ADB:Samwer, Karl
G. W. Nitzsch recensirte sie lobend mit den Worten, daß es dem Verfasser an eigenem Forschungsfleiß nicht fehle. Je weiter S. in die Rechtswissenschaft eindrang, um so entschiedener wandte er sich ihr zu. Im Herbst 1840 ging er auf ein Jahr nach Berlin, wo namentlich die Vorlesungen von Savigny und J. Stahl bedeutende Anziehungskraft auf ihn ausübten. Nach Kiel zurückgekehrt, studirte er dort noch drei Semester. N. Falck, bei dem er das in den Herzogthümern geltende Recht hörte, war sein Hauptlehrer. Im Mai 1843 machte S. das juristische Amtsexamen; er erhielt den „zweiten Charakter mit rühmlicher Auszeichnung“, bewarb sich dann um Zulassung zur Advocatur und auf Grund königlicher Bestallung vom 3. October 1843 begann er seine Praxis am Amthause zu Bordesholm. – Mittlerweile hatte das politische Leben in den Herzogthümern einen neuen Aufschwung genommen. Die von K. Christian VIII. zur Danisirung des Landes ergriffenen Maßregeln reizten die deutschgesinnte Bevölkerung zum Widerstande und trieben zur Wachsamkeit an. Die Landesuniversität stand auch damals im Mittelpunkte der schleswig-holsteinischen Bewegung. N. Falck, der Schöpfer der schleswig-holsteinischen Rechtsgeschichte und Mitbegründer der Kieler Blätter von 1815, befand sich auf der Höhe seines Wirkens; jüngere Professoren, wie G. Hanssen, G. Waitz, J. G. Droysen waren in gleicher Gesinnung thätig, um wissenschaftlich begründete Erkenntniß von der Geschichte und dem politischen Zustande des Landes in weiteren Kreisen zu verbreiten. In der Studentenschaft fielen die Lehren dieser Männer auf fruchtbaren Boden. Die seit 1836 bestehende Burschenschaft Albertina hatte die Einrichtung eines Kränzchens, worin Mitglieder über Themata von zeitgeschichtlichem und politisch-patriotischem Interesse Vorträge hielten. S. hatte sich von der Schleswiger Domschule verabschiedet mit einer öffentlich im Rathhause gehaltenen Rede über die Frage: „Was fordert das Vaterland von [327] dem studirenden Jüngling?“ Kein Wunder daher, daß er in die Albertina eintrat; zeitweilig war er Sprecher und als Redner im Kränzchen machte er sich zur Aufgabe, vor allem die neuerdings aufgetauchte Parteirichtung des Neuholsteinismus nachdrücklich zu bekämpfen. Als Schriftsteller trat S. zuerst hervor in der Zeit des Ueberganges vom Amtsexamen zur Advocatur. Mit einigen Freunden und Studiengenossen: Lorenz Stein, Friedrich Harms, Karl Lorentzen u. A. begründete er die Zeitschrift der „Neuen Kieler Blätter“; sie bestand von 1843–1847 und war bestimmt der Landessache vom nationalen und gemäßigtliberalen Standpunkte zu dienen. S., der die Statuten entworfen hatte, lieferte mehrere Beiträge; seine Specialität wurde das für die Staatserbfolge in den Herzogthümern geltende Recht, also diejenige Partie des schleswig-holsteinischen Staatsrechtes, welche in politischer Hinsicht vor allem wichtig und wegen des bestehenden Widerstreites der Ansichten neuer Untersuchung bedürftig war. Eine solche unternahm S. auf Grund umfassender Quellenstudien, um sie mit der ihm eigenen Energie rasch durchzuführen. Den ersten Ertrag seiner historisch-staatsrechtlichen Forschungen veröffentlichte er in den Neuen Kieler Blättern. Der Jahrgang 1843 enthält von ihm: „Die Ansicht Friedrich’s IV. bei den Vorgängen von 1721 und „Das Staatsrecht Schleswig-Holsteins und seine Gegner“; der Jahrgang 1844: „Prolegomena zu jeder Behandlung der schleswig-holsteinischen Erbfolge“. Inzwischen, während des Winters 1843 auf 1844 bearbeitete S. diese Materie monographisch in einer größeren Schrift, welche unter dem Titel: „Die Staatserbfolge der Herzogthümer Schleswig-Holstein und zugehöriger Lande. Ein staatsrechtlicher Versuch“ im Herbst 1844 zu Hamburg erschien. Dieses Falck und Dahlmann gewidmete Buch ist die erste vollständige und systematische Darstellung des schleswig-holsteinischen Staatserbrechtes. Den positiven Ausführungen geht zur Seite eine fortlaufende kritische Auseinandersetzung mit neueren, aber anfechtbaren Theorien, welche überwiegend Besonderheiten des übrigens durchaus deutschen Staatserbrechtes der Herzogthümer betreffen, wie namentlich das Rechtsverhältniß der abgetheilten Herren (der jüngeren königlichen Linie), die Gültigkeit von ungleichen Ehen im oldenburgischen Gesammthause und ä. m. Ihren Schwerpunkt hat Samwer’s Deduction in dem Capitel von der Successionsordnung. Im Gegensatz zu Falck, der auf diesem Gebiete eine Einwirkung des gemeinen römischen Rechtes erkannt zu haben glaubte, vertrat S. die Ansicht, daß die Erbfolgeordnung in dem schleswig-holsteinischen Fürstenhause seit dem siebzehnten Jahrhundert ausschließlich nach den Grundsätzen des gemeinen deutschen (longobardischen) Lehnrechts geregelt wurde. So gelang es ihm nicht nur, das wahre Rechtsverhältniß überhaupt klarzustellen, sondern auch speciell das vielfach angezweifelte Successionsrecht des Sonderburg-Augustenburgischen Hauses so eingehend und so fest zu begründen, wie es in der schleswig-holsteinischen Publicistik bisher noch nicht geschehen war. Das Buch hatte eine bedeutende Wirkung auch in politischer Beziehung: in der damals tagenden holsteinischen Ständeversammlung ist es von hervorragenden Mitgliedern wie Graf F. Reventlou-Preetz zur Formulirung der Schlußadresse an den König (vom 21. December 1844) herangezogen und verwerthet worden. Der Chef des Augustenburgischen Hauses, Herzog Christian August, der selbst ein gründlicher Kenner des schleswig-holsteinischen