ADB:Schneider, Friedrich (anhaltischer Hofkapellmeister)

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Artikel „Schneider, Friedrich“ von Hans Michael Schletterer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 110–119, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schneider,_Friedrich_(anhaltischer_Hofkapellmeister)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 20:05 Uhr UTC)
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Schneider: Johann Christian Friedrich S., geboren am 3. Jan. 1786 zu Waltersdorf in der Oberlausitz, † als herzogl. anhaltischer Hofcapellmeister in Dessau am 23. November 1853, entstammte jenem bescheidenen Erdwinkel, Lausitz genannt, der der musikalischen Welt eine ganze Reihe trefflicher Künstler und Componisten gegeben hat. Zum Beweise dafür mögen von vielen hier nur die Namen: Homilius, Hiller, Schicht, Naumann, Richter, Marschner genannt werden. Schon in altersgrauer Vorzeit galt das Volk der Sachsen, wie auch das der Böhmen, als vorzugsweise musikbegabt. Die Lausitz grenzt aber unmittelbar an Böhmen; eine lebhafte Wechselwirkung fand nun je zwischen den beiden benachbarten, der großen slawischen Völkerfamilie angehörigen Stämme statt. Aber nicht allein die Lausitz, auch Thüringen, das Händel und Bach zu seinen größten Söhnen zählt, bewohnt, wie Sachsen überhaupt, ein für Musik reich veranlagtes Volk. Aus armen Hütten der Weber und engen Stuben der Schulmeister, aus durch Noth und Bedrängniß nicht selten schwer heimgesuchten Familien, gingen viele der besten unserer Tonmeister hervor. Der den Sachsen angeborene Musiksinn wurde wesentlich dadurch gefördert, daß seit der Reformation die Kirchenmusik großen, durch die allerwärts errichteten Cantoreien unablässig genährten Aufschwung nahm, die höhern Schulen und Gymnasien (Kreuzschule in Dresden, Thomasschule in Leipzig u. a.) sich eifrigste Musikpflege angelegen sein ließen und am kurfürstlichen Hofe stets die besten Capellen unterhalten, die angesehensten und berühmtesten Capellmeister und Componisten angestellt und großartige und glänzende Aufführungen veranstaltet wurden. Schon der Großvater Schneider’s, Johann Christoph, ein armer Häusler und Zwillichweber, war durch seine Musiktalent, [111] wie durch seinen gesunden Humor, weit über sein Heimathdorf, Alt-Waltersdorf, hinaus bekannt. Sein schwächlich kränklicher Knabe, Johann Gottlob, der erst im sechsten Jahre gehen lernte, bethätigte früh schon ungewöhnliche musikalische Beanlagung und obwohl auch er lange Jahre am Webstuhl arbeitete, gelang es ihm zuletzt doch, sich Uebung auf dem Clavier und der Violine zu erwerben und ein sehr tüchtiger Organist und wackerer Tonsetzer zu werden. Er wurde, nachdem ihn der heimathliche Organist, T. Lange, unterrichtet hatte, der Schüler des Organisten J. Trier in Zittau, der wiederum ein Schüler Bach’s war. 1774 ward er zuerst als Organist, dann 1779 noch als Unterschulmeister in Waltersdorf, 1787 als Hauptlehrer und Organist in Alt- und Neugersdorf angestellt; als solcher schloß er nach einem Leben segensreichster Thätigkeit, von allen, die ihn kannten, verehrt und geliebt, hochbetagt im J. 1840 die Augen zu ewiger Ruhe. Schon in seinem 17. Jahre verheirathete er sich mit seiner Base Joh. Eleon. Schneider und nach deren baldigem Tod, 1782, mit A. Ros. Hänisch aus Johnsdorf. Sie war, wie auch ihr Gatte, obwohl sie aus besserer Familie stammte, einfach und bieder und bethätigte immer ein christlich frommes Gemüth. „Ein Bund, im Himmel geschlossen, war diese Ehe reich an Freuden und gekrönt mit höchster irdischer Glückseligkeit.“ Dieser Verbindung, auch körperlich wohlgestalter, an Leib und Seele gesunder Eltern, entsproß, als zweiter Sohn, unser F. S. Der sich kräftig entwickelnde Knabe erhielt durch den wackern Vater schon vom vierten Jahre an Unterricht in den Schulgegenständen, zugleich aber auch im Clavierspiel. Bald konnte sich der Wunderknabe vor Nachbarn und Freunden hören lassen. Im nächsten Jahre schon saß er auf der Orgelbank. Zur Zeit, wenn andere Kinder das Buchstabiren beginnen, befreundete er sich bereits mit den Grundregeln des Generalbasses. Der Vater war aber auch unnachsichtlich; unerbittlich trieb er seine Buben zu ihren Instrumentalstudien und sperrte sie selbst im Winter in ein kaltes Zimmer und zwang sie, da ihre Fingerübungen auf dem Clavier zu machen. Achtjährig sang Fritz schon auf dem Kirchenchor oder löste den Vater beim Choralspielen ab und eignete sich nun allmählich auch Kenntniß und Behandlung aller gangbaren Instrumente an, so daß er im zwölften Jahre sie alle so ziemlich praktisch behandeln gelernt hatte. Vorher schon, im neunten Jahre, machte er seine ersten Compositionsversuche. In dieser Zeit empfing er die mächtigsten, sein ganzes Sinnen und Denken umgestaltenden musikalischen Eindrücke dadurch, daß er Mozart’s Clavierwerke kennen lernte, 1796 in Rumburg dessen „Zauberflöte“ und 1797 in der katholischen Hofkirche in Dresden eine „Missa“ hörte. Nicht minder ergriff ihn 1803 eine Aufführung von Haydn’s „Schöpfung“, der er ebenfalls in Dresden beiwohnen durfte. Eine neue wunderbare Tonwelt von ungeahnter Größe und Herrlichkeit war ihm so allmählich aufgegangen, hatte in seiner Seele eine gewaltige Revolution und tiefe Erregung hervorgebracht, ja man kann sagen, daß er dadurch jetzt erst seine künstlerische Weihe empfangen hatte. Mozart und Haydn, zu denen sich in der Folge noch Beethoven gesellte, bildeten fortan das Dreigestirn, das seiner Laufbahn voranleuchtete und sein stetes Vorbild blieb; die in der Jugend empfangenen Eindrücke klingen durch sein ganzes reiches Wirken und Schaffen durch.

