Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland/Zweiundzwanzigstes Kapitel

Einundzwanzigstes Kapitel Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland
von Heinrich Ferdinand Steinmann
Dreiundzwanzigstes Kapitel
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Zweiundzwanzigstes Kapitel.




Wir fuhren jetzt auf Cordova zu, das alte Kalifat, und unser Weg führte uns bald durch ein reizendes Thal, von riesigen Felsen eingeschlossen, deren Schatten uns gegen die Sonnengluth schützten. Die ganze Gegend bis Cordova ist malerisch, und die Menschen sind wahre Gemmen von Schönheit und Freundlichkeit.

[198] Cordova ist eine schöne Stadt[WS 1], reich an Alterthümern und Pracht; ihre Gründung wird von einigen Gelehrten den Phöniziern, von anderen dem Marcellus zugeschrieben.

Die Kathedrale ist die ehemalige große Moschee, ward gleich dem unabhängigen Kalifate von Abdoraman 757 gegründet und soll das einzige Werk sein, welches von seinen großen Bauen 1589 der Zerstörung durch Erdbeben entgangen ist. Sie liegt etwas tief, so daß wir sie von dem hochgelegenen Stadttheile aus, den wir bewohnten, ganz gut sahen. Sie bildet ein längliches Viereck, über welchem sich eine achtseitige Kuppel aus bogig gezimmerten Hölzern erhebt, an deren Zwickeln Löwenköpfe als Träger angebracht sind und deren Zwischenräume mit einem Dache aus lauter kleinen Nischen wie Bienenzellen versehen waren. Vor der langen Seite der Moschee befindet sich ein weiter Hof aus Arcaden, in welchen man durch ein Portal in Form eines Hufeisens tritt, dessen Mitte ein Springbrunnen einnimmt, der von uralten kolossalen Orangenbäumen beschattet wird. Auf der Nordseite erhebt sich der Glockenthurm, welcher 1236, als die Moschee in eine Kirche verwandelt ward, angefangen, aber erst später vollendet worden sein soll. Jedoch erzählte man uns, daß schon Abderaman den Grund dazu gelegt habe, wiewohl nicht für seinen jetzigen Zweck, da die Mahomedaner für ihren Gottesdienst sich keiner Glocken bedienen. Das Schönste daran sind die Jaspis-Säulen, womit er verziert ist und die dem Berge Elvin bei Granada entnommen sind. In diesem Thurme befindet sich eine weiße Marmortafel mit einer arabischen Inschrift, welche bekundet, daß die Könige Abdoraman und Issem diese große Moschee erbauten. Gleich beim Eintritt in den Hof sieht man in der langen Außenwand der Moschee die auf schönen Säulen ruhenden Bogen, und wenn man in die Moschee tritt, findet man, daß diese mit den inneren 36 Bogenreihen übereintreffen. Diese Ausfüllung wurde 1236 gemacht, denn in diesem Hofe befanden sich die mahomedanischen Pilger und Büßenden und blickten durch diese Hallen in das Heiligthum, welches sie nicht betreten durften. Diese aber bildeten einen zweiten bedeckten Hof, worin eine zweite gereinigtere Klasse anbetete. Durch die Vermauerung geht die schöne ursprüngliche Symmetrie verloren, wodurch der Hof mit vier Arcaden umgeben war.

Der Eingang, welcher nach christlicher Art eine Vorhalle bildet, hat [199] innerlich Weihkessel und contrastirt, ungeachtet er ein Thor im maurischen Style hat, sehr mit dem Baue.

Ich war zwar ziemlich vorbereitet auf die Betrachtung dieses Bauwerkes, denn ich hatte de Laborde’s und Antonio Ponz’s sehr gelehrte Werke gelesen, aber meine Ueberraschung war nichtsdestoweniger sehr groß, als ich in das Innere desselben trat. Man denke sich ein Viereck von 620 Fuß Länge und 440 Fuß Breite, dessen Decke auf Bogen ruht, die von 1000 Säulen getragen werden. Die Sparren der Decke, welche zu Issems Zeiten gezimmert wurden, und zwar aus spanischen Kiefern, sind ganz vortrefflich erhalten, ungeachtet ihres tausendjährigen Alters. Corduba oder Cordova, in der Römerzeit Colonia patricia geheißen, besaß herrliche Tempel, Bäder und alle Gebäude, die den prachtliebenden Römern unentbehrlich waren; aber die Araber wollten eine Moschee, welche diejenige in Mekka überstrahlen sollte, und so nahmen sie die Trümmer der bereits zerstörten Gebäude und zerstörten die übrigen Prachtbaue, um die Säulen, Capitäle und Marmorblöcke für ihren Tempel zu gewinnen, den sie denn auch in einer sehr kurzen Zeit vollendeten. Aber freilich sind die Säulen und Capitäle, welche man hier findet, auch von verschiedener Stärke und Ciselur.

