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Artikel „Lange, Samuel Gotthold“ von Erich Schmidt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 651–653, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lange,_Samuel_Gotthold&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 12:28 Uhr UTC)
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Lange: Samuel Gotthold L., Dichter, geb. 1711 zu Halle, Sohn des auch durch Streitigkeiten mit Wolff und grammatische Grillen bekannten Prof. theol. Joachim Lange, besuchte das Magdeburger Kloster und das Hallesche Waisenhaus, trieb in der Vaterstadt neben theologischen und philologischen auch naturwissenschaftliche Studien, gründete eine kleine Gesellschaft für deutsche Sprache, Poesie und Beredsamkeit, weilte 1736 in Berlin, ward 1737 Pastor in Laublingen bei Halle, heirathete Anna Dorothea Gnüge, verlor 1764 die Gattin und den einzigen Sohn (vgl. „Denkmal ehelicher und väterlicher Liebe“, 1765), [652] schloß später eine zweite Ehe und starb zu Laublingen am 25. Juni 1781, wenige Monate nach dem Manne, der seinen litterarischen Ruf vernichtet hat. Vor Lessing’s Vademecum galt L. als ein Hauptvertreter der aufsteigenden Poesie. Er besaß von 1734 bis 1744 in I. J. Pyra einen hochbegabten Freund und Leiter. Bodmer knüpfte mit ihm an. Bald war L. sehr intim mit den Zürichern, mit Sulzer, Waser, Hirzel (vgl. L. Meister, Charakteristik deutscher Dichter, 2, 106 ff.), Spreng; hinzutraten der Hallenser Aesthetiker Meier (Lange 1778 „Leben G. F. Meier’s“), Gleim und Kleist. Vgl. „Freundschaftliche Briefe“, 1746 (1760), Vorläufer des später in Gleim’s Kreise gesteigert üblichen Getändels. Dagegen ist die „Sammlung gelehrter und freundschaftlicher Briefe“ I, 1769, II, 1770 – ein Zeugniß zugleich von Lange’s Beschäftigung mit mhd. und Volkslyrik – wichtig für die litterarischen Parteiungen der vierziger Jahre. L. plante eine Wochenschrift mit Gleim und eine Epopöe „Die Eroberung von Leipzig“ (1, 125) gegen Gottsched. Man lese seine plumpe Ode „Der Gegenparnaß“ und die Verherrlichung der Züricher „Die Kunstrichter“ etc. (Horatzische Oden S. 151 ff., 91 ff.; auch Loblieder auf Haller, Henzi, Hagedorn, Gleim). L. suchte in Berlin festen Fuß zu fassen; aber sein selbst dichtender Mäcen General Stille starb bereits 1752. Nach Pyra’s Tod hatte Bodmer die Gedichte der beiden Freunde, deren Namen durch poetischere schäferliche ersetzend, veröffentlicht als „Thirsis und Damon’s freundschaftliche Lieder“, Zürich 1745; L., der 1745 einen kleinen Strauß mit einem Hamburger Recensenten hatte, besorgte selbst die zweite Auflage 1749. Pyra-Thirsis steht weit voran. Sein „Erweis“ gegen Gottsched ist eine bedeutende kritische Leistung, seine Dichtungen zeigen das Streben nach Erhabenheit, Ernst, Schwung und neuen reimlosen Formen. Auch L. will den „Schwarm gedankenloser Reimer“ bekriegen; zu den „Horatzischen Oden“ schrieb Meier eine Vorrede vom Werth der Reime. Derselbe berichtet am 5. Febr. 1746: „den Gottschedianern sind die freundschaftlichen Lieder ein Dorn im Auge“. Sie bildeten den Freundschaftscult Klopstock’s vor. Sie dienten der Religion; 1745 schrieb L. an einem größeren Gedicht „Moses“ (Briefe 2, 214). Sie weisen auch durch ihre zwischen antiken Strophen und modernen Versen vermittelnde Form auf das Alterthum zurück. Aber der erhebenden Gegenwart Preußens ward ihr Recht. Wenn der Landpastor Familienfeste mit Doris und Hylas oder Freundesbesuche feiert, erscheint er als Vorläufer Schmidt’s von Werneuchen. Man bemerkt anakreontisch-gesellige Elemente. Das