ADB:Vogel von Falkenstein, Eduard

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Vogel von Falckenstein, Eduard“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 129–135, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vogel_von_Falkenstein,_Eduard&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 19:56 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Vogel, Zacharias
Band 40 (1896), S. 129–135 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Eduard Vogel von Falckenstein in der Wikipedia
Eduard Vogel von Falckenstein in Wikidata
GND-Nummer 101315856
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|40|129|135|Vogel von Falckenstein, Eduard|Bernhard von Poten|ADB:Vogel von Falkenstein, Eduard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=101315856}}    

Vogel: Eduard Ernst Friedrich Hannibal V. von Falckenstein, königlich preußischer General der Infanterie, im täglichen Leben meist nur mit dem zweiten Theile seines Namens als „Falckenstein“ bezeichnet, ward am 5. Januar 1797 zu Breslau geboren, wo sein Vater als Capitän und Compagniechef beim Infanterieregimente Hohenlohe (Nr. 32) in Garnison stand. Derselbe wurde kurz vor Ausbruch des Krieges vom Jahre 1806 pensionirt, nach Friedensschluß aber wieder angestellt und zum Bataillonscommandeur in Cosel ernannt; sein im J. 1808 erfolgter Tod versetzte die zurückbleibende Familie in schwere Bedrängniß, die Mutter in Sorge um das tägliche Brot, so daß Falckenstein’s Jugend theilweise in bitterer Noth verfloß. Als die Befreiungskriege bevorstanden besuchte er als Secundaner ein Gymnasium zu Breslau; seinem dringenden Verlangen mitkämpfen zu dürfen standen seine Jugend und seine schwächliche Körperbeschaffenheit im Wege, aber durch den Beistand eines Freundes seines Vaters, des Oberst v. Klüx, gelang es ihm, alle Bedenken, auch die der Mutter, zu überwinden und am 14. März 1813 trat er als freiwilliger Jäger beim westpreußischen Grenadierbataillon, welches zur Brigade des erwähnten Oberst v. Klüx gehörte, zu Jauer in die Reihen des preußischen Heeres. In der Schlacht von Groß-Görschen kam er zum ersten Male ins Feuer, bei Bautzen wurde er durch eine matte Kugel an der Hand contusionirt, in der Schlacht an der Katzbach that er, am 11. August zum Portepeefähnrich befördert, bereits Officiersdienste, focht am 22. September bei Bischofswerda, wo er sich durch Entschlossenheit auszeichnete, sowie am folgenden Tage bei Potschaplitz, und wurde in Anerkennung seiner bei der letzteren Gelegenheit bewiesenen Haltung am 8. December zum Secondlieutenant ernannt. Im Feldzuge des Jahres 1814 nahm er an der Blokade von Diedenhofen und an der Einnahme von Vitry le François, den Kämpfen bei Montmirail und Château-Thierry, bei Méry und bei Laon theil, bei Montmirail zerfetzte ihm eine Kartätschkugel die Rocktaschen; als hier die älteren Officiere fehlten, führte der siebzehnjährige Lieutenant das zurückgehende Bataillon ungebrochenen Muthes in eine andere Stellung, vom Einzuge in Paris hielt ihn Krankheit fern; die Verleihung des Eisernen Kreuzes 2. Classe und der Erbberechtigung zum Sanct Georgsorden 5. Classe waren die äußeren Zeichen der Anerkennung seines Verhaltens. Als am 28. October 1814 auf Grund einer am 14. d. M. ergangenen königlichen Cabinetsordre das Kaiser Franz Grenadierregiment errichtet wurde (v. Puttkamer, Geschichte des Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2, Berlin 1874), ging in demselben auch das westpreußische Grenadierbataillon auf, mit diesem kam F. zur Garde. Er gerieth dadurch in eine schwierige Lage, denn mit sehr beschränkten Mitteln mußte er fortan