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Artikel „Winkelried“ von Wilhelm Oechsli in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 442–449, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Winkelried&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 09:51 Uhr UTC)
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Winkelried, ein in der Sage und Geschichte der Schweiz berühmtes Nidwaldener Geschlecht, das seinen Namen von seinem Stammsitz Winkelried in der Gemeinde Ennetmoos, einer Filiale von Stans, wo noch heute ein Gütercomplex oberhalb der Drachencapelle auf dem Allweg am Fuße des Stanserhorns Wichried heißt, erhalten hat. Dasselbe taucht mit einem Ritter R(udolf) von W. auf, der mit andern Nidwaldener Rittern und Landleuten in Sachen des Klosters Engelberg ein undatirtes, aber nach den darin genannten Personen 1240–1250 anzusetzendes Schreiben an die Stadt Zürich richtete. Später erscheint [443] in den Urkunden ein Heinrich v. W., genannt Schrutan, zunächst als Edelknecht im Gefolge der Freien von Rotenburg (1275–1281), dann als Ritter (1300–1303) und zwar als Ministeriale des Grafen Rudolf von Habsburg-Laufenburg, von dem er sich 1300 die Erlaubniß ertheilen ließ, beliebige Stücke seiner Güter zu Stans, Buochs und Alpnach an Engelberg zu vergaben. Ob die in den Engelberger Nekrologien des 14. Jahrhunderts erwähnten Schwestern Bertha, Adelheid und Elsbet v. W. mit diesen Schenkungen in einem Zusammenhange stehen, ob ferner der Abt Rudolf I. von Engelberg (1299 bis 1317), der in einem Kalendarium aus derselben Zeit „de Winkelriet“ heißt, ein Bruder oder naher Verwandter Schrutan’s war, läßt sich nicht ermitteln. Ein Kolmarer Jahrzeitbuch gedenkt zum 10. Februar eines Heinrich genannt Schrutan, seiner Gemahlin Mechthildis und seiner Söhne Petrus, Nikolaus und Matthias; indeß ist das Vorkommen desselben Namens und Beinamens im Elsaß und in Unterwalden wol nur ein Spiel des Zufalls; der Beiname Schrutan dürfte eine Reminiscenz aus den Nibelungen sein (vgl. Strophe 1818). Auf diesen Heinrich Schrutan von Winkelried hat Tschudi die zuerst bei dem Luzerner Etterlin (1507) auftauchende Sage von einem Drachentödter Winkelried, der bei Etterlin einfach „des geschlechts winkelried“ heißt, übertragen, indem er aus dem Schrutan einen „Strut“ (struot = Sumpf, Ried) macht und die von Etterlin unbestimmt in die Zeiten vor König Rudolf verlegte Geschichte auf das Jahr 1250 fixirt, insofern wenig glücklich, als er, wie Etterlin, den Helden durch die Berührung mit dem vergifteten Blut des Drachen umkommen läßt, während der urkundliche Schrutan noch 53 Jahre später am Leben ist.

Heinrich Schrutan ist, von dem bei Bicocca gefallenen W. des 16. Jahrhunderts abgesehen, der letzte des Geschlechts, der sich Ritter nennt; doch ist ein directer Zusammenhang zwischen der Ministerialenfamilie des 13. Jahrhunderts und den bäuerlichen Winkelrieden des 14. und 15. Jahrhunderts wahrscheinlich, da auch die letzteren sich stets in angesehener Stellung befinden, ihr eigenes Wappen, eine Mondsichel in einem Dreieck, führen und zum Theil die gleichen Vornamen tragen. Von 1309–25 treten Rudolf und Walter v. W. wiederholt als Zeugen bei wichtigen Verhandlungen in Unterwalden auf und zwar in der Regel zusammen, so daß man sie wol als Brüder betrachten darf. 1343 erscheint ein Jakob v. W. als Gutsbesitzer in Ennetmoos, 1372 ein Peter W., der Engelberger Güter in Alpnach zu Lehen hat. Eine 1367 bis 1399 oft in den Urkunden erwähnte Persönlichkeit ist Johannes (Hans, Jenni), der sich bald „von Winkelried“, bald, wie alle späteren, einfach „Winkelried“ nennt, ein Beweis, daß aus dem Verschwinden des „von“ auf keinen Unterschied des Standes oder der Familie zwischen den frühern und den spätern Winkelrieden geschlossen werden darf. Daß die Winkelriede noch immer zu den ersten Familien Unterwaldens zählten, zeigt eine Urkunde von 1378, in der Johannes bei einem Zehntenverkauf des Freiherrn Petermann von Ringgenberg im Berner Oberlande mit den Landammännern von Nid- und Obwalden, Johannes von Waltersberg und Walter von Hunwil, als Zeuge beigezogen erscheint und in der Zeugenreihe unmittelbar auf diese folgt. Wol wegen ihrer Beziehungen zur Aristokratie des Landes wurden sie in Mitleidenschaft gezogen, als 1382 die bisher allmächtigen Adelsfamilien der Waltersberg, Hunwil und Tottikon von der demokratischen Partei in Unterwalden gestürzt und ostracisirt wurden. Die „Hundert von Stans“, vermuthlich ein Ausnahmegericht, fällten gegen Jenni W., sowie gegen seine Brüder Klaus und Welti, ohne ihre Rechtfertigung anzuhören, ein infamirendes Urtheil, das jedoch von der Landsgemeinde cassirt wurde. Aber noch 1398 und 1399 hatten die Brüder und ihre Angehörigen wegen jenes Urtheils Anfechtungen zu erleiden.

