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Artikel „Beseler, Wilhelm“ von August Sach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 473–479, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Beseler,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:00 Uhr UTC)
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Beseler: Wilhelm Hartwig B., der älteste Sohn des späteren Kammerraths Cay Hartwig B. und seiner Frau Sophia Magdalene geb. Jahn, ward am 3. März 1806 auf dem Schlosse Marienhausen in Jever (Großherzogthum Oldenburg) geboren. Schon als zweijähriger Knabe kam er mit seinen Eltern nach Rödemis bei Husum, wo sein Vater als Deichinspector für das Herzogthum Schleswig Wohnung nahm und eine ländliche Besitzung hatte. Auf den gelehrten Schulen in Husum und dann in Schleswig gebildet, studirte er von dem Jahre 1823 an in Kiel und von 1825–1827 in Heidelberg die Rechtswissenschaft und bestand 1827 seine Staatsprüfung auf Gottorp mit dem zweiten Charakter „mit sehr rühmlicher Auszeichnung“. Er ließ sich alsdann als Advocat in der Stadt Schleswig nieder, ward 1830 Notar, 1832 Ober- und Landgerichtsadvocat und gehörte zu den Stiftern des Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Advocatenvereins, zu dessen Vicepräsident er 1844 gewählt ward. Als solcher vertheidigte er den Landinspector und Koogbesitzer Tiedemann gegen die Anklage des „Majestätsverbrechens“ und veröffentlichte die Acten (Schleswig 1844) in ausführlicher Denkschrift.

Schon als Student mit dem fröhlichen Glauben an Deutschlands Einheit und Freiheit erfüllt, stand er in Schleswig mitten in der Bewegung, die sich an den Namen Lornsen knüpft. Zu einer Zeit, wo die gesonderten Stände die Vorkämpfer des Landesrechts waren, wo die Bitte um gemeinsame Vertretung beider Herzogthümer und Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustandes immer dringender an die Regierung herantrat, war auch er zu der Erkenntniß gelangt, daß die Durchführung dieser Forderung der längst bestehenden Gemeinsamkeit aller öffentlichen Rechts-Verhältnisse erst die nöthige Sicherheit und Dauer verleihen werde. Sein erstes öffentliches Hervortreten knüpft sich an das bekannte Schleswigsche Sängerfest (23.–25. Juli 1844), wo zuerst die schleswig-holsteinsche Fahne entfaltet und zum ersten Male das Schleswig-Holstein-Lied gesungen ward; hier rief er in öffentlicher Rede das Volk zum „Kampf für Wahrheit, Recht und Freiheit des Landes“ auf. Im J. 1844 von der Stadt Tondern zum Vertreter gewählt, übernahm er bald in der Schleswigschen Ständeversammlung, ähnlich wie Graf Reventlou in Itzehoe, die Führung. Wie er der Ueberzeugung lebte, daß „die wahre Freiheit nur in der strengsten Aufrechterhaltung der Gesetze bestehe“ und dem gemäßigten Liberalismus jener Zeit huldigend als Verfechter der Grundsätze bürgerlicher Freiheit auftrat, so stellte er andrerseits in politischer Beziehung nicht sowol die Frage des fürstlichen Erbrechts als vielmehr die untrennbare Verbindung beider Lande in die erste Linie und hielt dabei die unter dänischer Herrschaft gefährdete Zukunft Schleswigs allein durch eine enge Verbindung mit Deutschland d. h. durch Aufnahme in den deutschen Bund gesichert. Daraus erklärt sich einerseits sein Gegensatz zu dem Herzog Christian August von Augustenburg, der während seiner späteren Thätigkeit mehrfach scharf zu Tage trat, andrerseits jener Aufsehen erregende, später wieder von ihm zurückgenommene Vorschlag in der Ständeversammlung, das Amt Hadersleben mit dem Königreich zu vereinigen, um die schwierige Sprachsache zu beseitigen und das übrige Herzogthum, wenn auch mit Opfern, eng mit Holstein und Deutschland zu verbinden.

