit. Der widerstrebenden strelitzischen Regierung führte F. F. bei seiner persönlichen, unter der Maske eines verwandtschaftlichen Besuches erfolgenden Anwesenheit in Neustrelitz, den Ernst der Lage nachdrücklich zu Gemüthe.

Durch König Wilhelm war F. F. aufgefordert worden, sich im königlichen Hauptquartier in Böhmen einzufinden, theils um der für die ersten [109] Tage des Juli erwarteten großen Schlacht beiwohnen zu können, theils um Bestimmungen über ein ihm zu übertragendes Commando persönlich entgegenzunehmen. Er traf noch zur rechten Zeit ein um im Gefolge des Königs Augenzeuge der Schlacht von Königgrätz zu sein und blieb noch während der nächsten Tage auf dem böhmischen Kriegsschauplatz. Dann übernahm er die Führerschaft über ein bei Leipzig zusammengezogenes zweites Reservearmeecorps, das aus preußischen Truppen und den Contingenten von Mecklenburg, Anhalt, Braunschweig und Sachsen-Altenburg bestand und einem vermutheten Vorstoß österreichischer und süddeutscher Truppen gegen das Centrum der preußischeli Aufstellung begegnen sollte. Zwei Mal hatte F. F. seine Truppen ins Feld ziehen sehen, ohne sie selbst führen zu können, denn damals, 1848 im schleswig-holsteinischen Kriege und 1849 beim badischen Feldzuge, hielten ihn die inneren Wirren im Lande zurück; jetzt erschien es ihm undenkbar, daß er seine so sorgfältig für den Kriegsfall ausgebildeten Soldaten wieder unter fremder Führung fechten lassen sollte. Die Aufgabe seines Corps war, baldmöglichst in Baiern einzudringen, um mit der Mainarmee in Verbindung treten zu können. Am 18. Juli traf F. F. in Leipzig ein und befahl am 20. den Vormarsch, am 1. August schlug er sein Hauptquartier in Nürnberg auf; ein ernstes Gefecht hatte nur bei Seybottenreuth am 29. Juli stattgefunden. Ein weiteres Vordringen verhinderte der unterdeß zwischen Preußen und Baiern abgeschlossene Waffenstillstand, dem zu Ende August der Friede zwischen beiden Staaten folgte. In einer „Proclamation an die Bewohner von Franken“ vom 30. August kündigte F. F. den Abmarsch seiner Truppen an. Welchen Eindruck seine Persönlichkeit in dem besetzten Gebiet gemacht hatte, bezeugen die „Blätter aus dem Tagebuch des I. Bürgermeisters der Stadt Nürnberg Maximilian v. Waechter“ (Augsburg 1870), in denen es heißt: „Die Leutseligkeit und Humanität des Großherzogs hatte … schon von allem Anfang an alle Herzen gewonnen. Sein längeres Verweilen diente nur dazu, seine Popularität bei der Bevölkerung zu steigern … Die Achtung, ja man darf sagen Verehrung, welche er sich während dieser traurigen Zeitperiode erworben hat, ist nicht wenig auch dadurch gemehrt worden, daß er jede begründete Klage oder Beschwerde, welche zu jeder Zeit und von jedem Einwohner der Stadt unmittelbar bei ihm selbst erhoben werden konnte, auch sofort selbst in der gerechtesten Weise abzustellen wußte. Bei der strengen Disciplin, die im Armeecorps gehandhabt wurde, kamen aber überhaupt nur selten Ausschreitungen vor.“ An dem festlichen Einzuge in Berlin am 20. September nahmen auch mecklenburgische Truppen theil und wurden von F. F. am Könige vorbeigeführt.