[444] Am 1. Mai 1367 figurirt bei einem Zehntenverkauf in Buochs an das Stift Engelberg unter den Zeugen neben Johannes auch ein Erni W. Wenn durch diese im Archiv Engelberg befindliche Urkunde die Existenz eines Arnold W. zur Zeit der Schlacht bei Sempach sichergestellt ist, so ist dagegen sein Opfertod am 9. Juli 1386, auf dem die geschichtliche Bedeutung der Familie beruht, nicht so authentisch beglaubigt, als man gerne wünschen möchte. Keine Chronik, die als zeitgenössisch gelten kann, nennt seinen Namen oder erzählt seine That. Die erste Schilderung davon findet sich in einer Zürcher Chronik, die um 1438 entstanden, aber nur in einer Abschrift von 1476 erhalten ist, sodaß möglicherweise die betreffenden Zeilen ein Zusatz des Copisten sind, also 52 bezw. 90 Jahre nach der Schlacht. Da wird der Umschwung in der Schlacht zu Ungunsten der Oesterreicher damit motivirt, daß „ein getreuer Mann unter den Eidgenossen“ vorandrang, so viel Spieße faßte, als er ergreifen mochte, und sie niederdrückte, so daß die Eidgenossen sie mit den Hellebarden abschlagen und an die „Herren“ kommen konnten. Wir erfahren weder den Namen des getreuen Eidgenossen, noch wird ausdrücklich gesagt, daß er seine Kühnheit mit dem Leben bezahlt habe.

Lange bleibt diese Zürcherhandschrift mit ihrer Notiz vereinzelt. Doch zeigt die 1511 entstandene Chronik des Luzerners Diebold Schilling in der Abbildung der Schlacht einen Mann in Luzernerfarben, der Winkelried’s That vollbracht hat und fällt. Erst in der Reformationszeit taucht bei dem Basler Berlinger, der um 1531 Zusätze zu Etterlin’s Chronik verfaßte, und bei dem in Zürich lebenden Zuger Werner Steiner, der eine Sammlung eidgenössischer Schlachtlieder anlegte, das sog. Halbsuterlied auf, das die von der Zürcher Chronik erzählte That „einem Winkelried“ zuschreibt und seinen Tod berichtet. Dies Lied, das Steiner 1533 von Zug her erhalten hatte, wurde um 1545 durch den Druck verbreitet und gewann nun rasch Einfluß auf die Darstellungen der Schlacht. Den Vornamen Arnold brachte Tschudi zur allgemeinen Kenntniß, der ihn den Nidwaldener Jahrzeitbüchern entnahm. Jetzt erst wurde Arnold W. zum schweizerischen Nationalheros.

