Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland/Dreiundzwanzigstes Kapitel

Zweiundzwanzigstes Kapitel Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland
von Heinrich Ferdinand Steinmann
Vierundzwanzigstes Kapitel
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Dreiundzwanzigstes Kapitel.




Am folgenden Morgen erstiegen wir in aller Frühe die von Madrid kommende Post und fuhren lustig durch die anmuthigen Hügel hin, welche die beiden Seiten des Guadalquivirthales begleiten. Im Nord-Osten thürmten sich die zackigen Gebirge der Sierra Morena auf, dunkler und dunkler werdend, bis sie in einem schwarzen Reifen endigten. [203] Herrliche Orangenhaine und breitkronige Pinien unterbrachen die Perspective hier und da und brachten ein Gefühl von Heimlichkeit hervor.

Bald erreichten wir das Castillo de Bacao, eine einsam gelegene maurische Burg, wo sich eine starke Guardia civil zum Schutze der Reisenden aufhält. Ein Detachement derselben begleitete uns, wodurch unser Zug, der aus mehreren Wagen und Reitern bestand, ein ganz militärisches Ansehen erhielt.

In Villaharta fanden wir mehrere Reisende und Arrieros, welche auf die Diligence warteten, und ein nicht schlechtes Mahl, trotz der einsamen Gegend, des kleinen Ortes und der schlechten Posada. Dicht hinter Villaharta verließen wir die dichten Gehölze alter Korkeichen und hoher Pinien dieses Theiles der Sierra de Cordoba und reisten dem malerischen Thale des Guadalquivir wieder zu. Die Höhen sind hier überall mit Oliven-, Granat- und Orangenhainen bedeckt. Wir hatten hier die Kette der Sierra Morena zu unserer Linken und einen sehr malerischen Anblick ihrer phantastischen Krümmungen und Formen.

Bei Aldra del Rio, dem letzten Orte des Königreichs Cordova, wird das Thal weiter und offener; die vielen großen, wappengeschmückten Gebäude auf den Anhöhen und im Thale bekunden das Dasein eines zahlreichen Adels. Aldra del Rio ist ein gut gebautes Städtchen. In Andujar, einer ziemlich modernen und großen Stadt, beschlossen wir, uns einen Tag aufzuhalten, und trafen hier eine sehr gute Fonda. Am nächsten Morgen nahmen wir die Stadt in Augenschein und fanden einige sehr alterthümliche Klöster und Kirchen mit hübschen Gemälden und buntangestrichenen Statuen von Heiligen, die uns jedoch sehr unbefriedigt ließen. Bei der Table d’hôte hörten wir von unserem Wirth, daß eine Schwester seiner Frau Nonne in einem hiesigen Kloster sei, die uns auf unseren Wunsch dort Zutritt verschaffen werde. Niemand war froher als wir, die Gelegenheit zu haben, ein spanisches Kloster zu besuchen, und nahmen daher dieses freundliche Anerbieten sogleich an. Als wir uns nach Tische in den Patio begaben, stellte uns unser freundlicher Wirth seiner viel jüngeren und sehr schönen Gattin vor, sie mit zärtlicher Galanterie bittend, uns in das Kloster einzuführen, wozu sie sich sogleich bereit erklärte. Nachdem wir gemeinschaftlich Kaffee getrunken hatten, verließ uns die schöne Donna, um ihre Mantille überzuwerfen, während wir uns mit den unserigen, wiewohl nach unserer Landessitte, so wie mit unseren Hüten bekleideten.

