Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Gott in Phoinikien
Band VI,1 (1907) S. 676679
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Eshmun (אשמין‎ = Ἔσμουνος Damascius vit. Isidori 302; in Personennamen oft verschrieben: Ἀβδύζμουνος = Knecht des E., Le Bas-Waddington 1866 c; Γηρύζμων = Klient des E., CISem. I p. 69; אשׁמנשלם‎ = Εσυμσελημος = Eshmun shillem = E. gibt Frieden, CISem. I 119; lateinisch: Asmonius, Bd. II S. 1702; Asmunius, [677] Hasmonaeus [vgl. Thes. ling. lat.]; Asmunis [gen.], CIL VIII 5306;[1] Abdismunis [gen.], ebd. 1562). E. ist nicht, wie Baal, Moloch, ein bloßer Titel, sondern ein Eigenname, dessen Sinn unsicher ist. Er wurde als ,der achte‘ erklärt (acht = schmône), weil er der Bruder der sieben Kabiren sei (Damasc. a. a. O. Phil. Bybl. 2, 27, FHG III 569), oder man leitete ihn von esh Feuer ab ἐπὶ τῇ θερμῇ τῆς ζωῆς (Damasc. a. a. O.). Aber diese Etymologien sind nur gelehrte Wortspielereien. Obwohl sein Name aus den semitischen Sprachen nicht zu deuten ist, ist doch E. sicher in Phoinikien einheimisch (ἐπιχώριος Φοῖνιξ, Damascius). Die Hauptstätten seines Dienstes waren Berytus und Sidon. Damascius (a. a. O.) nennt ihn geradezu ὁ ἐν Βηρυτῷ Ἀσκλήπιος, und er ist auf einer römischen Münze dieser Stadt dargestellt (Babelon Comptes Rend. Acad. Inscr. 1904, 234 = Rev. numismat. 1904, 266). In Sidon sagt der König Eshmunazar (= E. hilft) in seiner berühmten Inschrift (CISem. I 3), daß er auf einer Höhe dem Gotte einen Tempel gebaut habe, und im J. 1901 hat man in der Tat unweit von der Stadt auf einem Berge am Meere ein Heiligtum des E. šar qodeš (Herr der Heiligkeit? Herrscher des Heiligtums? Herrscher von Qadesh?) entdeckt. Der aus riesigen, sorgsam behauenen Blöcken gebaute Tempel wurde nach dem Zeugnisse mehrerer Widmungen vom König Bodastart, Sohn des Sedeqjaton, Enkel des Ešmunazar gestiftet, wohl am Anfang des 4. Jhdts. v. Chr. Die schwierigen Fragen, die mit der Chronologie dieser Fürsten und der Deutung der Inschriften verknüpft sind, hat man bis jetzt nur zum Teil zu lösen vermocht. Eine vollständige Beschreibung des wichtigen Fundes ist bis jetzt nicht erschienen (vorläufige Mitteilungen über die Ausgrabungen: Macridi-Bey Revue bibl. 1902, 48ff. von Landau Mitteil. der Vorderasiat. Gesellsch. 1904, IX 5, vgl. Compte Rend. Acad. Inscr. 1904, 722; über die Inschriften: Berger Mém. Acad. Inscr. XXXVII 1902. Clermont-Ganneau Rec. d’archéol. orient. V 217ff. VI 162ff. Lidzbarski Ephem. z. semit. Epigraphik II 49ff., der die frühere Literatur angibt).

In Ägypten findet man in Abydos und Ipsambul semitische mit E. zusammengesetzte Personennamen, und ähnliche Komposita sind auch auf Cypern häufig (Bäthgen Beiträge 45). In Citium war E. mit Melkart zu einer Gottheit verschmolzen (Ešmun-Melkart, CISem. I 16ff.) und wurde wohl also als Stadtkönig verehrt.