Der Vater S. war seinem Sohne ein strenger Erzieher, nicht allein in musikalischer Hinsicht, auch seine wissenschaftliche Bildung wurde nicht vernachlässigt; denn im Grunde dachte er, so sehr überraschende Aeußerungen seltener musikalischer Talentirung sich auch täglich kundgaben, nicht daran, für den Knaben eine künstlerische Zukunft ins Auge zu fassen. Aber diese ernste Zucht war für diesen der größte Segen. Er wußte sich auf den Schulen, die er besuchte, nicht nur stets unter den Ersten zu halten, er fand auch noch Zeit zu [112] gründlichen musikalischen Uebungen und umfangreichen musikalischen Compositionsarbeiten und noch in hohem Alter konnte man ihn, den unermüdlich seine Zeit ausnützenden, gewöhnlich schon von morgens 3 Uhr ab am Schreibtische finden. Fast möchte man wünschen, er hätte weniger zahlreiche Werke geschrieben und seinem Geiste mehr Ruhe gegönnt. Noch im elterlichen Hause schrieb er (1798) die erste seiner 23 Sinfonien. Bald nachher, nach seiner Confirmation, wurde er zu seiner Schwester nach Neusalz gebracht, um bei dem dortigen Ortspfarrer die nöthigen Vorstudien im Lateinischen und Griechischen zu machen; Ende November 1798 kam er auf das Gymnasium in Zittau und fand zugleich Aufnahme im dortigen Kirchenchor. Der Cantor Schönfeld, der Organist Unger, die Kunstfreunde Kaufmann Exner, Candidat Flaschner und der Rittergutsbesitzer und Advocat Lingke nahmen sich des talentvollen Knaben mit väterlicher Liebe an. S. war nun 13 Jahre alt. Aber schon regte sich mit Macht, auf mannichfache Weise von außen genährt, sein Schaffensdrang. Von jetzt ab verzeichnete er die Anfänge aller seiner Compositionen in besonders dafür bestimmte Hefte, die, seine fromme Gesinnung kennzeichnend, alle die Buchstaben S. D. G. (Soli Deo Gloria) und C. D. (Cum Deo) an der Stirne tragen. Schon in den vorausgegangenen Jahren hatte er sich in vielen Tonsätzen, geistlichen und weltlichen, versucht; das was er während seines Zittauer bis 1805 dauernden Aufenthaltes, neben gründlicher Clavier- und Orgelübung, seiner Beschäftigung als Kirchensänger und Chorpräfect, eifriger Theilnahme am öffentlichen und privaten Musiktreiben der Stadt und angestrengten wissenschaftlichen, allen Forderungen seiner Lehrer genügenden Studien, an Märschen, Tänzen, Rondos, Sonaten, Quartetten, Concerten, Ouverturen, Sinfonien, Liedern, Canons, Motetten, Hymnen, Cantaten, Messen u. s. w. schrieb, ist ganz erstaunlich. Der von ihm sorgfältig fortgesetzte, von F. Kempe in seiner Biographie Schneider’s mitgetheilte thematische Katalog gestattet einen Einblick in dies rastlose Schaffen. Die Zahl dieser Jugendcompositionen ist eine größere, als sie mancher bejahrte fleißige Meister erreicht. Sie wurde gekrönt durch eine einactige Oper und ist es nur zu beklagen, daß von allen diesen Versuchen, wie sie S. selbst nannte, fast nichts veröffentlicht wurde. Doch wurden noch während seiner Schülerzeit 3 Claviersonaten, Op. 1, bei Breitkopf & Härtel in Leipzig verlegt und von F. Rochlitz in der Allg. mus. Zeitung sehr günstig kritisirt; im gleichen Verlage und ebenso vortheilhaft beurtheilt, erschienen, noch ehe er die Schule verließ, als Op. 2, 3 und 4 eine große vierhändige Sonate, drei weitere Sonaten und ein Clavierrondo. Als er am 9. October 1805 in Leipzig eintraf, um an der Universität Humaniora zu hören, hatte sein Name als Tonsetzer schon einen guten Klang. Er fand hier in dem stud. jur. H. Seidel und dem jungen Musiker W. F. Riem, nachmals Organist und Director der Singakademie in Bremen, treffliche Freunde; Rochlitz blieb stets sein wohlwollender Gönner; die Musikdirectoren A. F. Müller und sein Landsmann J. G. Schicht waren ihm immer fördernde Berather; die Professoren Platner, Clarus, Claudius, Wendt und Rödiger wurden seine Lehrer; auch der als Schriftsteller und Componist berühmt gewordene spätere Berliner Kammergerichtsrath E. Th. A. Hoffmann zählte zu seinem näheren Bekanntenkreise. Leipzig, von je eine angesehene Kunststadt, bot ihm, dem wissens- und musikdurstigen Jüngling, vielfachste Anregung. Da waren die Concerte im Gewandhause, in denen alle älteren und neuesten Orchesterwerke und alle bedeutenden Künstler gehört wurden, die Thomasschulconcerte, welche die höhere Vocalmusik pflegten, die montägigen Assembléen im Beigang’schen Museum, welche vorzugsweise Kammermusik cultivirten, weiter eine Operngesellschaft, erst die aus Dessau, dann die Seconda’sche Truppe, deren Leistungen sein besonderes Interesse erregten. S. hatte schon 1804 in einem Concerte in Görlitz sich mit vielem Erfolge als [113] Pianist hören lassen. In Leipzig galt er bald als der beste Clavierspieler, dessen Vorträge stets freudig willkommen geheißen wurden. Daß sein Schaffensdrang auch hier nicht rastete, beweist wieder sein thematischer Katalog. Nun traten auch viele seiner neuen Werke vor die Oeffentlichkeit, alle geeignet, seinen Ruf und Ruhm zu erhöhen. Ostern 1806 übernahm er das Orgelspiel und den Gesangunterricht in der Rathsfreischule; am 20. Juni 1807 ward er zum Organisten an der Universitätskirche (St. Pauli) ernannt; Herbst 1810 finden wir ihn als Musikdirector der Seconda’schen Operngesellschaft, welcher Thätigkeit er aber nach drei Jahren wieder entsagte, um Organist an St. Thomas zu werden. Mit der Direction „der Schweizerfamilie“ von J. Weigl hatte er s. Z. sein Amt übernommen, nach der der „Iphigenie auf Tauris“ von Gluck legte er es am 23. März 1812 wieder nieder. Von jetzt beginnt sein größeres Schaffen. Zunächst schrieb er für die Singakademie seine große Messe in F, die er dem Könige von Sachsen widmete. Später übernahm er selbst die Leitung dieses Gesangvereins, für den er noch vier weitere Messen componirte. An seine Stelle bei der Oper war der Verfasser der Phantasiestücke, Hoffmann, getreten. Dieser höchst geistreiche und geniale Mann erwies sich aber nicht selten als excentrischer Tollkopf, mit dem kaum auszukommen war. Während einer Probe zu Cherubini’s „Faniska“ überwarf er sich mit seinem Director so sehr, daß er plötzlich entlassen wurde. In seiner Noth wandte sich Seconda wieder an S., der denn auch die Oper ohne Probe über Erwarten gut durchbrachte. Dieses Vorkommniß änderte übrigens in den guten Beziehungen zwischen den beiden berühmten Männern nichts; denn als Hoffmann am 25. Juni 1822 starb, ward er von Niemandem aufrichtiger betrauert, als von S., der nach diesem Vorfall seine frühere Stellung am Theater wieder eingenommen hatte. In diese Zeit fällt ein anderes wichtiges Lebensereigniß Schneider’s. Der junge Capellmeister verheirathete sich am 28. September 1812 mit seiner Schülerin, einem wunderschönen Mädchen, der ersten dramatischen Sängerin der Leipziger Oper, Elise Geibel, Tochter eines wohlhabenden Tapezierers aus Wetzlar. Die Trauung fand in Gersdorf statt, sein ehemaliger Lehrer, der Magister S. A. E. Müller, vollzog die Einsegnung. Frau Elise verließ nun die Bühne; häusliche Glückseligkeit erfüllte die Tage der jungen Gatten. Am 10. Juli 1813 brachte sie ein todtes Kind zur Welt; sieben Tage später starb sie, in ihrer letzten Lebensstunde dem Gatten noch ihre Schwester Marie als künftige Frau dringend empfehlend. Am 12. August begegnen wir dem Tiefgebeugten auf dem Wege nach Wetzlar, die Trauerkunde dorthin selbst überbringend. Mitten im Kriegsgetümmel kehrte er am 25. September wieder nach Leipzig zurück. Getreu seiner Zusage, führte er am 3. Januar 1815, an seinem 29. Geburtstage, seine Schwägerin Marie als zweite Frau heim.

