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Artikel „Pachler, Faust“ von Anton Schlossar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 160–165, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pachler,_Faust&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 01:20 Uhr UTC)
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Pachler *): Faust P., deutschösterreichischer Dichter, wurde am 18. September 1819 zu Graz geboren. Sein Vater, Dr. Karl Pachler, war Advocat in Graz, seine Mutter, Marie Pachler-Koschak, ebenso durch ihre Schönheit als auch durch ihre virtuose Beherrschung des Clavierspieles ausgezeichnet. Sie hatte 1817 Beethoven in Wien besucht und seine Compositionen dem Meister so trefflich vorgespielt, daß dieser selbst erklärte: er habe noch Niemanden gefunden, der diese Compositionen so gut vorgetragen wie die genannte Dame. Noch später stand diese Frau mit Beethoven in brieflichem und künstlerischem Verkehr. Ganz ausführlich berichtet hierüber Frau Pachler selbst in einem umfangreichen Aufsatze in der „Neuen Berliner Musikzeitung“ vom Jahre 1865, welcher unter dem Titel „Beethoven und Marie Pachler-Koschek. Beiträge und Berichtigungen“ auch als Separatdruck erschienen ist. Der junge Faust erhielt eine sehr sorgfältige Erziehung im Hause seiner Eltern, deren Haus einen geistigen Mittelpunkt des damals noch kleinen Graz bildete, wo Musiker, Bühnenkünstler, Dichter und Schriftsteller zusammenkamen. Von den hervorragenden Persönlichkeiten, die daselbst verkehrten, seien etwa genannt der Dichter K. G. R. v. Leitner, der berühmte Orientalist und [161] Staatsmann Anton Prokesch (später Graf v. Prokesch-Osten), der Historiker Jul. Schneller, die ausgezeichnete Tragödin Julie Gley und deren späterer Gatte der Hofschauspieler Karl Rettich, nicht minder andere bedeutende Bühnenkünstler jener Zeit. Auch Franz Schubert war im J. 1827 auf dem Landsitze Pachler’s bei Graz einige Zeit als Gast anwesend und hatte dort mehrere kleine Compositionen verfaßt. In solcher Umgebung erhielt der aufgeweckte Knabe natürlich besondere künstlerische Anregung. Schon frühzeitig machte sich bei ihm das Interesse für das Theater bemerkbar und schon als Knabe mit 7 Jahren hatte er ein Drama „Johann von Castilien“ verfaßt in natürlich kindischer Durchführung. Ins Theater selbst kam er erst später. Als P. 1829 in die unterste Lateinschule kam, war er bereits mit den Dramen Schiller’s, Goethe’s und Anderer bekannt und schrieb wieder ein Stück: „Graf Theodor“. Im J. 1830 weilte Major Anton Prokesch, von seiner Orientreise zurückgekehrt, in Graz, er war ein Jugendfreund von Pachler’s Eltern, wohnte auch bei denselben und gewann das Herz des Knaben und dessen volles Vertrauen. Es entstanden[WS 1] in der Folge noch verschiedene Dramen, welche P. auch dem hochverehrten Prokesch vorlegte, der freilich die Bestrebungen des jungen Dichters nicht so anerkannte, wie dieser es wünschte. Im J. 1837 begann P. auf Wunsch seines Vaters die juridischen Studien an der Grazer Universität und trotz seiner besonderen Vorliebe für dichterische Bestrebungen vollendete er das Studium der Rechtswissenschaft und errang den juridischen Doctorgrad. Freilich hatte er seine poetischen Pläne durchaus nicht aufgegeben. Es entstanden Lust- und Trauerspiele, deren allerdings keines auf die Bühne gelangte, auch manches lyrische Gedicht