[204] Vor dem Kloster angelangt, zogen wir die Klingel, worauf eine Laienschwester durch ein kleines eisernes Gitter in der Mauer guckte und unser Gesuch sogleich der Aebtissin zu überbringen versprach. Bald darauf kehrte sie zurück, öffnete die Thür und führte uns in ein Zimmer, das mit Heiligenbildern ausgeschmückt und gut möblirt war. – Bald darauf erschien eine Nonne in den vierziger Jahren, mit sehr edeln Zügen und würdevoller Haltung, welche unsere Wirthin sehr freundlich grüßte. Nachdem die Letztere uns ihr vorgestellt hatte, bat sie uns, auf einem Sopha Platz zu nehmen, setzte sich uns gegenüber und begann ein förmliches Polizei-Examen über Vaterland, Religion und Stand. Als Herr D. uns über Pausch und Bogen für katholisch ausgab, klärte sich ihr Gesicht wie der Himmel nach einem Gewitter auf und sie entfernte sich eilig, um der Aebtissin Bericht über unsere Rechtgläubigkeit und Zulässigkeit abzustatten. Unsere Begleiterin erzählte uns während dieser Pause, daß sie die sogenannte Gouvernante des Klosters und rechte Hand der Aebtissin sei. – Bald darauf trat die Schwester unserer Wirthin in das Zimmer, eine schöne Blondine mit dem Gesicht der schmerzenreichen Mutter, aber mit einem schwärmerischen Blicke, der mich wunderbar an das schöne Lied erinnerte: She sat like patience on a monument[WS 1] – „sie saß wie die Geduld auf einem Monument.“ Die Art und Weise, wie sie ihre Schwester begrüßte, war die Resignation selbst, so ruhig, so affectlos umarmte sie dieselbe, während diese in Thränen ausbrach. Gleich darauf erschien die Gouvernante wieder mit einem Bunde Schlüssel und brachte uns die Erlaubniß der Aebtissin, die Kirche zu besehen. Wir folgten ihr also auf dem Fuße, während die beiden Schwestern Arm in Arm hinter uns hergingen. Die Kirche hing unmittelbar mit dem Klostergebäude zusammen, und wir hatten verschiedene Corridors zu durchschreiten, ehe wir in dieselbe gelangten. Als wir hineintraten, fielen unsre Blicke zuerst auf das Altargemälde, welches eine Himmelfahrt der Madonna darstellte und von Herrera sein sollte, uns aber sehr kalt ließ. Auf dem Altare stand ein schöner Christus und schön ciselirte Leuchter, auf einem anderen Altare eine reichgekleidete Madonna von Wachs mit dem Kinde. Die Gouvernante machte uns die Ueberraschung, daß sie eine schöne Fuge auf der Orgel spielte, und wir waren erstaunt über die Meisterhaftigkeit ihres Vortrages. Die Betstühle waren mit sehr alten schlechten Malereien bedeckt, die Kirche und Kapelle mit einer Menge Reliquien und [205] trivialer Gegenstände überladen. Die Zelle der Schwester zu sehen, war uns gestattet, es war ein sehr kleines Stübchen mit einem harten Bett, einem Tisch mit Crucifix, einem Stuhl und einigen Wasserfarben-Bildern. Der Garten hingegen war sehr schön und groß, hatte herrliche Gänge von Weinstöcken, Granaten, Orangen, Feigen und andern köstlichen Fruchtbäumen, dabei bot er alle Bequemlichkeiten und Reize, welche man in den Gärten der Reichen findet. Während wir uns hier umsahen, kamen ein Paar Laienschwestern mit Theebrettern und setzten sie in einer schönen Laube ab, worauf uns die Gouvernante bat, die Gastfreundschaft des Klosters zu genießen. Zugleich machte sie die Honneurs mit einer bezaubernden Liebenswürdigkeit und Anmuth. Die Erfrischungen bestanden aus einem Krug Mandelmilch, einem wohlschmeckenden Gemisch von Fruchtsaft und Rahm, Butterbrod und Früchten. Die Nonnen sprachen jedoch sehr wenig und mit einer Gemessenheit, welche eine Annäherung unmöglich machte. Als wir das Kloster verließen, machte Herr D. der Armenkasse ein bedeutendes Geschenk, was die Gouvernante nicht ungern zu sehen schien.

Gegen Abend besuchten wir die schöne Alameda, die längs des Guadalquivir hinläuft, und hatten das Vergnügen, sehr viele schöne Andalusierinnen zu sehen. Sie beschäftigten sich sehr graziös mit ihren Fächern und entfalteten eine meisterhafte Gewandtheit in der Koketterie, die an ihnen aber den harmlosesten und naivsten Charakter hat. Da die Frauen hier meistens groß und durchaus graziös sind, so glänzen sie hauptsächlich wenn sie sich bewegen, und keine Frau versteht sich so majestätisch zu halten, ohne steif zu sein, und so schwebend zu gehen wie sie. Das Schwänzeln ist überhaupt bei den Spanierinnen nicht Mode. Die Männer sind so schön wie die Frauen, und ihre Formen durchaus galant und rücksichtsvoll. Ich habe sie ferner nie anders als gutmüthig und edeldenkend gefunden, so daß ich den gefährlichen Ruf der Spanier eigentlich nicht begreife.

Abends besuchten wir das Theater, welches weder groß noch schön war, fanden aber nichtsdestoweniger eine sehr gute Schauspielertruppe, die uns durch ihre Talente entzückte. Das Stück gab uns einen tieferen Blick in das Familien- und Gesellschaftsleben und zeigte, mit welcher List die Spanierinnen zu ihrem Ziele zu gelangen verstehen und die Männer sich an ihren Nebenbuhlern rächen. Ein Lustspiel, ebenfalls sehr gut gespielt, folgte, und zuletzt wurden verschiedene charakteristische [206] Tänze aufgeführt, wobei wir sehr schöne Trachten zu sehen bekamen. Am folgenden Tage verfolgten wir unseren Weg nach Granada bei einer wahren Backofenhitze. Bei Ubeda[WS 2] sahen wir ein sehr alterthümliches, aus Spitzbogen zusammen gesetztes gothisches Thor, und über der Stadt ein maurisches Castell, welches zwanzig Thürme gen Himmel streckt und der Gegend ein höchst pittoreskes und romantisches Ansehen giebt. Die hiesigen Männer fielen durch Schönheit und eine eigenthümliche Kopfbedeckung auf, die aus Thierfell bestand und am Rande mit Troddeln besetzt war. Die Stutereien der Umgegend sind berühmt, und die Lage der Stadt am steilen Abhange der Thalwand des Guadalquivir sehr eigenthümlich. Wir blieben hier in einem großen Gasthofe, der früher ein Kloster gewesen war, und erhielten sehr schöne Zimmer. Das Hospital von Santiago ist ein sehr großes und stattliches Gebäude mit einer Kirche, deren Hauptaltar mit 20 Bildsäulen aus weißem Marmor und schönen Reliefs aus demselben Material geziert ist. Auch sieht man einige Gemälde alter spanischer Meister, welche nicht wenig zum Schmucke der Kirche beitragen. San Salvator ist im gothischen Styl erbaut und besitzt eine köstliche Marmorstatue Johannis des Täufers, welche den Erbauer der Kirche, Don Francisco de los Kobos, Staatssecretair Karls V., von der Republik Venedig als Geschenk erhielt.