Als nach dem „offenen Briefe“ Christian’s VIII. (8. Juli 1846), worin das ganze Herzogthum Schleswig und ein nicht näher bestimmter Theil Holsteins für das dänische Königsgesetz in Anspruch genommen ward, die schleswigschen Stände am 21. October 1846 zusammentraten, ward B. fast einstimmig zum Präsidenten erwählt. Stattlich in seiner äußeren Erscheinung, würdevoll und gemessen in seinem Auftreten, leitete er die Berathungen mit jener vornehmen Ruhe, die sein ganzes Wesen kennzeichnete. Die kaltblütige Entschiedenheit [474] und die schneidige Schärfe, womit er dem königl. Bevollmächtigten, dem Regierungspräsidenten v. Scheel, entgegentrat, machte ihn zum volksthümlichsten Manne im Herzogthum Schleswig. Nicht leicht wird es etwas geben, was seine Persönlichkeit und seine politischen Ueberzeugungen schärfer bezeichnet, als die berühmte Sitzung, wo er den Präsidentenstuhl verließ, um seine Stellung zu dem Antrag des Abgeordneten Gülich, in dem die Entlassung des Ministers Grafen v. Moltke[WS 1] gefordert ward, näher darzulegen: „Ohne Urtheilspruch“, erklärte er unter anderem, „ist der Amtmann Graf v. Brockdorff in Neumünster entlassen, weil er nicht versucht hat, eine Volksversammlung aus einander zu treiben, die sich streng in dem Rahmen des Gesetzes gehalten. Die Grundpfeiler des Staates sind erschüttert, wenn der Justizbeamte nicht mehr unantastbar dasteht, wenn der Stand der Richter nicht mehr geschützt erscheint. Ich liebe die Freiheit wie ein Mann und nicht wie ein Eunuch; wohl ist mir bekannt, daß von gewissen Seiten allen freiheitlichen Bestrebungen entgegengehalten wird, man wolle in die Hesperidengärten französischer Gleichheit und Freiheit eindringen, und man finde statt des Ersehnten nur Centralisation und Polizeigewalt; – in meiner Brust schlägt ein deutsches Herz; ich will die Freiheit, wie sie dem innersten Wesen unserer deutschen Nation entspricht; ich will politische Garantien, staatliche Einrichtungen, welche vor allen Dingen die individuelle Unabhängigkeit und persönliche Freiheit sicher stellen; ich hasse als freiheitsliebender Mann mehr als alles die polizeiliche Bevormundung und Unterdrückung des Volkes; ich bin aus Ueberzeugung ein Freund der monarchischen Staatsform; ich wünsche daher nicht nur, weil ich dem Volke angehöre, daß der Antrag angenommen wird, auch der Monarchie wegen wünsche ich es. Wer wäre so kurzsichtig, daß er nicht in der Uebereinstimmung der Regierung mit dem Geiste des Volkes die festesten Grundpfeiler des Thrones sähe? Ich beschwöre den durchlauchtigsten Inhaber der erblichen Virilstimme (Herzog Christian August), daß er eingedenk sei seines Ahnherrn Christian I., welcher die Rechte und Freiheiten dieser Lande schützen zu wollen, feierlich gelobt hat, – ich wende mich an alle Repräsentanten des Kerns unseres Volkes, des Bürger- und Bauernstandes, mit der inständigen Bitte, ein freimüthiges Urtheil über das Regiment, wie es jetzt bei uns eingeführt ist, auszusprechen; wir müssen in aller Ehrerbietung vor den Thron Sr. Majestät treten und thun, was unsere Pflicht ist, nämlich dem Landesherrn die Wahrheit sagen.“ Der Ausgang der ständischen Verhandlungen war derselbe wie in Holstein. Als der königliche Bevollmächtigte die beschlossene Adresse gegen den offenen Brief an den Präsidenten B. zurücksandte, die Bitte um Einführung einer gemeinsamen Verfassung und um Aufnahme Schleswigs in den deutschen Bund anzunehmen sich weigerte, verließen alle Mitglieder bis auf sechs unter Protest die Versammlung. Am 14. December schloß B. die letzte Sitzung; er hatte als Präsident bis ans Ende ausgeharrt.