Staatsrechtes und Verfasser einer anonym erschienenen Schrift über die Erbfolge (Halle 1837) war, lernte Samwer’s Werk durch Vermittelung des Etatsraths F. Hegewisch schon im Manuscript kennen und interessirte sich lebhaft für die Vollendung, unter anderem durch Mittheilung von wichtigen Urkunden aus dem herzoglichen Archiv. Auch persönlich trat der Herzog mit S. in Verbindung. Dieser gewann das Vertrauen des Fürsten im hohen Grade; ein reger Briefwechsel entstand und gelegentlich wurde S. von dem [328] Herzog auch zu politischen Geschäften herangezogen, welche nicht nur Sachkunde, sondern auch Gewandtheit und Takt erforderten. Gegen Ende des Jahres 1844, als die Verhandlungen der dänischen Ständeversammlung zu Roeskilde über die Untheilbarkeit der dänischen Monarchie (Algreen-Ussingscher Antrag) neue Beunruhigung verursachten, kam es dem Herzog darauf an, den ihm befreundeten König der Belgier über die einschlägigen Rechtsfragen genau zu unterrichten und ihn zu einer entsprechenden Einwirkung auf Frankreich und England, die Garantiemächte von 1721, zu bestimmen. Zu dem Zwecke reiste S. nach Brüssel und entledigte sich seiner Aufträge in einer Audienz, welche König Leopold ihm am 5. December auf Schloß Laeken gewährte. Uebrigens waren die Beziehungen Samwer’s zum Herzog nicht der Art, daß sie ihn von seinem fürstlichen Gönner abhängig gemacht hätten: er behauptete seine Selbständigkeit nach jeder Richtung. Als Untergerichtsadvocat seit Mai 1844 in Neumünster thätig, siedelte er im Herbst 1846 nach Kiel über. Da war die Praxis allerdings minder einträglich, aber es bot sich Gelegenheit zu Nebenverdienst durch Ertheilung von Repetitorien an Rechtscandidaten; aus einer Liste von solchen, die S. zum Examen vorbereitete, darf wohl Roderich Stintzing namhaft gemacht werden. Auf Falck’s Rath hatte S. früher die akademische Laufbahn ins Auge gefaßt, er war mit dem Plane umgegangen, sich an der juristischen Facultät in Kiel für öffentliches Recht zu habilitiren, aber die Zeitverhältnisse waren dieser Absicht nicht günstig. Sie drängten S. in das politische Leben und zu reger Theilnahme an dem Streite, zu welchem König Christian VIII. das Rechtsbewußtsein der Schleswig-Holsteiner durch den Offenen Brief vom 8. Juli 1846 herausgefordert hatte. Bei Berathung der an die Stände gerichteten Adresse, worin die Volksversammlung von Neumünster am 20. Juli 1846 gegen die königliche Erklärung und das ihr zu Grunde liegende Commissionsbedenken Protest erhob, war S. ein Hauptredner. In der Folge griff er gegen die staatsrechtlichen Sätze des Offenen Briefes wiederholt zur Feder und zwar nicht nur anonym als Verfasser der in Kopenhagen und Frankfurt übergebenen Rechtsverwahrungen des Herzogs von Augustenburg, sondern auch öffentlich. Außer einer „vorläufigen Erklärung“ im Altonaer Mercur vom 20. August 1846 erschienen von ihm die Schriften: „Vorgänge von 1721 im Herzogthum Schleswig mit Rücksicht auf den veröffentlichen Auszug des Commissionsbedenkens“, Hamburg 1846 und „Das Commissionsbedenken über die Erbfolge des Herzogthums Schleswig in officiellem Auszuge. Mit Anmerkungen und einem Nachwort begleitet“, Hamburg 1847.
Samwer: Karl Friedrich Lucian S., schleswig-holsteinischer Publicist und Staatsmann, wurde geboren in Eckernförde am 16. März 1819. Der Vater, Karl August S., Advocat in Eckernförde, starb früh (1828); damit fiel der Mutter, Dorothea Maria, geb. Wiegmann, Tochter eines holsteinischen Predigers, die Sorge für die Erziehung des Sohnes zu: ohne Vermögen, aber umsichtig und willensstark löste sie diese Aufgabe. Auf der Domschule zu Schleswig empfing S. eine tüchtige Gymnasialbildung 1832–1838): für das classische Alterthum gewann er ein so lebhaftes Interesse, daß er auf der Universität das Studium der Philologie mit dem der Jurisprudenz eine Zeitlang verband. Von Ostern 1838 ab studirte er in Kiel zunächst fünf Semester; ein Stipendium, das sog. Schassianum, errang er sich mit einer Preisarbeit zur Geschichte des römischen Ritterstandes:In der kritischen Zeit nach dem Tode Christian’s VIII. († am 24. Januar 1848), als der zunehmende Druck der eiderdänischen Partei auf König Friedrich VII. die schleswig-holsteinischen Patrioten nöthigte sich zum Widerstand zu rüsten gegen die von jener Partei verlangte Incorporation Schleswigs, steigerte sich Samwer’s Antheil an der praktischen Politik bedeutend: sein Talent zur Geschäftsführung und eine ungewöhnliche Gewandtheit im mündlichen wie schriftlichen Ausdruck seiner Ansichten kam ihm dabei ebenso zu statten wie sein gutes Verhältniß zu mehreren der angesehensten Männer, namentlich zum Prinzen Friedrich von Noer und zum Grafen Reventlou-Preetz. Der letztere hatte schwere Bedenken zum Eintreten in einen Kampf, der sich, wie die Dinge lagen, gegen den Landesherrn als König von Dänemark richten mußte; das wußte S. und noch ehe die Entscheidung in Kopenhagen gefallen war, bemühte er sich den Grafen davon zu überzeugen, daß ihm bald nichts anderes übrig bleiben würde, als mit dem Prinzen und W. Beseler die Regierung eigenmächtig zu ergreifen. Aber an einen Bruch mit dem Landesherrn als solchen dachte er mit nichten; S. war ein überzeugter Anhänger des monarchischen Princips, ein entschiedener Gegner der demokratischen und republikanischen Tendenzen, wie sie seit der [329] Februarrevolution die Welt erschütterten, und wäre es nach seinem Vorschlage gegangen, so hätten die Männer, welche sich am Abend des 23. März in Kiel