Im October d. J. wurde die Leipziger Liedertafel gegründet, deren fleißiges Mitglied er wurde und für die er viele seiner schönsten Gesänge schrieb. Von höchster Wichtigkeit wurde für ihn eine Begegnung, die er in der Sylvesternacht 1815/16 im Hause des Dr. Wendler mit August Apel, dem Dichter seines größten und berühmtesten Werkes, des „Weltgerichtes“ hatte. Am 10. März 1816 übergab derselbe dem Tonsetzer das Buch; doch sollte er selbst eine Aufführung seiner großartigen Dichtung nicht mehr erleben. Apel (geb. am 17. Sept. 1771), bekannt als musikalischer Theoretiker und geübter Harmonika- und Clavierspieler, starb als Senator in Leipzig (s. A. D. B. I, 501) an einer Halsentzündung schon am 9. Aug. 1816, noch ehe S. die Composition des „Weltgerichts“ auch nur begonnen hatte. Erst am 12. Mai 1819 konnte er in seiner Wohnung die erste Clavierprobe, am 3. Juni eine mit vollem Orchester im Gewandhause abhalten. [114] Am 6. März 1820 fand dann die erste Aufführung, zu der sich alle musikalischen Kräfte Leipzigs vereinigt hatten, statt, gekrönt vom weitreichendsten Erfolge. Das Werk wurde mit freudiger Bewunderung aufgenommen und trat nun von hier seinen Siegeszug durch ganz Deutschland an. Nur wenige bedeutendere Städte wird es in unserem Vaterlande, wenigstens in dessen nördlicher Hälfte geben, in welchen dies großartige, allerwärts gleiche Anerkennung findende Werk nicht mit Begeisterung wiederholt gesungen und gehört worden wäre.