Inzwischen hatte die preußische Regierung ihre Verbündeten auffordern lassen, den Voraussetzungen und Zusicherungen der identischen Note vom 16. Juni eine vertragsmäßige Form zu geben und zu diesem Ende die Entsendung von Bevollmächtigten erbeten. Herr v. Oertzen begab sich deshalb nach Berlin und schloß am 21. August den Vertrag ab, den F. F. am 10. September ratificirte. Nicht leichten Herzens, denn die Grundlagen des Vertrages bildeten die von Preußen am 14. Juni der Bundesversammlung vorgelegten „Grundzüge“ und in diesen war eine aus directen Wahlen und allgemeinem Stimmrecht hervorgehende Volksvertretung vorgesehen, und dieses System hatte F. F. bisher entschieden bekämpft, doch gestattete der Zwang der Lage keinen Widerspruch, Graf Bismarck hatte jede Discussion über das Princip abgelehnt. Aber er hatte wenigstens der Einfügung eines Artikels zugestimmt, dem zufolge den beiden Großherzogthümern eine definitive Erklärung noch vorbehalten blieb hinsichtlich zweier Artikel der Grundzüge, in denen dem neuen Parlament [110] Gegenstände zugewiesen wurden, deren gesetzliche Regelung nicht ohne Zustimmung der mecklenburgischen Stände erfolgen konnte. Sich mit diesen über die neuen Bundesverträge und deren Rückwirkung auf Mecklenburg auseinanderzusetzen, hatte die Regierung einen außerordentlichen Landtag ausgeschrieben, der am 22. September mit einer Thronrede des Großherzogs eröffnet wurde. Die Verhandlungen, in deren Verlauf die altständischen Anschauungen mehrfach in crasser Weise zum Ausdruck kamen, wurden am 3. October geschlossen; der Schweriner Landtagsabschied verhieß, daß der Großherzog auf thunlichste Berücksichtigung der ständischen Wünsche hinwirken werde, allein ihnen Geltung zu verschaffen, erwies sich als unmöglich. Man sah sich mit dem Eintritt in den Norddeutschen Bund Gewalten gegenüber, die nicht gewillt waren sich durch den Widerstand ständischer Corporationen und mindermächtiger Regierungen in ihrem Gange aufhalten zu lassen. Die Bundesgesetzgebung der nächsten Jahre war von einschneidender Wirkung auf Mecklenburg. Das Gesetzgebungsrecht des Landesherrn und der Stände wurde wesentlich beschränkt, ganze Gebiete der Verwaltung gingen auf den Bund über, der zugleich bedeutende finanzielle Leistungen des Landes bedingte; der Anschluß an den Zollverein, der 1868 erfolgte, nachdem durch Vermittlung des Bundeskanzlers Mecklenburg die Fesseln des französischen Handelsvertrags abgestreift hatte, erforderte eine durchgreifende Aenderung des gesammten Abgabenwesens; die Division wurde umgestaltet und auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht vermehrt, ein preußischer General befehligte nunmehr die mecklenburgischen Truppen (17. Division). Alles das brachte auch dem Großherzoge manche Einbuße an seinen Rechten, aber er nahm sie willig auf sich, denn er faßte seine Stellung als deutscher Fürst in großem Sinne auf, auch im Entsagen bewies er, wie warm sein Herz für Deutschland schlug.

Für sein 25jähriges Regierungsjubiläum am 7. März 1867 hatte F. F. keine officielle Feier gewünscht, er verbrachte den Tag so zurückgezogen wie es die Umstände nur gestatteten. Es war überhaupt still geworden im Schweriner Schlosse seit dem Tode der Großherzogin Anna und seit die Prinzen außerhalb Mecklenburgs weilten, und das bedrückte die Seele des Großherzogs, der so empfänglich war für das Glück des Familienlebens. Da lernte er, als er auf Einladung des Kaiseres Napoleon sich zur Weltausstellung nach Paris begab, unterwegs, bei einem Besuche seines alten Freundes, des Fürsten Leopold zur Lippe, in Detmold die junge Prinzessin Marie von Schwarzburg kennen; von ihrem Wesen mächtig angezogen und beseelt von dem Wunsche, seinen Kindern wieder eine Mutter zu geben, hielt er, der „seit drei Jahren nur Schmerz und Verlassensein empfunden“, um ihre Hand an und am 4. Juli 1868 fand in Rudolstadt die Vermählung statt. Vier Kinder sind dieser dritten Ehe des Großherzogs entsprossen: es wurden geboren am 10. August 1869 die Herzogin Elisabeth (vermählt 1896 mit dem Erbgroßherzog, jetzt Großherzog Friedrich August von Oldenburg), am 5. April 1871 der Herzog Friedrich Wilhelm (der am 22. Sept. 1897 als Marineofficier mit dem von ihm befehligten Torpedoboot in den Fluthen der Nordsee unterging), am 10. October 1873 der Herzog Adolf Friedrich und am 19. April 1876 der Herzog Heinrich, seit 7. Februar 1901 vermählt mit Wilhelmina, Königin der Niederlande.