zur Uebernahme der Regierung vereinigten, nicht eine „Provisorische Regierung“ sondern eine „Regentschaft“ gebildet. Bei den entscheidenden Berathungen im Hause des Advocaten Bargum war S. zugegen; auch betheiligte er sich lebhaft an den Verhandlungen, welche nöthig wurden, um eine gleichzeitig auf dem Kieler Rathhause tagende Versammlung von mehr oder weniger radicalem Gepräge für die provisorische Regierung zu gewinnen, und als Prinz Friedrich am Morgen des 24. März mit dem Kieler Jägercorps ausrückte, um Rendsburg zu besetzen, machte S. den Zug mit als Lieutenant der Bürgerwehr und Führer einer kleinen Truppe von Freiwilligen. Seitdem blieb er längere Zeit in der Umgebung des Prinzen. Dieser, Mitglied der provisorischen Regierung, Chef des Kriegsdepartements und Höchstcommandirender der schleswig-holsteinischen Truppen in Einer Person, ernannte S. zum Civiladjutanten beim Generalcommando und betraute ihn mit der Leitung des für die Organisation der Freischaaren errichteten Bureaus. „Meine Aufgabe war – so berichtet S. in einer eigenhändigen Aufzeichnung zu seiner Lebensgeschichte – die Corps zu bilden, sie, soweit nöthig, mit Waffen zu versehen (Bekleidung war nicht vorhanden), ihnen Officiere meist aus ihnen selbst zu geben und sie dann möglichst schnell zu den im Felde stehenden Truppen zu schicken.“ Als der Prinz sich beim Beginn der Feindseligkeiten auf den Kriegsschauplatz begab und am 9. April Vormittags in Flensburg erschien, bekanntlich nicht zeitig genug, um durch sein Eingreifen dem Kampfe bei Bau eine günstige Wendung zu geben, begleitete ihn S., und am 29. Juni machte er das für die Schleswig-Holsteiner günstige Gefecht bei Hadersleben unter den Combattanten mit. Inzwischen hatte sich die Abneigung des Prinzen und vieler regulärer Militärs gegen das irreguläre Element der Freischaaren stark fühlbar gemacht; ihr Fortbestehen war schon Anfang Mai in Frage gestellt, und das vierte (von der Tann’sche) Corps war bereits durch Ordre des Prinzen am 7. Mai in aller Form entlassen worden. Aber diese Maßregel wurde nach wenigen Tagen rückgängig gemacht durch einen Majoritätsbeschluß der provisorischen Regierung, zu dessen Ausführung S. mitwirkte, indem er mit v. der Tann persönlich verhandelte. Bald darauf bat S. um seine Entlassung aus der Stellung beim Generalcommando und der Prinz gewährte sie ihm in einem Schreiben vom 27. Mai mit Dank für die „viele Mühe“ und den „unermüdlichen Eifer“, welche S. im Dienste bewiesen. – Dieser widmete sich nun zunächst der inneren Politik. Der constituirenden, aus allgemeinen und directen Wahlen hervorgegangenen Landesversammlung gehörte S. an als einer der beiden Vertreter des 28. holsteinischen Wahlkreises (Neumünster). Eine bestimmte Parteistellung nahm er anfangs nicht ein: Trennung von Dänemark war ihm der Hauptgesichtspunkt und alles Uebrige dem untergeordnet, „erst nach einigem Schwanken“, wie er selbst erzählt, schloß er sich dem Centrum der liberalen Mittelpartei an. Dem Verfassungswerke, wie es mit dem Erlaß des Staatgrundgesetzes vom 15. September 1848 zum Abschluß kam, lag ein Entwurf zu Grunde, den die provisorische Regierung vor dem Zusammentritt der Versammlung von „fünf geachteten Männern“ aus der Mitte derselben hatte ausarbeiten lassen: S. war einer dieser fünf und als solcher hatte er maßgebenden Einfluß auf die ursprüngliche Gestalt des Gesetzes, welches die Verfassung der Herzogthümer auf Grund einer streng durchgeführten Personalunion mit Dänemark, übrigens in monarchisch-constitutionellem Sinne ordnete. Den auf die endgültige Feststellung bezüglichen Berathungen der Versammlung konnte S. nicht beiwohnen; entsprechend einem Wunsche Bunsen’s, des preußischen Gesandten in London, hatte die Regierung ihn dorthin geschickt und dieser Anknüpfungsversuch [330] gelang so gut, daß auch später die Beziehungen Bunsen’s zu den verschiedenen schleswig-holsteinischen Regierungen vornehmlich durch S. vermittelt wurden. Im October 1848 trat er in den Staatsdienst: er wurde zum Bureauchef ernannt, aber nur interimistisch angestellt; seine Advocatenbestallung blieb daneben in Kraft. Die gemeinsame Regierung, welche die provisorische am 22. October 1848 ablöste, und später die Statthalterschaft verwendeten ihn meistens zu auswärtigen Missionen. Als die über die Ausführung des Malmöer Waffenstillstandes entstandenen Streitigkeiten sich in die Länge zogen, wünschte Bunsen auch im Hinblick auf die bevorstehenden Friedensverhandlungen S. als Beirath zur Seite zu haben. Ende December 1848 begab dieser sich abermals nach London, dem damaligen Centrum des diplomatischen Verkehres über die schleswig-holsteinische Angelegenheit, und abgesehen von kurzen Unterbrechungen, welche Reisen nach Frankfurt und Schleswig verursachten, blieb er dort bis zum August 1849. Seine Stellung zu Bunsen entbehrte der amtlichen Regelung, aber dieser Umstand that der Aufnahme, die er bei B. persönlich, wie bei der preußischen Gesandtschaft überhaupt fand, keinen Eintrag. Einsicht in die Gesandtschaftsacten wurde ihm mit großer Liberalität gewährt, eingehende Besprechungen mit Bunsen oder in Vertretung desselben mit dem Prinzen Löwenstein fanden zu Zeiten täglich statt und so war denn S. in der günstigen Lage, seine Regierung über die verschiedenen Phasen der Verhandlungen, speciell über den ungemein lebhaften Notenwechsel zwischen Bunsen und Lord Palmerston rasch, eingehend und fortlaufend zu unterrichten. Seiner Berichterstattung und