Am folgenden Tage reisten wir durch eine sehr schattige Gegend, deren liebliche Kühle uns überaus wohlthat. Wir erreichten zunächst Baeza[WS 3], eine Stadt von eigenthümlichem Ansehen, indem die Häuser rings um den großen Constitutionsplatz offene Galerieen präsentiren, die auf Holzpfeiler gestützt sind. In der Mitte des Platzes liegt eine sehr freundliche Alameda, welche mit zwei Springbrunnen geschmückt ist. Einige Häuser von Barga sind außerordentlich schön und zeichnen sich durch eine eben so geschmackvolle wie großartige Architectur aus. Zu diesen zählt vor allen das Jesuiten-Collegium und die Kirche San Francisco; unter den Sehenswürdigkeiten steht obenan das Grabmal des Dom Pedro Fernandez de Cordoba, eines spanischen Helden, welches von Juan de Vera, einem Bildhauer des 16. Jahrhunderts, aus weißem Marmor ausgeführt wurde und in der Kapelle der ehemaligen Universität gezeigt wird. Barga ist mit vielen Ruinen umgeben, welche aus dem tiefen Mittelalter, nämlich aus dem Jahre 1212, stammen und eines der zahllosen Denkmäler menschlicher Grausamkeit sind. Die [207] Spanier zerstörten nämlich nach der Schlacht bei las Navas de Tolosa die Stadt Barga und erwürgten alle maurischen Einwohner. Sowohl an sie wie an Ubeda knüpfen sich viele geschichtliche Erinnerungen, welche jedoch außer dem Plane dieses Werkes liegen.

Schon von weitem erblickten wir Jaen, unser nächstes Ziel, das mit seinen alten, von zahllosen viereckigen Thürmen bekrönten Mauern und finsteren mittelalterlichen Thoren uns gewaltig imponirte. Obgleich Jaen eines der vier andalusischen Königreiche bildete, hat es doch weit weniger orientalisches Ansehen als Sevilla und Cordoba, hingegen hat es eine ziemlich malerische Lage am Abhange des Marmorberges, auf dessen Scheitel die Ruinen des Castells liegen, welches die Franzosen zerstörten, als sie Andalusien räumen mußten. Das Gebirge ist in tiefe Schluchten zerrissen, wovon eine das malerische Thal des Rio Torrero bildet, und überall sieht man schöne Landhäuser und Mühlen. Indessen fehlt es an guten Anlagen, denn die Alameda vor dem Thore ist schlecht und verödet, der Paseo del Mercado innerhalb der Stadt ist klein und unbedeutend. Jaen ist viel älter als Granada und wird schon von Livius wegen ihres Reichthumes gerühmt. Die Römer nannten sie Oriagis, aber die Araber zerstörten sie und baueten eine neue Stadt aus ihren Trümmern, der sie den Namen Jaen gaben.

Wir besuchten die Kathedrale, die im höchsten Theile der Stadt am Constitutionsplatze liegt. Die Kirche ist im römischen Style gebaut und hat zum Grundriß ein lateinisches Kreuz. An der Façade erheben sich zwei schöne, gleichförmige Thürme, welche wie die Kirche selbst ganz aus Sandstein ausgeführt sind. Das Innere zerfällt durch zwei Reihen mit korinthischen Säulen verzierter Pfeiler in drei Schiffe, deren Boden mit glänzendem weiß und schwarzem Marmor getäfelt ist. Der Hochaltar besitzt ein prächtiges Tabernakel, getragen von Säulen aus grünem Jaspis, diese wieder geschmückt mit broncenen reich vergoldeten Capitälen. Die aus Caobaholz geschnitzten Armstühle des Chores sind mit Baresliefs von hoher Schönheit geziert, die dreizehn Seitenkapellen enthalten viele Gemälde, worunter die vorzüglichsten eine Empfängniß von Sebastian Martinez, eine Beschneidung Christi und eine Ankunft der Jungfrau im Hause der Elisabeth sind. Letztere werden der Schule des Murillo zugeschrieben, wozu die Trefflichkeit der Farben wie der Zeichnung berechtigen. Ueber den drei Eingängen der Kirche prangen [208] in halbmondförmigen Feldern herrliche Basreliefs, Scenen aus dem Leben Christi darstellend.