im Kreise meist wohlhabender Kameraden in der theuern Landeshauptstadt leben. Ein frühgereifter Verstand und ein fester Wille setzten ihn in den Stand, sein Lebensschiff zwischen allen Klippen hindurchzusteuern, die der Fahrt desselben entgegenstanden. Zunächst brachten im J. 1815 ein neuer Marsch nach Frankreich, wo das Regiment aber erst nach Beendigung der Feindseligkeiten gegen den von Elba zurückgekehrten Kaiser Napoleon anlangte und F. zehn Wochen in Paris verblieb, und darauf im J. 1818 ein Commando nach Aachen, wo der Monarchencongreß tagte und eine ausgesuchte Compagnie des Regiments zu den für den Dienst bei der Person des Königs dorthin gesandten Truppen gehörte, Abwechslung, dann folgte ein langes [130] einförmiges Friedensleben. Neigung und Geschick, verbunden mit dem Streben sich eine Nebeneinnahme zu schaffen, veranlaßten ihn sich im Planzeichnen auszubilden, seine Leistungen brachten ihm im J. 1822 ein Commando zum Topographischen Bureau des Großen Generalstabes und die Verwendung bei der Landesaufnahme. Daneben widmete er seine Kräfte einem anderen Zweige der darstellenden Künste, der Glasmalerei, in welchem er hervorragendes leistete, so daß ihm die Oberleitung der zu ihrer Pflege in Berlin errichteten königlichen Anstalt übertragen wurde. Er kam auf diese Weise in vielfache Berührung mit dem Kronprinzen, dem nachmaligen Friedrich Wilhelm IV., der auch bei Kirchenbauten Falckenstein’s Rath gern in Anspruch nahm. Am 30. März 1821 wurde letzterer Premierlieutenant, am 5. October 1829 Hauptmann. Im nämlichen Jahre verheirathete er sich mit der einzigen Tochter eines Berliner Kaufmannes. Seit dem 26. März 1841 Major und zunächst mit dem Commando des Garde-Reservebataillons beauftragt, commandirte er während der Berliner Märztage des Jahres 1848 das 1. Bataillon seines alten Regiments, zu welchem er am 1. Juli 1843 zurückgekehrt war (4. u. 5. Beiheft z. Militär-Wochenblatt, Berlin 1891: Die Thätigkeit der Truppen während der Berliner Märztage des Jahres 1848 von General v. Meyerinck). Aus den Reihen der ersten Compagnie desselben fielen am Nachmittage des 18. die beiden Schüsse, auf Grund deren die Aufständischen den unterbrochenen Kampf von neuem aufnahmen. Major v. F. war in diesem Augenblicke beschäftigt gewesen den Schloßplatz ohne Anwendung von Waffengewalt von dem lärmenden Volkshaufen zu säubern, was ihm auch gelang. Am späten Abend erhielt er Befehl die Breite Straße und eine am Ende derselben vor dem Kölnischen Rathhause aufgeführte Barrikade zu nehmen. Der erste Versuch schlug fehl. Nachdem die Artillerie einen zweiten Angriff vorbereitet hatte, gelang es mit dem Beistande einer Compagnie des 1. Garderegiments z. F. den Auftrag auszuführen und das Rathhaus zu besetzen. F. hatte dabei einen Steinwurf gegen die Schulter und einen Schuß durch die Daumenwurzel der rechten Hand erhalten, sodaß er genöthigt war, sein Commando abzugeben, eine Pistolenkugel war an der Schuppenkette des Helms abgeprallt.

Schon im nächsten Monate kam erfreulichere Beschäftigung. Das Kaiser Franz Grenadierregiment gehörte zu den Truppen, welche auf den Kriegsschauplatz in den Herzogthümern Schleswig-Holstein entsandt wurden. Am 6. April fuhr F. mit seinem Bataillon von Spandau auf der Eisenbahn nach Hamburg ab. Den Arm in der Binde tragend machte er den Feldzug mit. Der Gang desselben brachte ihm die Theilnahme an der Schlacht bei Schleswig am ersten Osterfeiertage, dem 23. April, wo seinem Bataillone vergönnt war bei dem am Nachmittage erfolgenden Angriffe auf die Vorstadt Friedrichsberg entscheidend mitzuwirken, und den Rothen Adlerorden 3. Cl. mit Schwertern.