Im März 1870 trat F. F. mit seiner Gemahlin eine Reise nach Italien an, bald nach seiner Rückkehr erfolgte die französische Kriegserklärung. Dem Großherzog wurde der Oberbefehl über die zum Schutz der deutschen Küsten gegen einen Landungsversuch der Franzosen und etwaige Feindseligkeiten der Dänen zusammengezogene Truppenmacht übertragen, dann, als die französische Flotte nichts unternahm und Dänemark ruhig blieb, erhielt er den Befehl, [111] mit der 17. Division und der 2. Landwehrdivision zur Verstärkung der Metz cernirenden Armee abzurücken. Am 1. September langte das neugebildete XIII. Armeecorps vor Metz an, verließ aber schon am 11. diese Stellung, da dem Großherzog der Auftrag geworden war, um die von Sedan nach Paris marschirende Hauptarmee im Rücken zu sichern, Chalons und Reims zu besetzen und die die rückwärtigen Verbindungen bedrohenden Festungen Toul und Soissons zu nehmen. Am 23. fiel Toul, am 16. October capitulirte Soissons, bei der Uebergabe beider Plätze war F. F., der sein Hauptquartier in Reims hatte, zugegen und zog an der Spitze seiner Truppen dort ein. Inzwischen hatte die oberste Heeresleitung dem XIII. Armeecorps eine andere Verwendung zugewiesen: es sollte in Verbindung mit der württembergischen Division zur Cernirung von Paris mitwirken. „Endlich komme ich in die erste Reihe“, schrieb F. F., „ich bin glückselig!“ Am 24. nahm er sein Hauptquartier in Ferrières, am 27. in Le Piple, wo er bis zum 8. November verblieb. In dieser Zeit verweilte er mehrfach in Versailles; dort wohnte er bei seinem Sohne, dem Erbgroßherzoge, der dem Hauptquartier des Königs Wilhelm zugetheilt war, während Herzog Paul Friedrich sich in seinem eigenen Stabe befand. Der letzte Besuch in Versailles bezweckte hauptsächlich Instructionen entgegenzunehmen über eine neue Aufgabe, die der König seinem Neffen zugewiesen hatte und die ihn in die Reihe der obersten Heerführer rückte: eine besondere Armeeabtheilung, gebildet aus der 22. und 17. Division, dem I. bairischen Armeecorps und zwei preußischen Cavalleriedivisionen, sollte unter seinem Oberbefehl, doch vorläufig an die Befehle des Obercommandos der dritten Armee gewiesen, den starken feindlichen Streitkräften entgegentreten, die sich bei Orleans gebildet hatten und zu einem Vorstoß zum Entsatze von Paris bestimmt schienen. In der zweiten Novemberhälfte wurde eine gewaltsame Recognoscirung gegen Le Mans ausgeführt, dann wandte sich die Armeeabtheilung gegen die Loire, wo sie im December harte Kämpfe zu bestehen hatte: am 2. wurde bei Loigny-Poupry der stärkere Feind geworfen, am 5. rückte F. F. in das eroberte Orleans ein. Die schlimmste Zeit waren für die Armeeabtheilung und die demnächst zu ihrer Unterstützung herangezogenen Truppen die Tage vom 8.–10. December, in denen nach heißem Ringen im Gelände um Beaugency herum der übermächtige General Chanzy[WS 2] zum Rückzug gezwungen wurde. „Alle, welche sich in jenen Tagen in der Nähe des Großherzogs befanden“, berichtet ein Augenzeuge, „mußten die Ruhe und Festigkeit bewundern, die er selbst in den schwierigsten Augenblicken an den Tag legte. Es gab mehr als eine Stunde, wo die Entscheidung schwankte, wo von allen Seiten ungünstige Meldungen eintrafen. Seine Befehle waren immer klar und bestimmt und der Einfluß seiner Persönlichkeit auf die Führer wie auf die Truppen unverkennbar.