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Artikel „Weigl, Josef“ von Max Dietz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 478–482, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weigl,_Josef&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 14:42 Uhr UTC)
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Weigl: Josef W., namhafter Componist, war geboren zu Eisenstadt in Ungarn am 28. März 1766. Bei der Taufe fungirte Josef Haydn als Pathe, der Zeit seines Lebens seinem Täufling treu anhänglich verblieb. Vier Jahre darauf übersiedelten die Eltern nach Wien. Schon damals regten sich bei dem Clavier klimpernden Kleinen die Keime seines schlummernden musikalischen Talents, was von dem bekannten Tonsetzer Florian Gaßmann nicht unbeachtet blieb, der auch dem Lieblingsvergnügen des Knaben, auf Notenpapier Notenköpfe, deren Sinn und Bedeutung er noch nicht kannte, auszumalen, durch Schenkung eines große Packes hiervon Vorschub leistete. Mit neun Jahren ward W. dem Korneuburger Chorregenten Sebastian Witzig, der seiner Zeit [479] auch seinen Vater unterrichtet hatte, zugewiesen, um die Anfangsgründe der Musik, die Grundbegriffe des Gesanges, Clavierspiels und Generalbasses zu erlernen. Im nächstfolgenden Jahre begann er in Wien die Gymnasialstudien, zugleich wurde lange Jahre hindurch der Musikunterricht unter der Leitung des Hoforganisten Georg Albrechtsberger fortgesetzt. Durch den Verkehr im Hause des Rechnungsrathes Demuth sog er die Lust am Theater und an scenischen Darstellungen ein. Sein ganzes Taschengeld ging flöten, um der jäh erwachten Leidenschaft zu fröhnen, galt es doch, alles zu einem Marionettentheater Nöthige herbeizuschaffen. Zu den Vorstellungen, die darin stattfanden, componirte er eine Operette „Die unnütze Vorsicht oder betrogene Arglist“. Bei dieser Beschäftigung, der er insgeheim oblag, ward er von seinem Vater überrascht, welcher das Geleistete weit über seine Erwartungen fand und ihm rieth, zur Streichquartettbegleitung auch die Blasinstrumente hinzuzusetzen. Als dies geschehen war, spielte der Junge diesen Erstlingsversuch Gluck und Salieri vor. Er fand ihren Beifall, und sie beschlossen, dem begabten Kunstjünger den ersten Schritt in die Oeffentlichkeit leicht zu machen. „Den jungen Menschen muß man aufmuntern“, meinte Gluck, „ich werde mit dem Kaiser sprechen, die Oper muß aufgeführt werden“. Sie erwirkten den kaiserlichen Befehl zu ihrer Inscenesetzung, doch wußte man diese möglichst lange hinauszuschieben, sodaß sie trotz der günstigen Aufnahme, welche sie am 23. Februar 1783 fand (drei Stücke, darunter die Arie des Salamikrämers, mußten wiederholt werden), nur noch drei Mal gegeben ward und als letzte deutsche Oper am 4. März 1783 den Reigen der Vorstellungen von Nationalsingspielen beschloß. Dem Componisten trug sie seitens des Kaisers Josef II. ein Geschenk von 75 Ducaten ein. Da der Vater gleichwol auf der Fortsetzung der gelehrten Studien bestand, wandte sich W. dem Studium der Medicin zu, indeß flößte ihm eine anatomische Secirung, der er beiwohnte, solchen Abscheu vor diesem Berufe ein, daß er seinen Vater beschwor, ihn die Rechte studiren zu lassen. Er erbat von dem damaligen Studienpräses Freiherrn van Swieten die Verleihung eines Stipendiums. Auf dessen Einladung besuchte er die in seinem Hause allsonntäglich Mittags stattfindenden Aufführungen, wobei Werke von Händel, Bach, Graun und anderen berühmten Meistern vorgeführt wurden, Salieri, Starzer, Teyber, van Swieten und W. sangen, während Mozart auf dem Clavier begleitete. Hier lernte er, wie man Partitur spielen soll. „Wer Mozart“, äußert er