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Artikel „Putlitz, Gustav Gans Edler Herr zu“ von Monty Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 155–160, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gans_zu_Putlitz,_Gustav&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 12:51 Uhr UTC)
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Putlitz: Gustav Heinrich Gans Edler Herr zu P., geboren am 20. März 1821 auf dem Gute Retzin in der Priegnitz, entstammt jenem brandenburgischen Adelsgeschlecht, das bereits seit dem Jahre 1373 die Erbmarschallwürde der Kurmark nachweisen kann. Der Vater des Dichters bekundete in einem fast 92jährigen Dasein bei aller landwirthschaftlichen Berufstüchtigkeit ernste wissenschaftliche Interessen und setzte seine durch die Freiheitskriege, unterbrochenen Universitätsstudien noch als Greis fort. Als zweites Kind und ältester Sohn seiner Ehe mit Caroline v. Guretzky wuchs Gustav auf dem väterlichen Gute in der friedlichen Stille eines ländlichen Familienkreises auf. Zur Vollendung seiner Ausbildung wurde er im Alter von 13 Jahren dem Alumnat des Klosters Unsrer lieben Frauen in Magdeburg übergeben. Bis zum Ende seiner Schulzeit (1841) blieb er in dieser Stadt, der er eine Reihe entscheidender Lebensbeziehungen verdankt. Im Vaterhause seines Mitschülers Felix Niemeyer gewann er in der Schwester seines Gefährten, Marianne, eine Freundin, die ihm ein halbes Jahrhundert hindurch opferfreudig und anspornend die Treue hielt. Ihrem künftigen Gatten Karl Immermann, dessen [156] Lebensbild er später mit Marianne gemeinsam entwerfen sollte, trat der junge P. nahe. Vor allem aber dem Bruder des Dichters, seinem Lehrer Ferdinand Immermann, der die Entwicklung des Zöglings und Freundes weit über die Gymnasialjahre hinaus beeinflußte.

Das Studium der Jurisprudenz begann und endete in Berlin. In der Zwischenzeit genoß der Werdende in vollen Zügen die Seligkeit des Heidelberger Burschenlebens, dessen Abglanz über mancher späteren Schöpfung leuchtet. Nachdem er seiner Dienstpflicht genügt hatte, entschloß sich P. zur diplomatischen Laufbahn. Zu ihrer Vorbereitung trat er 1846 bei der Regierung in Magdeburg ein. Doch die dichterische Production lenkte sein Interesse von den Acten fort, und nachdem er auch die Feuerprobe des Dramatikers bestanden hatte, nahm er zu Beginn des Jahres 1848 Urlaub zu einer italienischen Reise. Bei der Heimkehr schied er aus dem Staatsdienst aus, um sich fortan der Bewirthschaftung des Gutes Retzin zu widmen. Sein zaghaft der Oeffentlichkeit übergebenes Märchenidyll „Was sich der Wald erzählt“ (1850) fand einen ungeahnten Erfolg. Der Dichter aber ließ in eifriger Lustspielproduction seiner eingewurzelten Theaterpassion freien Spielraum. Auch seine Reisen nach Paris und London betrachtete er als Studienfahrten eines Bühnenenthusiasten. Selbst das Glück seiner Ehe verdankte er dieser Leidenschaft. Denn bei einer Liebhaberaufführung in Retzin gewann er das Herz der Comtesse Elisabeth Königsmarck, die er im Mai 1853 heimführte. Zehn Jahre lang lebte er in ungetrübter ehelicher Harmonie auf seinem Gute und freute sich des Gedeihens seiner fünf Kinder. Die Wintermonate verbrachte er in Berlin, für ein paar Sessionen als pflichttreuer Abgeordneter ohne politischen Ehrgeiz, seit der Thronbesteigung König Wilhelm’s als Kammerherr zum Hofleben herangezogen. Im J. 1863 vertauschte er die Existenz des dichtenden „Priegnitzer Krautjunkers“ mit einem Amte, das seinen Neigungen entsprach: er übernahm als Intendant die Leitung des Schweriner Hoftheaters. Vier Jahre lang widmete er lernend und lehrend zugleich dem Institut eine emsige und in ihren Früchten reich belohnte Thätigkeit. Nach seinem Abschied trat er als Hofmarschall in den Dienst des preußischen Kronprinzenpaares, um nach einjähriger Wirksamkeit wieder zur Freiheit des Privatmanns zurückzukehren. Während der Kriegsjahre 1870/71 stellte er seine organisatorische Kraft, in gemeinschaftlicher Arbeit mit seiner energisch zupackenden Gattin, in den Dienst der Samariterthätigkeit. Er richtete Lazarethe ein und lernte, beim Transport der Liebesgaben, auf drei beschwerlichen Fahrten, die Schrecken des Schlachtfeldes kennen. Nach dem Feldzug trat er für kurze Zeit an die Spitze eines Berliner Zeitungsunternehmens, um im J. 1873 wiederum dem Lockruf des Bühnenlebens zu folgen. Denn in diesem Jahre übertrug ihm der Großherzog von Baden die Leitung des Karlsruher Hoftheaters. In sechzehnjähriger Arbeit erfüllte er die Pflichten dieses Amtes mit seiner vornehmen Milde, die alle höfischen und künstlerischen Schwierigkeiten auszugleichen wußte. Erst, als nach dem Tode des Familienseniors die Würden des Erbmarschalls, des Herrenhausmitglieds auf ihn übergingen, schied er, 1889, aus dem Dienst. Der tragische Untergang seines ältesten Sohnes an der Schwelle der akademischen Laufbahn hatte dem Dasein des sanften und zarten Mannes eine unheilbare Wunde geschlagen. In der alten Heimath Retzin suchte und fand er nach mancher Lebensunrast den letzten Frieden: bald nach der Heimkehr, am 5. September 1890, starb er in der Mitte des siebzigsten Lebensjahres.