Nach der Rückkehr aus dem Felde wurde er zum Commandeur des gleichfalls in Berlin garnisonirenden Gardeschützenbataillons, der sogenannten Neufchateller, ernannt; mit diesem und mit drei Schwadronen des 3. Husarenregimentes hatte er alsbald Unruhen in der Niederlausitz zu unterdrücken. Zum Oberstlieutenant befördert ward er sodann am 4. Mai 1850 als Chef des Generalstabes des VII. Armeecorps in den Generalstab versetzt. Damit trat er in nahe Beziehungen zum General v. Wrangel, welcher commandirender General jenes Truppentheiles und außerdem Oberbefehlshaber der Truppen in den Marken war und dessen Vertrauen er bald in hohem Grade genoß. F. begleitete denselben auf weiten Reisen zu großen Waffenübungen in Rußland, nach Constantinopel und Italien. 1851 ward er Oberst, 1853 Commandeur der 5. Infanterie-, nach vier Wochen aber der 3. Garde-Infanteriebrigade, so daß [131] er in Berlin verblieb, gleichzeitig wurde er Generalmajor. Aber nicht ganz ein Jahr ward er in dieser Stellung belassen; seit dem 10. April 1856 dem Kriegsminister zur Verfügung gestellt, wurde er am 26. Juni zum Director des Militärökonomiedepartements im Kriegsministerium ernannt. Die Verwendung in diesem Amte führte ihn in Verhältnisse ein, in denen er später mehrfach mit vielem Geschick und unter großer Anerkennung zu wirken berufen war. Nach zwei Jahren schied er aus demselben um in den praktischen Dienst zurückzutreten, indem ihm am 3. Juli 1858 das Commando der 5. Division in Frankfurt a. O. übertragen ward. Aber wiederum blieb er dort nicht lange. Nachdem er am 22. Novbr. zum Generallieutenant aufgerückt war, kehrte er am 29. Januar 1863 als Commandeur der 2. Garde-Infanteriedivision nach Berlin zurück; bevor das Jahr zu Ende ging, ward er als Chef des Generalstabes dem Obercommando der zur Ausführung der Bundesexecution in Holstein bestimmten Armee zugetheilt, welche sein früherer Vorgesetzter Wrangel führte, und als am 1. Febr. 1864 aus dieser Armee ein mit der Besetzung von Schleswig beauftragtes preußisch-österreichisches Heer wurde, dessen Oberbefehl der Feldmarschall Wrangel übernahm, ward F. ihm als Chef des Stabes beigegeben. Seine Aufgabe war um so schwieriger als dem achtzigjährigen Wrangel nicht mehr die geistige und körperliche Vollkraft zu Gebote stand, die ihn in seinen jüngeren Lebensjahren ausgezeichnet hatte, und der Gang, welchen die Kriegführung in Schleswig nahm, wich schon beim Beginne des Feldzuges von dem durch Moltke vorgezeichneten Plane ab, indem am 2. Februar ein blutig abgewiesener Angriff auf den Brückenkopf von Missunde ausgeführt wurde und hierauf das Dannewerk nicht durch eine Umgehung genommen und damit das dänische Heer den Händen der Gegner überliefert, sondern letzteres durch eine scharfe Bedrohung veranlaßt wurde seinen Kopf rechtzeitig aus der Schlinge zu ziehen und nach Norden abzurücken. Nachdem nicht lange darauf Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen im Hauptquartiere Wrangel’s erschienen war um vermittelnd einzuwirken und die mannichfachen Reibungen auszugleichen, welche zwischen dem Obercommando und anderen Dienststellen vorkamen, übernahm General von Moltke am 30. April 1864 selbst die Führung der Geschäfte als Chef des Generalstabes beim Obercommando und am nämlichen Tage ward F. das Commando der nördlich der Königsaue stehenden beiden preußischen Divisionen übertragen, daneben wurde er zum Militärgouverneur von Jütland ernannt. Es war ihm vorbehalten, den von den Verbündeten noch nicht genommenen Theil der cimbrischen Halbinsel zu besetzen. In den Tagen vom 8. bis zum 10. Juli überschritten seine Truppen ohne Widerstand zu finden den Lymfjord und am 14. ließ er persönlich auf dem Leuchtthurme des Vorgebirges Skagen die Farben der verbündeten Heere, die schwarz-weiße und die schwarz-gelbe Flagge, aufziehen. Seine Hauptsorge war aber die Verwaltung des Landes. Wie er diese Aufgabe gelöst hat kennzeichnet am besten ein Schreiben, welches, als er das Land verließ, der dänische Minister an ihn richtete: „Sie sind als Feind in unser Land gekommen und Ihre Hand hat schwer auf uns gelastet; dennoch drängt es mich Ihnen zu danken, daß Sie durch Gerechtigkeit und durch die Haltung Ihrer Truppen die schweren Leiden des Besiegten zu mildern beflissen waren. Die Geschäfte der Regierung habe ich in solcher Ordnung aus Ihren Händen zurückbekommen, daß ich nur wünsche sie in derselben meinem Könige zu erhalten“. Bevor F. mit dem Orden pour le mérite und anderen Auszeichnungen geschmückt aus dem Felde heimkehrte war er am 21. Novbr. 1864 zum commandirenden General des VII. Armeecorps in Münster ernannt, am 18. Juni 1865 erfolgte seine Beförderung zu General der Infanterie.