“ Nach diesen theuer erkauften Erfolgen wurde der Armeeabtheilung eine Stellung bei Chartres zur Deckung der Cernirung von Paris gegen Westen angewiesen; dann galt es in den ersten Tagen des Januar den mit neuem Angriff drohenden Truppen der Armee Chanzy’s zu begegnen. Der Verband der bisherigen Armeeabtheilung des Großherzogs wurde gelöst, die 17. und die 22. Division traten wieder als XIII. Armeecorps unter seine Befehle, unter dem Oberbefehl des Prinzen Friedrich Karl, der die Operationen gegen Le Mans leitete. In dreitägiger Schlacht, 10. bis 12. Januar warf der Prinz nur den rechten Flügel des Feindes, während das XIII. Armeecorps dem linken Flügel eine entscheidende Niederlage bereitete. In der Verfolgung des abziehenden Feindes besetzte F. F. Alençon, dann erhielt er mit dem Auftrag, Rouen zu besetzen, abermals ein selbständiges Commando. Am 25. Januar zog er in Rouen ein und schob seine Truppen [112] bis Dieppe, Fécamp und Honfleur vor. Nach der Capitulation von Paris und dem Beginn des Waffenstillstandes wurde das XIII. Armeecorps aufgelöst; F. F. nahm Abschied von seinen Truppen in einem warm gehaltenen Tagesbefehl, in dem er constatiren konnte, daß das Corps seit dem Ueberschreiten der französischen Grenze mehr als 150 Meilen zurückgelegt, zwei Festungen genommen, an der Belagerung von Metz und von Paris sich betheiligt, eine Reihe von starken Märschen unter allen Unbilden eines harten Winters und in fast täglicher Fühlung mit dem Feinde geleistet, den Feind oft geschlagen habe, niemals ihm gewichen sei und ihm mehr als 20 000 Gefangene, 68 Geschütze und ein reiches Kriegsmaterial in offener Feldschlacht abgenommen habe.

Die Zeit des Waffenstillstandes benutzte F. F. zu einem Besuche in Schwerin, dann kehrte er noch einmal nach Versailles zurück, am 1. März ritt er an der Seite des deutschen Kronprinzen in das bezwungene Paris hinein. Am 14. Juni zog er an der Spitze seiner mecklenburgischen Krieger in Schwerin ein, am 16. nahm er in Berlin theil an dem Siegeseinzuge. Durch die Verleihung des Großkreuzes des Eisernen Kreuzes und die Ernennung zum Inspecteur der II. Armeeinspection bezeugte ihm der Kaiser auch äußerlich seine Anerkennung, bei der Einweihung des Siegesdenkmals in Berlin zwei Jahre später ernannte er den Großherzog zum Generaloberst von der Infanterie mit dem Range eines Feldmarschalls. Die Feldmarschallswürde hatte ihm schon zuvor auch der Kaiser von Rußland verliehen.

Die starken Strapazen, die Entbehrungen und die Aufregungen des Feldzuges hatte F. F. leicht ertragen, nie sich Ruhe gegönnt oder Schonung auferlegt. Nach der Heimkehr aber zeigten sich allerlei Krankheitserscheinungen, insonderheit rheumatische Beschwerden, die auch den Kuren in Karlsbad und in dem vom Großherzog besonders bevorzugten Gräfenberg nicht weichen wollten, so daß die Aerzte zu einem Winteraufenthalt im Süden riethen. So unternahm denn F. F. im December 1871 mit seiner Gemahlin und großem Gefolge eine Reise nach Aegypten und dem Heiligen Lande, von der er im Mai 1872 heimkehrte, um sich neugekräftigt den Pflichten seines Amtes zu widmen. Geruht hatte seine Regierungsthätigkeit auch während des Feldzuges nicht, F. F. hatte sich eine eigene Kanzlei eingerichtet zum Zweck eines fortgesetzten Verkehrs mit den mecklenburgischen Staatsbehörden und des Vortrages in Landesangelegenheiten. Unter diesen nahmen in den letzten Lebensjahren des Großherzogs die Versuche einer Verfassungsreform eine wichtige Stelle ein. F. F. hatte, wie wir sahen, im Frühjahr 1848 seinem Lande eine Verfassungsänderung verheißen und sein Wort eingelöst, das Staatsgrundgesetz war veröffentlicht worden, aber der Freienwalder Schiedsspruch hatte gegen ihn und gegen die neue Staatsordnung entschieden. Seitdem hatten wiederholt liberale Mitglieder der Ritterschaft die Wiederherstellung der constitutionellen Verfassung vergeblich beantragt, jetzt versuchte die liberale Partei mit Hülfe des Reichstages die ständische Verfassung als mit der Reichsverfassung unvereinbar zu beseitigen, ohne jedoch den Bundesrath dafür gewinnen zu können. Eine constitutionelle Verfassung