ist schon aus jenen Tagen zu verzeichnen. Faust’s Eltern aber standen allen diesen dichterischen Productionen des Sohnes schroff gegenüber und der junge Dichter wurde hinfort mit großem Mißtrauen gegen Vater und Mutter erfüllt. Er schreibt selbst in autobiographischen Aufzeichnungen, die P. hinterlassen hat: „Meine Mutter wollte nur das Höchste, mein Talent schien ihr zu klein. Abgesehen davon behauptete sie, nur die Phantasie mache unglücklich. Mein Vater aber wußte zu gut, in welch geringem Ansehen damals in Oesterreich selbst ein so bedeutender Dichter wie Grillparzer stand, und fürchtete, meine poetischen Träumereien könnten mich meinen Studien abwendig machen“. Da das nunmehr verehelichte Ehepaar Rettich in Wien den jungen Mann einlud, es in Wien für längere Zeit zu besuchen und dies 1839 auch zum ersten Male der Fall war, so bot sich im Hause des schon am Burgtheater engagirten Paares eine Fülle des Interessanten für den theaterbegeisterten Jüngling. Aber die Eltern verlangten mit Bestimmtheit, daß sich P. auch einem praktischen Berufe als Jurist widme und kein Zureden von Seite Rettich’s und seiner Frau, an welche sich P. deshalb wendete, konnte ihre Gesinnung ändern. Einen Ausweg in der Wahl von Faust’s Lebensberuf bot die Bekanntschaft, welche P. mit dem an der Wiener Hofbibliothek angestellten rühmlichst bekannten Romanisten Ferdinand Wolf gemacht hatte. Dieser damals als Scriptor an der genannten berühmten Bibliothek wirkende Gelehrte vermittelte dem befreundeten P. eine vorläufige Anstellung daselbst im J. 1843, und seit jener Zeit wirkte P., welchem auch die Pflicht auferlegt wurde, die ungarische Sprache zu erlernen, bald fest angestellt, zuletzt in der Stellung eines Custos an der Hofbibliothek, bis 1889, in welchem Jahre er als Regierungsrath in den Ruhestand sich zurückzog. Da P. selbst musikalisch tüchtig ausgebildet ein vorzüglicher Kenner auf diesem Gebiete war, wurde ihm in der späteren Zeit seines Dienstes die Ueberwachung und Verwaltung der auch im musikalischen Theile so bedeutenden [162] Schätze der Hofbibliothek anvertraut, nachdem er Jahre lang vorher mit andern, namentlich Katalogisirungsarbeiten eifrig beschäftigt gewesen. Aber eine besondere hervorragende Persönlichkeit sollte für P. an der Hofbibliothek schon bei der ersten Anstellung daselbst von Bedeutung werden. Es war dies kein geringerer, als der erste Custos und Vorstand jener Bibliothek, der Hofrath Baron Münch-Bellinghausen, der gefeierte Dichter Friedrich Halm. Halm, der in so nahen Beziehungen zu dem Rettich’schen Hause stand, und auch mit Pachler’s Vater befreundet war, hatte schon, wohl durch Rettichs aufmerksam gemacht, sein Augenmerk auf P. gelenkt, als derselbe die Stellung an der Bibliothek anstrebte. Er wurde in der Folge nicht nur der oberste Vorgesetzte des jungen Mannes, sondern auch sein wohlwollender freundlicher Berather, und namentlich richtete er die Aufmerksamkeit auch auf dessen dramatische Thätigkeit, wenn er auch nicht recht dessen besondere dichterische Begabung anerkennen wollte. Aber der Jünger hörte trotzdem gerne auf die Rathschläge des Meisters, wenn P. auch „ein grundverschiedenes Wesen“ von Halm’s Manier trennte. Inzwischen hatte P. schon eine Zahl von Stücken verfaßt, von denen endlich ein Trauerspiel „Jaroslaw und Wassa“, 1848 in Brünn aufgeführt, einen Achtungserfolg errang.

