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Artikel „Uz, Johann Peter“ von Erich Schmidt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 443–449, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Uz,_Johann_Peter&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 01:15 Uhr UTC)
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Band 39 (1895), S. 443–449 (Quelle).
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Uz: Johann Peter U., Dichter, am 3. October 1720 als Sohn eines früh verstorbenen Goldschmieds in Ansbach geboren, besuchte das heimische Gymnasium und verrieth außer anderen künstlerischen Neigungen, wie er denn zeitlebens ein Musikfreund blieb, früh Talent zur Dichtung, das sich von 1739 auf der Universität Halle, wo U. Jura und schöne Wissenschaften studirte, reicher entfaltete. Im Buchladen einer Bodmer’schen Schrift nachfragend, machte er Gleim’s Bekanntschaft [444] und schloß mit diesem munteren anakreontischen Preußen, dem Pfälzer Götz, dem Danziger Rudnik einen Bund, wie früher in Halle Pyra und Lange sich zu reimloser, „erhabener“ Poeterei vereinigt hatten. Rudnik starb, Gleim zog im August 1741 nach Berlin, im September des nächsten Jahres ging Götz ab, Ostern 1743 kehrte U. in sein Onolzbach heim, das er auch später, trotz Gleim’s Wünschen, nicht mit der preußischen Hauptstadt vertauschte. Die Mutter und zwei Schwestern theilten sein zufriedenes, kleinstädtisches Stillleben; reichliche, auch auf französische, englische, italienische Werke ausgedehnte Lectüre und heiterer Verkehr bei Wein und Rauchtabak füllten seine Muße aus, so weit sie nicht eigenem dichterischen Schaffen gehörte. In dem Ländchen, dessen Fürst Geld genug für gewisse Demoisellen übrig hatte, wurde U. 1748 unbesoldeter Justizsecretär. Was ihn 1751, in der Zeit einer Spannung mit Gleim, nach Braunschweig u. s. w. führte, ist unbekannt (Sauer, Kleist II, 199). Ein alter Rechtshandel der coburgischen und meiningischen Herzoge über das Amt Römhild zog 1752 auch ihn als Commissar dorthin. Die liebliche Landschaft beglückte den Menschen und begeisterte den Dichter; in dem Advocaten Grötzner gewann er einen gleichgestimmten Herzensfreund, zu dem nach etwa anderthalbjährigem Beisammensein viele liebenswürdige, joviale und gescheite Briefe wanderten. Auch Frl. Grötzner ward ihm theuer, doch um sie, von der er erst scheidend einen Kuß erbat und deren Hochzeit mit dem Coburger Gruner er warm begrüßt, zu werben oder gar in unerwiderter Liebe zu schmachten, lag dem behaglichen Junggesellen fern, der auch in Ansbach eine „Chloe“ ohne tiefere Anfechtung besang, ja erst lange nach ihrer Verheirathung ansprach. Mit der litterarischen Welt hielten ihn Correspondenten, wie Gleim, Kleist (der ihn 1753 in A. verfehlte), dann Weiße, in Verbindung. Der jähe Tod seines jungen Freundes v. Cronegk, dessen Andenken er durch Verse und eine Ausgabe feierte, war für ihn ein großer Verlust. Lessing schätzte ihn früh und schützte ihn gern, als der friedfertige, wackere Mann sinnlicher Spiele wegen verfolgt wurde. Er hatte das Aufsteigen des Berliner Criticus von Anfang an klug beobachtet, während er Klopstock’s und seiner Genossen Wege nicht einschlagen konnte. Daß der noch dazu so früh Isolirte der Gefühlsreaction und Geniezeit, sowie den Gaben Goethe’s und Schiller’s fremd