Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
mittelitalische Gottheit des Blühens der Pflanzen
Band VI,2 (1909) S. 27472749
Flora (Mythologie) in der Wikipedia
GND: 118691880
Flora in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register VI,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|VI,2|2747|2749|Flora 1|[[REAutor]]|RE:Flora 1}}        

Flora. 1) Flora (altital. * Flosa, osk. Fluusa, vgl. Buecheler Lexic. Ital. p. IX), mittelitalische Gottheit des Blühens der Pflanzen, insbesondere des Getreides (August. c. d. IV 8 florentibus frumentis deam Floram [praefecerunt]. Corp. gloss. lat. V 201, 33 Flora dea paganorum, quam florentibus frumentis pagani praefecerunt. Fast. Praen. zum 28. April: Florae quae rebus florescendis praeest. Lact. inst. div. I 20, 7 quae floribus praesit, eamque oportere placari, ut fruges cum arboribus aut vitibus bene prospereque florescerent. Arnob. III 23 ut arva florescant. Schol. Iuv. 6, 250. Sid. Apoll. carm. 11, 115. Ovid. fast. V 261ff.; vgl. Usener Götternamen 77), verehrt bei den Oskern und den sabellischen Stämmen des mittleren Appennins: auf der Tafel von Agnone (Conway Ital. Dial. nr. 175) wird ein Fest der Göttin (Z. 20 Fiuusasiaís = Floralibus; die in Alba Fucens, Pisaurum und Cirta bezeugten Floralia [s. d.] sind Übertragungen der römischen) und diese selbst mit dem Beiworte kerríia (Z. 24 Fluusaí kerríiaí) erwähnt, ein Altar aus Pompei trägt die Inschrift Fluusaí (Conway nr. 46), Weihungen begegnen in Mevania (CIL XI 5022)[1] und im Tal der Digentia (CIL XIV 3486),[2] einen nach ihr benannten Monat finden wir in Amiternum (Conway nr. 246 mesene Flusare) und bei den Vestinern in Furfo (CIL IX 3513[3] Z. 2 mense Flusare); es ist daher begreiflich, wenn Varro (de l. l. V 74) F. zu den Gottheiten sabinischer Herkunft rechnet, deren Altäre Titus Tatius in Rom errichtet habe. Eine Stütze für diese Ansicht Varros gab offenbar die Tatsache ab, daß das alte Heiligtum der Göttin auf dem – nach Varros Ansicht von Sabinern besiedelten – quirinalischen Hügel gelegen war (Varro de l. l. V 158 clivus proximus a Flora susus versus Capitolium vetus. Martial. V 22, 4 qua videt antiquum rustica Flora Iovem. VI 27, 1. Vitruv. VII 9, 4 eae autem officinae sunt inter aedem Florae et Quirini; vgl. Hülsen-Jordan Topogr. d. Stadt Rom I 3, 412). Jedenfalls gehörte Flora mater (so Cic. Verr. V 36. Lucr. V 739; vgl. Ovid. fast. V 183 mater, ades, florum. Arnob. III 23 Flora illa genetrix et [2748] sancta) zu den di indigetes der ältesten römischen Götterordnung, wie daraus hervorgeht, daß sie einen eigenen Flamen, den Flamen Floralis (Varro de l. l. VII 45; M. Numisius M. f. Quintianus flamen Floralis aus der Kaiserzeit CIL IX 705),[4] besaß und beim lustrum missum der Arvalbrüder in der Reihe der mit Opfern bedachten Gottheiten erscheint (neben Fons, den auch Vitruv I 2, 5 mit F. zusammenstellt; Henzen Acta fratr. Arval. p. 146). Ein Jahresfest der F. ist im ältesten Festkalender nicht verzeichnet, jedenfalls nur deshalb, weil es als ländliches Fest nicht an ein festes Datum gebunden, sondern ein Wandelfest (feriae conceptivae) war; wir werden den bei Paul. p. 91 überlieferten Namen Florifertum (s. d.) für dieses Fest in Anspruch nehmen dürfen. Die Jahreszeit muß die der Getreideblüte gewesen sein, und die Zusammenstellung der F. mit Robigus bei Varro de re rust. I 1, 6 (Robigum et Floram, quibus propitiis neque robigo frumenta atque arbores corrumpit neque non tempestive florent) und Plin. n. h. XVIII 284 (tria namque tempora fructibus metuebant, propter quod instituerunt ferias diesque festos Robigalia Floralia Vinalia) führt auf die Nachbarschaft der Robigalia (25. April), also Ende April, d. h. dieselbe Zeit, in der später die jüngeren Floralia (s. d.) gefeiert wurden. Die erstmalige Feier dieser jüngeren Spiele hängt zusammen mit der Gründung eines zweiten Tempels der F. beim Circus Maximus, die nach Tac. ann. II 49 a L. et M. Publiciis aedilibus erfolgte, während Ovid. fast. V 287f. die Gründung der ludi Florales plebis ad aediles ... Publicios (die Erbauer des mit dem Floratempel lokal zusammenhängenden clivus Publicius) zurückführt, wodurch die Gleichzeitigkeit beider Akte gesichert wird; für das Jahr der ersten Floralia schwanken die Zeugnisse zwischen 516 = 238 (Plin. n. h. XVIII 286) und 513 = 241 (Vell. Pat. I 14, 