Seine Wittwe ehrte das Andenken ihres Gatten durch die Veröffentlichung seines dreibändigen „Lebensbildes“ mit einer Fülle brieflicher Bekenntnisse. [157] Dieses Buch übertrifft an fesselndem Reiz alle andern Werke, die den Namen Gustav zu Putlitz der Nachwelt überliefern. Denn darin offenbart sich das liebenswerthe Menschenthum eines märkischen Edelmanns, in dessen Ernst und Reinheit Achim v. Arnim’s Geist wiederaufzuleben scheint. Sein weicher Sinn prägt der Gestalt, ohne ärgerliche Schwäche, die Hülfsbedürftigkeit eines großen Kindes auf. Ein gütiges Schicksal gewährte ihm diese Hülfe. Denn zwei Lebensgefährtinnen nahten sich ihm mit einer fast mütterlichen Fürsorge. Seine Freundin und seine Hausfrau wußten seine Natur durch resolute Thatkraft zu ergänzen, ohne ihn in Herzenswirren zu verflechten. Keine Dichtung kann an Gefühlsinnigkeit mit dem schwesterlichen Schreiben Marianne’s an die junge Braut ihres Freundes (Lebensbild I, 182 f.) wetteifern. Ihre überlegene und ihm doch so willig untergeordnete Energie schürte den Eifer seiner Production und schirmte ihn vor Entmuthigung. Dienste, die er mit unversieglicher Dankbarkeit vergalt, wie er auch als Freund die Treue zu bewähren wußte. Sein Einfluß bei den Herrschern der Welt und der Kunst schien ihm nur Freude zu bereiten, wenn er ihm eine Gefälligkeit für Willibald Alexis, für Emanuel Geibel, für Gisbert Vincke verdankte.

Der Ehrgeiz Putlitz’ war von Jugend auf dem Theater zugewandt, wie er oft bekannt hat. Aber eine seltsame Fügung fesselt den Ruhm seines Namens nicht an seine zahlreichen Bühnenschöpfungen und Romane, sondern an sein kleines Jugendidyll „Was sich der Wald erzählt“. Bereits auf der Schulbank war das erste der lose verknüpften Märchen entstanden, in Italien das Ganze abgerundet. Gerade die Harmlosigkeit des schmalen Büchleins eroberte ihm einen Erfolg, der Niemand mehr als den Dichter verblüffte. Denn bei seinem Erscheinen (1850) hatte sich das große Publicum an politisch-socialen Problemen übersättigt und jubelte einem Dichter zu, der seine Leser von der Bierbank in die Kinderstube zurückführte. Ein wenig Selbstbetrug lief freilich dabei unter, denn die ersehnte Naivetät blüht keineswegs in dem gefälligen Werk. Vielmehr ist allerlei Salonsatire in den Erzählungen der Mohnblume, des Tannenbaums, des Waldbachs, des Steins verborgen. Ihre Gespräche sind von der wenig naiven Berechnung beseelt, die Welt des Waldes zu allegorisiren und menschliche Hörer mit neckischen Anspielungen zu unterhalten. Das Untertauchen in die absichtslose, unbelauschte Natur war dem Talent des Erzählers nicht vergönnt. Er selbst hat in bescheidener Selbsterkenntniß den süßlich conventionellen Charakter seiner Märchen geahnt. Doch der Schwunglose, dem die Gabe der lyrischen Beichte zeitlebens versagt blieb, mischte sich selbst noch zwei Mal unter die zahlreichen Nachahmer seiner erfolgreichen Erstlingsarbeit. So entstand die Rahmenerzählung „Vergißmeinnicht“ (1854) und das Versmärchen „Luana“ (1855). In diesen Producten einer erstarrten Romantik sind nur die eingewebten persönlichen Bekenntnisse, die Heidelberger Reminiscenzen wie die Freudenrufe des Bräutigams, genießbar. Als Kunstwerke verdienen sie indessen den Seitenhieb des „Kladderadatsch“ gegen Redwitz und Putlitz:

„Gegen diese abgehärmten,
Diese Mondscheinnachtverschwärmten …
Pseudo-Dichter Epigonen …
Diese lahmen Jambenzimmerer,
Zahmen Dithyrambenwimmerer“,

Als Novellist und Romandichter hat P. niemals gleiche Erfolge, aber auch niemals gleiche Anfechtungen erlebt. Seine leichte Erfindungsgabe weiß den Leser zu fesseln, wenn auch die Flottheit des Fabulirens nur selten eine Vertiefung und Verinnerlichung des Erzählten zuläßt. Fast immer spielen die Geschichten in der Gegenwart, in Lebenskreisen, die dem Blick des Autors [158] zugänglich waren. Die bunte Welt des Theaters, vom Agentenbureau bis zur Premièrenaufregung erscheint, wie später häufig, bereits im frühesten Versuch „Ungebundenes“ (1856). Doch die grelle Willkür der romanhaften Verknüpfung, wie sie diese Anfängerleistung aufweist, wird bald überwunden. So kann auch das selten gewagte Experiment glücken, den Apparat der romantischen Novelle mit einem geheimnißvoll auftauchenden Schicksalslenker zu beherrschen („Walpurgis“, 1873). Zumeist aber kommt es dem Erzähler darauf an, das Ideal der bürgerlichen Ordnung, der Lebensdisciplin zu verfechten. Als Ziel gilt der Sieg der Zucht über den Cynismus, der Ehrbarkeit über die Frivolität. So werden die „Halben“ (1868), eine Gesellschaft männlicher und weiblicher Bohémiens, durch Beispiel und Belehrung in nützliche Glieder der menschlichen Gesellschaft verwandelt. Die brave Gesinnung des Bekehrers zeigt freilich einen Beigeschmack spießbürgerlicher Pedanterie, wenn er und der Autor sich entschließen, eine leichtsinnige Nini fortan Carolina zu rufen. Auch der große Roman „Die Nachtigall“ (1872) geht von ähnlichen Contrasten aus. Die Heldin, die deutlich Mignon’s Züge trägt, wird vom Elend der Wanderschmiere zur Würde der Gattin und Mutter emporgeläutert. Ihr Wilhelm Meister aber wird von praktischen Freunden angespornt, aus einem müssigen Genießer zu einem fleißigen Professor zu werden. Die deutsche Hausfrau mit dem Rechenbuch erscheint ferner als Ideal in der Erzählung „Funken unter der Asche“ (1871), die durch anschauliche Kriegsreminiscenzen belebt ist, und in dem Alterswerk „Das Maler-Majorle“ (1883). Ueber solche philiströsen Tendenzen dringt P. jedoch hinaus, wenn er sein märkisches Heimathsgefühl in den treuherzigen „Brandenburgischen Geschichten“ (1862) spiegelt, wenn er im „Frölenhaus (1881) die Schollentreue des Landadels mit dem ungeduldigen Protzensinn der Großstädter contrastirt.