Es ist begreiflich, daß bei solchem Stande der Ueberlieferung die moderne Kritik einsetzte. Einzelne Forscher haben sogar die Möglichkeit einer Winkelriedsthat bei Sempach bestritten, indem sie, gestützt auf den confusen Schlachtbericht des Straßburgers Königshofen einen völlig ungeordneten Angriff der Ritter annahmen. Eine vorurtheilslose Betrachtung der ältesten Berichte (Hagen, Suchenwirt, Alte Zürcher Chronik, Justinger) ergibt indeß mit Gewißheit, daß hinter einer Anzahl junger Edelleute, die durch ungestümes Vorauseilen die Rittersporen verdienen wollten, ein geordneter Schlachthaufe zu Fuß gegen die Schweizer zog, wie das auch der von den Quellen übereinstimmend gemeldete anfänglich für die Oesterreicher günstige Verlauf der Schlacht nothwendig voraussetzt. Umsonst suchten die Eidgenossen in keilförmiger Ordnung (Königshofen, Justinger) in die Stahlwand der Ritter einzudringen, sie vermochten mit ihren Hellebarden gegenüber dem gefällten Ritterspieß nicht aufzukommen und erlitten schwere Verluste. Die Behauptung, daß die Eidgenossen bei Sempach selber mit langen Spießen bewaffnet gewesen seien und daher keinen Winkelried gebraucht hätten, verräth sowol Unkenntniß der Quellen als der Entwicklung der schweizerischen Taktik überhaupt. Noch bei Justinger (um 1420) sind „Spieße“ gleichbedeutend mit Berittenen; erst im Verlauf des 15. Jahrhunderts wurde der lange Spieß die Hauptwaffe des schweizerischen Fußvolks, nachdem die Eidgenossen bei Arbedo (1422) wegen der Unzulänglichkeit ihrer Waffen gegenüber dem italienischen Ritterspieß die Niederlage, die ihnen bei Sempach gedroht hatte, wirklich erlitten hatten.

[445] Erst als die Eidgenossen „von dem Spitze ließen und in die Herren liefen“, d. h. als die hintern Glieder aus der tiefen Colonne seitwärts ausbrachen und der Angriff auf der ganzen Front erfolgte, trat eine Wendung ein. Aber auch jetzt kam es, um den Einbruch an irgend einer Stelle zu ermöglichen, darauf an, für einen Moment eine Anzahl Gegner am Gebrauch der Speere zu verhindern, sei es daß einer der Krieger unter die Spieße lief und sie mit quer vorgehaltener Hellebarde in die Höhe drückte, wie dies nach Pirckheimer bei Frastenz und nach Bullinger bei Kappel geschah, sei es daß einer eine Anzahl Speere erfaßte und niederdrückte, wie der getreue Eidgenosse der Zürcher Chronik oder der Winkelried des Halbsuterliedes. Eine Winkelriedsthat oder etwas ähnliches war daher bei Sempach nicht bloß möglich, sondern sie allein kann jene plötzliche, für den Herzog, der im Hintertreffen zu Pferd zuschaute, so überraschend kommende Wendung erklären, mögen im übrigen die von den deutschen Chronisten betonten Momente der großen Hitze und der erdrückend schweren Rüstungen noch soviel zur Niederlage des Ritterheeres beigetragen haben.

Da die Luzerner, als die beim Entsatz der Stadt Sempach zunächst Betheiligten die Spitze des Keils gebildet haben werden, so ist von vornherein anzunehmen, daß die auf den Seiten ausbrechende Mannschaft den Ländern angehört hat. Daß es gerade ein Unterwaldner, ein Winkelried war, der bei jenem entscheidenden, einzig von Justinger mit einer Zeile überlieferten Manöver voranging, wird uns freilich nur durch das Lied gemeldet, das nach der Schlußstrophe ein Halbsuter von Luzern unmittelbar nach der Schlacht gedichtet haben soll. Es hängt daher die historische Beglaubigung der That Winkelried’s hauptsächlich von der Frage ab, inwieweit wir dem Halbsuterlied den Werth einer Geschichtsquelle zuerkennen können. Man hat dasselbe früher einem Halbsuter, der 1382–1434 urkundlich als Bürger von Luzern nachweisbar ist, zugeschrieben. So, wie es bei Werner Steiner und Andern in 63–67 Strophen überliefert ist, kann es freilich nicht von einem Zeitgenossen der Schlacht herrühren, gewisse Anachronismen weisen es vielmehr der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu, weshalb man den Autor jetzt gewöhnlich in einem jüngern 1431–1480 auftretenden Halbsuter (s. A. D. B. X, 405) zuschreibt. Ebenso gewiß ist aber, daß das Halbsuterlied alte, echte Bestandtheile enthält, daß es im wesentlichen nur eine Compilation von verschiedenen älteren Liedern ist, die von einem Schlußredactor durch Flickstrophen und Flickverse zu einem unförmlichen Ganzen zusammengeleimt worden sind. Eines dieser alten Lieder ist als solches beim Chronisten Ruß erhalten, ein zweites, das man „das Morgenbrot“ betitelt hat, läßt sich mit Leichtigkeit herausschälen und trägt ebenfalls den Stempel der Echtheit. In den Anfangsstrophen (2–4) vollends erweist sich das Halbsuterlied als besser unterrichtet, als alle Chronisten zusammen, indem es allein die Verbrennung Willisaus durch die Oesterreicher vor der Schlacht und den Marsch Leopold’s von diesem Städtchen nach Sursee meldet, Angaben, die mit Justinger und allen späteren Chronisten im Widerspruch stehen, die aber durch die Urkunden glänzend bestätigt worden sind. Ein Lied für sich können diese offenbar unmittelbar nach der Schlacht gedichteten Strophen nicht gebildet haben, zu dem Lied bei Ruß oder zu dem vom Morgenbrot gehören sie nicht, es bleibt daher nichts anderes übrig, als sie als Eingang eines dritten echten Liedes zu betrachten, das in dem Halbsuterlied verarbeitet ist und das dem Zusammenhang nach kein anderes sein kann, als das eigentliche Schlachtepos mit der Winkelriedepisode. Damit ist die Echtheit dieser Ueberlieferung, wenn nicht apodiktisch erwiesen, doch in hohem Grade wahrscheinlich geworden. Es ist daher auch wohl möglich, daß der ältere Halbsuter der Dichter dieses Hauptbestandtheils des großen Liedes ist; denn nicht er selbst nennt sich in der Schlußstrophe, sondern [446] ein anderer, der Compilator, spricht von ihm als einem unvergeßlichen Todten, der das Lied gedichtet habe.