Mitte December 1820 erhielt S. eine Einladung nach Dessau, das kürzlich, 22. October, seinen bisherigen Musikdirector, L. C. Reinicke, verloren hatte. Er langte am 20. dort an, ward am 22. von dem kunstsinnigen Fürsten Leopold Friedrich in Audienz sehr wohlwollend empfangen und erhielt bei dieser Gelegenheit von demselben das Anerbieten, an Stelle des Verstorbenen dessen Functionen zu übernehmen. Der in huldvollster Weise gemachte Antrag ward freudig angenommen. Am 26. Februar 1821 gab der zum herzogl. anhaltischen Capellmeister ernannte S. sein Abschiedsconcert in Leipzig. Ungern sah man ihn von da wegziehen. Am 29. März traf er mit seiner Familie in Dessau ein; drei Tage später übernahm er sein neues Amt.

An rastlose Arbeit von jeher gewöhnt, entfaltete er fortan eine ebenso bewundernswürdige als segensreiche Thätigkeit. Sofort gründete er einen Singchor. Bereits am 17. April konnte die erste Uebung der „Singakademie“ stattfinden, die sich zunächst aus 48 Mitgliedern zusammensetzte und den 1. Mai als Stiftungstag feiert. Dann organisirte er den Gymnasialsingechor, den er in Verbindung mit den Zöglingen des Schullehrerseminars auf 52 Choristen vermehrte. Mit dem Sänger der Müller- u. Griechenlieder, der Winterreise u. s. w., Bibliothekar W. Müller, rief er am 15. October die „Liedertafel“ ins Leben. Und nun reorganisirte er auch die herzogliche Capelle, welche fortan 41 Mitwirkende zählte. Schon am 1. Juni war ihm auch die Organistenstelle an der Schloßkirche übertragen worden. Im Einverständniß mit Consistorium und Geistlichkeit übte er den wohlthätigsten Einfluß auf Hebung des Kirchengesanges. Nun die Fundamente für das Aufblühen höheren Musiklebens gelegt waren und die neuen, in ihren Leistungen mit einander wetteifernden Vereine seinen Kunstbestrebungen eine Stütze boten, konnte er auch an die Lösung größerer Aufgaben denken. Am 24. October ward sein „Weltgericht“ in der Schloßkirche in überwältigend-glänzender Weise aufgeführt. Den Ertrag wies er der Witwen- und Waisencasse der Capelle zu.

Zu allen diesen Geschäften kam vom November ab auch noch die Direction der im Hoftheater während der Wintermonate spielenden Oper. Im Februar 1822 nahmen die von S. nun häufig gegebenen Kirchenconcerte in der Schloßkirche und bald darauf die regelmäßigen Samstags-Vespern ihren Anfang. Nach Einweihung des neuen Concertsaales im Schauspielhause (17. Mai) traten ferner nun auch die Abonnementsconcerte ins Leben. Dies alles wurde von dem einen Mann nicht nur begründet und organisirt, er blieb auch Zeit seines Lebens der einzige gewissenhafte Leiter dieser sämmtlichen Musikinstitute.

Im Familienleben Schneider’s erscheint der 16. October 1828 insofern als wichtiger Tag, als er durch Ankauf eines Hauses mit großem Garten nun endlich in den Besitz eines eigenen Heims gelangte. In diesem Hause hatte einst unter des bekannten Basedow’s Leitung dessen Musterschule, das Philanthropin, sein Unterkommen gefunden.