„Wenn ich mit Häring auf der Reise Novellenstoffe ersann … , lächelte er immer, weil meine Ideen sich gleich dramatisch gestalteten.“ So heißt es in einem frühen Bekenntnißbrief, der auch die Worte enthält: „Die Leidenschaft für das Theater hat die Natur mir geheimnißvoll in die Wiege gegeben.“ Diese Leidenschaft trieb schon den Studenten zum emsigen Besuch des Berliner Hoftheaters, das gerade damals eine Fülle bedeutsamer Darsteller ins Treffen stellte. Auch die französische Komödie der preußischen Hauptstadt übte ihre Anziehungskraft auf den Anfänger, der in seinen „Theater-Erinnerungen“ (1874) den großen Einfluß Scribe’s auf seine Erstlinge bezeugt. In diesem bescheidenen, anziehenden Buche umschreibt P. seine Lebensaufgabe: der deutschen Bühne das feinere Conversationsstück nach Pariser Muster zu schaffen. Eine Aufgabe, die er in leichter Improvisation vieler meist einactiger Prosaschwänke zu erfüllen sucht. (Lustspiele 1850–55, Neue Folge 1869–72.) Scribe’s Vorbild ist am deutlichsten aus den größeren Bühnenwerken „Die blaue Schleife“ und „Um die Krone“ herauszuerkennen. In beiden Fällen handelt es sich um höfische Intriguenkomödien, die historische Staatsactionen im Boudoir entscheiden lassen. Die Liebesabenteuer Moritz’ von Sachsen in der „Blauen Schleife“ sind bei aller Oberflächlichkeit von munterer Laune beschwingt. Dagegen ist Stanislaus Poniatowsky’s Ringen „um die Krone“ Polens allein von dramatischer Silbenstecherei abhängig, die nach des Autors eigenem Bekenntniß eine „gemüthlose, mit Worten und Begriffen spielende Kälte“ voraussetzt.

Eine Selbsterkenntniß, die am besten beweist, wie wenig P. in Wahrheit zum Jünger seines Meisters berufen war. Denn dieser Franzosenzögling empfand allzu deutsch, dieser Edelmann und Kammerherr empfand allzu bürgerlich, um nicht von selbst den Weg von Scribe zu Iffland zu finden. [159] Die Tendenzen und Probleme seiner Lustspiele spiegeln die Ansprüche einer Welt wieder, die auf der Bühne nichts als ihre eigene hausbackene Harmlosigkeit finden möchte. Sie alle sind nur für den vergänglichen Geschmack ihrer Zeit bestimmt und dürfen nur an ihm gemessen werden. Verlobung heißt das große Ziel, dem die Backfische und die jungen Wittwen zustreben, dem die nachsichtigen Väter nur gelinde Hemmnisse in den Weg legen. Die Alten müssen zu Gunsten der Jungen verzichten (Die Zeichen der Liebe), die Jungen sehen ein, daß eine reine Seele mehr als alle Bildungshoffart bedeutet (Das Herz vergessen). Burschikoser Uebermuth wird von der Liebe ebenso schnell gezähmt (Badekuren), wie der Parteihaß (Brandenburgische Eroberungen). Eheprobleme werden leicht gelöst, indem Pantoffelhelden, Blaustrümpfe und Gesellschaftssklaven zum Ideal der deutschen Häuslichkeit, zur Zaubermacht der vier Wände bekehrt werden (Die alte Schachtel, Ein Hausmittel, Zwei Tassen). „Sie legt die Genialität ab und die Küchenschürze an“, ruft eine treue Magd als triumphirender Herold der guten Sache. Große Zeitbewegungen werden geschwind als Motiv häuslicher Wirren ausgemünzt, eine vereinzelte Nachahmung Kotzebue’scher Wirkungen findet einen starken Widerhall (Spielt nicht mit dem Feuer). Der dauerhafteste Erfolg aber knüpft sich an eine verblüffend harmlose Werkstattschnurre „Das Schwert des Damokles“. Lauscherscenen und Verwechslungsdialoge bilden immer wieder das Rüstzeug einer Technik, deren flotter Bühnenblick mit aller primitiven Kindlichkeit versöhnt.