sich, „nicht 16- und mehrzeilige Händel’sche Partituren mit unübertrefflicher Fertigkeit spielen, selbst dazu singen und zugleich die Fehler der andern verbessern sah, der kennt Mozart nicht ganz, denn er war darin eben so groß als in seinen Compositionen. Man hörte stets ein ganzes Orchester“. W. warf sich, von solchem Muster angeregt, mit ganzer Kraft auf das Partiturspiel und brachte Tage und Nächte dabei zu. Aber trotz der besten Zeugnisse bekam er kein Stipendium. Van Swieten scheint im Plane gehabt zu haben, ihn dadurch vom Rechtsstudium abzudrängen und der Musik zuzuführen, auch verlor W. alle Lust, auf dem betretenen Wege fortzufahren. Auf den Rath Salieri’s willigte der Vater ein, Josef Musiker werden zu lassen, umsomehr, als jener sich dazu erbot, ihn als Schüler anzunehmen. „Da Sie Gaßmann’s, meines Lehrers, bester Freund waren“, erklärte Salieri, „so will ich an Ihrem Sohn vergelten, was ich meinem Lehrer verdanke, und sein zweiter Vater sein“. Diese Zusage hat der wackere Italiener treulich gehalten. „Er hat mich gerettet“, versichert W., „ihm verdanke ich Alles, was ich geworden bin“. Salieri erwies sich als Mentor des hoffnungsreich aufstrebenden Talentes. Er unterwies ihn in der Composition, gab ihm Unterricht im Theaterfach, in der Behandlung der musikalischen Declamation und im Partiturspiel, nahm ihn zu allen Proben und Vorstellungen mit und war zudem bemüht, [480] ihm zunächst als seinem Substituten am Hoftheater eine sichere Stellung zu verschaffen. In dieser Eigenschaft lieferte W. bald Proben eines beachtenswerthen Dirigententalents. Seine Oper „La Sposa collerica“, ein unreifes Product, kam nicht zur Aufführung. Im Bestreben, Mozart nachzueifern, hatte der jugendliche Künstler eine von Noten wimmelnde Partitur zusammengebracht und war nicht wenig stolz auf diese vermeintlich vortreffliche Arbeit. Salieri, der sie durchsah, überredete ihn, vorerst eine Anzahl Einlagsstücke zu Opern anderer Meister zu setzen, wodurch er, durch praktische Erfahrung gereift, für die Singstimme wirksam schreiben und auch die Wirkung der Instrumentirung beurtheilen lernte. Sein nächster Compositionsversuch, die Oper „Il Pazzo per Forza“ fiel zur Zufriedenheit des Meisters aus. Sie ward 1788 mit Erfolg aufgeführt und trug W. vom Kaiser Josef, den ein Quartett im ersten und ein von Weigl’s Vater gespieltes Violoncellsolo im zweiten Act lebhaft angesprochen hatte, ein Geschenk von hundert Ducaten ein nebst einer namhaften Erhöhung seines Gehalts. Mit diesem Werk hatte W. als Componist sich in Ruf gebracht. Der Durchfall seiner Oper „La caffettiera bizarra“ 1790 verschlug dem gegenüber wenig. „Sowol Buch als Musik hatten kein besseres Loos verdient“, urtheilt der Tonsetzer selbst darüber. Im Herbst desselben Jahres feierte er in Esterhaz mit der Cantate „Venere ed Adone“, die auch in Wien wiederholt zur Aufführung kam, Triumphe. Nach seiner Rückkehr nach Wien traf ihn die Anordnung des Kaisers Leopold, wonach er als wirklicher Capellmeister künftighin bloß zu dirigiren hatte, während ihm das Opernschreiben für das Hoftheater untersagt war (mit Salieri ward es umgekehrt gehalten), „wie ein Donnerschlag“, doch componirte er für das Marinelli’sche Theater bald darnach die beiden Theile des „Petermännchen“. Indessen war Cimarosa angekommen, „ein jovialer herzensguter Mann“, mit welchem er bald innig befreundet war. W. oblag es, dessen unsterbliche Oper Il Matrimonio segreto einzustudiren und in den auf die ersten drei Aufführungen, die der Componist leitete, folgenden Vorstellungen am Clavier zu dirigiren. Der Fürsprache dieses genialen Neapolitaners (auf den Weigl’s