Bevor der Beziehungen Halm’s und Pachler’s noch weiter Erwähnung geschieht, sei anderweitiger litterarischer Thätigkeit desselben gedacht, welche er zumeist unter dem Pseudonym C. Paul ausübte. So veröffentlichte er verschiedene Gedichte und politische Aufsätze in österreichischen Blättern jener Zeit, welche seine freisinnige deutsche, aber patriotisch österreichische Denkweise bekundeten. Solche Beiträge erschienen in Vogl’s „Morgenblatt“, in Frankl’s „Sonntagsblättern“, in Prechtler’s „Patriot“ und an anderen Stellen. Im December 1850 wurde das „Familienbuch des österreichischen Lloyd in Triest“ begründet und durch Vermittlung Rettich’s neben dem Schriftsteller Papsch in Wien P. mit der Redaction dieses sich bald vortrefflich gestaltenden Blattes betraut. Und Pachler’s Einfluß ist es zu verdanken, daß Halm, Anast. Grün, Bauernfeld, Laube als Mitarbeiter gewonnen wurden, daß Paul Heyse daselbst seine ersten feinsinnigen Novellen veröffentlichte und Edmund Höfer seine zierlich durchgearbeiteten psychologisch vertieften Erzählungen. Die Abonnentenzahl des „Familienbuchs“ war unter Pachler’s Leitung von 2000 auf 13 000 gestiegen, als dieser die Redaction einem Nachfolger abtrat, da der Sitz derselben nach Triest verlegt wurde und P. Wien nicht verlassen, seine Stellung an der Hofbibliothek nicht aufgeben wollte.

Im October 1849 war es P., der, als bei der Belagerung Wiens die Hofbibliothek und das Naturaliencabinet in Brand geschossen wurde, sich unter Lebensgefahr alle Mühe gab, die kostbaren Bücherschätze zu retten, welche infolge dieser Bemühungen auch wirklich, außer durch etwas eingedrungenes Wasser, weiter keinen Schaden litten. Ein besonderer Dank der vorgesetzten Behörde ward dem selbstlosen Bibliotheksbeamten zu Theil. In demselben Jahre 1849 wurde auch ein Trauerspiel Pachler’s: „Begum Sumro“ ohne Halm’s Vorwissen in Druck gelegt, dessen indischer Stoff einer Novelle des Jahrganges 1845 der Pariser „Revue des deux mondes“ entnommen erschien. Das Buch übersendete P. an den Director des Burgtheaters, Holbein, um es nach einem halben Jahre unaufgeschnitten, also ungeprüft wieder zurückzuerhalten. P. veröffentlichte diese Thatsache in der „Ostdeutschen Post“ und es kam zu einer Zeitungspolemik, in die auch Saphir in seinem „Humoristen“ eingriff, der darin einen Aufsatz „Dr. Faust’s Holbeinfahrt“ veröffentlichte. Eines hatte P. damit gewonnen, daß nämlich Halm, die Rettichs, Anschütz und Andere sein Talent zugaben und ihn zu einer Umarbeitung aufmunterten. [163] Zu einer solchen kam es jedoch nicht, da P. eine Art Widerwillen gegen das Stück gefaßt hatte. Eine Reihe von Jahren darnach aber erklärte Halm, da P. durchaus von dem Stücke nichts mehr wissen wollte, selbst den Stoff bearbeiten zu wollen, welchen ihm P. gern abtrat. So entstand Halm’s „Begum Somru“, welches Stück 1863 in Berlin zur ersten Aufführung gelangte und durch seine glänzende Diction und Charakteristik den besten Werken Halm’s beizuzählen ist.