Wie früher in Neumünster, wo eine Volksversammlung unter seinem Vorsitz stattgefunden hatte (20. Juli 1846), um gegen den „offenen Brief“ Protest zu erheben, so unterließ er auch jetzt, wo die Stimme der Stände verstummt war, keine Gelegenheit sich an den öffentlichen Versammlungen zu betheiligen, wie in Dithmarschen. Um den gefährlichen Mann aus der Ständeversammlung zu entfernen, hatte die Regierung ihn in Anklagestand versetzt (25. August) wegen seiner Leitung der Neumünsterschen Versammlung und sich geweigert, ihm die Annahme seiner Neuwahl zum Deputirten der Stände zu gestatten. Um seine politische Thätigkeit unbehinderter als bisher fortsetzen zu können, nahm er seinen Abschied als Advocat, den er am 3. December 1847 empfing. Durch Unterstützung aus Deutschland und der Heimath ward er zugleich in die Lage versetzt, in völliger Unabhängigkeit zu leben. Mittlerweile hatte die Empfindung [475] von der drohenden Nähe hereinbrechenden Unheils die Führer der beiden Ständeversammlungen zu einem bedeutsamen Schritte gedrängt. Wollten sie weitere Uebergriffe, ja Vergewaltigung abwehren, so mußten sie sich über geeignete Maßnahmen verständigen, die im äußersten Falle zur Anwendung gelangen sollten. Im Spätherbst des Jahres 1847, wahrscheinlich Ende October, erschien Graf Reventlou in Schleswig; im Hause Beseler’s, auf dem sogenannten Herrenstall, fand die entscheidende Berathung zwischen beiden Männern statt. Hinzugezogen ward zuletzt auf Beseler’s Vorschlag allein der damalige Rittmeister v. Fürsen-Bachmann (1894 als Oberst a. D. in Schleswig gestorben). Aus den Mittheilungen, die mir über die Besprechung geworden sind, hebe ich nur hervor, daß die Besetzung Rendsburgs, des festen Waffenplatzes in den Herzogthümern, als die erste Bedingung eines erfolgreichen Widerstandes gegen Vergewaltigung betrachtet und die Proclamirung einer provisorischen Regierung eventuell als nothwendig bezeichnet ward. Die Durchführung dieser Maßregel kam rascher, als beide Männer erwarten konnten; der plötzliche Tod Christian’s VIII. (20. Januar 1848), der Ausbruch der französischen Revolution und insbesondere die revolutionäre Bewegung in Kopenhagen, Ereignisse, die nicht vorauszusehen waren, beschleunigten in überraschender Weise die Entscheidung.

Auf einer Versammlung in Kiel (17. Febr. 1848) sprach sich B. dagegen aus, die Wahl von „erfahrenen Männern“ vorzunehmen, die in Kopenhagen einen von König Friedrich VII. vorgelegten, schon von seinem Vater entworfenen Verfassungsentwurf prüfen sollten. Als am 18. März 1848 70 Mitglieder beider Ständeversammlungen ohne landesherrliche Berufung, aber mit sozusagen nachträglicher Erlaubniß der Regierung zu Rendsburg unter Beseler’s Vorsitz zusammentraten und fünf erfahrene Männer unter Widerspruch Reventlou’s nach Kopenhagen gesandt wurden, um dem Landesherrn die formulirten Wünsche seiner deutschen Unterthanen vorzulegen, wurde B. zugleich mit Reventlou und Bargum beauftragt, die Versammlung ständischer Mitglieder im Falle, daß die politische Lage es nöthig machte, von neuem zu berufen. Die Ereignisse überstürzten sich fortan. Am Morgen des 23. März erfuhr B. in Schleswig durch den Hardesvogt Jakobsen die aufrührerischen Vorgänge in Kopenhagen vom 21. März; er eilte sofort nach Kiel, und hier trat dann in der Nacht vom 23. auf den 24. März die provisorische Regierung ins Leben. Mit Reventlou war B. auch darin einverstanden, daß das Wort von dem „unfreien Landesherrn“, wie es die berühmte Proclamation vom 24. März aussprach, durch die Lage gerechtfertigt werde. Es galt mit den Rechten und Freiheiten der Herzogthümer auch die ihres königlichen Herzogs gegen die Dänen zu vertheidigen, einerseits die alten Landesrechte gegen das Eiderdänenthum zu schützen, andrerseits die schleswig-holsteinische Frage rein zu halten von allen überstürzenden Bestrebungen, die eine völlige Trennung von Dänemark zum Ziele nehmen mußte. Demgemäß hat B. auch die Sachlage mit den Worten, die er nach Besetzung Rendsburgs an den Hardesvogt Jakobsen richtete, durchaus richtig bezeichnet: „Wenn wir nicht die Legitimität aufrechterhalten hätten, wären wir innerhalb drei Tagen landflüchtig in Hamburg gewesen“.

