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Artikel „Knebel, Karl Ludwig von“ von Jakob Minor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 275–278, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Knebel,_Karl_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 13:54 Uhr UTC)
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Knebel: Karl Ludwig v. K., ist mehr durch seine Stellung am Weimaraner Musenhofe, als durch seine eigenen Dichtungen und höchst verdienstlichen [276] Uebersetzungen lateinischer Dichter bekannt geworden. Er gehörte einer aus den Niederlanden nach Schwaben eingewanderten Familie an und wurde am 30. Novbr. 1744 auf dem Schlosse Wallerstein im Oettingenschen geboren. Als Comitialgesandter des markgräflich ansbachischen Hofes ging Knebel’s Vater mit seiner Familie bald darauf zu dem Reichstage nach Regensburg und wurde 8 Jahre später als Geheimrath in das Ministerialcollegium zu Ansbach versetzt, wo Karl Ludwig den Dichter Uz kennen lernte. Ostern 1764 ging der junge K. nach Halle, um wider seinen Willen Jurisprudenz zu studiren. Aber weder Halle noch das Collegienlaufen wollten ihm gefallen; Bekanntschaften hinderten ihn am Studium und vertheuerten ihm das Leben. Er wollte seinem Vater, der noch für fünf andere Kinder zu sorgen hatte, nicht zur Last fallen und ging auf Empfehlung eines jüngeren Bruders Anfang 1765 nach Potsdam, um die militärische Carriere einzuschlagen. Wirklich wurde er im Regimente des Prinzen von Preußen bald zum Offizier befördert. Während ein Decennium vorher Ewald v. Kleist im Kreise seiner Collegen keine Theilnahme für seine Dichtung hatte finden können, bildete sich jetzt um K. ein Kreis von Offizieren, welche die Muße des Friedens zu poetischer Thätigkeit und schriftstellerischen Bestrebungen verwendeten. In Berlin lernte K. auf wiederholten Besuchen Ramler, die Karschin, Mendelssohn und Nicolai kennen; auch mit Boie trat er in Verbindung und lieferte in dessen Musenalmanach seine ersten Gedichte. Des Militärdienstes im Frieden müde, verließ K. September 1773 Potsdam. Mit einer Empfehlung des Kronprinzen von Preußen an die Herzogin Amalie besuchte er auf der Rückreise in seine Heimath, hauptsächlich um Wieland kennen zu lernen, den Hof von Weimar. Dort suchte man eben nach einem passenden Gouverneur für den jüngeren Prinzen Constantin, der seinen Zögling auch zugleich auf den für ihn gewählten militärischen Beruf vorbereiten könnte. K. schien die geeignetste Persönlichkeit; als er nach 14 Tagen nach Nürnberg weiter gereist war, wo sein Vater als Kreisgesandter weilte, erhielt er wiederholte Einladungen als Erzieher des Prinzen Constantin nach Weimar zu kommen. Nachdem die Intriguen der Hofpartei (hauptsächlich des Grafen Görz Bd. IX S. 393) beseitigt waren, traf K. im Juli 1774 in Weimar ein und übernahm unter dem Titel eines Hauptmanns die Erziehung des Prinzen. Schon im December desselben Jahres begleitete er beide Prinzen, den nachmaligen Herzog Karl August von Weimar und seinen Zögling, auf einer Reise nach Paris, wo er in Frankfurt die Bekanntschaft mit Goethe vermittelte (vgl. Goethe’s Dichtung und Wahrheit, XV. Buch). Nach der Rückkehr zog er sich mit dem Prinzen Constantin nach Tiefurt bei Weimar zurück und leitete hier durch 3 Jahre die Ausbildung des Prinzen. Als dieser dann auf Reisen ging, wurde K. mit Gehalt und Titel eines Majors pensionirt. Von einer Reise in die Schweiz, welche er 1780 unternahm, haben sich interessante Berichte an den Herzog Karl August erhalten. In den folgenden Jahren lebte K. abwechselnd in seiner Heimath Ansbach oder in Jena, nur selten und ungern in Weimar. Beschäftigung mit