gegenüberstand, ist begreiflich; aber er blieb ruhig, wenn Weiße’s Feigheit insgeheim schimpfte und hetzte. Thümmel, dessen „Wilhelmine“ er mit triftigen Besserungsvorschlägen versah, und Wieland nach dem „famosen Descensus“ aus dem gewaltsamen Platonismus waren ihm die letzten Nachbildner der sogenannten schönen Natur. Viel bescheidener und kritischer als Gleim nahm U. die rechte Zeit abzutreten wahr. Die spärlichen Besucher, 1791 auch Goethe’s Zögling Fritz v. Stein, fanden einen heiteren, gefälligen Mann, der nach dem Tode seiner greisen Mutter (1779) und der einen Schwester mit der andern in stillem Frieden hauste, sich mit Blumen umgab und gern an Musik erlabte. Auf äußere Ehren gab er wenig. Alle Gunstbuhlerei blieb ihm fremd. Wo Neukirch einst den Hofpoeten gemacht, ließ sich U. nur ein paar Gelegenheitscarmina und eilige Opernverslein für die verhaßte Lady Craven abringen: „Meine Muße ist nicht gewohnt, sich vor durchlauchtigen Ohren hören zu lassen.“ Er wollte lieber kaiserlicher Landgerichtsassessor (seit 1763) als Herr Rath heißen, und verbat sich auch 1790 als Director den Geheimrathscharakter von Seiten des spät auf Uzens litterarischen Ruhm hingewiesenen Markgrafen. Das Patent als Geh. Justizrath der neuen preußischen Regierung erreichte ihn kurz vor seinem Tode. Er erlag am 12. Mai 1796 den Folgen eines Schlagflusses. Der Erwähnung des „Uzischen Denkmals“, das Onolzbach zeige, läßt Platen in der „Verhängnißvollen Gabel“ die Verse folgen:

[445] In demselbigen Jahr, als Uz wegstarb, und zwar im erfreulichen Weinmond,
Ward dort überdies noch ein zweiter Poet höchst würdigen Eltern geboren;
Doch löst er dem Uz sein Schuhband kaum und war ein geringer Ersatz bloß.

Mit gesuchter Bescheidenheit huldigte so der junge Ansbacher Odenmeister dem alten.

Rückblickend sagt U., in der Blüthezeit Hagedorn’s, Gellert’s, Gleim’s sei auch er erweckt worden „mit zu scherzen, mit Schalkheit in dem Mund und Unschuld in dem Herzen“. Aber er war und blieb kein bloßer Anakreontiker, sondern begehrte mehr als „Lieder, die mein Chaulieu sang“, obwohl er den Bereich der Lyrik und der Epopöe nicht überschritt und sein Anlauf zum Trauerspiel nur durch ein Gleim’sches Gerücht (Briefe der Schweizer S. 53, April 1747) bezeugt ist. Er schwor Hagedorn die Treue im Sinn heitrer Lebensweisheit und eines andächtigen Classicismus: „Die schreiben schön, die gleich den Alten schreiben“. Nach schülerhaften Anfängen daheim unternahm er in Halle einen Commentar der Anacreontea und mit Götz eine gemeinsame Uebersetzung, welche dieser 1746 herausgab: „Die Oden Anakreons in reimlosen Versen“, abscheulich gedruckt, ohne Revision, „stammelnd und höckerig“, zum Aerger Uzens, den auch eine reuige Selbstkritik des Hauptautors nicht versöhnen konnte. Er hatte ihm für die Hälfte der Nummern Hülfe geliehen, das Ganze durchgesehen, drei Lieder allein verdeutscht (Schüddekopf, Götz-Briefe S. 7), aber keine solche unreife Publication vorgesehen, wie er denn auch später, da das Band zerrissen blieb, der neuen Auflage seine sonst so unermüdliche Feile nicht zuwandte. Dieses Streben nach sauberer Form, gemäß dem Stilgesetz: polissez-le sans cesse et le repolissez, läßt Ramler’s gewaltthätige, in Klotzens Deutscher Bibliothek gerügte, von U. mißachtete Eingriffe (Lieder der Deutschen 1766) um so unnützer erscheinen.