Geltung gereichte aber noch Anderes zum Vortheil, vor allem die persönliche Bekanntschaft mit den beiden v. Stockmar, Vater und Sohn. Mit dem letzteren, Baron Ernst von Stockmar, damals Attaché bei der preußischen Gesandtschaft, wurde S. bald intim befreundet, bei dem Baron Christian v. St. sah er wiederholt den Prinzen Albert, der aus seinen Sympathien für Schleswig-Holstein bekanntlich kein Hehl machte. Im Verkehr mit Bunsen hatte S. manche Kämpfe zu bestehen, manche Schwierigkeiten zu überwinden; an tiefer gehenden Meinungsverschiedenheiten fehlte es keineswegs, zumal in der Zeit, da sich für B. aus seiner Doppelstellung als preußischer Gesandter und Bevollmächtigter der deutschen Centralgewalt eine ihm selbst peinliche und den Geschäften nachtheilige Collision der Pflichten ergab. Indessen auch nach erregten Erörterungen wurde das gute Einvernehmen stets wiederhergestellt, und wenn Bunsen in den auf Basis der Selbständigkeit Schleswigs geführten Verhandlungen (März, April 1849) zu den dänisch-englischen Projecten in einer Weise Stellung nahm, welche zunächst das Scheitern derselben herbeiführte, so hat Samwer’s Einfluß wesentlich dazu beigetragen, ihn in dieser Haltung zu bestärken. Als die Verhandlungen im Juni nach Berlin verlegt und mit dem Präliminarvertrage vom 10. Juli 1849 vorläufig abgeschlossen wurden, war Samwer’s Aufgabe in London beendigt. Er kehrte in die Herzogthümer zurück, um seinen Platz in der Landesversammlung einzunehmen und in der publicistischen Vertretung des schleswig-holsteinischen Sache fortzufahren. In rascher Folge entstanden zwei kleinere, anonym veröffentlichte Schriften: „Die verfassungsmäßige Staatseinheit der Herzogthümer Schleswig-Holstein“, Frankfurt a. M. 1849. „Die Ausführung der Berliner Friedenspräliminarien vom 10. Juli 1849“, Hamburg 1849. Die erstere richtete sich gegen eine Schrift des dänischen Geh. Archivars und Historiographen C. F. Wegener[WS 1] „Ueber die unzertrennliche Verbindung Schleswigs mit Dänemark in staatsrechtlicher Beziehung“, Kopenhagen 1848. Zu der anderen war S. von der Statthalterschaft aufgefordert worden: man wollte den Dänen die in dem Berliner Vertrage vereinbarte Autonomie Schleswigs ungenießbar machen und zwar durch den Nachweis, daß es weder dem Wortlaute noch dem Geiste [331] der betreffenden Bestimmungen entsprechen würde, wenn Dänemark aus ihnen das Recht zu irgend einer Art von Incorporationspolitik herleiten wollte. Die Statthalterschaft ernannte S. am 3. November 1849 zum außerordentlichen Professor der Rechte an der Universität Kiel, sowie zum staatsrechtlichen Consulenten der Regierung; am 7. Juli 1850 verlieh ihm die juristische Facultät die Doctorwürde h. c. Mittlerweile hatte C. F. Wegener auf Veranlassung des dänischen Ministeriums in einer neuen polemischen Schrift „Ueber das wahre Verhältniß des Herzogs von Augustenburg zum holsteinischen Aufruhre“, Kopenhagen 1849, den Versuch gemacht, die schleswig-holsteinische Bewegung als das Product einer heimlichen Verschwörung des genannten Fürsten „actenmäßig“ darzustellen. Eine eingehende Widerlegung dieses Pamphletes wurde auf schleswig-holsteinischer Seite nicht für nothwendig gehalten, wohl aber schien es geboten, ihr entgegenzuwirken durch eine zusammenhängende Darstellung der Politik, welche Dänemark unter den letzten Königen bezüglich der Herzogthümer befolgt hatte und um diesen Plan auszuführen, vereinigte S. sich mit Joh. Gustav Droysen, der unter den parlamentarischen und litterarischen Vorkämpfern für Schleswig-Holstein damals in erster Reihe stand. Sie waren am Werke und in der Ausarbeitung schon weit vorgeschritten, als S. Ende December 1849 von der Regierung den Auftrag erhielt, sich nach Berlin zu begeben, wo demnächst die im Sommer unterbrochenen Friedensverhandlungen von neuem beginnen sollten. Seine Abwesenheit von Kiel und die ihm sonst obliegenden Geschäfte verzögerten den Abschluß des gemeinsamen litterarischen Unternehmens bis Anfang März 1850. In den meisten Partien von S. nach vorgängiger Verständigung mit Droysen endgültig redigirt erschien ihr Buch unter dem Titel: „Die Herzogthümer Schleswig-Holstein und das Königreich Dänemark. Actenmäßige Geschichte der dänischen Politik seit dem Jahre 1806“, Hamburg 1850. Noch in demselben Jahre erlebte es eine zweite Auflage und zugleich wurde für die Verbreitung im Auslande Sorge getragen: ins Dänische und Schwedische wurde es vollständig übersetzt, während die Uebertragungen ins Englische und Französische nur Auszüge enthalten. Die Aufnahme des Werkes in der Presse war selbverständlich eine verschiedene, je nach der Parteistellung der betreffenden Kritiker. C. F. Wegener verfaßte eine umfangreiche Gegenschrift, welche das Verdammungsurtheil in gehässigster Form an der Stirne trägt: seine „Actenmäßigen Beiträge zur Geschichte Dänemarks im 19. Jahrhundert“, Kopenhagen 1851 führten den bezeichnenden Nebentitel: „Zugleich eine Beleuchtung der von Droysen und Samwer herausgegebenen Augustenburger-Schrift“. Dagegen urtheilte G. Waitz, der beste Kenner deutsch-dänischer Geschichte, über das Buch in den Götting. Gel. Anzeigen (1850, St. 128): „Es ist ein Stück Zeitgeschichte, nicht von der Oberfläche abgeschöpft sondern nach Quellen und Mittheilungen, wie sie nicht immer dem Historiker zu Gebote stehen … Das Buch wirft ein bedeutendes Licht auf die nordischen Zustände fast seit dem Beginn des Jahrhunderts und es ist sicherlich nicht die Schuld der Verfasser, wenn die gegebene Beleuchtung nicht stets und nicht aller Orten erwünscht gewesen ist. Es kommen allerdings Dinge zu Tage, welche man vielleicht gern für alle Zukunft in Vergessenheit begraben hätte.“