für die Fürstin Lubomirska geschriebenes Melodram „Amletto“ Eindruck gemacht) beim Kaiser verdankte er eine weitere Gehaltszulage und die Aussicht auf lebenslängliche Versorgung. Unter Franz II. war Weigl’s Schaffenslust wieder freier Spielraum gewährt. Seine „Principessa d’Amalfi“ errang am 10. Januar 1794 einen durchschlagenden Erfolg. Der nachsichtige Haydn nennt sie „gedankenneu, erhaben, ausdrucksvoll, kurz ein Meisterstück“ und legt seinem „lieben Pathen“ ans Herz, „diesen echten Styl stets zu beobachten, damit er die Ausländer neuerdings überzeuge, was der Teutsche vermag“. Auch „l’Amor marino“ ward mit Beifall aufgenommen und unter dem Titel „Der Korsar aus Liebe“ auch auf deutschen Bühnen gegeben. Unter den weiteren Werken griff außer den auf Befehl seiner Gönnerin, der Kaiserin Maria Theresia, Gemahlin Franz II., 1804 geschriebenen Oratorien „La Passione di Gesú Cristo“ und „La Resurrezione“ namentlich die innerhalb zweier Monate componirte Oper „l’Uniforme“ durch, bei deren Erstaufführung als Akademie im Haustheater zu Schönbrunn 1805 die Kaiserin selbst die Pauline sang. Um diese Zeit lernte er seine nachmalige Gattin, die k. k. Kammerdienerin Frl. Elisabeth Bertier kennen und erhielt, um zu verhüten, daß er der an ihn ergangenen Berufung nach Stuttgart Folge leistete, lebenslängliche Anstellung. Nachdem er nebst andern Werken „Kaiser Hadrian“ geschrieben und durch den Tod seiner kaiserlichen Wohlthäterin, der Stifterin seines ehelichen Glückes, in tiefe Trauer versetzt worden, reiste er einer vortheilhaften Einladung folgend nach Mailand. Binnen wenigen Wochen war die Oper „Cleopatra“ fertig. W. wollte darin sich als deutscher Tonsetzer bekunden [481] und scheute davor zurück, die türkische Musik anzubringen. Sie erzielte, wiewol die Zeitungen über die „gothische Musik“ witzelten, einen mäßigen Erfolg. Bei der Composition der zweiten Oper für Mailand „Il Rivale di se stesso“ machte er sich die Arbeit leicht, vermied alles Künstliche und trachtete bloß dem Ohr zu schmeicheln und für die Sänger recht dankbar zu schreiben. Seine neue Oper machte Furore, so daß man ihm den Posten als Director des dortigen Conservatoriums anbot. Hätte er eingewilligt, so wäre aus ihm wol ein zweiter Simon Mayr geworden, er that es nicht. Dieser Aufenthalt auf italienischem Boden blieb ihm unvergeßlich, er rechnete diese Zeitspanne zu den glücklichsten und heitersten seines Lebens, so sehr ward er mit Aufmerksamkeiten aller Art überhäuft. Nach siebenmonatlicher Abwesenheit heimgekehrt, schrieb er bald nacheinander seine beiden besten Opern, „Das Waisenhaus“, welche dauernden Beifall fand, und „Die Schweizerfamilie“, welche begeistert aufgenommen ward und den größten Erfolg erzielte, den irgend ein deutsches Opernwerk seit der „Zauberflöte“ bis zum Erscheinen des „Freischütz“ davongetragen. Zugleich setzte er im Verein mit Gyrowetz die von Collin u. A. gedichteten Landwehrgesänge und Kriegslieder in Musik. 1810 schuf er die Oper „Der Bergsturz“, welche dem Publicum oratorienmäßig vorkam, schrieb anläßlich der glücklichen Rückkehr des Kaisers Franz aus dem französischen Feldzuge die Cantate „Die Kraft der Weihe“ 1814 und leitete am 10. December desselben Jahres in Anwesenheit der alliirten Monarchen die Vorstellung seiner aufs prächtigste ausgestatteten Oper „Die Jugendjahre Peter des Großen“. Einige Monate später ward er abermals nach Mailand berufen, wo seine Oper „l’Imboscata“ allgemein gefiel, desgleichen die anläßlich des erstmaligen Besuches des Kaisers Franz in der Scala am 4. Januar 1816 aufgeführte Cantate „Il Ritorno d’Astrea“. Auch der Einacter „Nachtigall und