Man sollte meinen, daß die durch unablässiges Schaffen und zahllose Amtsgeschäfte ausgefüllte Zeit S. weitere Unternehmungen unmöglich gemacht haben müßte; aber das nimmermüde Streben des Meisters, sich nützlich zu machen und im Interesse seiner Kunst und solcher, die sie gründlich studiren wollten, [115] zu wirken, veranlaßte ihn, um Ostern 1829 eine theoretisch-praktische Musikschule resp. Compositionsschule zu eröffnen. Zum ersten Male unterzog sich ein als Componist wie als Theoretiker gleich ausgezeichneter und berühmter Mann öffentlich der Ausbildung junger Musiker. Das Segensreiche eines gleichmäßigen verband sich mit den Vortheilen eines gemeinsamen Unterrichts. Den Lehrer aber, der selbst alle Lectionen gab, alle oft sehr umfangreichen Arbeiten aufmerksam und theilnehmend durchsah und corrigirte, belebte regster Eifer, seinen Wirkungskreis zu erweitern und seiner herrlichen Kunst, in gründlicher Ausbildung junger Talente, wahrhaften Nutzen zu stiften und neue Kräfte zuzuführen. Man hätte nun meinen sollen, daß das Institut lange Dauer haben müßte; aber das 1843 in Leipzig gegründete Conservatorium, an welchem außer Mendelssohn viele vorzügliche Lehrkräfte wirkten und das reichere Musiktreiben einer großen Stadt – obwohl vielleicht das kleinere Dessau den Schülern vielfachere Gelegenheit gab, sich auch zu tüchtigen, praktischen Musikern auszubilden –, war die Ursache, daß S. aus Mangel an Theilnahme seine Schule am 23. April 1846 schließen mußte. 135 Zöglinge hatten darin ihre Ausbildung erhalten, unter ihnen Dürrner, Flügel, Stade, Markull, R. Franz, Willmers, Lux u. v. a. Das Institut, das die altclassische Schule gegenüber der neuromantischen zu vertreten suchte, hat reichen Segen gebracht und vielen edlen Samen, der herrliche Blüthen trieb, ausgestreut. So wirkte S. unentwegt bis zum Ende seines Lebens fort. Er beschränkte jedoch seine Wirksamkeit nicht allein auf das kleine Dessau. Zwischen 1825–35 dirigirte er, meist mit Spohr gemeinschaftlich, acht große Elbmusikfeste in Magdeburg, Zerbst, Halberstadt, Nordhausen, Halle, Dessau; außerdem wurden unter seiner Leitung seine Oratorien in Leipzig, Berlin, Hamburg, Erfurt, Köln, Koblenz, Braunschweig, Lübeck, Gotha, Eisenach, Köthen. Bernburg, Rathenow, Meißen, Wittenberg, Nürnberg, Würzburg u. a. O. aufgeführt. Alle denkbaren Ehren und Auszeichnungen häuften sich auf ihn. Die Universität Halle creirte ihn zum Doctor der Musik, die Leipziger zum Doctor der Philosophie und Magister der freien Künste, die Akademie in Stockholm, die Schweizer, die Oberlausitzer, die Gesellschaft der österreichischen Musikfreunde, das Pariser Conservatorium, das Mozarteum, der holländische Verein zur Förderung der Tonkunst ernannten ihn, wie viele andere Gesang- und Musikvereine, zum Ehrenmitglied. Seine Brust schmückten zahlreiche Orden, darunter der Adlerorden 3. Classe, der Danebrogorden, den er 1840 gelegentlich seiner Anwesenheit in Kopenhagen erhielt, der anhaltische Gesammthausorden des Bären, das Verdienstkreuz des sächs.-ernestinischen Hausordens u. s. w. Das Ehrenzimmer, wie er das Sanctuarium in seinem Hause nannte, ward angefüllt von den werthvollsten und köstlichsten Ehrengaben und Geschenken.

Am 10. Mai 1837 fand in Gersdorf das 50jährige Jubelfest seines würdigen Vaters statt, der leider schon wenige Jahre später, 88 Jahre alt, starb. Am 3. Jan. 1840 feierte er selbst seine silberne Hochzeit, am 1. März 1846 sein 25jähriges Amtsjubiläum. Ein schmerzlichster Tag war es für ihn, als er mit seinem Sängerchor und seiner Capelle in der Nacht des 8. November der sterblichen Hülle Mendelssohn’s, die von Leipzig nach Berlin gebracht wurde, eine letzte Ehrung erweisen durfte. Nicht minderes Leid bereitete ihm der Tod Winter’s 1825, Weber’s 1826, Beethoven’s und des Dichters W. Müller 1827, die ihm alle innig befreundet waren. Im October 1850 dirigirte er in Bernburg das letzte der von ihm geleiteten 66 Musik- und Gesangesfeste. Man führte seinen „Absalon“ auf. Nun nahten die Jahre, die uns nicht gefallen wollen. Er erlebte noch den Schmerz, am 5. April 1853 seinen Sohn Hermann, als Sänger (Tenorist) Schüler seines Vaters, als Geiger Schüler Lipinski’s in Dresden, zu verlieren. In einer „Fidelio-Aufführung“, 11. November 1853, beschlich [116] ihn sichtliche Ermattung. Krank ward er zu Bette gebracht, das er nun nicht mehr verlassen sollte. 12 Tage später gelangte er ans Ziel. „Durch Nacht zum Licht“ war sein Wahlspruch. In der Stunde seines Todes spielte man im Abonnementsconcerte gerade seine zweite Jagd-Ouverture. Ihre Klänge mögen seine Seele ins Reich himmlischer Harmonien geleitet haben.