Nach Berlin war S. geschickt, um sich den preußischen Friedensunterhändlern, dem Minister v. Schleinitz und dem Gesandten v. Usedom behufs Information über alle rechtlichen und sonstigen Verhältnisse der Herzogthümer zur Verfügung zu stellen. Uebrigens hatte er weder eine officielle noch eine officiöse Stellung als Vertreter der Herzogthümer einzunehmen; die regelmäßigen Beziehungen der Statthalterschaft zur preußischen Regierung vermittelte damals in Vertretung eines ständigen Bevollmächtigten Baron R. v. Liliencron, mit dem S. seit dieser Zeit eine enge Freundschaft verband. Um so freier konnte sich S. bewegen, und [332] das Entgegenkommen, welches er bei Herrn v. Usedom fand, erleichterte ihm seine Aufgabe in hohem Grade. Ueber die wirkliche Sachlage war er stets gut unterrichtet und auch auf die Friedensverhandlungen selbst gewann er Einfluß: das Project, welches die preußischen Bevollmächtigten im Februar 1849 den dänischen auf die Incorporation abzielenden Forderungen entgegenstellten, das sog. Contreproject, arbeitete Usedom mit S. gemeinsam aus. Dieses Stadium der Berliner Verhandlungen endete bekanntlich damit, daß Preußen, indem es das dänische Project verwarf, sich bereit erklärte, einen einfachen oder inhaltlosen Frieden abzuschließen, d. h. einen Frieden, der die beiderseitigen Ansprüche, wie sie vor dem Frieden erhoben waren, bestehen ließ und späterer Erledigung vorbehielt. Die Anregung zu diesem Vorschlag gab S., er rieth dazu im Interesse der Herzogthümer, um ihnen die Möglichkeit der Selbsthülfe zu verschaffen, aber auch und ebenso sehr im Interesse von Preußen, dem schon wegen der drohenden Haltung von Rußland und Oesterreich darum zu thun sein mußte, den Krieg mit Dänemark zu beendigen, ohne der Zukunft zu präjudiciren. Und daß es S. gelang, die preußischen Staatsmänner, zuerst Usedom und dann auch Schleinitz, zu gewinnen, bezeichnet in der Geschichte der schleswig-holsteinischen Angelegenheit einen wichtigen Wendepunkt. Die Entscheidung ließ freilich noch auf sich warten, da Dänemark das Project des einfachen Friedens zunächst von der Hand wies. Von den übrigen Großmächten mehr oder weniger unterstützt, versuchte es auf anderen Wegen zum Ziele zu kommen, und in dem Londoner Protocoll vom 2. Juni 1850, welches die Erhaltung der dänischen Monarchie in ihrem bisherigen Bestande für ein europäisches Interesse erklärte, errang die dänische Politik in der That einen großen Vortheil. Aber in den Separatverhandlungen mit Preußen kam Dänemark erst weiter, als es sich im Juni bequemte, auf das Project des einfachen Friedens einzugehen. Unter dem entmuthigenden Eindruck des Londoner Protocolls und der immer stärker hervortretenden Neigung Oesterreichs, sich mit Dänemark zur Bekämpfung Preußens in Deutschland zu verbinden, wurden die Friedensverhandlungen weiter und zu Ende geführt. Die preußischen Bevollmächtigten hatten dabei durch Vermittelung von S. und v. Liliencron ununterbrochen Fühlung mit der Statthalterschaft, aber zu positiv vortheilhaften Einwirkungen im Interesse Schleswig-Holsteins war kein Raum mehr: S. und v. Liliencron mußten sich darauf beschränken, ihrer Regierung Bericht zu erstatten und Rath zu ertheilen, und in dieser Richtung waren sie unermüdlich thätig bis zum Schlußacte, dem preußisch-dänischen Friedensvertrage vom 2. Juli 1850. – Auch während des nun folgenden Krieges der Herzogthümer mit Dänemark wurde S. wiederholt zu Sendungen von vertraulichem Charakter verwendet. Bald nach der Schlacht bei Idstedt (26. Juli) war er wieder in Berlin mit Aufträgen, welche die Wiedererstattung der von den Herzogthümern gezahlten Verpflegungsgelder und die Bedingungen des Eintrittes preußischer Officiere in die schleswig-holsteinische Armee betrafen. In der Folge wurde die Sache der Herzogthümer wie der kurhessische Conflict ein Opfer der Politik, welche Herrn v. Manteuffel an die Spitze des preußischen Ministeriums brachte und ihn nach Olmütz führte. Während diese verhängnißvollen Entscheidungen sich vorbereiteten, hatte die Statthalterschaft Herrn v. Harbou als ständigen Bevollmächtigten nach Berlin geschickt; auf Usedom’s Wunsch wurde ihm S. beigegeben und blieb bis zum Frühjahr 1851 in Berlin, wo er zu den Vertrauten des Usedom’schen Hauses gehörte. Besonders rege war sein Verkehr mit Max Duncker. Der liberale Preuße und der liberale Schleswig-Holsteiner begegneten sich in der Ueberzeugung, daß das Unheil, welches die Manteuffel’sche Politik im Bunde mit Oesterreich über Preußen und Deutschland heraufbeschwor, durch authentische Veröffentlichungen über dieselbe erfolgreich bekämpft werden [333] könne, und sobald sie im Besitze des Materials waren, dessen sie bedurften, ließen sie dem Gedanken die That folgen. Unter dem Schutze unerläßlicher und wohl gewahrter Anonymität eröffneten sie den Angriff mit einer gemeinsamen Arbeit, mit der Flugschrift: „Vier Wochen auswärtiger Politik“. Berlin 1851; sie enthält wohl das Schärfste und Wirksamste, was in den Jahren der Reaction zur Verurtheilung des Systems Manteuffel überhaupt geschrieben worden ist. Duncker übernahm, wie S. in seinen „Aufzeichnungen“ erzählt und Duncker bestätigt hat, den deutschen Abschnitt; Forchhammer (Professor in Kiel), von Kassel kommend, hatte das hessische Capitel