Seine erste Sammlung „Lyrischer Gedichte“ brachte Gleim 1749 saumselig ans Licht. 1754 erschien die zweite Ausgabe, vermehrt um zwei Bücher und die Briefe; „Der Sieg des Liebsgottes“ war 1753 zunächst allein ausgegangen, wie 1760 „Die Kunst stets fröhlich zu sein“. 1768 (wiederholt 1772) kam die Ausgabe letzter Hand, mit zwei neuen Büchern der Oden. Seitdem schickte U., der sich nur noch ein paar unbedeutende Gedichte abdrängen ließ, aber die alte Habe immer wieder lüftete, seine Varianten an Weiße, der 1804 Prachtausgaben in Quart und Octav auf den Wiener Markt brachte, wo auch etwas abgestandene Waaren noch regere Nachfrage fanden. Eine Edition mit allen Lesarten und großer Einleitung hat A. Sauer in den Deutschen Litteraturdenkmalen 1890 überaus sorgfältig geliefert, um die litterarhistorische Würdigung E. Petzet 1893 in einer Münchener Dissertation (Zeitschr. für vergleichende Litteraturgeschichte) sich verdient gemacht.

Vorn stehen gleich zwei bedeutsame Gedichte von 1742: die Ode „An Herrn Secretär Gleim“ mit einer Verherrlichung König Friedrich’s, nicht des Kriegers, sondern des erhofften Friedefürsten und Mäcens, an den U. schon 1741 französische Verse gerichtet (S. 395); ferner der 1743 ohne Uzens Wissen in den „Belustigungen“ gedruckte „Lobgesang des Frühlings“, wichtig nicht wegen der ziemlich steif den Thomson und Genossen nachconstruirten Lenzfreude, sondern durch die Odenform des zweiten Theils, eine der ersten Archilochischen und der Alkmanischen verwandte Strophe, die zwei Hexameter mit der Vorschlagssilbe (wie der Feder Gottsched’s einer entschlüpft war), eigentlich verkappte Alexandriner, und zwei iambisch-anapästische Kurzzeilen verschränkt, bei den Bremer Beiträgern und weiterhin sehr beliebt wurde und den unglücklichen Vers für Kleist’s „Frühling“ hergab. U. aber ist dann, auch allen Mahnungen seines Verehrers Kleist zum Trotz, geschworener Anhänger des Reims und den „reimlos ametrischen“ Versen [446] spinnefeind wie Kästner, seine Anakreontik schon der Form nach sehr verschieden von Gleim’s scherzhaften Enfiladen der „Dreiquerfingerzeilen“. Auch ihm gaben die sogenannten Anacreontea Stimmung und einzelne Motive. Er kannte und liebte die französischen Lyriker vom alten Marot an, den er freilich nicht stilgerecht nachbilden konnte (S. 62), bis zum fröhlichen Chaulien und zur Gegenwart; die englischen Liederdichter, aber auch Thomson und Pope. Er entsetzte sich über Voltaire’s Pucelle, las jedoch gern lüsterne Lafontaine’sche Contes. Er bewunderte Richardson, fand aber eine Clarissa nicht menschlich genug, und erholte sich offenbar von so viel Tugend gern beim Roman comique Scarron’s und beim Peregrine Pickle des derben Smollet. Ihm selbst waren solche Farben nicht gegeben. Wie er später die naturalistische Formlosigkeit der Genies und Bürger’s Princip des volksmäßigen Wurfs von sich abwehrte, suchte er früh emsig eine reine geklärte Sprache und wandte mannichfache, nicht immer glücklich gewählte Strophen an; schon als er, mehr um den schwarzen Feinden freier Lyrik ein Schnippchen zu schlagen und aus angenehm kitzelnder Observanz, denn aus erotischen Erfahrungen heraus, sein Saitenspiel nur dem frohen Wein und der Chloe weihte, Amor, den Vater süßer Lieder, und den Amorino pries, die „Liljenhügel“ des Mädchens besang, nachlässig ruhende Schönen und eheliche Freuden indiscreten Blicken preisgab oder von derlei „schlauer Lust“ träumte, dagegen den Magister Duns als schlechten Küsser durch Damöt ausstechen ließ und neben sinnlichem Getändel lustige Klänge von Liebesorakeln, Nachtwächterwünschen, Hahnreischaft zum Besten gab. Dabei wahrte er, obwol