Schneider’s Wittwe, Frau Kath. Marie († am 8. Januar 1857, 63 Jahre alt) überlebte ihren Gatten um mehrere Jahre. Die Familie Schneider’s bestand, bevor der Tod Lücken gerissen, aus vier Söhnen und vier Töchtern. Hermann (geb. am 7. Juni 1821) starb vor dem Vater, Reinhold (geb. am 11. März 1825) war bei dessen Tode Director einer Zuckerfabrik in Thale im Harz, Bernhardt, Cellist, Capellmeister im Dienste eines russischen Fürsten, Theodor (geb. 14. Mai 1827) ebenfalls Cellist und wie sein Bruder Schüler des Kammermusikus Drechsler, trat frühe schon in die Hofcapelle ein, wurde 1854 Cantor an der Schloß- und Stadtkirche in Dessau und 1860 Director der Kirchenmusikchöre in Chemnitz. Von den Töchtern heirathete eine den Musikdirector Anschütz in Coblenz, einen Schüler ihres Vaters, eine andere lebt noch als Musiklehrerin in Dessau. – Noch nicht vier Jahrzehnte sind seit Schneider’s Hingang verflossen und schon ist er, der einst so hoch gefeierte und mit allen denkbaren Ehren überhäufte der Gegenwart fast ganz entschwunden. Unsere Gesangvereine, die seinen Werken einst so viele Theilnahme entgegengebracht und mit deren Studium sich so eifrig beschäftigt haben, lassen seine Oratorien, selbst sein einst so bewundertes „Weltgericht“, seine Cantaten, Hymnen und Psalmen unbeachtet. Unsere Orchester spielen seine Sinfonien und Ouverturen längst nicht mehr, noch weniger unsere Pianisten seine Concerte und Sonaten: sogar unsere Liedertafeln haben längst vergessen, daß er zu den bedeutendsten Förderern des Männergesangs zu rechnen ist, daß er einer der fleißigsten und talentvollsten Componisten dafür war und eigentlich neben Zelter, Weber und Kreutzer zu den Begründern desselben zu zählen ist. S. theilt das Loos aller Meister, die während ihres Lebens sozusagen die Früchte ihrer Arbeiten bereits völlig einheimsten. Als Oratoriencomponist entspricht er nicht mehr dem an den Werken von Bach, Händel, Mendelssohn großgezogenen Geschmack unserer Zeit, obwohl „Gideon“, „Pharao“ u. a. jeden Vergleich zu bestehen vermögen. Er gehört zu den Componisten, die anscheinend nur für ihre Zeitgenossen geschrieben haben und von ihnen auch völlig verstanden wurden, die aber der nächsten Generation keine Geheimnisse mehr zu enthüllen gaben; deren Schaffen edel, klar, bedeutend und umfassend war, die das höchste leider weder zu erreichen, noch in die tiefsten Tiefen des Empfindens hinabzusteigen vermochten. Jedoch darf man nicht denken, daß er in vielen seiner Tonsätze nicht wahrhaft genial gewesen wäre, nicht in die geheimsten Falten des Menschengemüths zu dringen und die dunkeln, darin verborgenen Ahnungen des Unendlichen wachzurufen vermocht hätte. Er besaß eine gewaltige Productionskraft und schuf, wenn sie auch heute vergessen sind, Werke, die neben dem Erlesensten, was in ähnlicher Gattung von unsern classischen Meistern geboten wurde, sich ebenbürtig zu behaupten vermögen. Wenn heute sein „Weltgericht“, das durch Jahrzehnte das musikalische Publicum zu enthusiastischen Beifallsstürmen hinriß, auch verschollen ist, so liegt die Ursache darin weniger in dem, man möchte sagen vorzugsweise dramatischem Ausdruck der Musik, die so reich an contrapunktischer Kunst, so voll Kraft und Wahrheit in den Chören, Reiz, Anmuth und Schönheit in den Sologesängen, so formvollendet ist und prächtig instrumentirt, als vielmehr in dem Text, der nicht klar und einfach genug erscheint und alles mögliche heranzieht und mengt und dadurch die Einheit des Werkes schwer beeinträchtigt. Schon der altgewordene Tonsetzer [117] mußte in seinen letzten Lebensjahren erkennen und schmerzlich empfinden, daß eine neue Zeit angebrochen war. Die Glanzgestirne Schubert, Mendelssohn, Schumann machten seinen Stern erbleichen. Das war es jedoch nicht allein, was ihn so rasch vergessen machte. Sein langjähriges Wirken in dem abgelegenen stillen Dessau, ebenso wie die rücksichts- und pietätlose, impertinente Kritik der jungdeutschen Richtung waren gleicherweise einer allgemeinen, verdienten Würdigung des ehrwürdigen Meisters nachtheilig.

