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Artikel „Stein, Albrecht vom“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 596–599, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stein,_Albrecht_vom&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 09:02 Uhr UTC)
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Stein: Albrecht vom St. Die Vorfahren des berühmt gewordenen Schweizer-Söldners waren ritterliche Dienstleute, erst der Herzöge von Zähringen, dann ihrer Erben in Burgund, der Grafen v. Kyburg. Burg und Besitzungen lagen in der Nähe von Solothurn und trugen den Namen zweifellos von einem ungeheuren Steinblock, einem Gletscher-Findling, welcher im ehemaligen Edelhofe auf der Oberfläche liegt. Das Geschlecht „vom Stein“ verbürgerte sich im 14. Jahrhundert sowohl in Solothurn als auch in Bern und gelangte namentlich im Gebiete der letztern Stadt, welche 1332 im Kriege gegen Kyburg die Burg „zum Stein“ zerstört hatte, bald zu großem Reichthum. Kaspar vom St. wurde 1457 Schultheiß zu Bern, während sein Bruder Hartmann die nämliche Würde in Solothurn bekleidete. Ein Sohn Hartmann’s, der sich später ebenfalls in Bern niedergelassen hatte, nämlich Brandolf vom St., war Hauptmann der Besatzung von Grandson 1476, zur Zeit des Burgunderkrieges, Befehlshaber der Berner in dem großen Siege bei Nancy 1477, in welchem Herzog Karl sein Leben verlor, 1483 Schultheiß zu Thun, 1490 Landvogt zu Lenzburg und trat 1496 in den Kleinen Rath. Nachdem er die Berner wiederum im sogenannten Schwabenkriege, 1499, in dem ruhmvollen Ueberfall bei Dornach angeführt, ist er im April 1500 gestorben. Das war der Vater Albrecht’s. Wann dieser letztere geboren wurde, läßt sich nur annähernd aus der Thatsache schließen, daß er 1502 schon eigenen Rechtes und 1505 verheirathet war. Im folgenden Jahre erscheint er als Vogt zu Aarburg; allein Abenteuerlust, feuriger Ehrgeiz und schrankenlose Neigung zu hoffärtigem Leben drängten ihn bald aus den geordneten Bahnen des Staatsdienstes hinaus. Den schmählichen Furno-Handel, in welchem die Schweiz, gestützt auf angebliche, von einem Savoyarden gefälschte Testamente, ihren kriegerischen Ruf zu eigentlicher Gelderpressung gegenüber dem Herzog von Savoyen mißbrauchte, soll St., als Vermittler auftretend, zur persönlichen Bereicherung benützt haben. 1509 zog er dann als Führer einer freiwilligen Schaar den Venetianern zu Hülfe, betheiligte sich ebenso, zwei Jahre später, an dem Aufbruche von 10 000 Schweizern mit Venedig gegen Frankreich, der dann 1512, nach der Schlacht bei Ravenna, mit noch größerer Macht wiederholt wurde. Die Eidgenossen, die sich, der Aufforderung des Papstes gehorchend, in Trient gesammelt hatten, vertrieben die Franzosen aus ganz Oberitalien bis Genua; Julius II. erklärte sie als „Beschirmer der Kirche“, beschenkte sie mit Bullen und seidenen Fahnen; sie selbst übergaben das Herzogthum Mailand, nachdem sie den nördlichen Theil, den heutigen Kanton Tessin, für sich behalten, dem neuen Fürsten Maximilian Sforza, der am 29. December 1512 von ihnen in seine Hauptstadt geleitet wurde. St. hatte unterdessen, zum Theil auf eigene Faust, in den Gebirgen von Piemont die Franzosen bekriegt; dagegen stand er wieder in den Reihen seiner Landsleute, als diese schon im nächsten Jahre in die Lage kamen, Mailand gegen die Angriffe der Franzosen schützen zu müssen. 