[132] Im Kriege des Jahres 1866 begegnen wir F. in einer Stellung von weittragender Bedeutung als selbständigem Heerführer. Seine Leistungen in diesem Verhältnisse haben den auf sein Vorleben und seinen damaligen Ruf gegründeten Erwartungen nicht entsprochen. H. v. Sybel (Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I., Bd. V, 24. München u. Leipzig 1889) kennzeichnet ihn gelegentlich seiner Ernennung als „einen geistreichen, kräftigen und angriffslustigen Veteranen, der in seiner langen Dienstzeit alle Zweige des Heerwesens kennen gelernt hatte“, dabei bemerkt er, daß F. „in seiner neuen Aufgabe jede Art dieser Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Maße bedurfte“. Sehr ungünstig urtheilt Fr. v. d. Wengen (Kriegsereignisse zwischen Preußen und Hannover 1866, Gotha 1866), dessen Behauptungen in den Besprechungen seines Werkes durch verschiedene Zeitschriften angegriffen und darauf von ihm in einem „Offenen Sendschreiben an seine Kritiker“ (General Vogel von Falckenstein und der hannoversche Feldzug 1866, Gotha 1887) vertheidigt wurden. – Die dem General V. v. F. gestellte Aufgabe war die Bekämpfung der deutschen Mittelstaaten außerhalb des böhmischen Kriegsschauplatzes. Sie machte hohe Anforderungen an seine Leistungen, denn die ihm untergebenen Truppenabtheilungen waren zunächst noch räumlich weit von einander getrennt, nur eine von ihnen hatte bisher einen eigenen, festgeschlossenen, mit allen für eine kräftige Kriegführung erforderlichen Hülfsdienstzweigen ausgestatteten Verband gebildet und seine Gegner waren ihm der Zahl nach bedeutend überlegen. Seine Truppenabtheilungen waren die 13. Division unter General v. Göben, 14 300 Mann stark (ein Theil von Falckenstein’s eigenem westfälischen Armeecorps), 14 100 Mann unter General v. Manteuffel, welche die Besatzung des Herzogthums Schleswig gebildet hatten, und 19 600 Mann, die Besatzungen von Frankfurt und Mainz und einige in rheinischen Garnisonen zurückgebliebene Regimenter begreifend, welche General von Beyer befehligte, im ganzen also 48 000 Mann. Davon stand, als am 16. Juni die Feindseligkeiten begannen, Göben bei Minden zum Vormarsche gegen Hannover bereit; Manteuffel hatte bereits am 15. in Harburg den Fuß auf hannoverschen Boden gesetzt und Beyer sammelte seine Truppen bei Wetzlar. Nur Raschheit und keckes Wagen konnten zu einem glücklichen Endergebnisse verhelfen. Vor allem mußten die Gegner einzeln unschädlich gemacht werden, sie durften sich nicht vereinigen. F. war die allgemeine Weisung geworden, weniger auf die Besetzung bestimmter Gebiete sein Augenmerk zu richten als auf Ueberwältigung oder Entwaffnung der feindlichen Truppen. – Schon am Nachmittage des 17. langte F. mit der Division Göben in der Stadt Hannover an; am 19. setzte er, nachdem dort auch Manteuffel’s Vortrab eingetroffen war, die Division Göben gegen Göttingen in Bewegung, wo die hannoversche Armee sich inzwischen gesammelt hatte. Unter Mitwirkung von Beyer, welcher die entsprechenden Befehle erhielt, dachte er hier die Hannoveraner am 23. zwischen zwei Feuer zu nehmen, sie zu umstellen und zu entwaffnen. Aber schon am 21. waren diese abgezogen, ohne daß Beyer, der lediglich Falckenstein’s Weisungen zur Richtschnur seines Verhaltens machte, es zu hindern gesucht hätte. Am nämlichen Tage wurde F. von Berlin aus aufgegeben, „sobald als möglich“ sich gegen das bei Frankfurt stehende VIII. Bundes-Armeecorps zu wenden. Er ließ nun von den Hannoveranern ganz ab und als in der Nacht zum 22. ihm von Berlin anheim gestellt wurde – wie schon am 19. ohne Erfolg geschehen war – eine seiner Divisionen von Hannover über Magdeburg nach Eisenach zu senden um den Hannoveranern den Weg zu verlegen, lehnte er den Vorschlag ab, weil seine Truppen schon zu weit gegen Göttingen vorgedrungen seien und er in Hannover über genügende Kräfte zu einer solchen Entsendung nicht verfüge. Erst am 22., als von Berlin ihm neue Mittheilungen über die, abweichend von [133] seiner Annahme, beim Gegner thatsächlich