wollte, wie wir wissen, F. F. nicht, aber eine zeitgemäße Umbildung der bestehenden. Da eine Initiative der Stände in diesem Sinne nicht zu erwarten stand, nahm er selbst die Sache in die Hand. Schon 1861 hatte er die Mitglieder des Staatsministeriums zu gutachtlichen Aeußerungen über die Mängel der ständischen Verfassung und die zweckmäßigsten Mittel zu deren Abhülfe aufgefordert, die Ausführung der Vorschläge wurde indessen durch die brennende Steuer- und Zollfrage, dann durch die Krisis des Jahres 1866 in den Hintergrund gedrängt. Doch verlor F. F. die Angelegenheit [113] nicht aus den Augen. Daß manche Bestimmungen des Erbvergleichs für die gegenwärtige Sachlage nicht mehr paßten, daß die Ueberzahl der ritterschaftlichen Virilstimmen durch eine beschränkte Anzahl gewählter Deputirter zu ersetzen und eine Vertretung des Domaniums geboten sei, stand ihm außer Frage; um in letzterer Beziehung die nöthigen Elemente zu schaffen, betrieb er mit Eifer die Vererbpachtung der Bauerhöfe im Domanium und den Erlaß einer Gemeindeordnung. Diese und einige andere Punkte bildeten den Inhalt eines Exposés, welches F. F. 1867 dem Staatsministerium zur Berathung und demnächstigen Aufnahme in die Landtagspropositionen vorlegte. Die Berathungen führten zu keinem greifbaren Ergebniß. Sie wurden auf Befehl des Großherzogs 1871, nachdem inzwischen an die Stelle des Ministers v. Oertzen der Graf Bassewitz[WS 3] getreten war, wieder aufgenommen, schließlich unter Zuziehung von Deputirten der Stände, die für den October 1872 einberufen waren; aber trotz der großen Zugeständnisse, die der Großherzog machte, ging die Conferenz resultatlos auseinander und auf dem bald darauf zusammentretenden Landtage lehnte die Landschaft die Vorlage ab. F. F. ließ sich durch diesen Mißerfolg nicht abschrecken; er gab dem Reformplan eine veränderte Grundlage, legte ihn dem Ministerium in einem eigenhändig aufgesetzten Entwurfe zur Durchberathung vor und berief dann auf den 1. Febr. 1874 einen außerordentlichen Landtag nach Schwerin. Der neue Entwurf hatte die patrimonialen Grundsätze des Erbvergleichs abgestreift, aber doch einen ständischen Charakter bewahrt. Der große Grundbesitz, die Städte und die Landgemeinden sollten gesonderte Wahlkörper bilden und durch gewählte Abgeordnete auf dem Landtage vertreten sein, dazu sollten treten einige Mitglieder des großen Grundbesitzes, gewählt aus denjenigen, die in der Ascendenz einen hundertjährigen Besitz nachweisen konnten, je ein Mitglied der Magistrate der fünf größten Städte des Landes und einige vom Schweriner Landesherrn nach freier Wahl zu ernennende Mitglieder. Die aus 102 Mitgliedern bestehende Versammlung, mit sechsjähriger Legislaturperiode, sollte nach absoluter Majorität beschließen, Standesbeschlüsse sollten nicht statthaft sein. Alle Landesgesetze sollten der Zustimmung, alle Steuern und Landesausgaben der Bewilligung des Landtags unterliegen, doch sollte diese Bewilligung nicht versagt werden können für die Deckung aller auf verfassungsmäßigen, reichs- und landesgesetzlichen Verpflichtungen oder hausgesetzlichen Vereinbarungen beruhenden Ausgaben. Das Hausgut sollte ausgeschieden sein, die Etats der Finanzverwaltung sollten im Voranschlag vorgelegt werden. Der Engere Ausschuß sollte, wenngleich in anderer Zusammensetzung, bestehen bleiben und der Bestand der Ritter- und Landschaft als Privatcorporationen zur Verwaltung ihrer gesonderten oder gemeinschaftlichen Angelegenheiten anerkannt werden. Die Annahme dieser seiner eigensten Initiative entstammenden Grundzüge legte F. F. in der Thronrede, mit der er den Landtag im Schlosse eröffnete und die weit über Mecklenburgs Grenzen hinaus den besten Eindruck machte, den Berufenen dringend ans