8), s. Art. Floralia. Wenn nun die praenestinischen Fasten zum 28. April, dem ersten Tage der ludi Florales, notieren eodem die aedis Florae, quae rebus florescendis praeest, dedicata est propter sterilitatem frugum, so wird man das eben wegen des Zusammenhanges des Tempels am Circus Maximus mit den Spielen nur auf diesen beziehen können, obwohl von diesem die Fasti Allifani zum 13. August den Stiftungstag notieren Florae ad c[ir(cum)] maximum und der natalis des quirinalischen Tempels unbekannt ist. Der 13. August wird zu einer der Erneuerungen des Tempels gehören, deren dieser mehrere erfuhr, von denen aber die uns bekannten jünger sind als die Fasti Alifani: die eine, von Augustus begonnen, wurde durch Tiberius im J. 17 n. Chr. zu Ende geführt (Tac. a. a. O.), eine andere nahm Symmachus am Ende des 4. Jhdts. vor (Carm. contra pagan. [‌Anth. lat. 4 R.] 114); vgl. Hülsen-Jordan a. a. O. 118. Da die Weihung der Spiele ex oraculo Sibyllae erfolgte (Plin. a. a. O.), muß es sich um eine griechische Gottheit handeln, die den römischen Namen Flora annahm. Ovids Deutung auf Chloris (fast. V 195ff., daraus Lact. inst. I 20, 8. Anth. lat. 747 Riese), von deren Kult nichts bekannt ist, beruht wohl nur auf Buchstabenspielerei (Chloris eram, quae Flora vocor; corrupta Latino nominis est [2749] nostri littera graeca sono), anderweit wird sie mit Kore gleichgesetzt (so in der Bezeichnung der Praxitelischen Gruppe von Demeter, Triptolemus und Kore bei Plin. n. h. XXXVI 23 als Flora Triptolemus Ceres; Vitruv. I 2, 5 stellt Venus Flora Proserpina zusammen); welche griechische Gottheit Ampelius 9, 11 mit F. übersetzt, wenn er den zweiten Dionysos als ex Melone et Flora stammend bezeichnet, ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln, da uns der Name der Mutter in keiner der griechischen Fassungen dieser Götterlisten vorliegt. Die Verbindung der F. mit den Chariten bei Ovid. fast. V 219 und Mart. Cap. IX 888 ipsa etiam fulcris redimicula nectere sueta Flora decens trina anxia cum Charite est stellt sie mit Venus in Parallele. Am liebsten würde man sich als Grundlage des griechisch-römischen Kultes der F. eine Aphrodite Ἀνθεία (Preller-Robert Griech. Mythol. I 358, 3) denken. Als Zeugnis dafür darf man aber nicht die späteren Stellen anführen, an denen F. als ministra Veneris (Hagen Anecd. Helv. p. 241, 30) oder Veneris magistra (Carm. c. pagan. 113) bezeichnet wird, denn das bezieht sich nur auf den ausgelassen lasziven Charakter des Floralia (s. d.). Ebendaher stammt die Erzählung, F. sei eine meretrix gewesen, die das in ihrem Gewerbe verdiente Vermögen dem römischen Volke vermacht habe mit der Bedingung, daß aus den Zinsen alljährlich an ihrem Geburtstage die Floralia gefeiert würden (Lact. inst. I 20, 6. Schol. Iuven. 6, 250. Minuc. Fel. 25, 8. Cypr. quod idola di non sint 4. Carm. c. pagan. 112. [‌Augustin.] quaest. vet. et novi testam. 114, 9; F. als Hetärenname Varro Menipp. frg. 136 Buech. Iuven. 2, 49. Plutarch. Pomp. 2. 53. Philodem. Anth. Pal. V 131, 7. W. Schulze Zur Gesch. lat. Eigennamen 480, 7). Mit der späten Tradition (Lyd. de mens. IV 73 p. 125, 7 W., vgl. IV 30 p. 89, 19 und IV 75 p. 126, 16), daß F. das ἰερατικὸν ὄνομα der Stadt Rom gewesen sei, wie in Anlehnung daran Ἄνθουσα der von Neu-Rom d. h. Konstantinopel (s. o. Bd. I S. 2393), ist nichts Rechtes anzufangen.

Von bildlichen Darstellungen der F. kennen wir nur die Köpfe auf den Denaren des C. Serveilius C. f. (Babelon Monn. consul. II 452) und des C. Clodius Pulcher (Babelon I 354, von 711 = 43), letztere nicht einmal in der Deutung ganz sicher. Eine Statue trug vielleicht die stadtrömische Basis CIL VI 30867[5] A. Herennuleius Sotericus voto succepto basim posuit deae Florae Fortunae Pantheae, doch läßt sich in dem erhaltenen Statuenvorrat, so häufig auch die Deutung und Ergänzung als F. versucht worden ist, ein fester Typus der Göttin nicht nachweisen. Vgl. Wissowa Relig. u. Kultus d. Römer 163f. U. Pestalozza in Ruggieros Dizion. epigr. III 161ff.

Anmerkungen (Wikisource)

Bearbeiten
  1. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 5022.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum XIV, 3486.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum IX, 3513.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum IX, 705.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 30867.