Die Frauen der niederen Klassen tragen hier einen rothen Tuch-Manto mit schwarzem Sammetband besetzt über den Kopf, der in weiten Falten über die Schultern herabfällt. Die Männer haben den hohen andalusischen Spitzhut, kurze Beinkleider und Jacken; der Ausdruck ihres Gesichtes ist ernster als bei anderen Andalusiern. Frauen von Stande tragen hier wie in ganz Spanien die Mantille, und erscheinen überhaupt nie anders als in schwarzer Kleidung auf der Straße. Wo wir hinkamen, erregte unsere Tracht Aufsehen, aber nirgends ward sie bewundert, und man kann annehmen, daß die Spanierinnen einen viel zu intuitiven, klassischen Geschmack haben, als daß sie unsere Moden in dieser Beziehung nachahmen sollten.

Wir schieden von dieser alten Stadt mit weniger Bedauern als von den andern Städten, denn der Eindruck, den sie auf uns gemacht hatte, war weniger wohlthuend, als derjenige, welchen diese auf unser Gemüth hervorgebracht hatten. Unsere Straße ging jetzt bergab und brachte uns wieder in ein reizendes Thal, dessen Wände hier und da eine maurische Ruine, ein schönes Castell oder eine Windmühle bekränzte. Ueberall sah man die herrlichste Vegetation, mit der die Natur diese einzige Gegend abgöttisch überschüttet hat. Hier giebt es ganze Wälder von Maulbeerbäumen und in der Umgegend bedeutende Seidenspinnereien. Bei Campillo do Arenas trafen wir auf eine Zigeunerbande, welche im Schatten schöner Pistazien und Pinien lagerte, während ihre Maulthiere umher graseten. Einige derselben waren beschäftigt, an einem großen Feuer das Mahl zu kochen, andere spielten Karte, und die Weiber warteten Kinder oder lagerten müßig umher. Einige naheten sich unserem Wagen und erboten sich, uns wahrzusagen. Wir machten indeß keinen Gebrauch von diesem Anerbieten; bald darauf erreichten wir den von malerischen Bergen eingeschlossenen Ort Campillo do Arenas, wo wir ein aus köstlichen Fischen bereitetes Mahl einnahmen. Als wir dieses Thal hinter uns hatten, erhielten wir eine reizende Aussicht, wohin wir blickten, malerische Bergkämme am Horizonte, von denen die Sierra Nevada mit ihren schneegekrönten Kuppen, um deren Stirn die Sonne Rosenkränze schlang, die malerischeste Wirkung hervorbrachte. Es ist unmöglich, sich einen Begriff von der Schönheit dieser Landschaft zu machen oder die vielen Gestalten, Farben und [209] Schatten zu beschreiben, welche diese verschiedenen Alpen hervorbringen und annahmen, aber der Eindruck ist unvergeßlich schön.

Unser Wagen flog die vielfach gewundene Straße in das Thal hinab, aus welchem man wieder auf die waldige Höhe der Sierra Elvira und der Montas do Granada hinaufsteigt, von denen wir die paradiesischen Gefilde der Vega mit ihren zahlreichen Ortschaften und Fruchtpflanzungen vor uns ausgebreitet sahen. An ihrem südlichen Ende, dicht an den hoch gen Himmel ragenden Eiszinnen der Sierra Nevada, streckten sich die braunrothen Thürme der Alhambra, und zu ihren Füßen prangte die maurische Königsstadt Granada. Die Sonne stand schon tief am westlichen Himmel und goß ein purpurnes Licht über die ganze Landschaft, während die Sierra de Elvira lange dunkle Schatten auf die smaragdene Ebene von Santa Fe hinwarf. Die Luft war so dünn und durchsichtig, daß wir die verschiedenen Kegel der entferntesten Gebirgsketten unterscheiden konnten, und diese Perspective verlieh der Gegend etwas höchst magisches.

Granada ist von unzähligen Landhäusern umgeben, durch welche fahrend wir in die Vorstadt von Elvira gelangten, und bald darauf über die Plaza del Triumfo fuhren. Von diesem erzählt die Geschichte, daß die Königin Isabella am 6. Januar 1492 ihr siegreiches Heer hier musterte, ehe sie ihren triumphirenden Einzug in die Stadt hielt.

Wir stiegen in der Fonda do Minerva ab, wo wir sehr schöne Zimmer nebst vortrefflicher Bewirthung fanden, und da es schon spät am Tage war, benutzten wir die Zeit, um Notizen niederzuschreiben. Glücklicher Weise hatte ich mich in London auf eine Reise in Portugal und Spanien vorbereitet, mich auch mit einigen vorzüglichen Werken versehen, welchem Umstande ich allein es zu danken hatte, daß ich mit einem wahren Erfolge reisen konnte. Die meisten Menschen glauben, daß das Reisen ein bloßes Vergnügen sei, aber solche werden auch keinen höheren Gewinn davon nach Hause bringen. Um auf diesen rechnen zu können, muß man sehr umfängliche historische, politische, ethnologische, kunstgeschichtliche und geographische Studien machen, man muß ferner während der Reise sehr aufmerksam betrachten, fleißig aufzeichnen, unaufhörlich forschen und seine Sammlungen täglich durchsehen. Das wird denn oftmals äußerst mühsam, ja beschwerlich, bei Fußreisen geradezu aufreibend.