ihm Rost’s Schäfergedichte gefielen, die Grenzlinie des Anstands und Geschmacks und empfahl sparsamen Genuß statt wilder Trunkenheit. Die schablonenhafte Anakreontik war ihm zuwider: „Wie lang“, so ruft er im 2. Buch die Venus an, „soll jeder rauhe Mund im Ton Anakreons dich zu besingen wagen“; diese beim Wasser sich heiser schreienden Affen Gleim’s möge die Göttin strafen. U., im Venusreich kein Held, sitzt nicht beim Wasserkrug, sondern hat dem vielbesungenen „Lyäus“ auch im Leben froh gehuldigt, in der Tafelrunde und auf der Weinlese (S. 54), ein Genosse Hagedorn’s. Das Quo me, Bacche, rapis tui plenum erschallt in wahrhaft dithyrambischem Schwung wieder. Er kriecht seinem Horaz und Pindar nicht nach, obgleich die leidige, uns bei Klopstock mehr als bei dem Schulversifex Ramler störende Mode, horatianische Anleihen treulich einzuspicken, auch von U. mitgemacht wird. Ein Eudämonist, feiert er „Die fröhliche Dichtkunst“. Zwischen Hagedorn’s Gedicht „Freude, Göttin edler Herzen“ und Schiller’s überschwänglichem Hymnus „Freude, schöner Götterfunken“ steht nicht zufällig Uzens Gesang: „Freude, Königin der Weisen“ … das ist recht Hagedornisch formulirt, und die Anrede allein beweist neben vielen andern Stellen der Oden, daß U. keineswegs in sinnlicher Hedone das Heil hienieden fand, wenn er auch in der ersten Periode Rosen, Wein und Mädchen verherrlichte.

Während andere – in Ansbach dann Cronegk – sich mit Young in trübselige Nachtgedanken vertieften, sann U. mit Pope, dem Lehrer des Essay on man, und scherzte mit Pope, dem Gaukler des Rape of the lock. Die Theorie und Geschichte des komischen Heldengedichts in Deutschland hat Dr. Rosenbaum darzustellen versprochen. Hier nur soviel, daß U. selbst 1751 brieflich den dann in Römhild beendeten „Sieg des Liebesgottes“ „nach Art des Popischen Lockenraubes“ gedichtet nennt und anderseits Lessing, Beifall spendend, an Zachariä’s Urheberschaft dachte. Freilich hat der Verleger wider Uzens Willen das englische Vorbild auf dem Titelblatt genannt und damit die langwierigen und öden Beschwerden von Dusch (1758) über Verstöße gegen die Gattungsgesetze einigermaßen herausgefordert; worauf es gar nicht ankommt. U. behandelt in vier Alexandrinergesängen das dem Lockenraub verwandte Thema, wie eine [447] Spröde, vom Schutzgeist erotisch unterwiesen, durch Cypripor besiegt wird, als eine episodenreiche, kokette Liebesgeschichte. Mit einem großen Gleichniß schielt er auf das heroische Epos hinüber, und wie Boileau im „Pult“ die Eris Homer’s auf seine Weise einführt, so personificirt er allegorisch die Wollust. Ein französelnder Stutzer kommt aus der Komödie in die Epopöe; Amor als Valet mit Lisette schäkernd aus der Porzellanmanufactur. Sinnliche Liebesscenen werden sehr gewandt in jenem halb frivolen, halb schmachtenden Stil ausgemalt, den Eichendorff so ergötzlich parodirt hat („Sonst“: „Es glänzt der Tulpenflor“). Später hat U., obwol er Duschens Tadel abwies, doch auch auf dieses Vielschreibers Bemängelungen hin manches geändert, gestrichen, erweitert. Die erste Fassung war reicher an litterarischer Satire. Die tiefe, nicht nach Lessing’s Art zwischen Genie und Nachahmer scheidende Abneigung, die Uzens Briefe oft genug gegen die verstiegenen Dichter Uranias bezeigen, fand am Schlusse des dritten Buches einen Niederschlag: der Henker möge Cleanth’s unsinnigen Oden zum Mond nachfliegen; ohne Handlung und Helden werde ein Epos geschaffen mit Hülfe einer cherubinischen Vision, einiger Beschreibungen und einer Anleihe bei Milton und Virgil – „Ein Patriarch vielleicht“, das traf unmittelbar Bodmer’s greulichen Noah und seine Sippen.