Die Höhe bis an das Gebälk beträgt 29 Fuß.

Die Araber theilten ihre Moscheen nicht in Schiffe ein, sondern die Stellung der Säulen bildet verschobene Vierecke, und die Säulengänge belaufen sich hier auf neunzehn, von nicht ganz gleicher Breite. Diese ungeheure Säulenhalle wird von zwei Hauptgängen durchschnitten. Am östlichen Ende befindet sich der von einer hohen Kuppel überragte Chor, welcher 1528 hineingebaut und mit allem Glanze einer reichen Kirche geschmückt wurde. Gegenüber ist die Moschee oder arabische Tribüne, aus welcher der Priester den Gläubigen Gebetesworte zurief. Von diesem Heiligthume führt ein Säulengang nach dem Allerheiligsten, einer Art von Kapelle, worin der Koran aufbewahrt wurde. Die äußere Wand desselben ist mit weißem Marmor belegt, worin sehr schöne Muster gegraben sind. Die Thür des Allerheiligsten ist bogenförmig, und über derselben erscheint eine Sonne, deren Strahlen aus gefärbtem Glase sind, jede mit einer Arabeske verschiedener Farbe verziert. Die Farben dieser Strahlen sind blau und goldgelb und bringen die Wirkung von Edelsteinen hervor.

Die Zocke des Innern dieser Kapelle ist mit Marmor bekleidet und [200] über derselben läuft ein Sims dahin, welcher auf rosettenverzierten Kragsteinen ruht. Hierauf stehen kleine dunkle Marmorsäulen. Die Decke besteht aus einer Muschel, welche aus einem einzigen Stück Marmor gehauen ist; der Fußboden ist ebenfalls Marmor. Hingegen ist der Fußboden der Moschee aus Ziegeln und bedeckt die Füße der Säulen, was eine häßliche Wirkung macht. Der ursprüngliche war aus dem schönsten Mosaik, welcher viel zum Glanze des ganzen Baues beitrug. Von Säule zu Säule wölbt sich ein Rundbogen, und auf den Kapitälen ruhen kurze Pfeiler, deren Ausladung auf kleinen Consolen ruht. Diese Bogenreihe trägt die Tonnengewölbe, welche die Säulengänge bedecken.

Man zeigte uns das Grab des Königs Alonso XI., nahe an der Kapelle, worauf ein Kreuz eingegraben ist. Das Ganze ist ein bewundernswürdiges Kunstwerk arabischer Architectur, aber wer weiß, ob die Araber es ohne die römischen Säulen auf diese Weise vollendet hätten? Auch waren unter den 3000 Cordovanern, welche unter dem Kalifen Issem zum Mahomedanismus übergingen, gewiß viele Steinmetzen, so daß man immer annehmen kann, daß nicht arabische Künstler die Verfertiger waren. – Der Küster zeigte uns ein Kreuz an einer der Säulen, von dem die Wunderkrämer behaupten, daß es ein Christensklave mit den Fingernägeln eingegraben habe. Wahrscheinlich aber war es einer jener gothischen Steinmetze, der, dem Drange seines besseren Gefühles folgend, das Symbol seines inneren Glaubens hier eingrub.

Es war jetzt Tischzeit geworden und wir begaben uns daher in’s Hotel zurück, wo wir uns zunächst der herrlichen Aussicht erfreuten, welche wir von da auf die unterhalb gelegene Stadt mit ihren horizontalen Dächern, schönen Gärten von Kiosken, Laubgängen und hohen Palmen hatten. Von hier konnten wir auch dem Laufe des Guadalquivir sehr weit folgen, und die Gegend lag in der reizendsten Mannigfaltigkeit vor uns. Die reine, durchsichtige Luft, der süße Duft, welchen ich einathmete, alles war so unendlich lieblich, und die Menschen alle so natürlich, einfach und klassisch, daß ich hätte sagen mögen: Hier lasset uns Hütten bauen!

Nach der Table d’hôte kehrten wir zur Moschee zurück, um dieses Wunderwerk unserem Gedächtnisse noch recht einzuprägen. Die Wände derselben sind in regelmäßigen weiten Zwischenräumen von je drei an einander gereiheten Fenstern durchbrochen, welche durch weiße Marmorsäulen [201] getrennt und von Hufeisenbogen überspannt sind. Die zugemauerten Arcaden der Façade des Tempels besaßen zur Zeit der Kalifen bronzene Thorflügel mit vergoldeten Sculpturen bedeckt, deren es im Ganzen 24 gab.