Die provisorische Regierung, deren Präsident B. war, war nur von siebenmonatlicher Dauer. Aus seiner Thätigkeit während derselben heben wir hervor, wie er infolge des unerwarteten Rückzugs Wrangel’s aus Jütland (21. Mai) in das deutsche Hauptquartier eilte, ohne doch etwas anderes als bedeutungslose Zusicherungen zu erhalten; wie er dann nach Rückkehr des Grafen Reventlou aus Berlin sich nach Frankfurt begab, um dort persönlich das Wiedervorrücken der Armee zu betreiben. Am 8. Juli eilte er wieder in das Hauptquartier Wrangel’s, um genaueres über den Stand der Waffenstillstandsunterhandlungen [476] zu erfahren. Hier, wo man vor allem an den militärischen Bestimmungen des Malmöer Entwurfs Anstoß nahm, fand er mit seinem Begleiter Schleiden freundliche Aufnahme. Die Bedenken des Generals wurden noch verstärkt, als B. ihn daran erinnerte, daß er nicht bloß preußischer General, sondern zugleich Bundesfeldherr sei und als solcher ohne den Vorbehalt der Genehmigung des soeben gewählten Reichsverwesers unmöglich abschließen könne. Am 27. Juli war er wieder in Frankfurt, um so viel wie möglich der Mißstimmung zwischen Preußen und der Centralgewalt entgegenzuwirken. Vergeblich waren alle Bemühungen, die Bedingungen des Malmöer Vertrags (26. August) zu verbessern. Am 19. October 1848 erschien B. Namens der provisorischen Regierung in der Mitte der Landesversammlung, um den Bestimmungen des Malmöer Waffenstillstands gemäß ihr Amt in die Hände einer neuen „gemeinsamen Regierung“ niederzulegen und zugleich, die Summe ihrer Thätigkeit ziehend, ihr Verhalten mitten unter den Kriegsläuften vor Land und Volk zu rechtfertigen; er durfte hinzeigen auf die Ruhe und Ordnung, die im Lande geherrscht; wol mochte er Klage führen über den geringen Einfluß der provisorischen Regierung auf den Gang der europäischen Verhältnisse, nachdem die schleswig-holsteinsche Frage einmal eine europäische geworden; aber er konnte doch auf die Achtung hinweisen, die sich die Regierung in allen Stürmen durch ihre Haltung erworben; er durfte von der weisen Mäßigung zeugen, welche die Versammlung von Anfang an an den Tag gelegt, die Einigkeit zwischen Regierung und Landesvertretung rühmen selbst in bösen Tagen, wo man fürchten mußte, von Leidenschaften auseinandergerissen zu werden. Am 22. October trat B. mit den übrigen Mitgliedern der provisorischen Regierung ins Privatleben zurück. Mittlerweile war er am 1. October 1848 von Rendsburg zum Mitgliede der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt gewählt. Am 16. November reiste er dorthin ab. Prophetisch schrieb er damals an einen Freund: „Eine große, schwere Zeit liegt hinter uns; es scheint aber, als wenn das Schwerste noch kommen werde“. In Frankfurt zeichnete man ihn schon nach wenigen Tagen durch die Wahl zum Vicepräsidenten aus. Wenn es ihm auch nicht gelang hervorragenden Einfluß auf die Versammlung zu gewinnen, so wurde er doch infolge der Kündigung des Waffenstillstandes seitens Dänemarks (26. März 1849) von der deutschen Centralgewalt mit Reventlou zum Statthalter der Herzogthümer bestellt, mit der Verpflichtung unter Vorbehalt der Rechte des Landesherrn im Namen der Reichsgewalt nach den Bestimmungen des in thatsächlicher Geltung stehenden Staatsgrundgesetzes die Regierung bis zum Schlusse des Friedens zu führen. Es war zu gleicher Zeit die Bestimmung getroffen. daß