Zu meiner großen Freude brachte uns Herr D. am nächsten Tage [210] die Nachricht, daß er eine Wohnung auf der Alhambra gemiethet habe, denn wir versprachen uns davon die wichtigsten Vortheile. Schon um fünf Uhr Morgens war das Hotel in Bewegung, denn es wimmelte von Fremden, namentlich von Engländern, und eine Stunde später waren wir bereit, die Fonda zu verlassen. Wir bestiegen einen Miethwagen, der unser Gepäck aufnahm, und fuhren durch die belebten Straßen dem Parke von majestätischen Ulmen zu, welcher die Höhe, auf welcher die Alhambra liegt, auf zwei Seiten bedeckt. Hier gelangten wir an einen riesigen Thurm, welcher der Haupteingang dieser maurischen Zwingburg ist. Er hat eine Vorhalle, deren hochgeschwungener, hufeisenförmiger Bogen bis zur Hälfte des Thurmes hinaufreicht, und Arcada Justicia heißt, weil die Könige hier selbst Gericht zu halten pflegten. Dröhnend rollte unser Wagen durch die Krümmungen dieses Thores und, nachdem wir dieses passirt hatten, zwischen hohen Festungsmauern dahin, bis wir auf einem großen ebenen Platze ankamen, la Plaza de los Algibes genannt, wo wir hielten und unser Gepäck vollends an unseren Bestimmungsort bringen ließen. Die Benennung Algibes verdankt dieser Platz zwei großen, unterirdischen, in den Felsen gehauenen Wasserbehältern – arabisch Algibes – vermittelst welcher die Festung auf ein Jahr mit Wasser versorgt ist. Auch sahen wir hier den sehr tiefen Brunnen, dessen Wasser das schönste in Granada ist und überall verkauft wird.

Es dauerte gar nicht lange, so waren wir von einem Schwarme dienstfertiger Cicerone umringt, allein Herr D. war entschlossen, um jeden Preis den berühmten Mateo Imenez zu engagiren, der sein Glück und seine Celebrität dem Washington Irving verdankt. Wir suchten daher unsere neue Wohnung auf dem entlegenen Theile der Festung, wo sich die Privathäuser befinden. Wir bezogen ein fast ländliches Haus, wo wir zwei gute Schlafzimmer und eine Art von Salon nebst höchst gemüthlichen Wirthsleuten fanden. Der Mann versicherte, daß es ungemein schwer halte, den sogenannten hijo de la Alhambra, wie sich der berühmte Führer nennt, zu bekommen, wenn man sich nicht einer ganzen Gesellschaft Reisender anschließen wolle. Zugleich zeigte er uns denselben aus dem Fenster, von einer solchen umgeben, obgleich es noch nicht sieben Uhr war. Wir schlossen uns daher diesem Zuge an und fanden an Mateo die an ihm gelobte Verbindlichkeit.

Die Alhambra, welches die ehemalige Citadelle ist, und von Nazar, [211] dem vierten Könige von Granada, im dreizehnten Jahrhundert gegründet ward, führt noch den Titel real Fortaleza – königliche Festung. Der Hügel, auf dem sie erbaut ist, senkt sich im Süden sanft in das Thal der Jenel hinab, die Nordseite desselben fällt steil und felsig zu den Ufern des Darro hinab. Eine weite Schlucht spaltet ihn der Länge nach in zwei Hälften, deren größere und höhere die Alhambra auf ihrem Scheitel trägt, und die niedere die Torres bermejas – die rothen Thürme –, welche eine besondere Burg bilden, deren Erbauung den Phöniziern zugeschrieben wird. Diese Schlucht füllt der Park aus, welcher von Gärten und niedlichen Villen, beliebten Vergnügungsörtern der Granadiner, umgeben ist. Ein weiter Platz scheidet den Hügel der Torres bermejas von dem schönen Kloster de los Martyres, welches jedoch niedergerissen wird. Eine zweite und engere Schlucht scheidet nach Osten zu den Hügel der Alhambra von dem bedeutend höheren der Silla del Moro – Sitz des Mauren –, an dessen nach dem Darrothale gerichteten Abhang der Ginaraligh, die Villa der granadischen Königinnen liegt. Dem Alhambra-Hügel gegenüber, der seinen Rand dem Thale des Darro zukehrt, steht der Alcazar real, an den sich eine hohe, dicke Mauer mit dreizehn viereckigen Thürmen schließt und die Umgürtung der gesammten Festung bildet. Die zweite Ringmauer und ein Theil des Walles wurden von den Franzosen zerstört und liegt mit Ausnahme des wieder hergestellten Walles in Ruinen.

