ADB:Vogel von Vogelstein, Carl Christian

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Vogel von Vogelstein, Karl Christian“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 135–139, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vogel_von_Vogelstein,_Carl_Christian&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 05:08 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 40 (1896), S. 135–139 (Quelle).
Carl Christian Vogel von Vogelstein bei Wikisource
Carl Christian Vogel von Vogelstein in der Wikipedia
Carl Christian Vogel von Vogelstein in Wikidata
GND-Nummer 119019264
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|40|135|139|Vogel von Vogelstein, Karl Christian|Hyacinth Holland|ADB:Vogel von Vogelstein, Carl Christian}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119019264}}    

Vogel: Karl Christian V. von Vogelstein, Porträt- und Historienmaler, geboren am 26. Juni 1788 zu Wildenfels im sächsischen Erzgebirge als der Sohn des seiner Zeit insbesondere durch seine Kindergruppen und Bildnisse gerühmten Christian Lebrecht V. (1759–1816), genoß frühzeitig den Unterricht des Vaters, kam 1804 auf die Akademie zu Dresden, wo er durch frisch aufgefaßte Porträts (z. B. das Bildniß des Sprachforschers Lindner) Beifall errang, in der Galerie eifrig copirte und sich mit eigenen Compositionen hervorthat. Eingeladen durch Baron v. Löwenstern folgte V. dieser Familie 1807 nach Dorpat und im folgenden Jahre nach St. Petersburg, wo er im fürstlich Gagarin’schen Palais an der Newa sein Atelier aufschlug und durch viele glücklich vollendete Bildnisse – darunter die Porträts des Grafen Bray, des französischen Gesandten Mr. de Caulaincourt Duc de Vicence, insbesondere aber des Grafen Josef de Maistre – einen guten Namen in der höheren Gesellschaft und die Mittel zu einer längstersehnten Reise nach Italien gewann. Im August 1812 reiste V. durch Vermittlung des Ministers Grafen Soltikoff mit [136] einem russischen Kriegskutter nach Deutschland zurück, malte in Berlin seinen Oheim Charles Le Cocq und dessen Sohn, den Polizeipräsidenten Le Cocq, in Dresden die mit größter Pietät durchgebildeten Bildnisse seiner Eltern und zog dann über die Alpen nach Italien und Rom, wo er von 1813 bis 1820 verweilte. Unter den zu Rom in zwei Heerlager getheilten Künstlern suchte V. eine vermittelnde Stellung zu gewinnen. Obwol seiner ganzen Natur nach der Romantik zugethan, verwarf er doch nicht die antikisirende Richtung, in der Hoffnung, die Strenge der Zeichnung durch ein realistisches Colorit zu beleben. Doch fehlte ihm neben der Größe der Idee auch die Wucht der Contour und seine Farbengebung ging alsbald in Süßigkeit über; er sah alles mit den Augen des Rafael Mengs, dessen Methode V. schon unbewußter Weise von Dresden mitgebracht hatte und zeitlebens nicht abzustreifen vermochte. V. warf sich mit großem Eifer auf das Studium der Maler von Giotto bis Rafael und las zur Ergänzung seiner Bildung gerne die gleichzeitigen italienischen Dichter, unter welchen ihn Dante voraus begeisterte und fesselte; er sammelte zu einer Zeit, wo die reproducirende Technik höchstens durch kümmerliche Lithographieen vertreten war, eine Fülle von Bausen und Umrißzeichnungen nach Wandgemälden und Tafelbildern aus Klöstern, Kirchen, Rath- und Privathäusern in Umbrien, Toscana, Mantua, Viterbo, Orvieto, Mailand und Neapel, doch trugen die meisten dieser Copien eine eilfertige Manier und dilettantisch vage Schablone ohne den individuellen Charakter des jeweiligen Meisters wiederzugeben. V. ergänzte auch auf späteren Reisen diese Collection und ließ (München 1860) sogar einen Katalog darüber