Aehnlich, wie mit dem Lied, verhält es sich mit dem zweiten Zeugniß für Winkelried’s Heldentod bei Sempach, mit dem Verzeichniß der in der Schlacht gefallenen Nidwaldner. Die alten Jahrzeitbücher von Stans und Buochs, die dasselbe im Original enthalten haben, sind zu Grund gegangen; dagegen sind verschiedene voneinander unabhängige, aber auf die gemeinsame alte Quelle zurückgehende Verzeichnisse aus dem 16. Jahrhundert erhalten, ein von fremder Hand geschriebenes Blatt in Tschudi’s Collectaneen, das ihm als Quelle gedient hat, eines in dem 1560 geschriebenen Jahrzeitbuch Emmetten und ein drittes (um 1563) in den Aufzeichnungen des Luzerner Pfarrers Horolan. Alle drei stellen W. an die Spitze der gefallenen Nidwaldner, Horolan nennt ihn Erni W., Tschudi’s Quelle Arnold W., woraus er einen „Her Arnolt von Winkelriet, ritter“ gemacht hat. Die in den drei Verzeichnissen Genannten lassen sich, wie W. selber, zum Theil aus den Urkunden der Zeit nachweisen, und an eine Fälschung ist um so weniger zu denken, als das Begehen der „Jahrzeit der Eidgenossen“, d. h. das alljährliche Verlesen der Namen der in den Schlachten gefallenen Landeskinder in den Kirchen Nidwaldens schon 1454 urkundlich als herkömmliche Sitte bezeichnet wird.

Eine Notiz des Luzerner Umgeldbuches vom 22. December 1397, wonach „der lahme Winkelried 5 s durch Gott“ erhielt, hat zu der Vermuthung Anlaß gegeben, W. sei bei Sempach nur verwundet worden und habe wegen der Folgen seiner Verwundung von Luzern jenes Almosen erhalten. Indessen ist die Wahrscheinlichkeit, daß dieser lahme W. in Luzern mit dem Helden der Sempacherschlacht identisch sei, sehr gering, zumal in den Jahren 1396–98 vier verschiedene Winkelriede urkundlich nebeneinander genannt werden und das Geschlecht im Beginn des 15. Jahrhunderts außer in Stans auch in Alpnach, später sogar in Gersau ansässig erscheint, sich also frühzeitig verzweigt hat.

Einen anderen Beweis dafür, daß Arnold W. bei Sempach nicht gefallen sei, hat man darin sehen wollen, daß am 29. September 1389 ein Erni W. als Grundbesitzer in Ennetmoos und am 13. März 1396 als Mitstifter einer Frühmesserpfründe in Stans genannt wird. Wenn wir aber 1417 und 1418 wieder einem Erni oder Arnold W. als Landammann von Nidwalden begegnen, so muß es doch wol neben dem Erni der Urkunde von 1367 einen jüngern gegeben haben, auf den sich die Urkunden von 1389 und 1396 ohne jeden Zwang beziehen lassen. Es liegt nahe, an Vater und Sohn zu denken; doch wissen wir von Arnold II. nichts weiter, als daß er 1417 wiederholt Bote Unterwaldens auf eidgenössischen Tagsatzungen in Zürich und Luzern war und am 16. Mai 1418 zu Stans als Landammann Gericht hielt.