Für Karthago wird die hohe Bedeutung des E. ebenfalls durch die Onomastik wie durch unmittelbare Zeugnisse bewiesen (Bäthgen 46). Sein Tempel, der reichste der Stadt, erhob sich auf dem Gipfel der Byrsa – er wird CISem. I 252 erwähnt – und wurde nach der Belagerung vom J. 146 von dem Weibe Asdrubals, die dort eine Zuflucht genommen hatte, in Brand gesteckt (Strab. XVII 832. Appian. Lib. 130). In einer Widmung an Tanit nennt sich ein Priester von E. - Astarte (CISem. I 245 אשׁמנעשתרת‎); der Gott ist wohl hier als Gemahl der Astarte aufgefaßt, d. h. E. und Astarte wurden als ein göttliches Ehepaar betrachtet (s. o. Atargatis). Ob der in dem Vertrag Philipps von Makedonien mit Karthago (Polyb. VII 9, 2) angerufene Iolaos (= Helfer?) [678] ein Beiname von E. ist, wie Movers (Phönizier I 536) vermutet hat, müssen wir dahingestellt sein lassen (vgl. Müller Esmun 521. Lagrange Etudes sur les relig. sémit. 382).

Es lassen sich ferner im übrigen punischen Afrika und in den Kolonien Karthagos Spuren des E.-Dienstes nachweisen (Bäthgen 48ff.). Von besonderer Wichtigkeit ist die auf Sardinien bei Cagliari entdeckte dreisprachige Inschrift (CISem. I 143 = CIL X 7856[2] = IG XIV 608), die dem E. Merre – der Beiname ist bis jetzt unerklärt – von einem Salinenvorsteher gewidmet ist. Es ist bemerkenswert, daß nach Philo von Byblus (frg. 2, 11) Sadyk ¨ο δίκαιος, der Vater des E., die Benützung des Salzes erfunden haben soll, das als ein Symbol der Gerechtigkeit galt (Diog. Laert. VIII 35 u. a.).

In dieser Inschrift wird E. durch Ἀσκληπιός Aesculapius übersetzt. Schon in dem alten Tempel zu Sidon ist eine Widmung Ἀσκληπῷ zu Tage gekommen (von Landau 39), und das Heiligtum selbst wird wohl von Strabon (XVI 756, vgl. Ant. Placent. Itin. 2 fluvius Asclepius) als ἄλσος Ἀσκληπιοῦ erwähnt, wie das in Karthago als Ἀσκληπιεῖον (XVII 832; vgl. Appian. Lib. 130). Für Damascius (a. a. O.) ist E. ὁ ἐν Βηρυτῷ Ἀσκληπιός und Philo gibt ihm keinen andern Namen. Die Gleichsetzung mit dem griechisch-lateinischen Heilgott ist also allgemein und ausnahmslos, und der Kult dieses semitischen Aesculapius dauerte bis in die römische Kaiserzeit fort. Ein ἱερεὺς θεοῦ Ἀσκληπιοῦ erscheint in Duma bei Byblos (Renan Miss. de Phénicie 255). Auf der Insel Delos wird im 2. Jhdt. v. Chr. ein Denkstein Ἀδάῳι καὶ Ἀταργάτει καὶ Ἀσκληπιῶι gewidmet (Bull. hell. VI 1882, 498 = Dittenberger Syll.2 767). Man wird wohl ohne Bedenken E. hier erkennen dürfen. Auf der Akropolis von Karthago wurde das E.-Heiligtum auf den alten Fundamenten wieder aufgebaut und dem Aesculapius geweiht (Apul. Florida 18, 91). Die Reste einer Umfassungsmauer, eines gepflasterten Hofes und eines korinthischen Tempels sind auf dem heutigen Hügel St. Louis ausgegraben worden (Audollent Carthage romaine 1905, 280ff. 400). Die Virgo Caelestis (s. o. Bd. III S. 1247) und Aesculapius wurden als die besonderen Schutzgottheiten des römischen Karthago angesehen (Tertull. de Pallio 2; apol. 23 Ista Virgo Caelestis ... iste Aesculapius, vgl. CIL III 993[3] [‌Apulum] Caelesti augustae et Aesculapio augusto et genio Carthaginis). Auch außerhalb der Hauptstadt in Africa (CIL VIII 16417[4] sacerdos publicus deae Caelestis et Aesculapi; Tempel in Chisiduo, VIII 1267; in Thibica, 765: in Thubursicum, 10 618; vgl. 2624 Iovi Dolicheno ... Aesculapio und den Index von Bd. VIII S. 1081) und auf der Insel Sardinien (X 7857, vgl. 7553. 7604) zählte Asklepius zahlreiche Verehrer, aber es ist in den einzelnen Fällen schwer zu entscheiden, ob der semitische oder der lateinische Gott oder eine Verschmelzung von beiden gemeint ist (vgl. Toutain Cités de la Tunisie 215). Wir erfahren aus Tertullian, daß selbst in Karthago seine Priester das griechische Pallium trugen (de Pallio 2, 4; vgl. CIL VIII 15[5] 205).