Im J. 1851 veranstaltete Director Laube eine Preisbewerbung für Lustspiele, auch P. hatte sich mit einem Stücke eingestellt, das L. als aufführbar bezeichnete, falls es einigermaßen umgearbeitet würde. P. konnte sich auch in diesem Falle zu keiner Umarbeitung entschließen. Als im J. 1854 anonym Halm’s „Fechter von Ravenna“ über die Bühnen ging, in dem Schulmeister Bacherl ein Plagiat ersehen wollte und überall in Deutschland heiteres Aufsehen dadurch erweckte, verfaßte P. den dramatischen Scherz „Der falsche Bacherl“, eine köstliche Parodie, die aber nur handschriftlich in Pachler’s Nachlaß vorliegt. Die Anhänglichkeit, welche P. stets dem von ihm so hochverehrten Halm bewährte, veranlaßte den Dichter des „Fechters“, „Faust Pachler im Einvernehmen mit Emil Kuh“ zur Herausgabe seines – Halm’s – Nachlasses einzusetzen, welcher Arbeit auch P. in pietätvollster Weise sich unterzog. Er gab diesen Nachlaß, nachdem Halm 1871 gestorben war, als 9.–12. Band von Halm’s Gesammelten Werken im J. 1872 heraus, und finden sich in demselben Gedichte, Dramen (darunter „Begum Somru“) und insbesondere die ausgezeichneten Novellen Halm’s, welche seitdem als wahre Perlen deutscher Novellistik berühmt geworden sind. Die Vorrede Pachler’s zu diesen Novellen macht mit der merkwürdigen Thatsache bekannt, daß einige derselben ebenfalls auf Grund stofflicher Mittheilungen Pachler’s entstanden sind. P., von dessen außerordentlich zahlreich dramatischen Arbeiten (weit über 100 Stücke) nur, außer den schon genannten, das Festspiel „Kaiser Max und sein Lieblingstraum“ (1853), die Lustspiele: „Er weiß Alles“ (1876) und „Loge Nr. 2“ gedruckt vorliegen, hat verschiedene Gedichte in Böttger’s „Album neuerer deutscher Lyrik“, in Kuh’s „Dichterbuch“ und verschiedenen Zeitschriften und Dichter-Albums, in dem Wiener litterarischen Jahrbuche „Die Dioskuren“ und an anderen Orten veröffentlicht. Er war aber auch auf novellistischem Gebiete thätig und hat eine Reihe ganz beachteneswerther Novellen und Erzählungen in dem von ihm redigirten „Familienbuch“, sowie in Seidl’s Taschenbuch „Aurora“, im „Krippenkalender“ für 1855 und seine beste Novelle: „Das Begnadigungsgesuch“ 1854 in Truska’s „Frühlingsalbum“ der Oeffentlichkeit vorgelegt. Auch zwei Romane sind von ihm verfaßt worden und der erste derselben „Die erste Frau“ in 2 Bänden ist 1877 erschienen. Der zweite dieser Romane „Die Familie Pontresina“ wurde im Jahrgange 1888 der Wiener „Allgemeinen Zeitung“ zum Abdrucke gebracht.

P. war seit 1851 mit der geistvollen Jenny zur Helle, welche er bei Rettich’s kennen und lieben gelernt, vermählt. Eine glückliche Häuslichkeit an der Seite der edlen Gattin versöhnte ihn mit dem Umstande, daß seine Ehe kinderlos geblieben war. In den Jahren 1885 und 1888 hatte P. noch zwei umfassendere Gedichtsammlungen „Das Geheimniß des Dichters und „Rohitscher Sonnendienst“ herausgegeben. Die Gedichte der letztgenannten Sammlung entstanden in dem Curorte Rohitsch-Sauerbrunn in Steiermark, den er wegen seines leidenden Zustandes in den letzten Jahren des Lebens öfter zu Heilzwecken aufzusuchen pflegte. Zu dem Nachlassen der Kräfte gesellte sich in diesem Jahre Schwerhörigkeit, die zuletzt in völlige Taubheit ausartete, wiederholte Schlaganfälle machten ihm zuletzt auch das Sprechen [164] schwer. P. wohnte zumeist in Wien oder zur sommerlichen Zeit auf seinem schönen Landbesitz zu Graz, der „Panoramahof“ genannt, wo er am 6. September 1892 auch gestorben ist. Hochbetagt folgte ihm die seiner stets mit innigster Liebe gedenkende Gattin ebendaselbst im Tode erst im J. 1905. Auf dem Grazer Leonhardfriedhof, wo der Dichter ruht, besagt die für seinen Grabstein von ihm selbst verfaßte Inschrift: „Faustus fuit – Felix erat – Beatus est“. – Seinen litterarischen Nachlaß, insbesondere die zahlreichen dramatischen Arbeiten, welche er seit seiner Jugend abgefaßt hat, hat P. der Grazer Universitätsbibliothek vermacht, welche auch eine vollständige Zahl seiner Werke, zumal auch jener, die, aus Sammelwerken herrührend, nur in Separatabdrücken vorliegen, besitzt. Letztere sind der Zuwendung seiner Wittwe zu verdanken.