Der Chor verdient eine nähere Beschreibung. Er befindet sich in der Mitte der östlichen Seite und ist groß genug, um eine ansehnliche Kirche an sich selbst vorzustellen. Ihm zu Liebe riß man 140 Säulen heraus und brachte durch diese heterogene Zusammenstellung eine peinliche Dissonanz hervor. Dieser Chor ist im florentinischen Style gehalten, besteht aus drei Schiffen, überragt die Moschee um Vieles und endigt über dem Hochaltare, welcher die Form eines Tempels hat, in einer schöngeformten, reich verzierten Kuppel. Der Fußboden ist prächtig mit verschiedenen Marmorarten getäfelt. Die weiße Marmorkuppel über dem Hochaltar wird von Jaspissäulen mit vergoldeten Kapitälen getragen. Alle drei Schiffe sind mit sehr guten Gemälden und Marmor-Reliefs verziert. Es giebt hier auch zwei sehr schöne, aus Caobaholz geschnitzte Kanzeln, ferner Betstühle, welche ganz mit Basreliefs bedeckt sind, Meisterstücke ihrer Art und Scenen des alten und neuen Testamentes darstellend. Es giebt noch einige Kunstwerke hier, welche man vor der Habsucht fremder Krieger rettete, indem man sie in die unter dem Vorhofe gelegene Krypta barg; zu ihnen gehört vor allen eine 350 Pfund schwere silberne Custodia. Viele Kostbarkeiten sind aber verloren gegangen.

Wie man bei allem Gehaltreichen immer mehr und mehr von seinem Werth durchdrungen wird, so ging es auch mir, als ich die Moschee zum zweiten Male betrachtete. Der hohe Glockenthurm ist bis zur Hälfte sehr schön, hat eine viereckige Form und ist ganz mit Arabesken bedeckt. So weit ist er maurisch. Die andere Hälfte ist achteckig, zerfällt in mehrere Absätze und enthält sechszehn Glocken. Diesen Theil haben die Christen aufgesetzt. Wir erstiegen ihn auf einer sehr bequemen und hellen Steintreppe, und wurden reichlich durch das schöne Bild belohnt, welches die halbkreisförmige Sierra um das einstige Mekka des Abendlandes schlingt. Wie reich ist Cordova an geschichtlichen Erinnerungen, denn schon Strabo und Plinius sprechen von seinem Reichthum und Handel; auch ist es die Wiege der beiden Seneca und des Dichters Lucanus.

Als Abdoraman III. von der Dynastie der Omeyaden im Jahre [202] 912 den Thron bestieg, erreichte Cordova den Gipfel seiner Größe, ward das Athen des Abendlandes und erhob sich in jeder Beziehung weit über die Cultur der gleichzeitigen Christenheit. Mit dem Fall der Omeyaden sank auch Cordova, und viele seiner Bewohner siedelten nach Sevilla über, wo die Almoraviden-Dynastie ihren Thron errichtet hatte. Noch jetzt giebt es außer der Peripherie der jetzigen Stadt Ruinen von arabischer Bauart.

Kein Theil der Moschee von Cordova giebt aber einen vollkommneren Begriff von der früheren Pracht derselben und liefert einen so glänzenden Beweis von dem hohen Grade der Cultur, welchen die spanischen Araber erreicht hatten, als die Kapelle des Korans. Alle drei Abtheilungen derselben sind mit Marmorplatten getäfelt, auch die Zocken damit bekleidet. Die mittlere Abtheilung ist die größte und wird von sechszehn Säulen aus verschiedenem Marmor mit vergoldeten Capitälen getragen, die hintere Wand und die Eingangspforten sind mit einer prachtvollen Mosaik incrustirt, und von den Simsen sieht man Sprüche des Koran herableuchten. Die Kuppeln sind aus weißem Marmor. Hinter der mittleren Halle liegt das Allerheiligste, welches eine achteckige Kapelle und mit der Muschel bedeckt ist. Da hier kein Licht eindringt, zündete der Küster ein paar Wachskerzen an, bei deren Schimmer wir die herrlichen Mosaik-Inschriften und Marmor-Ciseluren sehr gut sahen. Sie ist die prachtvollste der drei Abtheilungen. Wie muß die Wirkung gewesen sein, wenn dieser ganze riesige Bau von 4700 Lampen aus geschliffenem Kristall erleuchtet war. Wir verließen ihn mit einem unsaglichen Gefühle der Befriedigung.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Sadt