S., ausgezeichnet als Componist, Dirigent, Clavier- und Orgelspieler, Organisator, Schriftsteller und Lehrer, wie als sorgender, liebender Gatte und treuer Vater, war ein vortrefflicher, durchaus ehrenwerther, allseitig geachteter Mann. Musterhaft stand er seinem Hause, seinen Aemtern vor, gewissenhaft erfüllte er alle, auch die vielfach freiwillig übernommenen Verpflichtungen. Von tiefer Religiösität erfüllt, ohne übrigens je ein Eiferer oder Fanatiker zu sein, war er der humanste Vorgesetzte, der zuverlässigste, ergebenste Freund, allen, namentlich jüngern Künstlern ein aufrichtiger, hülfreicher Berather. Aber neben diesen höchsten Tugenden besaß er auch die den Menschen zierenden liebenswürdigsten geselligen Eigenschaften. Wer ihm begegnete mußte ihn lieben und bei den vielen Musikfesten, denen er beiwohnte, bewies er sich stets als ein echt deutscher, auch als ein trinkbarer Mann, der nie eine Freude verdarb und jedem gerne Bescheid that, der kam, sein Glas an dem seinen anklingen zu lassen. Er war von mittlerer Größe, untersetzt, ungezwungen in seiner Haltung, gemessen, würdig, einfach in Gang und Bewegung. Sein in der Jugend edles, ernst-mildes, männlich schönes Angesicht verunzierte in spätern Jahren ein an beiden Nasenseiten sich bildendes Doppelgewächs, Folge einer Leberkrankheit. Man mußte auf die ungewöhnliche Größe dieses Gesichtstheils vorbereitet sein, um beim ersten Anblick nicht allzusehr überrascht zu werden. Sein Haupt umwallte langgelocktes Silberhaar, sein blaues Auge blickte offen und wahr, die hohe Stirne kündete Gedankentiefe. Der fast stets geschlossene Mund konnte reizend lächeln, wenn er mit Kindern oder Freunden verkehrte, aber auch Schreck einjagend sich verziehen, wenn er zürnte. Liebenswürdig zum Entzücken, wenn er mit freundlichem Blicke lohnte, glich er einem Löwen, wenn er unwillig das Haupt hob. Der Kopf sprach, wenn auch die Lippen schwiegen, so klar lag seine Seele da. Sein Ohr hörte auch in den größten Tonmassen den leisesten Mißton. Die Bewegung der rechten Hand beim Dirigiren war höchst charakteristisch. Seine Stimme war rauh, fast unverständlich, seine Ausdrucksweise kurz und prägnant. Erfüllte ihn heilige Begeisterung bei eigenen oder fremden Schöpfungen, dann entperlten seinen Augen selige Thränen. Er stand dann da, wie ein Wesen eines fremden Sterns, mitbegeisternd, was ihn umgab. Chor- und Orchestermassen führte er wie ein Feldherr, mit ruhigem Ernst, mit achtunggebietender Würde, feurig, hinreißend in Blick und Gesten.

S. starb im nahezu vollendeten 68. Lebensjahre, nachdem wiederholte Schlaganfälle seine physische Kraft und geistige Energie schon gebrochen hatten. Ein einfacher, seinen Wahlspruch „Durch Nacht zum Licht“ tragender Stein, mit des Meisters wohlgetroffenem Bild geziert, auf dem von ihm wiederholt besungenen Dessauer Friedhof, deckt seine irdische Hülle.

Die Zahl der Compositionen Schneider’s ist eine sehr große, wie bei allen Tonsetzern, denen während eines langen Lebens tägliches Schaffen zur Gewohnheit geworden ist. Das von ihm gewissenhaft eigenhändig geführte chronologische Verzeichniß seiner Werke, oder wie er bescheiden selbst sagt „Versuche“, beginnt mit dem 18. November 1799 (Lied: „An die Geliebte“). S. war damals nahezu 14 Jahre alt. Seiner ersten Liedersammlung folgte wenige Monate später, als Op. 1, seine zweite Symphonie in D. Der erste Band des Katalogs reicht [118] bis 26. November 1810. Der zweite wieder 10 Jahre umfassende, vom Februar 1811 bis Juli 1820, der dritte bis November 1829, der vierte bis November 1839, der fünfte bis 1852. S. schrieb:

I. 5 Opern: 1) Der Wahrsager von Lingke, 2 Acte, 1804. 2) Claudine von Villabella von Goethe, 3 Acte, 1805. 3) Andromeda von Seidel, 3 Acte, 1807. 4) Alwins Entzauberung von Bretzner, 3 Acte, 1808. 5) Der Zettelträger von Seidel, 1 Act, 1809. 6) Der Scheerenschleifer von Franke, 1 Act, 1811. 7) Schwanhilde von Wendler, 3 Acte (davon sind nur die beiden ersten vollendet) 1827. Keine dieser Opern, die offenbar nicht zu Schneider’s hervorragenden Arbeiten zählen, wurde gedruckt, ja einzelne wurden nicht einmal aufgeführt.

II. 16 Oratorien: 1) Die Höllenfahrt des Messias von Seidel, 1810. 2) Das Weltgericht von Apel, 1819. 3) Die Todtenfeier von Niemeyer, 1821. 4) Die Sündfluth von Groote, 1823. 5) Das verlorene Paradies von de Marées, 1824. 6) Jesus Geburt von dems., 1825. 7) Christus der Meister von Mayer, 1827. 8) Pharao von Brüggemann, 1828. 9) Christus das Kind von Mayer, 1829. 10) Gideon von Brüggemann, 1829. 11) Absalon von dems., 1830. 12) Das befreite Jerusalem von Gelbke, 1835. 13) Salomonis Tempelbau von dems. 1836. 14) Bonifacius von Schubring (unvollendet), 1837. 15) Gethsemane und Golgatha von Schubert, Op. 96, 1838. 16) Christus der Erlöser von Mayer, 1838. – Von diesen Werken, in denen der Schwerpunkt von Schneider’s Schaffen liegt, wurden gedruckt Nr. 2, 4, 5, 8, 9, 10, 11 und 15.

