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Artikel „Pogge, Friedrich“ von Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 356–359, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pogge,_Friedrich&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 13:19 Uhr UTC)
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Pogge: Friedrich P. war geboren am 12. Mai 1791 zu Roggow als ältester Sohn des um die mecklenburgische Landwirthschaft, Pferde- und Schafzucht verdienten damaligen v. Walmoden-Gimborn’schen Pächters, späteren Besitzers von Roggow, Domänenraths Karl Johann August Peter P. (geb. am 21. October 1763, † am 12. October 1831), welcher mit dem berühmten Johann Heinrich v. Thünen eng befreundet war. Durch Hauslehrer mit seinem Bruder Johann herangebildet lernte er bei seinem Vater die Landwirthschaft und studirte dann in Rostock unter dem Nationalökonomen Franz Christ. Lorenz Karsten. Wieder auf seines Vaters Gute verzichtete er nach Ausbruch der Befreiungskriege nach schwerem innern Kampfe auf den Eintritt unter die Freiwilligen, um seinem jüngern Bruder die Theilnahme am Feldzuge zu ermöglichen, da der Vater unerbittlich einen der Söhne zu Hause behalten wollte. Im väterlichen Auftrage besorgte er aber 1813 die Pferdelieferungen für den General Graf Walmoden-Gimborn, und dieses brachte ihn auf die Idee, die Vollblut-Pferdezucht einzuführen, worin ihn Baron Georg v. Biel auf Weitendorf bestärkte. 1814 bereiste er England und Holland, darnach Hannover, wo er die freiherrlich Grote’sche Merinoheerde untersuchte, um alsbald nach dem Frieden mit seinem Bruder daran zu gehen, mit angekauften Grote’schen Böcken, unter denen der Bock Napoléon in der mecklenburgischen Schafzucht berühmt wurde, und mit einem Stamm der Lichnowsky’schen Heerde eine Merino-Stammschäferei in Roggow zu begründen. Von dort ist die mecklenburgische Edelschafzucht ausgegangen. 1816 verheirathete sich P. und übernahm die Pachtung Dehmen. Hier legte er sich auf die Vollblut-Pferdezucht, zu deren Aufblühen er mit dem Baron v. Biel die Einführung der mecklenburgischen Pferderennen betrieb. 1820 zum Director der Neubrandenburger Feuer- und Hagelversicherungs-Gesellschaft erwählt, brachte er diese durch seine Energie trotz vieler Anfeindungen, namentlich [357] von einem Herrn v. Dewitz, zu hoher Blüthe. In der Landwirthschaft hat er durch sein Streben für Ausbreitung des Mergelns und für geordnete Berieselung („Beetenberieselung“) sich große Verdienste erworben, namentlich nachdem er 1831 von seinem Vater die Rittergüter Zierstorf und Bartelshagen ererbt hatte, von denen er nun den Namen Pogge-Zierstorf führte. Seine Culturen hatten bedeutenden Erfolg, 1835 konnte er allein für 10 000 Thaler Raps verkaufen. Als Nachfolger seines Vaters im Directorium des „Patriotischen“ (eines wesentlich landwirthschaftlichen) Vereins im Districte Teterow warf er sich mit Nachdruck auf die Hebung des früher leibeigenen und damals kaum schon zum Bewußtsein der Freiheit gekommenen Bauernstandes und wurde, unter lebhafter Zustimmung des Großherzogs Paul Friedrich, der Begründer der Bauernversammlungen, welche zuerst ein regeres Streben und eine Theilnahme am öffentlichen Leben in die Reihen dieses gedrückten Standes hineintrugen. Seine eigene, nie erlahmende Opferwilligkeit neben fast fürstlich gentilem Auftreten half ihm dabei wesentlich das allgemeine Vertrauen zu gewinnen. Auf der Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe zu Doberan 1841 hielt er eine Rede über die Ausbildung der Bauern, die ihn bei der Schilderung ihres Looses selbst in Thränen ausbrechen ließ. Landtagsfähig durch den Besitz seiner Rittergüter besuchte er doch den mecklenburgischen Landtag erst seit 1836 und empfand bitter die Zurücksetzung der bürgerlichen Gutsbesitzer gegenüber denen vom „eingebornen und recipirten mecklenburgischen Adel“, welcher die reichen nutzbaren Mittel allein