7000 Schweizer, ohne Geschütze und ohne Reiterei, schlugen am 6. Juni 1513 das über 20 000 Mann zählende und prachtvoll ausgerüstete, [597] von La Tremouille und J. Trivulzio befehligte Heer Ludwig’s XII. bei Novara in die Flucht. Der Ruhm, den St. in dieser glänzenden Waffenthat für sich persönlich geholt hat, scheint freilich nicht unbestritten gewesen zu sein; er sah sich veranlaßt, vor der Tagsatzung über verläumderische Gerüchte Beschwerde zu führen. Kurz hernach hat er in Bern bei einem gefährlichen Aufstande sich durch Geistesgegenwart und Muth ausgezeichnet. Die Unfähigkeit des Herzogs von Mailand ließ alle Vortheile des Sieges von Novara wieder verloren gehen; er wußte die zu Frankreich neigende Partei weder zu versöhnen noch zu unterdrücken, noch weniger verstand er überhaupt zu regieren. St., seit Ostern 1514 Mitglied der Bernischen Regierung, hielt sich längere Zeit am mailändischen Hofe auf, als eine Art von Aufseher bestellt, um über den Gang der Dinge zu wachen und zu berichten. Seine Briefe an den heimischen Rath sind von hohem Interesse, geben aber ein höchst bedenkliches Bild von der Zerfahrenheit und Nichtigkeit des Herzogs und lassen einen baldigen Zusammenbruch der Ordnung ahnen, mit deren Fortbestand auch die Schweiz einen Theil ihrer Sicherheit verknüpft hatte. St. bemühte sich namentlich, dem Herzog Bergamo und Brescia wieder zu verschaffen, welches der spanische Vicekönig von Neapel noch festhielt; allein Sforza beklagte sich über die Schweizer, wie sie über ihn, und eifersüchtiges Mißtrauen ließ den Plan nicht gelingen. Am 1. Januar 1515, dem nämlichen Tage, an welchem Ludwig XII. von Frankreich starb und Franz I. nachfolgte, begab sich St. von Mailand nach Zürich, um auf die Gefahren der Lage aufmerksam zu machen. Eine schweizerische Gesandtschaft erhielt den Auftrag, den Herzog zu größerem Ernste zu mahnen. Schon im April ging St. wieder über den Gotthard, da man von einem Anschlage der Franzosen gegen Genua wissen wollte, und an der Spitze schweizerischer Truppen sollte er zum Schutze dieser Stadt ausziehen. Papst Leo X., der mit Franz I. Frieden halten wollte, verzögerte den Aufbruch, und Genua fiel. Die Katastrophe nahte heran; die Schweizer selbst beförderten die Wendung, und St. trug nicht am wenigsten dazu bei. Er war auch dies Mal der Anführer der Berner, welche Mailand schützen sollten, als Franz I. die Alpenpässe überschritt, um das Herzogthum wieder zu erobern. Durch sein stolzes und hochfahrendes Auftreten scheint er andere eidgenössische Hauptleute gereizt und verletzt zu haben; eine tiefgehende Entzweiung trennte infolgedessen die Heerhaufen der Berner einerseits, der Schwyzer und Glarner andererseits. Die Erbitterung steigerte sich durch Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf den Kriegsplan. Mit 50 000 Mann, einem Heere, wie jene Zeit noch keines gesehen, kam der französische König heran, St. war der Ansicht, daß ihm nur in den schwierigen Gebirgsübergängen von Piemont mit Erfolg entgegengetreten werden könne, die andern wollten sich auf die Deckung von Mailand beschränken. Mit Mühe erzwang St. ein theilweises Vorrücken im Juni 1515; er war entschlossen, wie er nach Bern schrieb, „den Ehren, und nit dem Gelde nach zu kriegen“; die Abneigung gegen seine Person war zu groß, als daß sein umsichtiger Rath hätte Eingang finden können; schlechte Verpflegung erschwerte die Disciplin und mehrte den Unmuth Aller gegen Alle. St. wurde sogar von Schwyzern und Glarnern in seinem Zelte überfallen und mit dem Tode bedroht, nur der Dazwischenkunft des Cardinals Schinner von Sitten schrieb man seine Rettung zu. Nirgends aufgehalten, stiegen