III. 14 Messen, wovon zwei gedruckt wurden, Nr. 7 in F, Op. 39 und Nr. 12 in C, Op. 55. Unter den übrigen befinden sich zwei doppelchörige (Nr. 8 und 10) und eine drei- und eine fünfstimmige (Nr. 6 und 11). Hierher wären noch zu rechnen ein Gloria in D für Männerstimmen, 1825; ein Te Deum für die Leipziger Universität zum Reformationsfest, 1830; zwei Ave Maria in Es und D, 1817 u. 1818 und ein Salve regina für Männerstimmen, 1825.

IV. 25 Cantaten, geistliche und weltliche, darunter Ariadnens Apotheose von Grumbach, 1810 und Die Seefahrt von Gelbke, 1836.

V. 5 Hymnen: Nr. 1 das große Halleluja, Nr. 2 eine dreichörige Hymne (beide 1804), Nr. 3 Die Gottheit von Rochlitz und zwei weitere Hymnen für Männerchor, Nr. 4 (1834) und 5 (1848).

VI. 12 Psalmen. Ps. 130 (2 mal), 146, 24, 29, ? (für vier Männerst.), 21 (für 3 Männerst.), 67 (für zwei Männerchöre), 123, 4, 5, 121.

VII. 8 Motetten, 1803–13.

VIII. Verschiedenes: Vater unser für acht Männerst. 18 vierst. religiöse Gesänge, Leipzig in 3 Heften. 26 Chorarien. – Unter diesen zahlreichen Werken sind viele ganz vortreffliche und hervorragende, sehr mit Unrecht vergessene.

IX. Gegen 400 Lieder für Männerchor. S. zählt zu den Vätern und Begründern desselben und schrieb viele der besten Männergesänge.

X. Gegen 200 einstimmige Lieder mit Clavierbegleitung.

XI. 23 Sinfonien und 22 Ouverturen, meist ausgezeichnete Werke.

XII. 12 Streichquartette, 3 Clavierquartette, mehrere Claviertrios.

XIII. Concerte: 7 für Clavier, dann für Clarinette und Fagott.

XIV. 60 Claviersonaten, à 2 u. à. 4 ms., theils mit Begleitung; 12 Rondo; Capriccio, Scherzi, Polonaisen, Variationen für Cl., Clarinette, Fagott, Horn. Unzählige Kleinigkeiten und Märsche und Tänze aller Gattungen.

Gleichzeitige Kritiker, namentlich Fr. Rochlitz, sind voll des Lobes der Schöpfungen Schneider’s, denen sie vielfach Unvergänglichkeit prophezeien. Dennoch [119] wurden zu Lebzeiten des Componisten nur 105 seiner Werke mit Opuszahlen und 38 ohne solche gedruckt, die heute großentheils schon sehr selten geworden sind. Eine versuchte Gesammtausgabe seiner Claviercompositionen, „Oeuvres complètes, ein Schatz von bleibendem, dauerndem Werthe, ein Nationalwerk“, kam nicht über das erste Heft hinaus. Zahlreiche Tonsätze finden sich übrigens noch als Beilagen in musikalischen Blättern zerstreut. Wo sind nun die vielen ungedruckt gebliebenen Werke Schneider’s zu suchen? Ein so plötzliches Zurücktreten und Verschwinden aus den Reihen der Lebenden, wie bei S., würde man nicht für möglich halten, läge in diesem Falle nicht ein thatsächlicher Beweis vor. Aber nichts ist eitler als das Streben nach Unsterblichkeit, nichts trügerischer als der Ruhm, nichts wechselnder als der Kunstgeschmack, nichts flüchtiger als die Gebilde der Tonwelt. Wie Meereswogen drängen die neuen Erscheinungen täglich heran, häuft die Gegenwart bergeshoch ihre Hervorbringungen auf das Vorhandene. Kaum zu Worte gekommen, verfällt das gestern geborene heute schon wieder der Vergessenheit und die anstürmende Fluth begräbt das Gewesene unrettbar und unbarmherzig.

Außer vielfachen, oft sehr werthvollen, in den verschiedensten Zeitschriften zerstreuten biographischen Artikeln über S. gaben eingehende Arbeiten W. Neumann, Componisten neuerer Zeit. Bd. IV. Kassel bei Balde 1854 und Fr. Kempe, 2. Ausg. von Dr. A. Lutze, Berlin bei Janke 1864. Beide Werke zieren wohlgetroffene in Kupfer gestochene Porträts des Meisters (eine Lithographie erschien bei Breitkopf u. Härtel), der übrigens in einer Autobiographie „25jährige Wirksamkeit eines alten Capellmeisters“ 1846 selbst Nachrichten über sein Leben und seine Entwicklung gab. Auch sonst war er schriftstellerisch thätig durch sein „Elementarbuch der Harmonie und Tonsetzkunst“ 1821, (2. Aufl. 1827); „Vorschule der Musik“ 1827; „Handbuch des Organisten“ 4 Theile, 1828/29 und eine kleine Schrift über sein Musikinstitut, 1837. Für den Gesangunterricht verfaßte er Solfeggien, Elementarübungen, Canons, viele zweist. Kinderlieder. Es sei hier noch erwähnt, daß er eine ganze Reihe vortrefflicher Clavierauszüge, Werke von Haydn, Winter, Spontini, Cherubini u. a. arrangirte.