den Naturwissenschaften, für welche er durch Goethe gewonnen war, besonders aber mit schöner Litteratur, füllten seine Zeit und Muße aus. Im J. 1798 verheirathete er sich mit Luise v. Rudorf, einer geborenen Berlinerin, welche als Kammersängerin am weimarischen Hofe sehr beliebt war und Knebeln schon ein Jahr früher einen Sohn geboren hatte. Das Verhältniß darf in mancher Hinsicht mit Goethe’s Liebe zur Vulpius in Parallele gebracht werden; wenigstens äußert K. 8 Tage nach seiner Hochzeit gerade gegen Goethe, daß er ein zartes gutes Gefühl und einen guten Sinn bei einem Weibe immer für das angesehen habe, was zum Glück eines Mannes durch sie hinlänglich sei, und daß er das eigentlich Moralische der weiblichen Natur ganz absprechen möchte. Auch an Differenzen scheint es dieser Ehe, [277] welche von Knebel’s Verwandten als Mesalliance betrachtet, von der Herzogin Amalie aber befördert wurde, nicht gefehlt zu haben. Jetzt nahm K. bis zum J. 1805 seinen beständigen Aufenthalt im sogenannten Paradiese bei Ilmenau. 1805 zog er nach Jena zurück. K. hat, als der älteste von Goethe’s Freunden, Goethe noch überlebt, und starb als der letzte aus dem Kreise derer, welche die Glanzzeit des Weimaraner Musenhofes mit durchlebt hatten, am 23. Febr. 1834. Seine Gattin folgte ihm am 4. Januar 1852. K. hat sich frühzeitig als Dichter versucht und bis in seine letzten Jahre hinein als Dilettant gedichtet und geschriftstellert. Eine mehr genießende und anempfindende, als produktive Natur, hat er es nie über den Dilettantismus hinausgebracht. Seine Gedichte erschienen in verschiedenen Musenalmanachen; 1815 gab er eine „Sammlung kleiner Gedichte“ bei Göschen in Leipzig heraus; die Herausgeber seines Nachlasses theilen andere aus den Handschriften mit. Am besten gelangen ihm ohne Zweifel Dichtungen im elegischen Versmaß, wobei er deutlich das Muster der Goethe’sche Elegien (z. B. Euphrosyne) und der Schiller’schen Ideendichtungen vor Augen hat. Eine begrenzte, dabei wenig originelle Gedankenwelt spricht sich hier in korrekter, geglätteter, zwangloser Form aus. Nach dem Beispiele der Goethe’schen Oden dichtet er auch, mit wenigem Erfolg, in freien Silbenmaßen; gänzlich versagt ist seinem Gehöre die Musik des Reimes geblieben, was seine strophischen Dichtungen entstellt. Auch das Epigramm hat er nach dem Muster der Schiller-Goethe’schen Distichen mit Erfolg gepflegt; Wilhelm Schlegel lobt an ihnen die Einfachheit und Wahrheit des Gedankens. Eine Reihe solcher Gnomen und Distichen hat K. 1826 unter dem Titel: „Lebensblüthen“ (erster Theil; ein zweiter ist nicht erschienen) in Jena herausgegeben; die Herausgeber des Nachlasses haben auch diese Sammlung vermehrt. Bedeutender als in seinen eigenen Productionen ist K. als Uebersetzer. Schon frühzeitig hat er sich mit Uebersetzungen aus alten und modernen Dichtern beschäftigt. Unermüdlich, wie er seine eigenen Dichtungen zu korrigiren und ins Reine zu schreiben pflegte, war er auch in Umarbeitung seiner Uebersetzungen. Er war der erste metrische Uebersetzer des Properz. Eine prosaische Uebersetzung, welche er früher fertig gemacht hatte, genügte ihm nach dem Erscheinen von Goethe’s römischen Elegien in Schiller’s Horen nicht mehr. Er nimmt sich die Goethe’schen Distichen zum Muster und liefert noch in den Horen 1796 (I., III., IX., XI. Stück) Proben einer metrischen Uebersetzung des Properz, welche von Goethe überarbeitet und von Herder und Schiller vor dem Drucke bekrittelt wurde (vgl. Briefe Schiller’s und Goethe’s an A. W. Schlegel, S. 8; Schnorr, Archiv für Litteraturgesch., VIII. 116 ff.). 