gegeben. Der Erfolg ermuthigte zu Weiterem: S. schrieb „Die Dresdener Conferenzen“, Berlin 1851 und M. Duncker „Vier Monate auswärtiger Politik“, Berlin 1851, um die in den „Vier Wochen“ enthaltenen Andeutungen auszuführen und fortzusetzen; die Manuscripte wurden ausgetauscht, fragliche Punkte berathen. Das Actenmaterial verdankte S. dem Oberst Mosle, oldenburgischen Geschäftsträger in Berlin, der seinerseits mit Herrn v. Liebe, dem braunschweigischen Bevollmächtigten in Dresden, in Verbindung stand und von ihm fortlaufend in Kenntniß gehalten wurde. Bei Eröffnung der Conferenzen war Geheimhaltung zur Bedingung gemacht; um so größer das Aufsehen der Samwer’schen Schrift und um so energischer die Versuche preußischer und anderer Behörden, dem Urheber dieser unliebsamen Enthüllungen auf die Spur zu kommen. Aber das Geheimniß blieb gewahrt, und der Zweck, auf den es recht eigentlich im Interesse Preußens abgesehen war: Discreditirung der österreichischen Pläne vor ihrer Ausführung, wurde in der That erreicht. – Als S. im April 1851 nach Kiel zurückkehrte, stand Holstein unter der Herrschaft der von Preußen und Oesterreich eingesetzten Bundescommissäre; am 18. Februar 1852 hörte dieses Provisorium auf, fortan wurde das Land von Kopenhagen aus regiert und die vom Könige gewährte Amnestie wurde durch bedeutende Ausnahmen eingeschränkt. S. war mittlerweile als Professor thätig, und das war für ihn „eine Zeit des Friedens, der Ruhe und Erholung, nur verbittert durch den Schmerz über das Ende der guten Sache“. Im Sommer 1851 las er schleswig-holsteinisches Privatrecht, im Winter über schleswig-holsteinischen Proceß; am 24. April 1852 erhielt er seine Entlassung und zugleich wurde ihm das Recht zur Advocatur entzogen.
In dieser Lage hatte S. das Glück, daß ein deutscher Fürst von liberaler Gesinnung, Herzog Ernst II. Von Sachsen-Coburg-Gotha, sich für ihn interessirte und ihn aufforderte, in seine Dienste zu treten. Der preußische General und Minister v. Radowitz hatte den Herzog auf S. aufmerksam gemacht als passenden Gehülfen bei Ausarbeitung eines größeren Werkes zur Zeitgeschichte, wie v. Radowitz es angeregt hatte und der Herzog es zu schreiben gedachte. Anfang Juli 1852 erhielt S. die Ernennung zum Bibliothekar in Gotha; Ende September trat er sein Amt an, und mehrere von ihm verfaßte Specialcataloge, sowie seine Berichte über Handschriftenfunde und andere bibliothekarische Angelegenheiten liefern den Beweis, daß S. sich in dieses ihm bis dahin fremde Gebiet leicht und sicher eingearbeitet hatte. Der litterarische Plan, bei dem auf seine Mitwirkung gerechnet war, blieb liegen: erst viel später und in anderer Form brachte der Herzog ihn zur Ausführung. Aber Samwer’s persönliche Verbindung mit dem Herzog blieb bestehen; sie bewirkte, daß er jenes Stillleben in den Büchersälen des Friedensteins durch eine anders geartete, dem Hofe und der Politik zugewendete Thätigkeit oft unterbrechen und es schließlich mit dem eigentlichen Staatsdienst vertauschen konnte. Im J. 1854 zum Legationsrath ernannt, wurde er vier Jahre später zum Regierungsrath und vortragenden Rath in der gothaischen Abtheilung des Staatsministeriums, bald darauf zum Mitgliede des Gesammtministeriums befördert; damit erlosch die Stellung an der [334] Bibliothek. Seit dem Jahre 1855 war S. verheirathet: seine Frau, die Tochter eines dänischen Geistlichen, war mit deutscher Bildung vertraut und an der Seite ihres Mannes gewann sie in Deutschland eine neue Heimath. – In die nationale und liberale Politik seines Fürsten wurde S. durch das Vertrauen desselben tief eingeweiht. Auf den diplomatischen Reisen, welche der Herzog im J. 1854 kurz vor Ausbruch des Krimkrieges nach Berlin, Paris und Wien machte, ließ er sich von S. begleiten und auch während seiner vertraulichen Verhandlungen in der Neuenburger Angelegenheit Ende December 1856 zu Karlsruhe hatte er ihn bei sich. An der Einrichtung des Litterarisch-politischen Vereins, den der Herzog 1853 stiftete, nahm S. lebhaften Antheil, wie er denn auch verwandte Bestrebungen des Herzogs aus späterer Zeit mit Wort und Feder unterstützte. Zu den „Gothaern“, denen S. auf diese Weise näher trat, gehörte vor Allem Gustav Freytag: sie wurden Freunde, und ihren gemeinsamen Verkehr mit Karl Mathy in den zwei Jahren, da dieser als Bankdirector in Gotha lebte, hat Jener in seinem Buche über Mathy anmuthig beschrieben. Auch litterarischer Gewinn ergab sich aus dieser Verbindung. S. ging wieder unter die Journalisten: 1856–1863 lieferte er den von Freytag und Anderen redigirten „Grenzboten“ zahlreiche Beiträge. Die meisten seiner Artikel beziehen sich auf politische Fragen von praktischer Bedeutung und hervorragendem Interesse, so namentlich eine Folge von Aufsätzen über die deutsche Kriegsmarine im Jahrgange 1861; gelegentlich übernahm S. einen Streifzug ins historisch-kritische Gebiet, so in zwei Aufsätzen des Jahrganges 1863, einer geistvollen und scharfsinnigen Untersuchung über „Unechtheit und Ursprung der Matinées royales“. In dieselbe Periode fällt Samwer’s erste Betheiligung an dem größten Urkundenwerke des modernen Völkerrechts. Er übernahm es Martens et Murhard, Recueil général des Traités etc. fortzusetzen; 1856 erschien der erste von S. zusammengestellte Band der neuen Serie und in der Folge lieferte er noch sieben Bände allein (bis 1875), drei weitere in Verbindung mit Julius Hopf, von dem auch das Generalregister (Table générale, 1875. 1876) herrührt.