beide Statthalter sich über ein drittes Mitglied einigen sollten unter der Voraussetzung, daß die Landesversammlung ihr Einverständniß erkläre; indeß konnte infolge verschiedener politischer und persönlicher Anschauungen unter ihnen keine Einigkeit erzielt werden. Während ihrer Amtsführung trat der Einfluß Beseler’s gegen Reventlou, der die diplomatischen Angelegenheiten leitete, mehr und mehr zurück; wenn sie auch darin einig blieben, unbeirrt den Standpunkt der Proclamation vom 24. März 1848 festzuhalten und die Personalunion mit Dänemark nicht zu beseitigen, so trat doch gegen Schluß ihrer Amtsführung in ihren Anschauungen, insbesondere inbezug auf die Kriegsführung, mehr und mehr ein Gegensatz zu Tage. Nicht bloß nach dem Frieden von Berlin (2. Juli 1850), der der Statthalterschaft die Aufgabe überließ, den tödtlichen Kampf mit Dänemark mit den eignen Kräften des Landes auszufechten, hat B. sich, freilich vergeblich, bemüht durch sein Erscheinen im Hauptquartier (15. Juli) das Austreten der preußischen Officiere aus der schleswig-holsteinschen Armee zu verhindern; auch nach der Schlacht bei Idstedt im Verein mit Reventlou seine [477] ganze Kraft daran gesetzt, dem drohenden Ungewitter, das infolge des Tages von Olmütz (28. November 1850) über Schleswig-Holstein hereinbrechen sollte, durch einen neuen Schlag zuvorzukommen und so dem Rechte mit den Waffen die versagte Anerkennung zu verschaffen. Wir heben dies hervor, weil die zunächst bedrohten und darum besonders aufgeregten Südschleswiger früher laut darüber geklagt hatten, daß B., der doch selbst ein Schleswiger sei, nicht energisch genug für den sofortigen thätigen Widerstand eintrete; es war zeitweilig von Demonstration gegen ihn die Rede gewesen. Bezeichnend ist insbesondere sein Verhalten, als die Statthalterschaft am 6. Januar 1851 den Forderungen der österreichischen und preußischen Commissare, den Generalen v. Mensdorff und v. Thümen gegenüberstand; sie stellten für die Unterwerfung eine dreitägige Frist bis zum 9. Januar 2 Uhr Nachmittags, die jedoch später bis zum 11. Nachmittags 2 Uhr verlängert ward, forderten Einstellung der Feindseligkeiten, Rückzug des Heeres hinter die Eider, Entlassung desselben bis auf ein Drittel der Stärke und Auflösung der Landesversammlung; im Fall der Weigerung ward mit dem Einrücken einer preußisch-österreichischen Executionsarmee gedroht. Die alles entscheidende Frage war, wie das Heer sich stellen werde. B. begab sich mit Reventlou am 8. Januar nach Rendsburg, wo ein Kriegsrath zusammenberufen war. Die Officiere, General v. d. Horst an der Spitze, erklärten einen erfolgreichen Widerstand gegen die Dänen und ein von Süden sich näherndes Heer für nicht mehr möglich; viele ihrer Kameraden würden sich weigern, gegen ihre deutschen Landsleute zu fechten. Noch an demselben Tage kehrten B. und Reventlou nach Kiel zurück, um das Gutachten der Officiere dem Staatsrath vorzulegen. Die Mehrheit entschied sich für Unterwerfung. Die Statthalter waren uneinig; Reventlou stand auf Seiten der Mehrheit; B. forderte eine schleunige Geldbewilligung zur energischen Fortführung des Kampfes. So traten sie am 9. Januar vor die Landesversammlung, um mündlich ihre verschiedenen Ansichten dazulegen, B. übergab außerdem ein schriftliches Gutachten; er stützte sich auf die mangelhafte Legitimation der Commissäre, die