Diese Polemik bieten am stärksten die 1753–1755 in Römhild und Ansbach im beliebten genre mêlé gedichteten „Briefe“. Die ersten sind ein harmloses wortreiches Geplauder mit einem Römhildschen Gnomen über die Landschaft, mit dem unglücklichen Heirathscandidaten Gleim über die Ehe, mit Grötzner über das Joch der Würden, aber der vierte an Christ behandelt die „Rottirungen“ auf dem Parnaß, indem U., angeregt durch Pope und Pyra, einen Tempel der Dichtkunst und die Pfade dahin schildert. Ein blumiger Weg führt zu den ehrwürdigen Alten; die ihn ziehen, singen in verständlichem, wohlgereimtem Deutsch. Die Waller auf dem rauhen Steig dagegen beräuchern eine schwarze britische Statue – Milton’s – unter uranischen Lobgesängen voll Olymp und mizraimischer Finsterniß. Eine Dichterrevue leitet von dem überlaut gepriesenen Opitz ohne weitere Namensnennung zu Canitz, Brockes, Haller, J. E. Schlegel, zum „alten Freund, Berlins Anakreon“ Gleim und zum „Vater holder Kleinigkeiten“ Lessing – es ist kein Klopstock da. U. haßt „die Elegie, die stets in Thränen schwimmt“ und begehrt „schlauen Scherz“, „weise Lust“, nicht „unzufriedne Pein“. Was sein Gott des Geschmackes lehrt, ist großentheils alte Gottschedianerweisheit und Boileau’s flach aufgefaßtes Gesetz, nur das Wahre sei liebenswürdig. Klopstock’s Schwung hat U. nie begriffen, doch gegen Bodmer und den jungen, in eine Zwangsjacke eingepreßten Wieland war er im Recht.

Hatte 1751 Bodmer im Crito U. und Gleim gelobt („Als unsre Scherze selbst die strenge Schweiz erhob“), so ging er nun 1755 und 1757 mit unermüdlichem Grimm in den „Freimüthigen Nachrichten“ ins Zeug, und Wieland, damals ein befangener Schwärmer, der die Musen nur als Aufwärterinnen der Tugend anerkannte und irdische Schönheit für Würmerfraß erklärte, secundirte noch eifriger, bis hin zu der berüchtigten „Zuschrift“ an den Oberconsistorialrath Sack; Händel, von Sauer mit aller Breite dargestellt. Der zelotische Verfasser der „Sympathien“ und der „Empfindungen eines Christen“ empfahl das Ungeziefer, die anakreontischen Sperlinge, die sardanapalischen Dichter, die schwärmenden Anbeter des Bacchus und der Venus, die Bande epicurischer Heiden einer strengen Ahndung der geistlichen Behörden, die dem gefährlichen durch solche leichtsinnige Witzlinge gegebenen Aergerniß steuern möchten. Das war denn dem guten U. doch zu viel: er hat sich im offenen (5.) Brief an Gleim mit Laune und Ruhe vertheidigt, auch glücklich ein verdächtiges Element des späteren Wieland bei dem jungen aufgestochen. Lessing, von den Zürchern aus Furcht, wie Gleim und U. [448] triftig bemerkten, aus dem Spiel gelassen, deckte U. mit sichern scharfen Hieben. Wieland, der bald eine gründliche Umwandlung als Mensch und Schriftsteller durchmachte, ließ es nachher an Einschränkungen und Widerruf nicht fehlen und gedachte eigner Jugendsünden, als er 1775 das Gepolter Vossens so überlegen beschwichtigte. Damals schrieb Lichtenberg, nichts sei lächerlicher als der Kampf der Nonsenssänger gegen die Wollustsänger, der Gimpel gegen die Nachtigallen. U. schätzte den freigewordenen Wieland sehr hoch, und er hat endlich auch mit Vater Bodmer freundliche Versöhnungsgrüße ausgetauscht.