Über den eigentlichen Charakter dieses phoinikisch-punischen Heilgottes sind wir sehr schlecht [679] unterrichtet. Nach der Sage von Byblos, die sich bei Philo und Damascius (a. a. O.) mit geringen Abweichungen wiederfindet, war er der Sohn des Sydykos oder richtiger Sadykos ¨ο δίκαιος (= [679] unterrichtet. Nach der Sage von Byblos, die sich bei Philo und Damascius (a. a. O.) mit geringen Abweichungen wiederfindet, war er der Sohn des Sydykos oder richtiger Sadykos ὁ δίκαιος (= Ṣadîq) und einer Titanide. Sadykos war auch der Vater der sieben Kabiren oder Dioskuren, wovon E. als achter (schmône) Bruder galt. Da die Dioskuren, die das Schiff erfanden (Philo frg. 2, 11), als Retter in den Seegefahren angerufen wurden, so wurde ihnen wohl E. als hilfreicher Schützer auf dem Lande beigesellt. Daß er als Heilgott verehrt wurde, beweisen seine Verschmelzung mit Aesculap und ausdrückliche Zeugnisse (CISem. I 143 = CIL X 7856[2] vocem audiit eumque sanavit. Tertull. apol. 23 medicinarum demonstrator). Da ferner nach Philo (frg. 2, 27) E. und die Kabiren zuerst die phoinikische Theologie niedergeschrieben, die dann den Stiftern der Mysterien mitgeteilt wurde, so wird wohl in seinen Heiligtümern irgend eine mystische Lehre überliefert worden sein. Ein Sidonier, Theolog erklärte dem Pausanias (VII 23, 7), daß Asklepios die Luft sei, welche der Gesundheit von Menschen und Tieren günstig ist, und daß sein Vater Apollon sei, d. h. die Sonne, weil sie in ihrem Laufe auf die Luft heilsam wirkt. Der Einfluß des Gestirndienstes hatte sich auch hier geltend gemacht.

Es wurde nach Damascius (a. a. O.) in Byblos von E. eine der Attislegende ähnliche Fabel erzählt. Er sei ein schöner Jüngling gewesen, und Astronoe, die Göttermutter, habe sich in ihn verliebt. Sie verfolgte ihn auf der Jagd, und um ihr zu entgehen, entmannte er sich mit einem Beil. Die trauernde Göttin ließ ihn von Paion durch die Leben erzeugende Wärme vom Tode erwecken und machte ihn zum Gott. Dem entsprechend erscheint E. noch auf einer kaiserlichen Bronze von Berytus als ein Jüngling von zarter, fast weiblicher Gestalt mit langem Haare. Es werden ihm als heilige Tiere zwei geflügelte und gehörnte Schlangen beigegeben (Babelon Compte Rend. Acad. Inscr. 1904, 231ff. = Revue numism. 1904, 266ff.). Auf Münzen von Septimius Severus, Caracalla und Geta, die sich auf Afrika beziehen, wird der punische E. in ähnlicher Weise dargestellt, doch nähert er sich mehr dem gewöhnlichen Typus des Asklepios an (Babelon Riv. ital. di numismatica XVI 2, 1903, nr. 19–23). Derselbe Gott ist wohl auch auf einem Relief aus Algerien zu erkennen, wo er nicht nur durch eine Schlange, sondern auch durch zwei Sterne, als achter Dioskur, gekennzeichnet ist. (Lenormant Diction. des antiq. s. Cabiri I 773 fig. 917; Gazette archéol. III 1877, 33). Zweifelhafter ist die Deutung als E. bei einem aus Karthago stammenden bärtigen Kopfe im Louvre, welcher mit einem Hahnenfell bedeckt ist (Heuzey Rev. d'assyriologie II 1892, 1551.

Alois Müller Esmun. S.-Ber. Akad. Wien XLV (1864) 496–523. Bäthgen Beiträge zur semit. Religionsg. 1888, 44ff. Ed. Meyer in Roschers Lexikon I 1385.

[Cumont. ]

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 5306.
  2. a b Corpus Inscriptionum Latinarum X, 7856.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 993.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 16417.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 15.