die Franzosen in die Thäler hernieder, wo die Vertheidigung immer weniger günstige Aussichten bot, und grollend stellte sich jetzt St. mit seinen Bernern bei Seite, als die Unglücksschlacht bei Marignano nahte. Es kam in den ersten Tagen des Septembers zu Galera oder Gallerate zu Unterhandlungen und Separatverträgen mit Frankreich von Seiten der Berner, an welche auch die Freiburger und Solothurner anschlossen, während der Rest der Schweizertruppen, von Schinner’s tollem Fanatismus [598] gehetzt, den beispiellosen Kampf vom 15. September bestehen sollte, welcher den Eidgenossen ihren Kriegsruhm und ihre herrschende Stellung in Oberitalien kostete. Schwere Anklagen gegen Bern, gegen St. vor allem, konnten nicht ausbleiben. Die Trennung wurde als Verrath bezeichnet und der Bestechung durch französisches Geld zugeschrieben. St. konnte sich darauf berufen, daß er von seiner heimischen Regierung den Befehl erhalten hatte (7. September), den Widerstand aufzugeben; er wurde denn auch stets von seinen engern Landsleuten gegen alle Beschuldigungen in Schutz genommen. Sicher ist, daß St. von Stunde an sich ganz dem Dienste Frankreichs ergeben hat. Es blieb ihm freilich jetzt keine andere Wahl; bedenklicher ist, daß er durch spätere großartige Verschwendung, nachdem das väterliche Erbe längst dahin war, in Bern Aufsehen erregte und nebst seiner noch hoffärtigeren Frau mehr und mehr „eines Grafen Pracht“ entfaltete. Wenn er dadurch die Alten ärgerte, so wirkte er um so verlockender auf die Jugend. Mit 12 000 Mann, die er gegen das Verbot der Berner Regierung mit französischem Gelde geworben, ging er im März 1516 über den großen St. Bernhard, erst nach Novara, dann nach Mailand, in dem Augenblicke, da der Herzog von Bourbon im Begriff war, die Stadt wieder preiszugeben. Jovius und Reißner (im Leben G. Frundsberg’s) behaupten, daß der Kaiser sofort den Rückzug beschlossen habe, als er hörte, daß St. heranziehe. In seiner Heimath jetzt wegen Ungehorsams mit Confiscation seines Vermögens bestraft und verbannt, wurde er von Seiten Frankreichs reichlich belohnt. Er erhielt eine „goldene Kleidung“, die Herrschaft Montréal, 10 000 Kronen und einen bedeutenden Jahrgehalt. Der Zorn der Berner war denn auch nicht von Dauer, man freute sich doch über seine Erfolge, man benützte gern seinen Einfluß auf den Hof des französischen Königs. Er vermittelte 1518 seiner Vaterstadt den Erwerb von Reliquien der heil. Anna; daß dieselben sich hernach als gefälscht erwiesen, verringerte den Dank nicht, den man ihm dafür zollte. Umgekehrt hoffte nun Franz I. die Ueberredungskunst des Mannes benutzen zu können, um die Schweizer zur Unterstützung seiner Bewerbung um die Kaiserkrone zu bewegen. Er scheint ihn persönlich berufen zu haben, um ihm die Vortheile dieser Wahl für die Eidgenossenschaft vorzustellen. St. selbst sah auch einen Entscheid in diesem Sinne so sehr als den in der Weltlage gegebenen an, daß er seinen Landsleuten rieth, dazu Hülfe zu bieten, „damit wir den Ruhm hätten, solches hätten wir gethan“. Das merkwürdige Schreiben verdiente vollständige Mittheilung, wenn der Raum es nicht verbieten würde. Man weiß, daß die Schweiz anderer Ansicht war und für den Enkel Maximilian’s eintrat. Sie hatte zwar am 29. November 1516 ihr ewiges Bündniß mit Frankreich geschlossen, konnte aber nicht wünschen, daß dieser Nachbarstaat zur Alleinherrschaft in Europa gelange. Zürich allein hatte die Annahme des Bundes mit Frankreich verweigert; St. sollte nun im Auftrage des Königs die Stadt