Der maurische Palast ist von außen wie alle arabische Bauwerke ganz unscheinbar, weil die Araber alle Schönheiten der Architektur auf das Innere ihrer Wohnungen verwandten. Die hohen Mauern haben nur wenige Fenster, und die viereckigen, zinnengekrönten Thürme zeichnen sich durch keine Schönheit aus. Zwei achteckige Pavillons darauf sind bemerkenswerth. Ein sehr bescheidenes Pförtchen führte uns in einen länglich viereckigen Hof, welcher mit weißen, glatt polirten Marmortafeln belegt und von einem Porticus umgeben ist, der von weißen Marmorsäulen getragen wird. Diese letzteren sind paarweise gestellt, haben arabeskengeschmückte Capitäle und ruhen auf kreisrunden Sockeln; dabei sind sie, diese schlanken Säulenpaare, durch charakteristische Hufeisenbogen verbunden, welche die durchbrochenen Wände des Porticus tragen. Die Wände sind mit einer Stuccatur bekleidet, die aus schön gearbeiteten, phantastischen Blumen und Arabesken besteht. Um die Simse laufen arabische Buchstaben, Koransprüche ausdrückend, mit zarten [212] Blumenketten durchschlungen. Dieser Hof heißt el Patio de la Alberca oder del gran Vivero; in seiner Mitte befindet sich ein großes Wasserbecken, 130 Fuß lang, welches von zwei Fontainen gefüllt wird und von Rosen-, Oleander- und Myrthenhecken umgeben ist. Dem Eingange dieses Hofes gegenüber führt eine schönere Pforte als die erstgenannte nach dem Patio de los Leones, dem Haupthofe des Palastes. Dieser ist ein regelmäßiges Viereck, das ein von 168 Marmorsäulen getragener Porticus umschließt, mit zwei vorspringenden Hallen, deren Säulen durch ausgezackte, halbmondförmige Bogen verbunden sind. Auch hier sind die Simse mit arabischen Inschriften versehen, die Worte des Korans enthaltend: Es giebt keinen Gott außer Gott. In der Mitte dieses prachtvollen Hofes steht die Fuente de los Leonos, von der er seinen Namen hat. Es ist dies eine colossale alabasterne Schale, die von zwölf Marmorlöwen getragen wird und aus deren Mitte sich eine zweite kleinere Schale – beide mit Arabesken in Basrelief verziert – auf einem runden Piedestal erhebt. In ihrem Centrum trägt sie eine Pyramide, aus deren Spitze ein mächtiger Wasserstrahl emporspringt, der von einer Schale in die andere fallend, endlich wieder aus den Rachen der Löwen hervorströmt. Diese Löwen sind indeß sehr plump gearbeitet und beweisen, daß die Araber es nicht weit in der plastischen Kunst gebracht hatten. In der östlichen Galerie des Porticus sieht man den romantischen Kampf der vier Zogries mit den vier castilianischen Rittern, durch welchen die Schuld oder Unschuld der zum Flammentode verurtheilten Gemahlin Boabdils offenbar werden sollte, auf Goldgrund an die Wand gemahlt. Es sind dies eben auch keine Meisterstücke der Malerei und werden von Vielen den Mauren zugeschrieben; wer jedoch mit den Grundsätzen der mahomedanischen Religion bekannt ist, wird nicht in diesen Irrthum verfallen, denn er weiß, daß der Islam verbietet, Menschen zu malen, indem er sagt: die Gemälde werden einst von ihren Schöpfern Seelen fordern. – Dieser Hof ist der Schauplatz vieler romantischen Scenen gewesen, die uns in Chroniken und Balladen aufbewahrt worden sind. Hier war es, wo der Gesandte Isabellens, Don Juan de Vera, sich mit einigen Abenceragen in ein Gespräch über die Lehren der römischen Kirche einließ; ein Maure machte dabei eine spöttische Bemerkung über die Jungfrau Maria, worüber der spanische Ritter so erboste, daß er ihn mit seinem Schwerte zu Boden schlug. Im nächsten Augenblicke waren alle maurischen [213] Säbel gezogen, und der Champion der heiligen Maria wäre massakrirt worden, wäre nicht der König Muley-Hassan durch den Lärm herbeigerufen worden und als Vertheidiger der Unverletzlichkeit des Gesandten aufgetreten. Als der fromme Vertheidiger der Keuschheit Maria’s für die von ihm bewiesene Unerschrockenheit von Muley-Hassan einen Ehrensäbel erhielt, sagte der Zögling des Katholicismus mit der Dankbarkeit jener Schlange, die ihren Wohlthäter vergiftete, zu dem Türken-Fürsten: „Ihr macht mir ein schneidendes Geschenk, ich hoffe Euch nächstens damit zu danken!“ – An der Fontaine dieses Hofes ließ derselbe Muley-Hassan seine eigenen Söhne auf Antrieb der Sultanin Fatime enthaupten, weil er von ihnen gestürzt zu werden fürchtete.