Faust P. war kein hochbedeutender Dichter, obwohl ihm zahlreiche Gedichte, manches Drama oder Lustspiel und manche Erzählung mehr oder weniger gelungen ist. Aber er trug ein feines Gefühl für Poesie in sich, das er auf andere große Talente zu übertragen wußte. Pachler’s Bedeutung liegt in der geistigen Anregung, die er auf jeden, der mit ihm verkehrte, ausübte. Er hat mit Grillparzer, Anast. Grün, Halm, Paul Heyse, E. Höfer und vielen berühmten dichterischen Zeitgenossen in freundschaftlicher Weise verkehrt, besaß eine hohe litterarische und ästhetisch-philosophische Bildung und wurde von jedem, der ihn näher kannte hoch geschätzt. Sein litterarisches Urtheil war ein klares und sicheres, wie am besten die zahlreichen von ihm herrührenden litterarischen Besprechungen im „Familienbuch des österreichischen Lloyd“ erweisen. Seine hinterlassenen Tagebücher bieten ein reiches Material zur Geschichte der zeitgenössischen Litteratur, sein Briefwechsel mit den bedeutendsten poetischen Geistern und mit Gelehrten erweist die Hochachtung und Verehrung, welche ihm von berühmten Männern, die ja an Begabung ihm weit überlegen waren, entgegengebracht wurde. Wie er diese Geister zu fesseln und zu gewinnen wußte, zeigt am besten seine mehrerwähnte, wenn auch nur kurze redactionelle Thätigkeit, während welcher er auf so viele selbst befruchtend wirkte. Das Leben und Wirken der namentlich österreichischen Dichter und Schriftsteller war ihm vertraut wie kaum einem zweiten, und ein Freund heiterer Geselligkeit, stand er, zumal in Wien, mit einem großen Kreise geistig Begabter, mit Künstlern, Poeten und Gelehrten in enger Verbindung. Die meisten verkehrten auch in seinem Hause und wußten die Anregung, die sie durch P. und seine ihm geistig ähnliche Gemahlin erhielten, hoch zu schätzen.

Was er übrigens auf lyrischem Gebiete, zumal in seinen größeren, spät erschienenen Sammlungen geboten, ist keineswegs minderwerthig. „Das Geheimniß des Dichtens“ ist ein Buch, reich an poetischen Schönheiten und seinen Zügen in edler dichterischer Form, eine anatomisch genaue Zergliederung des dichterischen Geisteslebens, ein Buch voll hoher Gedanken, eine reiche Zahl aneinandergereihter poesievoller Bilder und ein Schatzkästlein für jeden, der es mit der Poesie ernst meint. Am Schlusse ruft die Muse, in des Poeten Händen die Leier ihm zurücklassend, ihm die schönen beherzigenswerthen Verse zu: „Du darfst sie nie zu Tönen zwingen – Sie wird, das glaube mir, von selbst erklingen – So oft ein Hauch des Lebens sie berührt; – Du brauchst dann nichts als mit- und nachzusingen – Und wiss’ auch das: ihr Ton ist immer rein, – Der deine muß damit im Einklang sein.“ – Im „Rohitscher Sonnendienst“ bietet der Dichter eine bunte Abwechslung schöner Naturbilder und preist die Sonne als das belebende Element, dem er sich entgegensehnt und das sein Dichtergemüth anregt und zu manchem gedankenreichen [165] Gedichte begeistert. Ueberhaupt bietet die ganze Sammlung eine Verherrlichung des Naturlebens, das dem Poeten selbst in den Blumen des Waldes, in der Aehre des Feldes, in dem Grün der duftenden Wiesen und in dem Schatten der prangenden Buchen und Eichen seine Geheimnisse offenbart, und ihn verlockt die Schönheit, welche ihn umgibt, zu genießen und zu besingen. Einige hübsche Märchen und Sagen aus der Vorzeit jenes Gebietes sind beigegeben