Herz, das Endergebniß war indessen, daß die Ritterschaft die Vorlage ablehnte, die Landschaft zwar im Princip zustimmte, aber nach der Stellungnahme der Ritterschaft weitere Verhandlungen für gegenstandslos erklärte. Der Landtag wurde am 7. März geschlossen; der Landtagsabschied sprach das Bedauern des Großherzogs über das negative Resultat aus, verhehlte nicht sein Mißfallen an den ritterschaftlichen und seine Befriedigung über die ständischen Erklärungen, stellte im übrigen die Wiederaufnahme der Verhandlungen auf Grund derselben Vorlage für den nächsten ordentlichen Landtag in Aussicht. Dieser Landtag von 1875 aber [114] verhielt sich trotz aller Vermittelungsversuche der Commissare und der eindringlichsten Mahnungen des Großherzogs durchaus ablehnend, der Landtagsabschied konnte nur die völlige Ergebnißlosigkeit der Berathungen und den Mangel einer „Würdigung der ernsten Lage des Landes“ seitens der Stände constatiren. Mit der ihn auszeichnenden Geduld und ohne jede Verbitterung verfolgte F. F. trotzdem seinen Plan weiter. In Berathungen des Staatsministeriums unter Vorsitz des Großherzogs im Mai 1879 wurde die Vorlage von 1874 noch einmal gründlich durchgenommen und die Frage weiterer Concessionen erörtert, im März 1880 fanden in Schwerin Verhandlungen mit Deputirten der Stände statt, aber die Aussichtslosigkeit derselben trat schon nach wenigen Tagen so deutlich hervor, daß F. F. sie schloß. Wiederum sah er sich in seinem redlichen Bestreben gelähmt, die Frucht langer mühevoller Arbeit verloren. In einem Schreiben an den Engeren Ausschuß vom 30. Oct. 1880 gab F. F. dem Bedauern über das abermalige Mißlingen einer Verständigung Ausdruck, erklärte aber ausdrücklich, daß er es nach wie vor seine ernste Sorge sein lassen werde, diese wichtige Aufgabe zum Wohl des Landes hinausuführen. In der kurzen Zeit aber, die ihm noch zu leben vergönnt war, hat er die Verfassungsfrage ruhen lassen.

Die Lebensperiode des Großherzogs vom deutsch-französischen Kriege bis zu seinem Tode bildete den ruhigsten Theil seiner Regentenlaufbahn, wenn bei seinem lebhaften Temperament und regen Thätigkeitsdrange überhaupt von Ruhe die Rede sein konnte. Wie der äußere Friede ungestört war, blieb es auch der innere, soweit nicht die Versuche der Verfassungsreform zeitweilig die Geister erregten. Daß die Beziehungen Mecklenburgs zur Reichsgewalt die besten waren, dafür bürgte die unbedingte Reichstreue des Landesherrn und das enge Freundschaftband, das ihn mit dem Kaiser persönlich verknüpfte. Von dem Culturkampf wie von der socialistischen Agitation der 70er Jahre blieb Mecklenburg so gut wie unberührt, die socialdemokratische Bewegung fing erst in den 80er Jahren an größere Ausdehnung zu gewinnen, nahm indessen auch dann keinen gefährlichen Charakter an. Auch von der Börsenkrisis des Jahres 1873 wurde Mecklenburg nicht empfindlich getroffen. F. F. war in diesen Jahren viel von Schwerin abwesend, die Geschäfte seiner Militärinspection, Badereisen, Besuche an verwandten oder befreundeten Höfen, auch seine Reiselust an sich führten ihn bald hierhin, bald dorthin. Als Gast des Kaisers nahm er theil an der Drei-Kaiser-Zusammenkunft in Berlin (1872) sowie an den Monarchenbegegnungen in Alexandrowo und Danzig. Familienfeiern veranlaßten ihn zu zwei Reisen nach Petersburg und einer nach Italien: am 28. August 1874 vermählte sich die Herzogin Marie mit dem Großfürsten Wladimir Alexandrowitsch, am 24. Januar 1879 der Erbgroßherzog mit der Großfürstin Anastasia Michailowna, und am 26. Mai 1882 wurde in Palermo der Sohn des Erbgroßherzogs getauft. Aber diesen freudigen Ereignissen stand im Leben des Großherzogs eine lange Reihe von Trauerfällen gegenüber: zwei Gemahlinnen und zwei in zartestem