Ideal ist Horaz: „Damon empfängt von Horatz die lesbische Leyer“. L. gilt bis zum Vademecum für den deutschen Horaz. Seine „Horatzischen Oden“ erschienen 1747, darin manches ansehnliche Stück, jedoch erst Klopstock vermochte klassische Form mit würdigem Inhalt zu füllen. Frau Lange erwarb durch beigegebene Oden auf den König und die Alpen (Anregung Haller’s, ins französische übersetzt) großen aber vergänglichen Ruhm. Das Wichtigste in dem Band sind die Gesänge an Friedrich II. Vgl. Pyra F. L. 78 ff. Lange’s „Siege Friedrichs“ (auch französisch) thaten große Wirkung. 1752 widmete er seine laut der selbstbewußten Vorrede seit neun Jahren vorbereitete Horazübersetzung („Quinti Horatii Flacci odarum libri V et de arte poetica liber unus cum traductione poetica S. G. Langii“, dazu noch ein deutscher Titel) dem König, gab eine Ode „An den König“ bei und erhielt ein gnädiges Handschreiben (Pröhle, Friedrich der Große und die deutsche Litteratur S. 42). Dies Buch ward sein Verhängniß. Die Vorrede spricht von gewissenhafter Prüfung der Varianten und der Originaltext, links neben der Uebersetzung gedruckt, ist ganz unkritisch behandelt. Sie spricht von freier Wortstellung und Metrik und ein verschrobenes Undeutsch (trotz einiger wohlgelungenen Paraphrasen) so wie eine außer im frei behandelten sapphischen Maß indeclamable [653] rhythmische Prosa, Verse, die nicht antik, nicht modern sind, verunstalten, abgesehen von nüchternen und pedantischen Ausdrücken, die Uebertragung. Die Epistula ad Pisones in reimfreien Alexandrinern. Zudem enthielt die Arbeit zahlreiche Donatschnitzer gröbster Art. Lessing that am 9. Juni 1752 dem Prof. Nicolai die Absicht einer scharfen Beurtheilung kund, gab diese Kritik im 24. der „Briefe“, wieder abgedruckt (wol durch Lange’s Gegner von 1745?) im Hamburger Correspondenten 1753 Nr. 178 ff., L. vertheidigte sich erbärmlich und verdächtigte zugleich Lessing’s Charakter, worauf Lessing jenes ausführlichere grausam spielende, schließlich zu empörtem Pathos übergehende Todesurtheil veröffentlichte, das er nach einem Spottwort Lange’s über das Vademecumformat seiner „Schriften“ in 12° betitelte: „Ein Vade Mecum für den Hrn. Sam. Gotth. Lange Pastor in Laublingen, in diesem Taschenformate ausgefertiget von Gotth. Ephraim Lessing, Berlin. 1754“. Nochmals griff L. zur Feder. Er war, obwol ihn seine Freunde nicht ganz fallen ließen, eine gestürzte Größe. Was er sonst geschrieben, entbehrt der historischen Bedeutung. 1747 ein Pamphlet im Volksbuchton gegen die Zinzendorf’schen Lieder und im besonderen gegen einen Herrnhuter Bekämpfer Baumgarten’s, Siegfried: „Eine wunderschöne Historie von dem gehörnten Siegfried dem Zweiten“, 1757 geistliche Gedichte, breites Geversel über die sieben Worte am Kreuz; 1760, Breitinger gewidmet, „Die Oden David’s“ in schwunglosen Reimversen; ein weitschweifiges Scherzgedicht „Der Komet“, 1769 und ein paar Satiren, mehrere moralische Wochenschriften mit Meier „Der Gesellige“, „Das Reich der Natur und der Sitten“ u. s. w. bis zu den „Poetischen, moralischen, ökonomischen und kritischen Beschäftigungen einer Gesellschaft auf dem Lande“, 1777. In Schirach’s Magazin publicirte er II, 2, 18 ff. Kleist’s „Landlust“ nach der Handschrift. Auch mit Klotz und Jacobi sehen wir ihn freundschaftlich verbunden (vgl. Hagen 2, 173 ff. 1, 176). Eines seiner letzten Gedichte heißt „Bey Klotzens Grabe“.

Vgl. noch Briefe der Schweizer S. 82 ff. Sauer, Ewald von Kleist’s Werke, Berlin, Hempel II, III. Jördens 3, 140 ff. Lessing’s Werke XIII, 1 (ed. Grosse), Berlin, Hempel.