Selbstverständlich, daß S. über den eben geschilderten Interessen und Beschäftigungen die schleswig-holsteinische Angelegenheit nicht aus den Augen verlor. Den Wandlungen, welche sie seit dem Londoner Protocoll vom 8. Mai 1852, durchmachte, folgte er zwar nur von Ferne, aber mit gespannter Aufmerksamkeit. Seine Beziehungen zu der in der Verbannung lebenden herzoglichen Familie waren andauernd gut; das Vertrauen des Erbprinzen Friedrich gewann er in hohem Grade, und schon zu einer Zeit, da die Möglichkeit einer dynastischen Trennung der Herzogthümer von Dänemark noch in weiter Ferne zu sein schien, wußte er sich mit dem Prinzen einig in der Ueberzeugung, daß die Aufrechthaltung und Geltendmachung der Augustenburgischen Ansprüche nicht nur das gute Recht des Fürstenhauses, sondern auch eine unabweisliche Pflicht gegen das Land sei. Als K. Friedrich VII. am 15. November 1863 starb und mit ihm die ältere königliche Linie des oldenburgischen Hauses im Mannsstamme erlosch, da war der Augenblick gekommen, um diese Ueberzeugung zu bethätigen, und zwar mußte das geschehen unter Umständen, wie sie bei der Zerfahrenheit der deutschen Verhältnisse, vor allem aber wegen des in Berlin bestehenden Entschlusses, am Londoner Protocoll und den zugehörigen Abmachungen zunächst festzuhalten, kaum schwieriger gedacht werden konnten. Aber der Erbprinz ließ sich nicht entmuthigen. Gestützt auf den Verzicht seines Vaters, nahm er als Herzog Friedrich VIII. in seiner Proclamation vom 16. November 1863 die Regierung der Herzogthümer für sich in Anspruch; am 18. November war er in Berlin und hatte Unterredungen sowohl mit dem Könige, der sein Vorgehen billigte, aber Unterstützung desselben nicht in Aussicht stellen konnte, als auch [335] mit Herrn v. Bismarck; dann ging er nach Gotha, um sich mit den Männern, auf deren Rath und Beistand er für die Durchführung seiner Sache vorzugsweise rechnete, persönlich in Verbindung zu setzen. S. und Staatsrath Francke, Specialminister für Coburg, standen unter diesen obenan, und Herzog Ernst II., der den übrigen deutschen Fürsten mit der Anerkennung Herzog Friedrich’s als rechtmäßigen Landesherrn von Schleswig-Holstein voranging, unterstützte ihn auch dadurch, daß er seinen Beamten durch Gestattung von Urlaub ein festgeordnetes Dienstverhältniß zu ihm bereitwillig ermöglichte. In die Geschäfte theilten sich Francke und S. so, daß jener die Leitung des Finanzwesens übernahm, während diesem die Instruirung der herzoglichen Agenten, überhaupt die diplomatische und allgemeine politische Correspondenz zufiel. Die auf S. ruhende Arbeitslast war bedeutend und aufreibend. In Kiel, wohin er den Herzog Ende December 1863 begleitete, steigerte sie sich noch, als der Bundestag nach Anmeldung der oldenburgischen Successionsansprüche den Herzog Friedrich zur Begründung der von ihm erhobenen Ansprüche aufforderte. Das geschah in der am 1. September 1864 überreichten „Nachweisung des Erbrechtes des Herzogs Friedrich VIII. auf die Herzogthümer Schleswig und Holstein“ (gedruckt Kiel 1864) – einer Rechtsdeduction großen Stiles, welche von S. und dem Kieler Professor Albert Hänel gemeinsam verfaßt worden ist. Jener schrieb die „Nachweisung“ und stellte das zugehörige „Urkundenbuch“ zusammen, während die „Ausführungen“ zur Nachweisung von Hänel herrühren. Was die politische Führung der Sache angeht, so besaß S. im Rathe des Herzogs überwiegenden Einfluß und darum war es an sich nicht ungerechtfertigt, wenn abfällige Urtheile, wie sie über die herzogliche Politik schon damals aus verschiedenen Parteilagern laut wurden, sich recht eigentlich an Samwer’s Adresse richteten. Aber diejenigen seiner Gegner, welche nicht müde wurden ihn als engherzigen Particularisten zu verdächtigen und die angeblich preußenfeindliche Haltung des Herzogs auf seinen Einfluß zurückzuführen, befanden sich im Unrecht. In Wahrheit stand es vielmehr so: über die Nothwendigkeit eines engen Anschlusses an Preußen war S. mit dem Herzog schon bei Ausbruch des deutsch-dänischen Krieges von 1864 einig und seitdem die hierauf gerichteten streng vertraulichen Verhandlungen des Königs und des Herzogs durch Vermittelung des Kronprinzen in Fluß gekommen waren (s. die von K. Lorentzen verfaßte Schrift: Schleswig-Holstein und die Annexion, Freiburg 1866, S. 17 ff.), that S. alles was in seinen Kräften stand, um sie zu einem befriedigenden Abschluß zu bringen. Auf seinen Rath entschloß sich der Herzog, die Anschlußbedingungen so anzunehmen, wie der König sie in seinem Schreiben an den Kronprinzen vom 16. April 1864 formulirt hatte, und als es darauf ankam, die Schwierigkeiten zu beseitigen, welche sich aus der Unterredung des Herzogs mit dem Ministerpräsidenten v. Bismarck am 1. Juni 1864 ergeben hatten, war S. bereit, zurückzutreten; in einem späteren Stadium bot er nochmals seine Entlassung an, aber der Herzog wollte sich nicht von ihm trennen. In betreff der sogenannten Februarbedingungen, über die Preußen bekanntlich nicht mit dem Herzog, sondern mit Oesterreich verhandelte, rieth S. zu einer möglichst entgegenkommenden Haltung, wie sie in der eingehenden und alsbald veröffentlichten Instruction an Herm v. Ahlefeld vom 31. März 1865 ihren Ausdruck fand. Aber wegen des immer schärfer hervortretenden Gegensatzes zwischen Preußen und Oesterreich waren Samwer’s Hoffnungen auf einen dem Herzog günstigen Umschwung der preußischen Politik schon damals tief gesunken und der weitere Verlauf der Dinge, vor allem die Zuspitzung der ganzen Krisis zum Entscheidungskampfe über die deutsche Frage war in der That der Art, daß wohlgemeinte Vermittelungsversuche, wie ein solcher noch Anfang Juni 1866 vom Großherzog von Baden [336] ausging, vergeblich bleiben mußte. Unmittelbar vor Ausbruch des Krieges, der in kurzer Zeit die Einverleibung der Herzogthümer in Preußen als die endgültige Lösung der schleswig-holsteinischen Frage herbeiführen sollte, verließ der Herzog das Land und S. folgte ihm; beide haben ihr engeres Vaterland, dessen Recht und Wohlfahrt ihnen mehr als alles Andere am Herzen lag, nicht wiedergesehen.