Die achteckigen Pavillons, welche man von außen erblickt, liegen einander gegenüber, und ihre Eingänge sind in diesem Hofe. Die schönsten dieser beiden Hallen ist der Saal der zwei Schwestern, so genannt nach zwei weißen Marmorplatten von ungeheurer Dimension, welche zu beiden Seiten des in der Mitte befindlichen Springbrunnens in das Getäfel des Fußbodens eingefügt sind. Der untere Theil dieses Gemaches ist viereckig, die Wände sind mit den Wappen sämmtlicher Könige von Granada in Mosaik verziert; der obere Theil ist achteckig und wird von einer wundervollen Kuppel aus phantastisch zusammengesetzter Stuccatur überspannt, die wie Bienenzellen aussieht. Alle hervorspringenden Leisten sind stark vergoldet, die concaven Stellen dagegen sind roth, blau und weiß gemalt. Wahrhaft bewundernswerth ist die Frische dieser Farben, und der Effect dieser zauberischen Halle wird noch durch das Licht erhöht, welches durch acht in der Kuppel angebrachte Fenster herein fällt. In diesem Saale pflegten die Mauren ihre Spiele zu halten, denen die Frauen unbeobachtet beiwohnen konnten, und zwar auf einer in der halben Höhe angebrachten Galerie, die auf dem um die Wände laufenden Porticus ruht und mit dem Harem in Verbindung stand, der den östlichen Theil des Palastes einnahm. Noch jetzt sieht man die aus Blumenwerk bestehenden Jalousieen, die sie vor den Blicken der Männer schützten. In der hintersten Wand dieser Halle befindet sich ein kleines, reizendes nischenartiges Gemach, dessen zierliches gestäbtes Fenster nach dem Garten der Lindaraxa geht, einem viereckigen mit Orangenlauben, Blumenbosquets und Fontainen geschmückten Hofe, der mit Arkaden umgeben ist und zum Harem gehörte. Der gegenüber liegende achteckige Pavillon ist der Saal der Abenceragen, hat eine ähnliche [214] Kuppel wie die der „zwei Schwestern“, ist aber weniger reich verziert. Florian macht ihn in seinem Roman „Gonsalvo“ zum Schauplatze der Ermordung der Abenceragen. Im Marmorboden bemerkt man Flecken, welche noch von jener Mordnacht herrühren sollen, und in das Bassin der Fontaine sollen die Köpfe der Enthaupteten geworfen worden sein. Boabdil wird von einigen Romantikern von dieser Unthat frei gesprochen, weil er ein schwacher Charakter war, aber Menschenkenner wie Florian und Chateaubriand lassen ihn in seinem wahren Lichte erscheinen, wohl wissend, daß Schwäche und Grausamkeit nur zu oft gepaart sind. Charakterschwäche faßt alles Perfide, Niedrige, Verachtenswerthe in sich, nur die starke Seele vermag sich rein und über äußere Einflüsse erhaben zu halten.

Am äußersten Ende des Serails steht ein Thurm, in welchem ein offener Pavillon steht, Tocador de la Reyna oder das Boudoir der Königin genannt. Seine Fenster sind so angebracht, daß man nach allen Seiten eine andere überaus schöne Aussicht genießt. Gegen Osten blickt man in das üppige Thal des Darro; rechts davon, der Alhambra gegenüber, liegt der Gineraligh mit seinen immergrünen Gärten, von deren 400jährigen Cypressen die Chronisten und Dichter wundervolle Sagen erzählen. Sie behaupten, daß ihre Schatten von den Sultaninnen wegen ihrer Schweigsamkeit zu Scenen ihrer Liebesabenteuer gewählt worden seien. Darüber erhebt sich der schroffe, trümmerbedeckte Hügel der Silla del Moro, und weiter rechts blickt die weiße Schnee-Pyramide des Picacho do Voleta über die Gärten der Alhambra hervor. Der Pavillon ist mit einem niederen, aber geschmackvollen Porticus umgeben. Die unterirdischen Bäder dieses Palastes sind sehr schön und sogar die Wasserbehälter einiger aus Marmor; diese Verschwendung des kostbaren Materials ist hier weniger zu verwundern, da die Riesenkegel der Sierra Elvira einen unerschöpflichen Schatz davon enthalten. In einem Saale des Palastes sahen wir die lebensgroßen Portraits der Hauptpersonen des Krieges von Granada, worunter das der Königin Isabella am hervorragendsten ist. Sie hat ein höchst geistreiches, aber wohlwollendes Gesicht, und in ihren großen blauen Augen spricht sich die Begeisterung für alles Große und Schöne aus. Hellbraune Locken umwallen ihr edles Gesicht, welches der Typus königlicher Würde, gepaart mit Sanftmuth und Herzensgüte ist. Es ist Schade, daß diese hochherzige Königin in einer Zeit lebte, wo unbedingter Gehorsam gegen [215] die Geistlichen als höchstes Verdienst des Menschen und einziges Mittel galt, das ewige Leben zu erlangen, denn diese Menschenklasse hat ihren Einfluß auf die Mächtigen nur zum Unheil für die Menschheit benutzt. So bewogen die Pfaffen auch die sanfte Isabella zur Einführung der scheußlichen Inquisition und grausamen Vertreibung und Ausrottung der Juden.

