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Vor dem Kloster angelangt, zogen wir die Klingel, worauf eine Laienschwester durch ein kleines eisernes Gitter in der Mauer guckte und unser Gesuch sogleich der Aebtissin zu überbringen versprach. Bald darauf kehrte sie zurück, öffnete die Thür und führte uns in ein Zimmer, das mit Heiligenbildern ausgeschmückt und gut möblirt war. – Bald darauf erschien eine Nonne in den vierziger Jahren, mit sehr edeln Zügen und würdevoller Haltung, welche unsere Wirthin sehr freundlich grüßte. Nachdem die Letztere uns ihr vorgestellt hatte, bat sie uns, auf einem Sopha Platz zu nehmen, setzte sich uns gegenüber und begann ein förmliches Polizei-Examen über Vaterland, Religion und Stand. Als Herr D. uns über Pausch und Bogen für katholisch ausgab, klärte sich ihr Gesicht wie der Himmel nach einem Gewitter auf und sie entfernte sich eilig, um der Aebtissin Bericht über unsere Rechtgläubigkeit und Zulässigkeit abzustatten. Unsere Begleiterin erzählte uns während dieser Pause, daß sie die sogenannte Gouvernante des Klosters und rechte Hand der Aebtissin sei. – Bald darauf trat die Schwester unserer Wirthin in das Zimmer, eine schöne Blondine mit dem Gesicht der schmerzenreichen Mutter, aber mit einem schwärmerischen Blicke, der mich wunderbar an das schöne Lied erinnerte: She sat like patience on a monument[WS 1] – „sie saß wie die Geduld auf einem Monument.“

Die Art und Weise, wie sie ihre Schwester begrüßte, war die Resignation selbst, so ruhig, so affectlos umarmte sie dieselbe, während diese in Thränen ausbrach. Gleich darauf erschien die Gouvernante wieder mit einem Bunde Schlüssel und brachte uns die Erlaubniß der Aebtissin, die Kirche zu besehen. Wir folgten ihr also auf dem Fuße, während die beiden Schwestern Arm in Arm hinter uns hergingen. Die Kirche hing unmittelbar mit dem Klostergebäude zusammen, und wir hatten verschiedene Corridors zu durchschreiten, ehe wir in dieselbe gelangten. Als wir hineintraten, fielen unsre Blicke zuerst auf das Altargemälde, welches eine Himmelfahrt der Madonna darstellte und von Herrera sein sollte, uns aber sehr kalt ließ. Auf dem Altare stand ein schöner Christus und schön ciselirte Leuchter, auf einem anderen Altare eine reichgekleidete Madonna von Wachs mit dem Kinde. Die Gouvernante machte uns die Ueberraschung, daß sie eine schöne Fuge auf der Orgel spielte, und wir waren erstaunt über die Meisterhaftigkeit ihres Vortrages. Die Betstühle waren mit sehr alten schlechten Malereien bedeckt, die Kirche und Kapelle mit einer Menge Reliquien und

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: The sat …