für sich behielt, wie noch heute, und die bürgerlichen Virilstimmen-Besitzer trotz ihrer bedeutenden Zahl ausschloß. So verfügte der ritterschaftliche Adel allein zum Nutzen seiner unverheiratheten Töchter über die bedeutenden Hebungen der sog. „Landesklöster“ Dobbertin, Malchow und Ribnitz; nur seine Mitglieder können die einflußreichen Landrathsstellen und das geldbringende Amt der Klosterhauptleute erhalten, und ihm allein stand die rothe ritterschaftliche Uniform zu, obwohl jene Bürgerlichen der Ritterschaft angehören. Die gedrückte Rolle der letzteren hat P. humoristisch genug im Schweriner Freimüthigen Abendblatt (Nr. 1140 u. 1141) geschildert, die Absonderlichkeiten einer Reihe der unter ihnen befindlichen Emporkömmlinge freilich auch Fritz Reuter in der drastischen Figur seines „Pomuchelskopp“. P. unternahm es 1838, diesen buntgemischten Haufen zur Erlangung der Gleichheit mit dem Adel in Bewegung zu setzen, angeregt wahrscheinlich durch die in den hannoverschen Verfassungskampf gehörende, in demselben Jahre in Zürich erschienene Broschüre von F. B. „Was verlangen die Bürgerlichen?“ P. führte den Kampf mit zäher Energie, selbst gegen die offene Parteinahme der Großherzoge. Aber trotz der stets wachsenden Zahl der Rittergüter in bürgerlicher Hand, 1841 schon 288 gegen 279 im Besitz des berechtigten Adels, vermochte er seinen buntgemischten Heerbann nicht zum Siege zu führen, obgleich selbst ein Georg Beseler ein damals anonym gebliebenes, geharnischtes Gutachten zu seinen Gunsten abgegeben hatte, und eine Agitation entstand, welche weit über Mecklenburg hinaus wiederhallte. Der Adel vermehrte seine Stimmen durch Nobilitirung und sofortige Recipirung einer Anzahl bürgerlicher Gutsbesitzer und durch Theilung bisher vereinter Güter zwischen Vätern und Söhnen und schuf ein Aufgebot, wie P. es nicht haben konnte, nämlich die Verpflichtung auf Ehre, bei jedem Aufruf zum Kommen sofort unter allen, selbst den bösesten Umständen ungesäumt auf dem Landtage zu erscheinen. Dieser interne ritterschaftliche Streit brachte politisches Leben auch in die städtischen Massen. Am 23. October 1843 starb P. auf Zierstorf, tiefbeklagt, namentlich auch von dem seinem Streben nahe verwandten v. Thünen, der seine Freundschaft von dem Vater auf dessen Söhne übertragen hatte. Von Pogge’s zwei nachgelassenen Söhnen erhielt in der [358] späteren Theilung der väterlichen Güter Georg Joachim Friedrich P. (aus erster, 1834 durch den Tod gelöster Ehe) Bartelshagen, Dr. Paul Friedrich Johann Moritz P. (aus zweiter, 1836 geschlossener Ehe, geb. am 27. December 1839) Zierstorf; er ist der spätere Afrikareisende.

Friedrich Pogge’s jüngerer Bruder, Johann Daniel Georg, geboren am 22. März 1793, der von seinem Vater 1831 die Rittergüter Roggow und Krassow erbte, und nun Pogge-Roggow hieß, war wohl noch bedeutender als Friedrich, „eine vortreffliche, ja in vieler Weise unübertroffene Persönlichkeit“ nach einem Ausdrucke des preußischen Generallieutenants Joh. Leo Karl Grafen Schlieffen-Schwandt. Erzogen wie sein Bruder trat er nach der Heimkehr aus den Befreiungskriegen, und nachdem jener 1816 seine eigene Wirthschaft begonnen, an dessen Stelle auf dem väterlichen Hofe. Fast in Zurückhaltung und anscheinend nur im Gefolge seines Bruders dessen Bestrebungen unterstützend, aber mit großer Energie begabt, erregte er das allgemeinste Aufsehen, als er 1847, angeregt durch die preußischen Vorgänge, auf dem Landtage zu Sternberg in einem sog. Dictamen die Einführung einer constitutionellen Verfassung für Mecklenburg beantragte. Nur der Vertreter des Magistrats von Schwerin trat ihm bei, der nicht anwesende v. Thünen auf Tellow jubelte dem kühnen Schritte zu, ebenso die P. gleichgesinnten Dr. Samuel Schnelle auf Buchholz und Theodor Ernst Stever auf Klein-Wustrow; im übrigen folgte Lachen, und man ließ den Antrag liegen, der gewissermaßen die Schwelle des Jahres 1848 war. In