drucken; ihr Hauptwerth ist heute nur mehr ein theilweise historischer, indem viele Werke inzwischen verschwanden, ihre Stätte wechselten oder von der neueren Forschung auf andere Namen umgetauft wurden. Außerdem übte sich V. auch in landschaftlichen Skizzen nach der Natur und trieb im Spitale della Consolazione zwei Winter hindurch in seiner Weise anatomische Studien. Am meisten aber cultivirte er das Porträtfach und excellirte mit bestem Erfolge, umsomehr als es ihm gelang die damaligen Menschen ganz ihren Wünschen gemäß möglichst ähnlich und schön darzustellen. Im Gegensatz zu der gesunden Empirie der Cinquecentisten und der chevaleresken Lebenslust van Dyck’s spricht aus Vogel’s und Stieler’s Bildnissen die leere Gloire der kaum verdufteten Kaiserzeit und der nachfolgenden Restauration. In Rom malte V. die Bildnisse von Thorwaldsen (1815), den Lucian Bonaparte und Papst Pius VII. in ganzer Figur (für den König von Sachsen), damals vielbewunderte Leistungen ob ihrer Eleganz, Bravour und erstaunlichen Auffassung. Auch leistete V. viele religiöse Bilder, darunter eine „Versuchung Christi“ (als Geschenk für die Kirche seines Geburtsortes), eine „Verkündigung“ und „Taufe Christi“ und die „Rechtfertigung der Susanna“, dann als autobiographisches Votivstück eine Zeichnung mit Randarabesken, wie ein pilgernder Künstler durch die Kunst der Religion zugeführt wird. V. betheiligte sich auch an der Bilderdecoration des Saales bei dem am 29. April 1818 in der Villa Schultheiß zu Ehren des bairischen Kronprinzen Ludwig abgehaltenen Festes (vgl. Riegel, Geschichte d. dtschn. Kunst, 1876, I, 307 ff. und Fr. Rückert’s Deutsches Künstlerfest in Rom); als dann der jugendliche Mäcen von Florenz aus seinen Dank an die Künstlerschaft mit einer Flasche Rheinwein vom Jahre 1634 begleitete, erhielt V. diese kostbare Gabe durch einstimmigen Beschluß seiner Collegen als Reconvalescenzmittel zuerkannt (vgl. Ringseis, Jugenderinnerungen, 1876) – ein schönes Zeichen seiner allseitigen Beliebtheit. Allgemein rühmte man Vogel’s innige Theilnahme für alle höheren Fragen und Aufgaben der Kunst, der Poesie, der Wissenschaft und Geschichte, seine vielseitige Bildung und feine, überaus wohlthuend berührende Form des [137] Umgangs, sein immer gleiches klares Gemüth, seine die Dissonanzen des Lebens ausgleichende innere Heiterkeit, Herzensgüte und liebenswürdige Bescheidenheit, lauter Charakterzüge, welche sich bei V. bis an sein Lebensende immer inniger vertieften, den Verkehr mit demselben sehr angenehm machten und, wenigstens nach damaliger Meinung, auch zur Signatur eines Künstlers und insbesondere eines Porträtmalers naturnothwendig gehörten. Er beobachtete dabei die Gepflogenheit gleich in erster Sitzung eine vollständige Bleistiftzeichnung der betreffenden Persönlichkeit zu fertigen und wenn dieselbe vollkommen mit ihrem Abbilde einverstanden war, von dem jeweiligen Original die eigenhändige Namensunterschrift zugleich unter Beisetzung von dessen Geburtsdatum (nach Tag, Monat und Jahr) zu erbitten. So entstand, da V. frühzeitig damit begann und diese Sitte zeitlebens beibehielt, eine schätzbare Collection von autographisch beglaubigten Porträts, in ihrer Art auch ein „Liber veritatis“, welches V. zuletzt gegen eine lebenslängliche Pension an den König Johann von Sachsen abtrat. Ueber diese Sammlung berichtete ein Artikel im Stuttgarter Kunstblatt 1838, S. 47 ff. und 1846, S. 134; später ließ V. einen eigenen über 700 Nummern zählenden Katalog drucken; im J. 1886 wurde diese ganze Collection zu Dresden ausgestellt (vgl. Lützow’s Kunstblatt 1886, XXI, 506 und Fr. Pecht, Kunst für Alle, 1886, S. 93).