1798 erschien dann die Uebersetzung des Properz bei Göschen in Leipzig, worin die aus den Horen aufgenommenen Elegien wieder vollständig umgearbeitet waren und eine reichere Auswahl aus Properz geliefert wurde (vgl. die eingehende Recension von A. W. Schlegel in dessen sämmtlichen Werken, XI. 337 ff.). K. ist kein Uebersetzer in der Art Vossens oder A. W. Schlegel’s: er bereichert nicht die Sprache oder die Metrik der Deutschen, indem er sich an ein fremdes Muster anschließt. Er hält die Freiheiten, welche sich die Klassiker mit dem Hexameter und Pentameter erlaubt hatten, aufrecht und bleibt auch in allem, was die Sprache betrifft, innerhalb der Grenzen des geltenden Sprachgebrauches. Aber gerade deshalb wird seine Uebersetzung auch niemals oder nur selten hart und steif; sie gibt uns vielleicht mehr den Charakter des deutschen Properz (Goethe), als den des lateinischen wieder, aber sie liest sich darum nur um so besser. Eine Lebensaufgabe Knebel’s war auch die Uebersetzung des Lukrez, welche er früh begann und erst 1821 (bei Göschen in Leipzig) drucken ließ (zweite Auflage 1831). Von seinen sonstigen Uebersetzungen und Uebersetzungsversuchen, welche sich über die antike und moderne [278] Litteratur von Pindar bis Lord Byron erstreckten, ist nur die Uebersetzung von Alfieris Saul (Ilmenau 1829) gedruckt worden. Aus Knebel’s Nachlasse sind uns die reichhaltigsten Mittheilungen über die Blüthezeit des Weimaraner Musenhofes gemacht worden. Zuerst erschien: K. L. v. Knebel’s litterarischer Nachlaß und Briefwechsel; herausgegeben von K. A. Varnhagen von Ense und Th. Mundt, 3 Bde., Leipzig 1840. Darauf folgte: Briefwechsel zwischen Goethe und K. (1774–1832), 2 Thle., Leipzig 1851[WS 1] (herausgegeben von Guhrauer). Endlich drei Publicationen von Düntzer: Briefe von Schiller’s Gattin an einen vertrauten Freund, Leipzig 1856; Aus Karl Ludwig v. Knebel’s Briefwechsel mit seiner Schwester Henriette (1774–1813). Ein Beitrag zur deutschen Hof- und Litteraturgeschichte, Jena 1858; Zur deutschen Litteratur und Geschichte. Ungedruckte Briefe aus Knebel’s Nachlaß, 2 Bde., Nürnberg 1858. Briefe Knebel’s finden sich in verschiedenen Sammlungen zerstreut, besonders in den von Wagner aus Merck’s Nachlasse herausgegebenen Briefsammlungen; ein für die Goetheforschung wichtiger Brief Knebel’s an Bertuch vom 23. Decbr. 1774 ist in der Deutschen Rundschau von Rodenberg, 1877, September, S. 517–20, abgedruckt.

Knebel’s Nekrolog von Lina Reinhard im Neuen Nekrolog d. Deutschen, XII. 156 ff. – Die Einleitung von Mundt zum Nachlasse (s. oben). – Düntzer in den Freundesbildern aus Goethe’s Leben. Studien zum Leben des Dichters. Zweite wohlfeile Ausgabe. Leipzig, Dyk’sche Buchhandlung, o. J., S. 414–623. – Ueber Knebel’s Anstellung in Weimar vgl. Karl Frhr. v. Beaulieu-Marconnay: Anna Amalie, Karl August und der Minister v. Fritsch, Beitrag zur deutschen Kultur- u. Litteraturgeschichte d. 18. Jahrhunderts, Weimar 1874, S. 109–140. – Knebel’s Kalender mit Tagesnotizen von 1780–1834 ist derzeit im Besitze des Geheimraths Dr. Gustav v. Loeper in Berlin, der das Manuscript den Erben von Knebel’s Sohne käuflich aberworben hat. Derselbe ist zur Controllirung synchronistischer Daten wiederholt benutzt worden; besonders von v. Loeper selbst in seinen Commentaren zu Goethe’schen Schriften, von Düntzer (besonders in dem Artikel: Zur Kritik und Erklärung von Goethe’s Tagebuch. Archiv f. Litt.gesch. V), von Burkhardt (Das herzogl. Liebhabertheater. Grenzboten 1873, Nr. 27, S. 15), und neuestens von Arndt (Jeri u. Bätely in der ursprünglichen Gestalt zum ersten Male herausgegeben, Leipzig 1881). (Nach gefälligen Mittheilungen von Loepers.)


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1857