Alter verstorbene Söhne hatte F. F. zu Grabe geleitet; seine beiden Geschwister, die Herzogin Luise († 1859) und Herzog Wilhelm (1879), gingen vor ihm dahin, von der älteren Generation des mecklenburgischen Fürstenhauses starben in seiner Regierungszeit der Herzog Gustav († 1851), die Herzogin Helene von Orleans († 1858) und die hochbetagte Erbgroßherzogin Auguste († 1871), die Wittwe seines Großvaters Friedrich Ludwig, und ein schwerer Schlag traf ihn gegen Ende seines Lebens in dem Verlust der eben zur Jungfrau herangeblühten Herzogin Anna († am 8. Febr. 1882), des einzigen Kindes, das seine zweite Gemahlin ihm hinterlassen hatte. Unter dem Eindruck dieses Trauerfalles wurde von einer öffentlichen [115] Feier des auf den 7. März fallenden 40jährigen Regierungsjubiläums Abstand genommen. Daß F. F. selbst seiner Tochter so bald ins Grab folgen würde, ahnte Niemand. Im April 1883 gedachte er den Erbgroßherzog, der als Genesender nach schwerer Krankheit in Mentone weilte, zu besuchen. In der Nacht vor der geplanten Abreise brach in einem enggebauten Theile Schwerins Feuer aus; seiner Gewohnheit gemäß und eine kurz zuvor bei der Besichtigung des Parchimer Dragonerregiments erworbene Erkältung nicht achtend erschien F. F. auf der Brandstätte, aber nach der Rückkehr ins Schloß erkrankte er an einer Lungenentzündung und am 15. April starb er – vielleicht für ihn selbst zur rechten Zeit, denn aus den Aufzeichnungen seines Leibarztes ergibt sich, daß F. F., der den Eindruck eines besonders kräftigen Mannes machte, doch von Leiden heimgesucht war, die ihn wahrscheinlich schwerem Siechthum entgegengeführt und zu völliger Unthätigkeit verurtheilt haben würden. Am 21. April wurde seine sterbliche Hülle im Schweriner Dome beigesetzt; ein Denkmal, welches sein Volk ihm errichtet hat, ein von Brunow[WS 4] modellirtes Reiterstandbild im Schloßgarten zu Schwerin, ward am 24. August 1893 enthüllt.

„Ein Kind von Gemüth, ein Jüngling an Frische der persönlichen Erscheinung, ein ganzer Mann an Initiative und Thatkraft, ein reiner, edler Mensch, ein tapferer Krieger und hervorragender Feldherr, ein pflichttreuer, gerechter, opfermuthiger Fürst, ein aufrichtiger Christ“ – so schildert den Großherzog ein Mann, der Jahrzehnte hindurch ihm nahe stand, und so lebt er fort im Gedächtniß Aller die ihn kannten. Und wer von seinen Mecklenburgern hätte ihn nicht gekannt? In seiner langen Regierungszeit bildete sich zwischen ihm und seinen Unterthanen ein persönliches Verhältniß, er war der Vertrauensmann eines Jeden im Volke. Sein Land kannte er wie Wenige, denn er liebte es, sich überall zu zeigen, überall „dabei zu sein“; wohin er kam in Dorf und Stadt unterrichtete er sich genau über alle Verhältnisse, selbst die einzelner Personen, und entzückte durch seine Liebenswürdigkeit Alle, auch die kleinen Leute, mit denen er in ihrer Sprache zu verkehren verstand, und für deren Anliegen und Bedürfnisse er ein warmes Herz und ein offenes Ohr hatte. Ein glückliches Personengedächtniß befähigte ihn, Jeden, mit dem er einmal zu thun gehabt, noch nach Jahren wiederzuerkennen. Der Trieb, sich zu belehren, erlosch niemals in ihm; wie er, der die Fortschritte der Wissenschaft mit regem Interesse verfolgte, sich von Sachkennern erklären ließ, was er nicht im einzelnen verfolgen konnte, so ließ er sich, als ihm ein Husarenregiment verliehen wurde, durch einen Officier mit allen Details des Cavalleriedienstes bekannt machen, und bei Einführung der neuen Maaße und Gewichte übte er unter Anleitung eines Lehrers der Bürgerschule das Rechnen mit den neuen Einheiten so lange, bis es ihm völlig geläufig war. Bei seinem eigenen Lernbedürfniß war er unermüdlich in der Sorge für die Unterrichtsanstalten seines