als Bevollmächtigte Deutschlands nicht zu betrachten seien; für die Erfüllung ihrer Versprechungen fehle jede Gewähr; er hob die günstigen Aussichten hervor, welche die politische Lage für die Fortsetzung des Kampfes noch in diesem Augenblicke böte, sowie die unabsehbaren traurigen Folgen, welche die Unterwerfung unter die Forderungen der Commissäre mit sich bringen würde; das Recht, für das die Herzogthümer sich erhoben, könne, wenn man in ehrenvollem Kampfe unterliege, wol für einige Zeit unterdrückt, aber niemals vernichtet werden. Das Land sei nach göttlichen und menschlichen Rechten verpflichtet, auch angesichts einer drohenden Vernichtung Widerstand zu leisten. B. hoffte noch durch einen kühnen energischen Entschluß eine vollständige Umwälzung der ganzen politischen Lage herbeiführen zu können; dann aber mußte nicht nur die Regierung, sondern das ganze Volk in seiner Vertretung einig sein, um alles zu wagen für das höchste Gut der Unabhängigkeit. Zu einer solchen Einmüthigkeit war aber keine Aussicht mehr: nach ergreifenden Verhandlungen, die bis in den frühen Morgen des 11. Februar dauerten, ergab die Versammlung mit 47 gegen 28 Stimmen sich und zugleich das Land in das unabwendbare Geschick. Die Entscheidung der Landesvertretung ließ B. keine Wahl; er legte noch am selben Tage sein Amt nieder und verließ Kiel. Wol hat man ihn deswegen getadelt; man sagte, er habe seine persönliche Ansicht den Beschlüssen der Versammlung unterordnen müssen, sein unglückliches Vaterland nicht im letzten Augenblick verlassen dürfen; aber das allerdringendste Erforderniß in diesen Tagen, dem er sich fügen mußte, war die Einigkeit der Regierung in den Verhandlungen mit den Bundesbevollmächtigten, und die Annahme [478] ist nicht unberechtigt, daß Reventlou nicht anders gehandelt hätte, falls die Entscheidung gegen ihn ausgefallen wäre.

So verließ B. das Land, verfolgt von den Verleumdungen eines preußischen Ministers, der ihn noch in Altona an der Spitze einer unfindbaren demokratisch-revolutionären Partei die Fahne der Empörung erheben sah, als er ruhig mit seiner Familie schon in Braunschweig weilte, wohin ihn der Herzog ausdrücklich eingeladen hatte. Nachdem dann am 1. Februar 1851 die Regierungsgewalt von den Commissaren übernommen und in der Folge Dänemark wieder übergeben war, erfolgte im Mai desselben Jahres Beseler’s Landesverweisung, die noch im März 1852 ausdrücklich wiederholt ward. Er lebte mehrere Jahre, von dortigen Freunden unterstützt, in Braunschweig, dann seit 1858 in Heidelberg in ziemlich beschränkten Verhältnissen; vielfach litterarisch thätig, ist er auch in der Verbannung der Rechtsanwalt Schleswig-Holsteins geblieben. Er theilte den „Proceß Gervinus“ und die „Verhandlungen vor dem Oberhofgericht zu Mannheim“ mit (Braunschweig 1853), schrieb „Zur Schleswig-Holsteinschen Sache im August 1856“ (Braunschweig 1856), „Zur Skandinavischen Frage und zur Schleswig-Holsteinischen Sache im Juli 1857“ (Braunschweig 1857), „Die Verfassungsfrage in der Holsteinischen Ständeversammlung“ (Braunschweig 1859), „Das deutsche Interesse in der Italienischen Frage“ (Leipzig 1859), „Das deutsche Verfassungswerk nach dem Kriege“ (Leipzig 1859), „Mahnruf an das deutsche Volk“ (Leipzig 1860), „Zur österreichischen Frage“ (Leipzig 1860) und übersetzte Macaulay’s Geschichte von England (Braunschweig 1860).