Der westliche Theil der Plaza de los Algibes ist mit einer sehr hohen Mauer begrenzt, welche die äußerste Ecke der Citadelle, die das „Presidio“ von Granada bildet und deren Thürme jetzt als Staatsgefängniß dienen, von dem bewohnten Theile der Alhambra scheidet. An der entgegengesetzten Seite erhebt sich der großartige Palast Karls V., der jedoch unvollendet ist und zur Aufbewahrung der Kanonen dient. Jener große Monarch ließ mit einer wahrhaft vandalischen Barbarei den schönsten Theil dieses maurischen Baues, den Winterpalast, niederreißen, und diesen dafür erbauen, den er zum Sommerpalast der Königin von Spanien bestimmte. Er bildet ein großes Viereck von edler Architectur, dessen Wände und Portal schöne Friese und Reliefs von weißem Marmor schmücken. An der Stelle der ehemaligen Moschee steht die Kirche der Alhambra, welche jedoch diesem königlichen Baue gar wenig entspricht. Zwischen dieser und dem Palast der maurischen Könige ist eine schöne Promenade von Akazien und Trompetenbäumen mit weißen Marmorbänken, welche nicht wenig zum Schmucke und zur Annehmlichkeit der Festung beitragen.

Vom Thurme der Puerta principal, durch welche wir unseren Einzug gehalten hatten, behauptet man, daß ein arabischer Astrolog ihn erbaut und die Steine dazu den Pyramiden Egyptens entnommen habe. Am Schlußsteine des hufeisenförmigen Bogens, der das Thor überspannt, sieht man das Bild einer kolossalen Hand, und über der innern Pforte der reich mit Arabesken geschmückten Halle macht sich die Figur eines Schlüssels bemerkbar. Die Volkssage behauptet, daß dieses magische Zeichen seien, in deren Macht das Schicksal der Alhambra ruhe. Nach einigen Orientalisten soll jedoch der Schlüssel das Symbol des Glauben, und die Hand das der Ausübung der Gerechtigkeit vorstellen. Die Sage ist indeß sehr poetisch, denn ihr zufolge soll jener Astrolog und Magier die Alhambra unter einen Zauberspruch gestellt haben, nach welchem dieselbe so lange stehen bleiben soll, bis die Hand herab langt und den Schlüssel ergreift; dann wird sich der Hügel der Alhambra [216] spalten, die Festung verschlingen und die von Ungeheuern bewachten Schätze der maurischen Könige an das Tageslicht kommen. – Außer dem maurischen Palast giebt es noch mehrere Gebäude, die von den Mauren herrühren. Die schönsten davon sind die Casa del Arco an der Plaza de los Algibes, und die Torro do los Infantas, deren Gemächer alle Schönheiten der arabischen Architectur besitzen.

Durch die Puerta de Hierro, die sich in einem der nach Osten gerichteten Mauerthürme unweit des Palacio real befindet, gelangt man in die Schlucht, welche den Hügel der Alhambra von der Silla del Moro trennt und zum Thale des Darro hinabführt, von wo man herrliche Blicke auf den Albaycin und die Alhambra thut. Zwischen Hecken hindurch gelangt man von hier zu der maurischen Villa ol Gineraligh – Haus der Liebe, – welche jetzt einem Hidalgo gehört und deren alte Hallen theilweise neuen haben Platz machen müssen. Es giebt indessen noch einige echt maurische, welche alle die märchenhafte orientalische Pracht entfalten und dem Verfasser von Tausend und eine Nacht zum Urbilde gedient zu haben scheinen. Besonders erwähnt zu werden verdient die Escalera de las Aguas – Treppe der Wasser, – eine sanft aufsteigende, von Granatbäumen beschattete breite Marmortreppe, deren jede Stufe an beiden Seiten mit einer Fontäne versehen ist. Man stelle sich vor, welchen märchenhaften Effect dieses Kunstwerk hervorbringen mußte, wenn bei den maurischen Festen alle diese Fontänen Strahlen flüssigen Silbers emporschleuderten, welche von den Fackeln der zwischen ihnen aufgestellten Candelaber beleuchtet wurden.

Die maurische Architectur, welche eigentlich das Gepräge der Großartigkeit entbehrt, bezaubert hauptsächlich durch die Eleganz der Formen, die Zartheit und den Reichthum der Verzierungen und die effectvolle Vertheilung des Lichtes, welche allen ihren Gemächern das Ansehen geben, als wären sie von Feenhänden erbaut. Die zahlreichen Springbrunnen, das mysteriöse Halbdunkel und die reiche Vertheilung duftender Blumen, mit denen sie sich zu umgeben pflegten, sind ein Beweis ihrer glänzenden Phantasie und Liebe zu sinnlichen Emotionen. Welchen Werth aber gedämpftes Licht, kühle Luft und frisches Wasser haben, wird man in Granada erst recht gewahr. Die Gärten des Gineralighs, welche zur Zeit der Omeyaden so berühmt waren, wie die schwebenden Gärten der Semiramis, sind leider jetzt sehr verwildert, man zeigte uns aber die Cypresse, unter welcher die Gemahlin Boabdils mit dem Abenceragen [217] Aben-Hamet von den Zogries im Liebesgespräche soll getroffen worden sein. In einem der Säle dieser Villa sahen wir das Portrait dieses unglücklichen Königs, welcher als schöner blonder Jüngling in goldgelben Gewändern und schwarzem Barett mit der Krone darauf abgebildet ist. Die Kleider sind mit schwarzem Sammet besetzt.

So sind die phantastischen Schönheiten arabischer Kunst beschaffen.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: The sat …
  2. Vorlage: Albeda
  3. Vorlage: Barga