bestehenden Verhältnisse zugingen, sandte er dem General v. Beyer den Befehl mit seiner Division die Richtung nach Eisenach einzuschlagen und von Oetmannshausen, vier Meilen nördlich von da, gegen die Stadt hin aufzuklären. Den Gedanken sich um die Hannoveraner nicht zu kümmern sondern mit gesammter Kraft auf Frankfurt zu marschiren, ließ er indessen nicht fahren. Auf den ausdrücklichen Befehl des Königs schleunigst auf der Bahn von Göttingen über Kassel Truppen nach Eisenach zu schicken, erwiderte er, daß der Befehl nicht ausgeführt werden könne, weil zwischen Göttingen und Kassel ein Tunnel gesprengt sei. In Wirklichkeit war dies ein Hemmniß, welches leicht umgangen werden konnte, da von beiden Seiten Schienenwege an die Unterbrechung hinanführten und es für die zu befördernden Truppen nur des Umsteigens und eines kurzen Fußmarsches bedurft hätte, um sie sofort die Fahrt fortsetzen lassen zu können. Zur Entsendung von Truppen der Division Beyer zum Zwecke einer Besetzung von Eisenach veranlaßte ihn erst am 23. ein bestimmter Befehl des Königs und eines solchen, am 24. ergehenden bedurfte es ebenfalls um die Beförderung von fünf Bataillonen der Division Manteuffel mittelst der Eisenbahn über Magdeburg nach Gotha herbeizuführen, welche dann am 27. bei Langensalza mitkämpften. F. selbst kam am Nachmittage des 25. nach Eisenach; widerwillig traf er Anordnungen für den Vormarsch gegen die Hannoveraner, welcher am folgenden Tage in aller Frühe vor sich gehen sollte. Seinen Unmuth ließ er einen Abgesandten des Königs Georg V., den Oberstlieutenant Rudorff, in einer Weise fühlen, aus welcher ihm später ein schwerer Vorwurf gemacht ist. Der angeordnete Vormarsch mußte vorläufig unterbleiben, weil eine den Hannoveranern von Berlin aus zugestandene Waffenruhe feindliche Schritte bis um 10 Uhr morgens ausschloß. Als sie abgelaufen war, glaubte er von einem Angriffe zunächst absehen zu sollen, weil er annahm selbst einen solchen von Seiten der Baiern erwarten zu müssen. Er ließ daher einen Theil seiner Truppen gegen diese Front machen, während die übrigen demnächst die Hannoveraner von Süden und von Norden angreifen sollten. Dem am 26. Abends von neuem ihm kundgegebenen Drängen des Königs mit den letzteren ein Ende zu machen, glaubte er am 27. noch nicht entsprechen zu können; er begab sich daher an diesem Tage, nachdem er morgens einen königlichen Befehl erhalten hatte, durch welchen er zum Gouverneur des Kurfürstenthums Hessen ernannt war, nachmittags mittelst der Eisenbahn nach Kassel um hier in dieser Stellung thätig zu sein. In der Nacht zum 28. langte eine neue Botschaft aus Berlin an, in welcher ihm das Ergebniß des Kampfes bei Langensalza mitgetheilt wurde, der ungünstig verlaufen sei, weil Falckenstein’s Unterstützung gefehlt habe, und ihm befohlen ward ohne Rücksicht auf Baiern und Süddeutsche nach des Königs schon ausgesprochener Willensmeinung die Entwaffnung der Hannoveraner zu bewirken. Der ausgesprochene Tadel traf den General um so härter als der übele Ausgang dessen eigenen Anordnungen zur Last fiel. Nun wurde endlich, am 28., die Umstellung der Hannoveraner bewerkstelligt und am nämlichen Tage ließ König Georg an F. die Mittheilung machen, daß seine Truppen ferneren Widerstand nicht leisten würden und sich den von Preußen zu erlassenden Bedingungen für ihre Waffenstreckung unterwürfen. Diese Bedingungen stellte F. am Morgen des 29. fest und ließ sie von seinem Hauptquartiere Groß-Behringen aus nach Langensalza mittheilen. Da traf ihn ein harter Schlag. Nicht ihm trug König Wilhelm auf die Capitulation abzuschließen, sondern sein Unterführer Manteuffel wurde damit betraut, sehr zum Vortheile der Hannoveraner, denn Manteuffel’s Zusätze zu der abgeschlossenen Capitulation änderten die letztere in wesentlichen Punkten zu ihren Gunsten ab und Manteuffel selbst erwies sich ihnen als ein zugleich vornehm und [134] staatsklug denkender Sieger, welcher daneben verstand alle seine Entscheidungen in die gewinnendste Form zu kleiden.