Eine Wendung in seinem Leben trat im J. 1860 ein, wo ihn der König Wilhelm I. unter dem 8. December zum Curator der Universität Bonn und zum Wirkl. Geh. Rath mit dem Prädicat Excellenz ernannte. Wenn auch Conflicte nicht ausblieben, so hat er hier doch bis an seinen Tod eine ihn befriedigende und zugleich segensreiche Wirksamkeit entfaltet und mit der Befreiung seines engeren Vaterlandes auch die Bitterkeit vergessen können, die die Kämpfe des Jahres 1850 und sein Scheiden aus der Heimath in ihm hinterlassen hatten. Auch hat er den Grafen Reventlou noch einmal im Leben wiedergesehen. Um das Jahr 1870 hat Reventlou bei einem Besuche in Bonn ihm die Hand gereicht; sie haben sich über die alten Zeiten und ihren letzten Conflict in längerer Unterredung ausgesprochen und sind in Frieden von einander geschieden. Am 20. Mai 1871 von der juristischen Facultät in Bonn zum Dr. juris ernannt, von dem Könige mit Orden ausgezeichnet, feierte er am 25. Octobet 1883 im Kreise seiner Familie die goldene Hochzeit. Er starb zehn Jahre nach Reventlou’s Tode in Bonn am 2. September 1884; seine Leiche ist an der Seite seiner Eltern in Mildstedt in friesischer Erde beigesetzt, deren freiheitsliebender Wahlspruch auch der seine gewesen war. Das ihm und Reventlou zu Ehren in der Stadt Schleswig 1891 errichtete Landesdenkmal bewahrt sein Andenken in der alten Heimath.

Aus seiner früheren politischen Thätigkeit in den Herzogthümern stammen einige seiner Schriften, die für die Beurtheilung seiner Persönlichkeit nicht ohne Bedeutung sind, wie die „Vertheidigungsschrift des Obergerichtsadvokaten Beseler“ in „Die Neumünstersche Volksversammlung vor den Schranken des Gerichts; Anklage und Vertheidigung des Obergerichtsadvokaten Beseler in Schleswig“ (Lübeck 1847), ferner: „Bemerkungen zu den Erklärungen des Herrn Kammerherm v. Scheel“ (Kieler Corresp.-Bl. 1845, Nr. 23), und die Flugschrift: „Was die Schleswig-Holsteiner ohne Verzug zu thun haben“ (Bremen 1848). Ueber seine spätere politische Wirksamkeit in Schleswig-Holstein, besonders aus den Jahren 1848–51, hat er nichts bekannt gemacht; seine Papiere sind laut [479] testamentarischer Bestimmung unter Siegel gelegt und harren voraussichtlich noch lange der Veröffentlichung.

Außer mancherlei Privatmittheilungen sind benutzt: Die Herzogthümer Schlesw.-Holst. und d. Königr. Dänemark. Aktenmäßige Geschichte d. dän. Politik seit dem Jahre 1806 (von Droysen u. Samwer). Hamburg 1850. – Die Protokolle d. Verhandlungen d. schlesw. Stände (1844–47) und d. Landesversammlung (1848–51). – Aktenstücke z. neuesten schlesw.-holstein. Geschichte. 3 Hefte. Leipzig 1852; anonym v. d. früheren schlesw.-holstein. Staatssekretär, dem Justizr. Schleiden, herausgegeben. – O. Fock, Schlesw.-Holsteinische Erinnerungen. Leipzig 1863. – E. Alberti, Lex. d. Schlesw.-Holst.-Lauenb. Schriftsteller von 1829 bis Mitte 1866. Kiel 1867; ferner von 1866–1882. – A. Sach, Graf Friedrich v. Reventlou und Wilhelm Hartwig Beseler. Ein Vortrag. Schleswig 1886. – Rudolph Schleiden, Erinnerungen eines Schleswig-Holsteiners. Neue Folge 1841–1848; 1848–1849 und 1849–1850. Wiesbaden 1890–1894.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Graf Karl v. Moltke, Sohn von Graf Adam Gottlob v. Moltke