S. kehrte nach Gotha zurück und übernahm seine dortigen Aemter, die er in der Zwischenzeit nur provisorisch abgegeben hatte, von neuem. Schon früher hatte er im Nebenamte an der Verwaltung des herzoglichen Hausfideicommisses Antheil gehabt. Im December 1866 ernannte Herzog Ernst ihn zum Vorsitzenden dieser Verwaltung, 1868 wurde S. Ministerialrath und innerhalb des Ministeriums rückte er dann auf bis zum verantwortlichen Chef des Finanz- und Domänendepartements mit dem Titel eines Geheimen Rathes (1881), als ältester Departementschef war er zugleich Vertreter des Ministers, die politische Leitung verblieb dem Minister v. Seebach. Im Herbste 1870 verweilte S. eine Zeit lang im Hauptquartier der dritten Armee zu Versailles. Der Kronprinz wünschte ihn dort zu haben und nahm wiederholt Gelegenheit, die politische Sachlage, namentlich die damals schwebenden Verhandlungsfragen mit S. zu besprechen. Auch später empfing S. von dem Kronprinzen manche ihn beglückende Beweise des Vertrauens und der Werthschätzung. Dem Herzog Friedrich († am 14. Januar 1880) stand S. nahe bis an dessen Lebensende und daß die alte, in schweren Zeiten erprobte Freundschaft mit Ernst v. Stockmar sich mit den Jahren noch befestigte in häufigem Verkehr und regem Gedankenaustausch, zählte er zu dem besten, was das Leben ihm gebracht hatte. Oft und mit Grund klagte S. wegen Geschäftsüberhäufung, dessenungeachtet fand er Zeit zu gelehrten Studien und schriftstellerischen Arbeiten historisch-antiquarischen Inhalts. Zu mehreren derselben wurde S. angeregt durch seine amtlichen Beziehungen zu den großen deutschen und außerdeutschen Gütercomplexen, aus denen das herzogliche Hausfideicommiß besteht, besonders interessant waren ihm die in Oberösterreich gelegenen Besitzungen und der Umstand, daß er auf einer seiner Besichtigungsreisen zu Wallsee an der Donau historisch bedeutsame Funde machte, bestimmte ihn, eine Geschichte von Wallsee zu schreiben. Ein anderes Hauptgebiet seiner Forschungen war das römische Alterthum. S. kehrte gewissermaßen zu seiner Jugendliebe zurück, indem er, der gereifte Mann, sich in das Studium des römischen Münzwesens vertiefte: Eigenthümer einer werthvollen Sammlung altrömischer Münzen, wurde er ein Numismatiker, der nicht nur den Fachgenossen Achtung einflößte, sondern auch für die Fortbildung der Wissenschaft Ersprießliches leistete. Auch mit der Germania des Tacitus und mit einzelnen Fragen der eigentlichen Antiquitäten beschäftigte er sich eingehend, aber von dem Ertrag dieser und anderer Studien ist bei seinen Lebzeiten nichts an die Oeffentlichkeit gekommen. Samwer’s frühzeitiges Ende wurde herbeigeführt durch ein Lungenleiden, welches energisch zuerst im J. 1877 hervortrat. Ein mehrmonatlicher Aufenthalt im Süden, auf der Insel Corsica (Frühjahr 1878) und andere zur Kräftigung unternommenen Reisen brachten nur vorübergehend Abhülfe. Im Sommer 1882 entwickelte sich die Krankheit, der S. am 8. December desselben Jahres erlag. Aus dem litterarischen Nachlaß ist bis jetzt Folgendes veröffentlicht worden: „Geschichte des älteren Münzwesens bis circa 200 v. Chr., herausgegeben von M. Bahrfeldt“, Wien 1883; „Die Grenzpolizei des römischen Reiches, herausgegeben von K. Zangemeister“, Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst, 5. Jahrg. (1886).
[337] Was S. an politischen Correspondenzen, Denkschriften aller Art und ähnlichen Schriftstücken hinterlassen hat, enthält interessante Beiträge zur Geschichte seiner Zeit und seines Lebens. Mittheilungen daraus, welche der Familie verdankt werden, liegen dieser biographischen Skizze zu Grunde.
- Vgl. die S. betreffenden Artikel in E. Alberti, Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller, 2. Bd., Kiel 1868 und 1886 und in: Encyklopädie der neueren Geschichte, herausg. von W. Herbst, 4. Bd., Gotha 1888. – S. ferner Aufzeichnungen des Prinzen Friedrich von Schleswig-Holstein-Noer, 1861. – O. Fock, Schleswig-Holsteinische Erinnerungen, 1863. – Ch. C. J. Frh. v. Bunsen, Aus seinen Briefen u. s. w. d. Ausg. 2. u. 3. Bd., 1869, 1871. – G. Freytag, Karl Mathy, 1872. – A. Sach, Geschichte der Stadt Schleswig, 1875. – Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha, Aus meinem Leben, 2. u. 3. Bd. 1888. 1889.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Caspar Frederik Wegener (1802-1893), dänischer Historiker, königlicher Historiograf.