Bodmer warf U. empfindliche Mängel im „Hauptstück der Morale“ vor. Selbst Geßner, kein Splitterrichter, fand die Sittenlehre zu frei und tadelte die Polemik des „Liebesgottes“ (den Gottsched’s „Neuestes“ rückhaltlos pries). Unläugbar hat U. bisweilen sehr frei gespielt, aber eben nur gespielt. Welche Hedonistik die rechte sei, ist von ihm, nach flüchtiger Anregung des Sarasa (S. 215 bei Sauer), 1760 in den schwachen und herzlich langweiligen Alexandrinerbriefen „Die Kunst stets fröhlich zu sein“ so unsinnlich, fromm und tugendhaft gepredigt worden, daß Zürich höhnte, seine Muse hülle sich ins altväterliche Käppchen der Betschwester.

Schon 1754 erklärt U. brieflich, er sage sich von der muthwilligen Dichtkunst los und verlasse den Bacchus sammt dem lieben Bruder Amor als Poet; seinen Wein wolle er wie andre wackre Leute trinken ohne davon zu reden. Oder er rühmt 1755 seinen angenehmen Zustand fröhlicher Sorglosigkeit, „obgleich keine Lieder des Scherzes mehr aus meinem Munde erschallen“. Also die juvenum curae et libera vina entschwinden allgemach als Hauptthema. U., der sogar die Tabaksreimerei zu adeln wußte (S. 114), hob das Gelegenheitsgedicht an Personen und fand, eigner „schlauer Lust“ in üppigen Versen zuwider, auch starke patriotische Töne „An die Deutschen“ („entkräftet vor der Zeit in Amors Myrtensträuchen“) oder an „Das bedrängte Deutschland“: „Wie lang zerfleischt mit schwerer Hand Germanien sein Eingeweide“. Auch er rief Hermanns Geist an und feierte trotz der anakreontischen Erklärung (S. 45), daß sein Saitenspiel nicht von Krieg und Sieg töne, und trotz Friedensschalmeien gelegentlich nicht bloß den bürgerlichen Patrioten (S. 176), sondern auch Preußens Schlachtfelder und Kleist’s Tod fürs Vaterland.

Als er das Recht der Lebensfreude gegen die Eiferer verfocht, fragte er unter anderem, ob denn auch seine Theodicee weich und lyrisch sei, und erhärtete mit einigen tugendsamen Schnörkeln, daß er auch in Zeiten der Weinpoesie sein Saitenspiel der Gottheit glänzend Lob gelehrt habe. Diese „Theodicee“ beschließt das 4. Buch der Lyrischen Gedichte als erhabenster „heiliger Gesang“: „Mit sonnenrothem Angesichte flieg’ ich zur Gottheit auf“ lautet der üble Anfang. Sie zeigt alle Schwächen, wie sie solchen damals gangbaren gereimten oder prosaischen Apologien der besten Welt anhaften – eine Uebersicht giebt Petzet –, und bringt pathetisch Gedanken Haller’s, Pope’s, Shaftesbury’s, besonders aber wie natürlich Leibnizens auf die Bahn: „Es öffnet Leibniz mir des Schicksals Heiligthum; und Licht bezeichnet seine Pfade“. Gleichwol gewann U. mit diesem Lobgesang überschwänglichen Beifall, auch von Lessing, der meinte, die Ode müsse jeden philosophischen Kopf entzücken, und im Stillen von Schiller, der ein Pendant bedachte, während Uzens nimmer müder Lobredner Herder von seinen „goldenen philosophischen Oden“ in dem halb spinozistischen „Gott“ gerade die „schön versificirte treue Theodicee des Leibniz“ bestreitet. Und die Ode „Das Erdbeben“ (S. 149) führt von einem starken Einsatz „Die Erde hat gebebt und ihr geborstner Grund