Jetzt konnte F. alle seine Kräfte dem zweiten Theile der ihm gewordenen Aufgabe, der Bekämpfung seiner süddeutschen Gegner, widmen. Die Wege, welche er zu diesem Ende einzuschlagen hatte, zeichnete ihm eine am 26. durch General v. Moltke erlassene Instruction vor. Er sollte zuerst die Baiern zu schlagen suchen und, um sie vom VIII. Bundesarmeecorps zu trennen, seinen Marsch über Fulda auf Schweinfurt richten. Demgemäß setzte er seine gesammte, jetzt Mainarmee genannte Streitmacht am 2. Juli von Eisenach aus gen Süden in Bewegung. Bei dem von Fulda aus erfolgenden Vorgehen gegen die fränkische Saale schloß er sich der Division Beyer an, welche am 10. den Uebergang bei Hammelburg erkämpfte. Aber schon am Morgen des 11. wies ihn ein vom Kriegsschauplatze in Böhmen eingehendes Telegramm in eine neue Richtung. Es bezeichnete den Besitz der Länder nördlich des Mains als „für voraussichtliche Verhandlung auf status quo jetzt politisch wichtig“ und veranlaßte ihn sofort auf Frankfurt abzulenken. Am 17. werde er dort sein, telegraphirte er zurück. Den Weg dahin bahnte die Division Göben am 13. durch die Hessen-Darmstädter hindurch bei Laufach, am 14. durch die Oesterreicher bei Aschaffenburg und schon am 16. zog F. in die Krönungstadt am Main ein, von wo der Bundestag in aller Eile geflohen war. Von hier erließ er ein Manifest, welches verkündete, daß er die Regierung von Oberhessen, Frankfurt und Nassau übernehme, legte der Stadt eine Contribution von sechs Millionen Gulden auf, traf mit gewohnter Sorge Anordnungen für den Unterhalt seiner stark angestrengten Truppen und meldete dem Könige: „Alles Land nördlich des Mains liegt zu den Füßen Ew. Majestät“. Dann endete sein Siegeslauf. Am 19. traf eine schon am 10. ausgefertigte Allerhöchste Cabinetsordre ein, welche ihn vom Oberbefehle der Mainarmee entband und ihn als Generalgouverneur nach Böhmen berief; der dienstälteste seiner Unterführer, General v. Manteuffel, trat an seine Stelle. Die Maßregel erregte begreiflicherweise großes Aufsehen und die Verhältnisse auf Grund deren und unter welchen sie angeordnet wurde sind noch nicht vollständig klar gelegt. H. v. Sybel, wol der bestunterrichtete Gewährsmann, dessen Darstellung der Vorgänge dem hier über den Feldzug gegebenen Berichte zu Grunde gelegt ist, sagt darüber (a. a. O., S. 326): „So ehrenvoll an sich der neue Auftrag war, so rief doch Falckenstein’s Versetzung einen großen Sturm der öffentlichen Meinung hervor. Die überraschenden und glänzenden Erfolge der Mainarmee hatten dem Führer derselben eine mächtige Popularität verschafft wie denn überhaupt seine frische Persönlichkeit, sein offenes und unbefangenes Auftreten, seine Fürsorge für die Soldaten, seine Milde gegen die Bevölkerung in Feindesland, überall den besten Eindruck machten“. Dann widerspricht er der Behauptung, daß F. den Umtrieben Manteuffel’s zum Opfer gefallen sei und schließlich schreibt er: „Falckenstein wurde abberufen nicht in Folge einer das Licht scheuenden Intrigue, sondern weil das große Hauptquartier mit seiner Kriegführung gegen die Hannoveraner in hohem Grade unzufrieden war; er hatte, wie wir sahen, mehr als einmal die von dort erhaltenen Weisungen vernachlässigt oder aus