Im December 1820 erhielt V. als G. v. Kügelgen’s Nachfolger eine Professur an der Akademie zu Dresden. Hier malte er eine „Kreuzigung“ (im Dom zu Naumburg), abermals die „Versuchung Christi“ (für die Stadtkirche zu Wolmar in Livland) und andere religiöse Bilder, dazu eine Menge Porträts, den König Friedrich August, alle Glieder des sächsischen Königshauses, worauf 1824 seine Ernennung zum Hofmaler erfolgte. Allgemein gerühmt wurden damals seine Deckenmalereien im Speisesaale des Lustschlosses zu Pillnitz: In acht Feldern schilderte V. mit überlebensgroßen Figuren „die Künste, welche das Leben verschönen und die Völker beglücken, Wohlstand, Geistescultur und Genuß befördern“: Die Malerei, Musik, Bildnerei und Baukunst, schützend umschwebt von Poesie, Liebe, Philosophie und Anmuth (gestochen von Barth, Krüger, Stölzel und Jul. Thäter). Darauf folgten zehn Fresken in der neuen Hofcapelle zu Pillnitz mit „Scenen aus dem Leben der hl. Jungfrau“. Dann kamen wieder Porträts und Staffeleibilder, die Bildnisse von Ludwig Tieck, F. v. Raumer, Professor G. Herrmann (für die Aula in Leipzig), auch das eigene Porträt des Malers, wie er sich von der Arbeit wegwendend, seinen zur Schule gehenden vierzehnjährigen Sohn zu Fleiß und Tugend ermahnt. Auch sein Atelier schilderte er in öfterer Wiederholung (auch in Stahlstich von A. H. Payne): wie David-Angers die colossale Büste des Dichters Ludwig Tieck modellirt und V. gleichzeitig die Farben zu dessen Porträt auf seine Palette setzt (vgl. F. v. Friesen, L. Tieck. 1871, I, 26). Tieck, der möglichst gefaßt das Unvermeidliche einer doppelten Hinrichtung über sich ergehen läßt, ist auf dem damals beliebten, mit einem farbigen Teppich belegten Antritt, in einem ledernen Lehnstuhl postirt, welchen gegen ein etwaiges Umkippen die wie ein Souffleur vorgebeugte, mit einem Büchlein in der Linken ausgerüstete Dorothea zu stützen scheint, während ein großköpfiges Kind die Rechte des Dichters festhält und nach vorwärts zieht. Davor arbeitet der auf einem Schemmelchen stehende, in eine Blouse gekleidete Künstler, einen Klumpen Thon in der Linken. Daneben sind der Architekt Karl Förster, die Barone v. Stackelberg und Sternberg, assistirt durch den Kupferstecher Moriz Steinla mit staunender Bewunderung gruppirt, gleichsam als hätten sie niemals einen Bildformer in Thätigkeit gesehen, nebenbei ist auch Graf Baudissin als Zuschauer angebracht und breit im Vordergrunde sitzend der sonst nur durch Schlafen seine Gegenwart kundgebende [138] C. A. Böttiger; die Lücke des Vordergrundes wird durch ein sitzendes Hündchen und etliche Zeichnungsmappen belebt: Alles im akademisch-steifen Stil componirt, wie man etwa noch zu unseren Zeiten „schöne“ Gruppen für photographische Aufnahmen zu stellen beliebte. Während im rastlosen Schaffen zahlreiche Kirchenbilder und Genrescenen, Porträts und Copien (Sixtina nach Rafael) entstanden, machte V. 1834 eine Studienreise nach London und 1842–44 seine zweite Romfahrt. Hier reifte als erste Probe seiner Begeisterung für den Florentiner Dichter das elf Palmen hohe aus mehreren Compositionen aufgebaute Oelbild „Dante in seiner Beziehung zur Divina Comedia“, welches zu Rom und Florenz laute Bewunderung fand und von dem Großherzog von Toscana für den Palast Crocetta angekauft wurde; die Akademie ernannte den Künstler zu ihrem Mitglied und der Gelehrte G. B. Giuliani schrieb einen eigenen „Discorso“ (La divina Commedia di Dante Alighieri, depinto del Sign. Carlo Vogel di Vogelstein. Roma 1844. Mit einem radirten Umriß). Außer seinem im Auftrage des Großherzogs für die herrliche Porträtgalerie im Palazzo Pitti gemalten Selbstbildnisse erhielt auch Vogel’s Oelbild „Die Märtyrerin Perpetua im Gefängniß“ erfreulichen Beifall, so daß er dasselbe noch vier Mal wiederholen mußte (vgl. Eduard Ille in Beil. 57 Neue Münchener Ztg. vom 8. März 1855). In Dresden ging dann V. 1844 an ein Doppelbild, darstellend die mit Paolo Malatesta