Rabe“ erfreute sich in Wien einer günstigen Aufnahme, während die für Italien bestimmt gewesene, ins Deutsche übersetzte Oper „Margaritta d’Anjou“ 1819 abfiel, nur ein Chor im 2. Finale, der nach dem Eingeständniß des Componisten „in Wahrheit geschmiert ist“, wurde jedes Mal zur Wiederholung begehrt. Diese Schlappe machte „Daniel oder Baal’s Sturz“ wett, bei dessen Composition er sich besonders zusammengenommen hatte, und der von überschwänglichen Kunstrichtern hochgepriesen, ja Gluck’s Schöpfungen an die Seite gestellt ward. Der alte Salieri, der von dieser „classischen“ Leistung im ernsten Stile entzückt war, schrieb ihm: „es lebe die deutsche Schule, wenn sie in solcher Weise gehandhabt wird!“ Andere sahen in ihr ein Kunstwerk, in dem „sein Name bis in die späteste Nachwelt ruhmvoll fortleben“ werde und das „als ein unzerstörbares Denkmal von keinen Fluthen der Zeit verspült werden könne“. Jedenfalls ist es der einzige Versuch Weigl’s in der pathetischen, auf großen Effect ausgehenden Schreibweise. Nach mehr als 40jähriger Thätigkeit beim Hoftheater suchte der ergraute Mann um seine Entlassung an. 1827 ward er zum Vicehofcapellmeister ernannt. Von nun an verlegte er sich auf das Componiren von kirchlicher Musik. Noch im nämlichen Jahre am 8. December ward seine C–Messe in der Hofcapelle aufgeführt. Ihr reihten sich in jedem der nächstfolgenden sieben Jahre eine neugeschaffene an (1828 eine in D, 1829 in Es, 1830 in B, 1831 in D, 1832 in F, 1833 in G, 1834 in A). Die Reihe seiner neun Hochämter, wenn wir zwei Jugendarbeiten, eine Messe in F und Es unberücksichtigt lassen, beschloß die E–Messe 1837. In allen herrscht ein reiner Stil, Würde und Innigkeit, besonderes Interesse erregen die kräftig gearbeiteten Fugensätze. Nachdem W. vom Kaiser Ferdinand durch die Verleihung der großen goldenen Civil-Ehrenmedaille ausgezeichnet worden war, zog er sich 1843 von aller musikalischen Thätigkeit zurück und beschloß, die letzten [482] Jahre in geistige Unempfänglichkeit versunken, seine Lebensbahn am 3. Februar 1846. Seine Ueberreste wurden auf dem Währinger allgemeinen Friedhofe bestattet.

Als Mensch zeichnete ihn anspruchslose Bescheidenheit sowie Wohlwollen gegenüber seinen Untergebenen aus. Bescheidenheit ist auch der Grundzug seines künstlerischen Talents. Er war keine Größe, aber ein tüchtiger Tonsetzer, dessen Name gleich denen seiner Zeitgenossen Wenzel Müller, Schenk, Winter, Zumsteeg in der Geschichte der Oper unvergessen bleiben wird. Nur ein eng umfriedetes Gebiet hat er als seine Domäne betrachten können, das der idyllischen Oper, worin eigentlich dramatische Conflicte vermieden sind, und Alles in einer anheimelnd gemüthlichen, friedsamen Sphäre sich abspielt. Da leistet er Erfreuliches, was „Das Waisenhaus“ (4. October 1808) und „Die Schweizerfamilie“ (14. März 1809) bezeugen. Beide Opern enthalten sanfte, melodisch angenehme, in lyrischer Selbstgenügsamkeit sich gefallende Musik – nicht ohne einen leisen Anflug von Eigenthümlichkeit, aber doch ohne höhere Originalität. Eine rührsame, oft ans Weinerliche streifende Sentimentalität kommt in den Texten, deren Stoffe dem kleinbürgerlichen Leben entnommen sind, zum Ausdruck. Dieser Ton klingt auch in der Musik deutlich an. Sie zirpt zartempfindsam und umgaukelt, schüchtern in harmonischer und orchestraler Beziehung, in lieblichen Tonwellen das Mozart’sche Vorbild. W. ist ein wackerer Jünger dieser weitverbreiteten Schule, ein Sternlein unter den vielen Trabanten jenes Planeten am Kunsthimmel, das in fühlbarem Abstand von Mozart, Ditters und Beethoven als ein Talent zweiter Güte sein mildes Licht ausstrahlt.