Mecklenburg begann man dieses seitens der Radicalen noch zum Theil mit Verspottung der bürgerlichen Gutsbesitzer als Jäger nach Sonderinteressen. Johann P. hatte aber, wie seine Freunde, die rechte Ahnung gehabt. Jetzt als der Sturm hereinbrach, klammerten sich die Conservativen an ihn, er wurde mit Adressen überschüttet. Der Adel und die Stadtmagistrate, die eben noch in höhnender Verblendung die so nothwendige Steuerreform im Trotz auf ihre Privilegien abgelehnt hatten, sahen auf ihn als einen Retter, denselben Mann, der, als der Landmarschall 1846 des mecklenburgischen Adels Vorrechte aus der goldenen Bulle herleitete, ihm auf dem Landtage die goldene Bulle in drei Sprachen überreicht hatte mit der Bemerkung, es stehe nichts darin von einem mecklenburgischen Landmarschall. Im März 1848 war P. fraglos der einflußreichste Mann in Mecklenburg, auch der Großherzog Friedrich Franz II. erkannte das an und schenkte ihm volles Vertrauen. Die Idee der constitutionellen Verfassung schlug durch, und v. Thünen meinte schon „der mecklenburger Götze: Verfassung und Landesvergleich“ werde auf immer erliegen. Am 26. April trat der außerordentliche sog. Convocationslandtag in Schwerin zusammen, und die erschreckten Privilegieninhaber beschlossen einen aus allgemeinen Wahlen hervorgehenden Landtag, der über eine neue Verfassung beschließen sollte. Pogge’s Ziel war zunächst erreicht. Er wurde zum Frankfurter Parlament vom VI. mecklenburgischen Wahlkreise gewählt, doch stand er der deutschen Bewegung etwas kühler gegenüber als seine Freunde und legte schon im Juni sein Mandat nieder, als er vom 55. schweriner Wahlkreise in die neue Abgeordnetenkammer gewählt war, die am 31. October zusammentrat. Hier gewann die mehr doctrinäre als radicale Linke die Ueberhand, und die Berathung und Beschlußfassung ging nicht nach Pogge’s Wunsch, da die Verfassung namentlich lange verzögert und verschoben wurde. P. gehörte daher zur Minorität, behielt aber auch hier seine eiserne Zähigkeit und Beharrlichkeit, wie nachher im Abgeordnetenhause nach dem am 10. October für Mecklenburg-Schwerin allein publicirten Staatsgrundgesetze. Als das letztere auf das Andrängen der Ritterschaft unter Führung des Herzogs Georg von Mecklenburg-Strelitz durch den Freienwalder Schiedsspruch vom 12. September 1850 umgestoßen und der alte Landtag nach dem [359] „landesgrundgesetzlichen Erbvergleich“ von 1755 wieder hergestellt war, führte P. nun wieder den alten Kampf unentwegt weiter bis zu seinem Tode, am 11. Januar 1854.

Drei seiner fünf Söhne traten als liberale Vorkämpfer im politischen Leben Mecklenburgs und des deutschen Reichs in die Fußtapfen des Vaters und des Oheims, und sind dadurch, namentlich auch im Reichstage, hier als Mitglieder der nationalliberalen Partei, bekannt geworden. Nach der Sitte, den Namen des Gutsbesitzes dem eigenen anzuhängen, haben deren zwei nach Vererbungen und Besitztausch ihren Namen scheinbar verändert. August Pogge-Jaëbitz, geb. am 4. November 1825, † am 30. November 1884, hieß, nachdem ihm Pölitz zu Jaëbitz und Marienhof zufiel: Pogge-Pölitz; Franz Pogge-Blankenhof, nach seinem Gute im Strelitzischen genannt, wurde am 24. Juli 1827 geboren; Hermann Pogge, geb. am 28. Mai 1832, führte zuerst den Beinamen Pölitz, ist aber nach Ererbung von Roggow und Krassow allgemein bekannt geworden unter dem Namen seines Großvaters und seines Vaters als Pogge-Roggow.

Die Biographie Friedrich Pogge’s von K. Fr. Deiters im Meckl. Volksbuch 1845, S. 12–58 ist unbrauchbar. Vgl. „Friedr. Pogge auf Zierstorf“ von N. (seiner Wittwe) im Freimüth. Abendbl. 17. November 1843. – E. Boll, Gesch. Mecklenb. II, S. 390–393. – Spottlieder auf die bürgerl. Gutsbes.: W. Raabe, Meklenburg. Ein Jahrb. für alle Stände. 1848. – Johann Heinrich v. Thünen. Ein Forscherleben (von H. Schumacher). – Familiennachrichten. – E. Vehse, Geschichte der kleinen deutschen Höfe, Bd. 3, S. 16 ff.