aufwärts schwebende Francesca von Rimini und als Gegenstück diese am waldbewachsenen Felsabhange badende Schöne (lithographirt von Zöllner). Dann bearbeitete V. wie seinen „Dante“, in demselben vielgegliederten gleichsam ein spitzbogiges Fensterbild darstellenden Aufbau, Goethe’s „Faust“, ein Werk, welches schon 1847 begonnen, erst während eines Winteraufenthaltes zu Venedig 1852 vollendet, die Wanderung durch München, Wien, Dresden und andere Städte machte, von der Kritik aber ziemlich ungleich beurtheilt wurde (vgl. Beil. 220 Allgem. Ztg. vom 7. Aug. 1852; dann Otto v. Schorn in Eggers’ Kunstblatt 1853, S. 429 und Julius Grosse in Beil. 166 der Neuen Münch. Ztg. vom 13. Juli 1855), das Ganze war in kräftiger Farbe gemalt, die Scenen aber in einem ganz theatralischen Pathos gehalten. Der Versuch, neben der titanenhaften Wucht und Grandiosität des Cornelius in diesem Gebiete Neues zu leisten, scheiterte in der Folge noch oftmals. Dessenungeachtet ging V. getrost an eine gleiche Darstellung von Virgil’s „Aeneide“, doch verzichtete der Künstler glücklicher Weise auf eine Ausführung in großen Dimensionen. Zur Erläuterung dieser von Volkert, Rohrdorf, Gonzenbach und Mayr in Umrissen gestochenen Compositionen griff V. zur Feder und schrieb die auch in französischer Uebersetzung edirte Abhandlung „Die Hauptmomente von Goethe’s Faust, Dante’s divina Comedia und Virgil’s Aeneide“ (München 1861, vgl. Julius Grosse im Abendblatt 292 der Neuen Münch. Ztg. 7. Decbr. 1861), ohne seinem Unternehmen dadurch fühlbar zu nützen. Lohnendere Erfolge errang V. mit seinen Kirchenbildern und Bildnissen, darunter auch das große Tableau mit den Porträts aller Theilnehmer an der Dresdener Conferenz (als Holzschnitt in N. 418 Illustr. Ztg. Lpz. 5. Juni 1851); dazu die Brustbilder des Ministers v. Beust mit Gattin, der Frau Major Serre, des Prinzen Boachi von Ashantee, der Schauspielerin Maria Bayer u. s. w. Im J. 1853 wurde V. in den wohlverdienten Ruhestand versetzt und übersiedelte nach München, wo er ein schönes Haus erwarb und sein ältester Sohn in den bairischen Staatsdienst trat. Auch hier blieb V. noch vielfach thätig, theils mit Wiederholung früherer Bilder, theils mit neuen Schöpfungen. Dazu gehörte als Erinnerung an seine Theilnahme bei der Enthüllung des Dante-Standbildes zu Florenz (1865) ein personenreiches, durch Photographie verbreitetes Gedenkblatt, ferner mehrere Altarbilder – darunter auch eine „Kreuzigung“ für [139] die Capelle zu Hoddersville in Irland, und ein Bildniß des edlen Professors Ernst v. Lasaulx. Auch entwarf V. in einer mit Papier durchschossenen Ausgabe der Divina commedia eine ganze Fülle von Federzeichnungen mit Illustrationen, welche freilich das hohe Alter, aber auch sein frisch gebliebenes Interesse an dieser Dichtung zeigen. V. von Vogelstein starb am 5. März 1868, seine Frau, eine Tochter der Dichterin Gensicke, war ihm schon frühe vorangegangen. Ein Sohn, Dr.Joh. E. Vogel, starb als Stadtgerichtsassessor a. D. am 26. August 1889 zu München; eine Tochter Maria Clemens trat nach dem Ableben des Vaters in das Kloster der Frauen vom guten Hirten und starb am 2. November 1891 zu Haidhausen. Eine weitere Uebertragung der artistischen Talente hatte in dieser Familie nicht stattgefunden. Die Kinder erbten nur die milde Frömmigkeit und anspruchslose Bescheidenheit des Vaters, welcher zeitweise gerne aus seiner stillen Verborgenheit hervorzutreten liebte und dann sein Atelier zu einem glänzenden Empfang öffnete, wenn ein alter, lieber Freund vorübergehend bei ihm gastete. V. war Mitglied der Akademien zu Berlin, Wien, St. Petersburg, Madrid, Kopenhagen, Pennsylvanien, Florenz und Venedig.

Vgl. Raczynski, 1840, III, 218–19. – Nagler, 1850, XX, 481 bis 491. Ein Sep.-Abdruck daraus mit etlichen Berichtigungen und Vogel’s Porträt München 1852 bei J. G. Weiß (nicht im Handel). – Andresen, Maler-Radirer, 1867, III, 101–120. – Kunst-Vereins-Bericht für 1868, S. 50.