die Königin am Meer verschlungen“, unbekümmert um Candide’s Lissaboner Katastrophe, zu einer herzlich schwachen biederen Freude und Tugend hin. In den letzten Jahren seines Dichtens ließ U. nicht ab das [449] Lob der Gottheit, Gott im Frühling, Gott im Ungewitter zu feiern. Das ganze sechste Buch ist, manchmal mit würdevollem psalmartigem Schwung, solchen heiligen Vorwürfen gewidmet. Es fällt auf, daß Christus von U. erst in einem ihm durch Göckingk abgenöthigten Nachzügler des Jahres 1783 angerufen wird. Aber der „Sardanapalische Dichter“, 1771 unter die Scholarchen gewählt, besorgte 1781 im höchsten Auftrag mit dem Generalsuperintendenten Junkheim voll Hingebung, ohne Klopstock’sche Mißgriffe, ein neues Ansbachisches Gesangbuch, und der „Anakreon“ erreichte, was nie erreicht zu haben Goethe launig bedauert: das Volk sang auch eigene Verse des verehrten „Gesangbuchmachers“ in der Kirche. Bis zuletzt erbauten ihn seine geliebten Alten, Horaz, Pindar, Theokrit, allein oder im Freundeskreise. 1772 und 1775 gab er mit Junkheim und dem Juristen Hirsch aus den Acta Venusina ihres 1760 gestifteten Mittwochkränzchens „Die Gedichte des Horaz“ in zwei Bänden heraus, eine sinngetreue Prosaübersetzung, die trotz „rauher Begegnung“ mancher Recensenten 1785 und, von dem überlebenden Hirsch mit Anmerkungen ausgestattet, 1797 wieder aufgelegt wurde. U. hatte früh und unrichtig die Möglichkeit einer poetischen Dolmetschung seines Lieblings bezweifelt. Daß dieser Prosa recht fremde Gebet (S. 164) „Sieh auf drei Freunde nieder, o Flaccus, denn sie flehn: sie glühn, die Muse deiner Lieder in ihrem Reiz zu sehn“ weist aus den sechziger Jahren in die Hallischen Jugendtage gemeinsamer antikisirender Lyrik zurück. Obwol U. seit 1767 geschwiegen hatte, erweckte die Nachricht seines Todes 1796 weithin Bedauern über den Verlust eines tüchtigen Veteranen, so daß Schiller sogar überlegte, ob nicht der Xenienalmanach zum Zeichen der „Honnêteté“ gegen die grausam mitgenommene alte Garde ein Bildniß des Verstorbenen bringen solle. Knebel, Uzens Landsmann und Bekannter, sollte es besorgen. Wir besitzen einen trefflichen Stich von Bause. 1801 protestirt Schiller heftig gegen das „erbärmliche Hervorklauben der frühern und abgelebten Litteratur“ in der Adrastea Herder’s; allerdings hatte dieses Rühmen des goldenen Zeitalters einen stumpfen Stachel gegen die classische und romantische Gegenwart, aber Herder faßte nur seine älteren Urtheile treu zusammen, wenn er nach griechischer Weise für Uzens Grabmal als Ehrenzeichen eine Lyra, mit dem dreifachen Kranze der Dichtkunst, der Weisheit und des thätigen Verdienstes umwunden, beantragte. –

Handschriftliches verwahrt das Halberstädtische Gleimstift; Grötzner’s Familie die freundschaftlichen Briefe, schon in Schlichtegroll’s „Nekrolog auf das Jahr 1796“ theilweis abgedruckt, 1866 von Henneberger und von Trapp ungleichmäßig herausgegeben. Weiße an U.: Morgenblatt 1840 Nr. 282 ff., vgl. Minor. Was aus dem übrigen Nachlaß geworden ist, steht dahin. Die Bücher sind, laut einer Notiz im Nekrolog, nach Erlangen gekommen.