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erscheint ein dritter Arnold W. zu Stans, in dessen Stube am 8. November 1474 44 Nidwaldner sammt dem Fünfzehner Gericht von Obwalden in einem Streit zwischen dem Land Nidwalden und dem Altammann Sultzmatter zu Gericht saßen. Es mag dies stattliche Haus Arnold’s III. an der Stelle gestanden haben, die noch heut als Winkelried’s Hofstatt gilt, wiewol das darauf stehende Gebäude im 16. Jahrhundert von dem Ritter Lussi gebaut oder völlig umgebaut worden ist. Arnold III. war Mitglied des Rathes und 1476–1482 öfters Vertreter Nidwaldens auf eidgenössischen Tagsatzungen. An Bedeutung tritt er indeß hinter einem Bruder oder Verwandten, Heinrich W. zurück, der, um 1430 geboren, seit 1456 in den Urkunden genannt wird, 1471 schon geraume Zeit Mitglied des Rathes war und 1469–1498 nicht weniger als 38 Mal als Vertreter [447] Nidwaldens auf Tagsatzungen, bei Schiedsgerichten und anderen Anlassen nachweisbar ist.

Gegen Ende des Jahrhunderts finden wir einen vierten Arnold W., zunächst (1493/94) unter den Vorstehern der Markgenossen von Stans, seit 1496 als Boten Nidwaldens auf Tagsatzungen. 1507 wird er in einem Tagsatzungsabschied einmal Ammann genannt, doch wol irrthümlich, da für dieses Jahr andere Landammänner urkundlich beglaubigt sind. Der Irrthum erklärt sich daraus, daß Arnold IV. wol schon damals Venner war und als solcher in Verhinderung des Landammanns als dessen Statthalter zu fungiren hatte. Als Statthalter des Landammanns hielt „Venrich“ Erni W. vor Weihnachten 1508 zu Stans mit den Landleuten Gericht. Im gleichen Jahre nahm er an einer Gesandtschaft theil, welche die drei Urkantone nach Speier und Antwerpen wegen des Romzuges zu Kaiser Maximilian schickten, mit dem sie damals besonders enge Beziehungen unterhielten. In der Schlacht bei Novara (6. Juni 1513) war der Venner Erni W. einer der Führer der Eidgenossen und stand mit den Hauptleuten von Solothurn, Schwyz und Basel im vordersten Gliede. Auf den Tagsatzungen erscheint er bis 1524 häufig als Bote. Bald nach 1524 wird er gestorben sein, da er in diesem Jahre zum letzten Mal auf der Tagsatzung und unter den Vorstehern der Genossen von Stans genannt wird. Arnold IV. hatte einen Bruder Heinrich, der vor ihm starb. Vermuthlich ist dies der Heini W., dessen die Nidwaldner Jahrzeitbücher als eines Opfers der Schlacht bei Marignano (13./14. Sept. 1515) gedenken.