und mehreres davon erscheint in der Form der orientalischen Makame. Aber auch die als „Zwischenspiele“ in dem Buche bezeichneten Sentenzen und Sinnsprüche verdienen volle Beachtung. Sie enthalten einen reichen Schatz von Spruchweisheit, wie sie der Dichter in seinem Leben gesammelt und hier in kurzen Strophen wiedergegeben hat. Man wird diese an den verschiedensten Gedanken über Kunst und Leben und die mannichfaltigen Vorkommnisse dieses Leben so reichen und gediegenen Sprüche, welche einen Schatz ethischer Betrachtung und philosophisch-ästhetischer Weisheit enthalten, um so mehr zu würdigen wissen, je öfter man sie liest. – Eine Zahl sinnige Poesien liegt noch im Nachlasse Pachler’s ungedruckt vor, die ebenso der Form wie dem Inhalte nach Aufmerksamkeit beanspruchen und durch die allerdings meist ein wehmüthiger Zug geht, die aber gerade deshalb das Herz des Lesers vielfach durch ihre Innigkeit ergreifen. – Von den Prosaschriften Pachler’s ist ohne Frage sein bedeutendstes Werk der Roman „Die erste Frau“, welcher eine spannende Handlung bietet, die durch Wiederverheirathung geschiedener Gatten herbeigeführt wird und manche fesselnde Scene aufweist. Wenn auch dieser Roman wohl nicht modernen Anforderungen entspricht, bleibt er doch ein hochachtbares, wohldurchdachtes Werk, welches auch durch seine feine Charakteristik ausgezeichnet erscheint. P. hat eine Art Selbstbiographie hinterlassen, welche aber leider nur bis in die Mitte der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts fortgeführt erscheint. Manches aus der vorliegenden Darstellung ist dieser ungedruckt gebliebenen Lebensbeschreibung entnommen.

Wurzbach im Biogr. Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, XXI. Bd. (1870) behandelt Pachler ausführlicher. – Vgl. auch Brümmer, Lexikon d. dtschn. Dichter. Leipzig, Bd. 3. – Anna Fritzinger-Wolf, Faust Pachler als Mensch und als Dichter, im „Oesterreichischen Jahrbuch“ von Helfert, 21. Jahrg. 1897, S. 287–313 (mit einem Anhang ungedruckter Gedichte aus dem Nachlasse). – Pachler’s Beziehungen zu Halm, mit Beiträgen zur Lebensgeschichte Halm’s, schildert die auch separat erschienene Arbeit: „Jugend- und Lehrjahre des Dichters Friedrich Halm von Faust Pachler“ in demselben „Oesterr. Jahrbuche“, Jahrg. 1877. – Ausführliches über diese Beziehungen hat der Verfasser der vorliegenden Biographie mitgetheilt anläßlich der Schilderung von „Halm’s Leben und Wirken“, in Friedrich Halm’s Ausgewählte Werke in 4 Bänden hsg. von A. Schlossar, 1. Bd., S. 39 ff. – Ein Auszug aus Pachler’s Autobiographie nebst anderen Mittheilungen über ihn findet sich unter dem Titel: „Aus den Nachlaßpapieren eines vergessenen österreichischen Dichters“ in der Neuen Freien Presse (Wien) vom 11. Februar 1900 Nr. 12 740 im „Litteraturblatte“ ebenfalls von dem Verfasser dieser Zeilen, der auch in seinem Buche: „Hundert Jahre deutscher Dichtung in Steiermark“ (Wien 1893), S. 124 ff. dem Leben und poetischen Wirken Pachler’s etwas ausführlicher gerecht zu werden versucht hat. – Wichtig erscheint auch der nach Abschluß des Satzes erschienene Aufsatz: „Schuberts Aufenthalt in Graz“ von O. E. Deutsch in der Zeitschrift „Die Musik“ (Berlin) 1906/7, Heft 7 und 8, mit zahlreichen Daten über die Familie Pachler.

[160] *) Zu Bd. LI, S. 744.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: enstanden