Doch der dramatische Ehrgeiz Putlitz’ fand keine volle Befriedigung in den Erfolgen seiner Schwänke. Friedrich Halm, den er auf einer Wiener Reise kennen lernte, verlockte ihn zu ernsteren Aufgaben und lenkte seine Schritte auf dem neuen Pfade mit einer Hingabe, die selbst der weiche Sinn des Adepten bald als allzu tyrannisch empfand. So entstand unter der wachsamen Controlle des Lehrmeisters das fünfactige Schauspiel „Das Testament des großen Kurfürsten“ (1858). Das Drama, das Halm’s Freundin Julie Rettich zuerst auf einer Gastspielreise aufführte, verdankt seine Entstehung den Eindrücken des Dorothea-Romans von Willibald Alexis. Die Gestalt der Kurfürstin, die im Interesse ihrer Kinder gegen den regierenden Stiefsohn und gegen die Landeseinheit conspirirt, wächst über das Erbschleicherthum hinaus. Wenigstens ein Schatten der Dämonie umwittert die verbissene, vom allgemeinen Mißtrauen zurückgescheuchte Frau. Nur der glückliche Ausgang der höfischen Wirren wird allzu billig durch eine Schönfärberei erkauft: der schwache Kurfürst Friedrich entpuppt sich plötzlich als eine seinem großen Vater ebenbürtige Siegernatur. Ein redliches Streben nach Schwung und Stil des Kleist’schen „Prinzen von Homburg“ hebt das Werk über das Niveau des Intriguenstückes hinaus. Aber die Einflechtung einer farblosen Liebesepisode verräth die Ohnmacht des Epigonen ebenso deutlich, wie die ernüchternde Redseligkeit, mit der alle Personen ihre seelischen Wandlungen beschwatzen. Immerhin zeigen die späteren Versuche auf dem Gebiet des Versdramas, wie heilsam für P. das Eingreifen eines Praktikers vom Schlage Halm’s war. Denn seine Tragödie „Don Juan d’Austria“ (1863), ein Wallensteinconflict in der Umwelt des Don Carlos, bedeutet nur ein hülfloses Antasten des Schiller’schen Erbguts. Innere Unsicherheit documentirt sich auch im Schauspiel „Wilhelm von Oranien in Whitehall“ (1864), dessen Zwitterstellung zwischen der historischen Komödie und der pathetischen Staatsaction der Dichter selbst herausfühlte. Einen desto wärmeren Herzensantheil nahm er an seinem Lieblingsdrama „Waldemar“ (1863), wie immer, wenn der heimathstreue Märker eine brandenburgische Aufgabe zu meistern suchte. Doppelt schmerzlich [160] empfand er deshalb den Mißerfolg des Schauspiels, der freilich im zwiespältigen Wesen seines Versuchs begründet war. Denn dieses Prätendentenstück verzichtet von vornherein auf das Prätendentenproblem: der falsche Waldemar der Sage wird bei P. zum echten Markgrafen, der sich aus erklügelten Motiven 30 Jahre lang verborgen hielt. Doch bei aller Banalität der Ausführung birgt die Schöpfung einen poetischen Gedanken, dessen Ausnützung allerdings über die Kraft des Dramatikers ging: Waldemar fühlt selbst, wie seine Kraft durch das Komödienspiel mit dem Tode gebrochen ist.

Zwei Jahrzehnte später kehrte der Alternde noch einmal zu den Aufgaben des ernsten Dramas zurück, diesmal im Wetteifer mit den Gestaltern moderner Lebensprobleme. Sein Kaufmannsdrama „Rolf Berndt“ (1879) eroberte ihm einen nachhaltigen Bühnenerfolg. Dagegen blieb das letzte, mit erlahmender Kraft geschriebene Schauspiel „Die Idealisten“ (1881) völlig in der Kunstform des Romans stecken. Zudem zeigte der ins Phrasenthum verirrte Patriotismus dieses Werkes die gefährliche Nachwirkung der zahllosen Festspiele, in denen sich der gefällige Intendant so oft als Bühnenherold nationaler Feiertage erprobt hatte. Der Zeit, nicht der Nachwelt diente dieser Dichter, dessen Gaben die Schwerfälligkeit, aber auch die Tiefe fehlt. Die Grenzen seines Talents sind leicht abzustecken. Aber versöhnlich wirkt die seelische Bescheidenheit eines redlich Vorwärtsstrebenden, der seine Ansprüche stets mit seinem Können in Einklang zu bringen wußte.

Putlitz hat selbst die reifsten Früchte seiner Production in den „Ausgewählten Werken“ gesammelt (Berlin 1872–1877, 6 Bände, dazu ein Ergänzungsband 1888), freilich ohne Berücksichtigung seiner Lustspiele. Anziehende Fragmente seiner Selbstbiographie (Theater-Erinnerungen 1874, Mein Heim 1885) werden durch das reichhaltige Werk seiner Wittwe: „Gustav zu Putlitz, ein Lebensbild“, Berlin 1894, zur Vollendung abgerundet. Ein Privatdruck „Eduard zu Putlitz“, Labes 1903, den ich der Liebenswürdigkeit seiner Tochter verdanke, gibt interessante Aufschlüsse über den Vater des Dichters.