zu gewinnen suchen, seine Sendung scheiterte an dem Widerstande Zwingli’s, der jetzt die Politik Zürichs zu bestimmen begann. St. wurde geboten, die Stadt zu verlassen. Der Zuzug von 6000 Mann, den die übrigen Kantone aufbrachten, und bei welchem St. wieder mancherlei diplomatische und militärische Dienste leistete, konnte nicht verhindern, daß der Zauderer Lautrec neuerdings Mailand für die Franzosen verloren gehen ließ. Durch größere Anstrengungen sollte der Mißerfolg gut gemacht werden. St., der sich damals wieder zur Betreibung eigener Geschäfte in Bern befand, bewog die Tagsatzung am 16. Januar 1522 zu einem fernern Auszuge von 16 000 Mann. Durch Schnee und Eis über den St. Gotthard marschirend, vereinigte sich die gewaltige Schar zu Monza mit dem französischen Heere. Stürmisch verlangten die Schweizer sofort zum Angriff geführt zu werden. Prosper Colonna hatte Mailand durch ein starkes verschanztes [599] Lager bei Bicocca gedeckt, und Lautree zögerte. St. drängte ungeduldig, und forderte im Namen seiner Mannschaft: entweder Geld oder Heimkehr oder Schlacht! – Lautrec gab nach, aber unwillig genug. Die Schweizer brachen sofort los, in blindem Ungestüm nicht achtend, daß die Franzosen sie im Stiche ließen. Nach wiederholtem, unglaublich tollkühnem Ansturm lagen von den 8000 Kämpfenden nicht weniger als 5000 auf dem Schlachtfelde, davon 22 Hauptleute, und unter ihnen auch St. Der traurige Rest mußte in demselben Augenblicke den Rückzug antreten, als der Marschall de Foix endlich von der andern Seite her anzugreifen begann. St. war ein Typus jener Abenteurer, welche den Krieg als ihren Beruf ansahen, ohne lange zu fragen, in wessen Dienste gekämpft wird, um welche Ziele es sich handelt. Er war ein Mann von edler Ritterlichkeit nach dem eiteln Ehrbegriff der wilden Zeit, höhere, sittliche Eigenschaften würde man umsonst bei ihm suchen. Einnehmendes Wesen und eine mehr als gewöhnliche Bildung verschafften ihm, im Verein mit militärischer Begabung, einen Einfluß, der für sein Vaterland verhängnißvoll werden sollte. Die französischen Geschichtsschreiber der Zeit, die wenig geneigt sein mochten, den Kriegsruhm ihrer nationalen Helden mit einem Fremden zu theilen, nennen den schweizerischen Söldner Albert de la Pierre; als Albertus Petra erscheint er bei Jovius und Guiccardini. Sein Landsmann, der Maler Niclaus Manuel von Bern, der unter ihm im Felde stand, hat das Aeußere Stein’s in einem Bilde seines Todtentanzes wiedergegeben. Daß derselbe nicht ohne Verständniß für höhere geistige Güter war, beweist seine Bemühung, für seinen einzigen Sohn, Brandolf, der 1521 in Paris seine wissenschaftlichen Studien machen sollte, den Humanisten Melchior Volmar, früher Schulmeister in Bern, dann bekannt als Lehrer Calvin’s, als Begleiter zu gewinnen.

Biographische Notizen über St. in Schweizerischer Geschichtsforscher V, 321–451 und VI, 1–67. – Die Schweizer in Italien und der Bernische Feldhauptmann St. (von Hidber), Berner Neujahrsblatt für 1860. – Glutz u. Hottinger, Fortsetzung von J. v. Müller’s Schweizergeschichte V, 2 u. VI. – V. Anshelm’s Berner Chronik, namentlich Bd. IV u. V (n. Ausg.). – P. Jovius, Historia sui temporis. Argentor. 1556. – Guiccardini, Historia sui temporis. Basil. 1566. – Reissner, Historia Hrn. Georgen v. Frundsberg. Frankfurt a. M. 1599. – Mémoires de Fleurages, Mémoires de Mart. Du Bellay (Collect. Petitot. 1. sér. tom. XVI. XVII. XVIII). – Original-Acten des Berner Staatsarchivs. – Sammlung der eidg. Abschiede III, 2 u. IV, 1.