den Augen gesetzt (am 21. wie am 27. Juni) und Moltke war nicht der Meinung dergleichen ferner durchgehen zu lassen“. Noch am 19. reiste F. nach dem Lande seiner neuen Bestimmung ab. Der letzteren, in welcher er sich in Jütland so glänzend bewährt, zeigte er sich auch in dem seiner in Böhmen wartenden, weit ausgedehnteren und schwierigeren Wirkungskreise in hohem Grade gewachsen. Als durch den Abschluß des Friedens von Nikolsburg seiner dortigen Thätigkeit ein Ende gemacht war, kehrte er nach Münster zurück und übernahm von neuem sein vor dem Kriege geführtes [135] Commando. Am 20. September, dem Tage des Einzuges der aus dem Felde heimkehrenden Truppen in Berlin, wurde er zum Chef des 7. Westfälischen Infanterieregiments Nr. 56 ernannt, welches auf Befehl Kaiser Wilhelm’s II. seit dem 27. Januar 1889 für alle Zeiten den Namen „Infanterie-Regiment Vogel von Falckenstein (7. Westfälisches) Nr. 56“ führt; auch wurde ihm eine Dotation verliehen, die er zum Erwerbe des von Herzog Friedrich von Schleswig-Holsteim-Sonderburg-Augustenburg angekauften Rittergutes Dolzig bei Sommerfeld im Kreise Sorau der Mark Brandenburg verwendete. Außerdem erhielt er das Großkreuz des Rothen Adlerordens. Aber nur kurze Zeit blieb er an der Spitze des VII. Armeecorps. Schon am 30. October vertauschte er die Stellung mit der des commandirenden Generals des I. Armeecorps zu Königsberg i. P., welche er fast zwei Jahre lang bekleidet hat. Am 4. August 1868 wurde er auf seinen Wunsch von derselben entbunden und zu den Officieren von der Armee versetzt.

Aus der Ruhe des Landlebens, in welches er sich nach Dolzig zurückgezogen hatte und in dem er seine Tage ungestört zu beschließen dachte, riß ihn der Ausbruch des Krieges vom Jahre 1870. Er wurde zum Generalgouverneur im Bereiche des I., II., IX. und X. Armeecorps, also der gesammten deutschen Küstenlande, und zum Oberbefehlshaber aller dort befindlichen mobilen und immobilen Truppen ernannt. Zu einer thatsächlichen Abwehr feindlicher Angriffe hatte er keine Gelegenheit, dagegen schritt er gegen Regungen aller Art, welche im Widerspruche standen mit den Einrichtungen des Staates und mit den Absichten der Regierung, scharf und entschieden ein; daß er dabei die Grenzen der ihm zustehenden Befugnisse nicht in allen Fällen streng innegehalten hat, zeigt das Anrufen der Landesgesetze durch Personen, welche von seinen Anordnungen sich für zu Unrecht betroffen erachteten, und Falckenstein’s richterliche Verurtheilung zu Schadenersatz. Nach Beendigung seiner Thätigkeit in dieser letzten ihm angewiesenen Dienststellung wurden seine Leistungen durch Verleihung des Schwarzen Adlerordens anerkannt. Am 27. December 1874 schied er, auf sein Ansuchen mit Pension zur Disposition gestellt, endgiltig aus dem Heere, dem er mehr als sechzig Jahre angehört hatte, und am Ostermontage, dem 6. April 1885, starb er, bis zu seinem Tode körperlich wie geistig sich großer Rüstigkeit und Frische erfreuend, zu Dolzig, ein ergebener Christ, ein treuer Diener seines Kriegsherrn, dem er in Freud und Leid mit immer gleichbleibender Verehrung anhing, geistvoll, von vielseitigem Wissen, kunstsinnig und ein ganzer Soldat.

Militär-Wochenblatt Nr. 37 vom 6. Mai 1885.