Mit dem „Venner“ W. ist bisher irrthümlicherweise ein Verwandter gleichen Namens, der Gardehauptmann Arnold W., zusammengeworfen worden, einer der berühmtesten schweizerischen Reisläufer aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, wegen seiner Größe und Stärke von den Zeitgenossen auch der „große Winkelried“ genannt. Schon 1504 scheint dieser Arnold V. ein gewerbsmäßiger Söldnerführer gewesen zu sein, indem er damals bei der Tagsatzung als einer der Hauptleute denuncirt wurde, die sich gegen ihr Verbot von Kurfürst Philipp von der Pfalz für den bairisch-pfälzischen Erbfolgekrieg hätten anwerben lassen. In den Mailänderzügen zeichnete er sich derart aus, daß ihn der 1512 von den Eidgenossen im Herzogthum Mailand eingesetzte Maximilian Sforza zum Hauptmann seiner Schweizergarde ernannte und ihn im December 1514 zum Ritter schlug. Am 13. September 1515 ließ er sich auf Betreiben Cardinal Schinner’s mit seiner Garde in ein Gefecht mit den vor Mailands Thoren streifenden Hommes d’Armes ein und verwickelte dadurch die Eidgenossen in die Schlacht von Marignano (13./14. Sept. 1515). Nach der Capitulation Sforza’s (8. Octbr.) mit seinen Gardeknechten ohne Bezahlung entlassen, war Arnold W. zunächst bei der Vertheidigung der eidgenössischen Herrschaften Lugano und Bellinzona thätig und machte hernach den Feldzug Kaiser Maximilian’s gegen Mailand im März 1516 mit. Als nach dem unbegreiflichen Rückzug Maximilian’s dessen Heer sich auflöste und die meisten Schweizer nach Hause gingen, blieb Arnold W. mit etwa 500 Landsleuten, die ihn als Hauptmann anerkannten, in Verona zurück und nahm an der erfolgreichen Vertheidigung der Stadt gegen die Franzosen und Venetianer durch Frundsberg und Marcanton Colonna ehrenvollen Antheil. Nach dem Friedensschluß drohte W. im Mai 1517 Namens seiner ehemaligen Gardeknechte auf eigene Faust einen Krieg gegen den König von Frankreich als nunmehrigen Herzog von Mailand zu eröffnen, um ihn zur Bezahlung des von Sforza geschuldeten Soldes an ihn und seine Kameraden zu nöthigen, und erreichte schließlich durch Vermittlung der Tagsatzung die Anerkennung seiner Forderung. Nach der Gewohnheit der Reisläufer seine Zunge wenig im Zaume haltend, wurde er öfters in Injurienprocesse [448] verwickelt. So zogen ihn im September 1517 die Berner, Freiburger und Soloturner vor Gericht, weil er sie wegen ihres Abzuges vor der Schlacht von Marignano als feldflüchtige Bösewichte bezeichnet und ihnen die Schuld an der Niederlage der Eidgenossen beigemessen hatte; während solche Schmähungen nicht selten mit Bluturtheilen gesühnt wurden, gelang es ihm, sich mit einer Ehrenerklärung zu Gunsten der drei Städte aus dem Handel zu ziehen.

Hatte der Ritter Arnold W. bis dahin zu den eifrigsten Widersachern Frankreichs in der Schweiz gehört, so erlag auch er schließlich den Lockungen des französischen Goldes. Am 10. Juli 1518 trat er gegen Zusicherung einer Pension von 400 Goldfranken in den Dienst Franz’ I. Beim Ausbruch des Krieges mit Karl V. scheint er 1521 als Hauptmann eines Fähnleins in der Picardie gekämpft zu haben. 1522 stand er als oberster Hauptmann der Ländercontingente mit dem Berner Albrecht von Stein an der Spitze der 16 000 Schweizer, die Ende Januar die Alpen überschritten, um die Lombardei für Frankreich zurückerobern zu helfen, und drängte mit Stein den französischen Oberbefehlshaber Lautrec zu dem tollkühnen Angriff auf das verschanzte Lager der Kaiserlichen unter Prosper Colonna bei Bicocca (27. Febr.), nachdem die beiden Schweizerobersten eine oberflächliche Recognoscirung der feindlichen Stellung unternommen hatten. In zwei großen Sturmhaufen rückten die Schweizer unter Stein und W. gegen die Front des kaiserlichen Lagers heran. Trotz des mörderischen Feuers der feindlichen Artillerie und Hakenschützen drang die Spitze ihrer Colonne, W. voran, über die Verschanzungen und stieß auf die Landsknechte Georg’s v. Frundsberg. „Du alter Gesell“, rief W. seinem ehemaligen Vorgesetzten zu, „find ich dich da; du mußt von meiner Hand sterben“. „Es soll dir widerfahren, wills Gott!“ erwiderte Frundsberg. Während W. dem deutschen Feldherrn mit dem Spieß einen Stich in den Schenkel versetzte, fiel er unter dem Kugelhagel der spanischen Büchsenschützen, die den schweizerischen Sturmhaufen in der Flanke beschossen. In ihren Liedern rühmten sich hernach die Landsknechte, Albrecht v. Stein und Arnold W. erstochen zu haben, während Niklaus Manuel in seiner Antwort auf ein solches Lied betont, daß sie vom Geschütz umgekommen seien. Der Gardehauptmann Arnold W. hinterließ einen Sohn Hans, der 1532 bereits gestorben war, und eine Tochter, die mit einem Hänsli Odermatt verheirathet war. Mit 1536 verschwinden die bisher zur Kenntniß gelangten Spuren des Geschlechts, das in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in all seinen Zweigen ausgestorben zu sein scheint.

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