Landes. Neue Gymnasien entstanden unter seiner Regierung und Realgymnasien, eine Blindenanstalt und eine Anstalt für schwachsinnige Kinder, das Lehrerseminar wurde vergrößert, die Navigationsschule zu einer Musteranstalt in ihrer Art. Ganz besonders pflegte F. F. die Interessen der Universität Rostock durch Vermehrung der Lehrstühle, Errichtung neuer akademischer Institute und umfassende Bauten; in Anerkennung dieser Thatsache bestimmte sein Nachfolger, daß im Leben der Universität die Erinnerung an ihren, vermöge der Bedeutsamkeit seines Wirkens einem zweiten Stifter gleichzustellenden Kanzler dadurch zum dauernden Ausdruck gebracht werde, daß die bisher am 28. Februar als dem Geburtstage des Großherzogs [116] gehaltene alljährliche Universitätsfeier für alle Zukunft an diesem Tage stattfinden solle. Die Bauten für Unterrichtsanstalten, so bedeutend sie waren, bildeten doch nur einen kleinen Theil der Bauthätigkeit des Großherzogs. Für sich und seine Familie sowie zu vornehmer Repräsentation, auf die er hielt, baute er das prächtige Schweriner Schloß; die Kunstsammlungen des großherzoglichen Hauses vereinigte er in dem neuen Museum; für sein Theater, dem er tüchtige Intendanten (Friedrich v. Flotow, Gustav zu Putlitz, Alfred v. Wolzogen) gab, für das er große Zuschüsse gewährte und welches sich zu einem namhaften Kunstinstitut erhob, ließ er, als das Haus niederbrannte, den Plan zu einem stattlichen Neubau entwerfen, dessen Ausführung er allerdings nicht mehr erlebte. Hand in Hand mit der inneren Reform der Landeskirche und einer reicheren Ausgestaltung des liturgischen Gottesdienstes ging ihm die Sorge für den Neubau oder die würdige Herstellung von Kirchen: 83 hat er neu gebaut, gegen 200 gründlich durchgebaut oder renovirt. Eine Umgestaltung erfuhr das Justizwesen des Landes, bevor 1879 die Reichsjustizgesetze eingeführt wurden. Der Landwirthschaft und dem Gewerbe war F. F. ein einsichtiger Förderer. Zahlreiche und wichtige Verkehrswege wurden unter ihm, bei dessen Regierungsantritt nur drei Chausseen vorhanden waren, angelegt. Gemeinnützige und wissenschaftliche Vereine entstanden oder wurden ins Leben gerufen, ihre Arbeiten fanden ausgiebige Unterstützung. Kurz, es gab kein Gebiet, auf dem F. F. nicht anregend, fördernd, schaffend gewirkt hätte. Er hinterließ ein anderes Mecklenburg, als er es vorfand, und die fast beispiellose Trauer bei seinem Hinscheiden bewies, daß das Land dankbar war für das, was es unter ihm und durch ihn geworden.

Das Hauptwerk über F. F. ist: L. v. Hirschfeld, Friedrich Franz II. Großherzog von Mecklenburg-Schwerin und seine Vorgänger (2 Bde., Leipz. 1891). – Volksthümlicher gehalten ist: B. Volz, Großherzog Friedrich Franz II. v. M.-Schwerin. Ein deutsches Fürstenleben (Wismar 1893). – Manches Neue bieten C. Mettenheimer’s Mittheilungen im 3. Quartalbericht des 58. Jahrganges der Jahrbücher d. Vereins f. mecklenb. Geschichte u. Alterthumskunde (Schwerin 1893). – Die kleineren Biographien von Rische (Wismar 1883), Schlotterbeck (Schwerin 1883) u. Garlepp (Breslau 1892) haben keinen selbständigen Werth. – Ueber die Feldzüge des Großherzogs s.: Der Feldzug der Mecklenburger nach Bayern im Sommer 1866 (Ludwigslust 1867) und: Der Antheil der unter dem Commando des Großherzogs v. M.-Schw. vereinigt gewesenen Truppen am Kriege 1870/71 (Berlin 1875).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ludwig von Lützow (1793-1872), mecklenburgischer Staatsmann und Politiker, von 1840-50 Erster Miniater in Schwerin.
  2. Antoine Eugène Alfred Chanzy (1823-1883), französischer General und Diplomat.
  3. Henning Graf von Bassewitz (1814-1885), Mecklenburg-Schwerinscher Staatsminister ab 1869.
  4. Ludwig Brunow (1843-1913), Bildhauer.