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Artikel „Kreutzer, Konradin“ von Moritz Fürstenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 145–148, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kreutzer,_Conradin&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 17:29 Uhr UTC)
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Kreutzer: Konradin K. wurde geboren am Cäcilientage, den 22. November 1780 zu Meßkirch, einem damals fürstlich Fürstenberg’schen, nunmehr badischen Städtchen, wo sein Vater Bürger und Besitzer der eine halbe Stunde entfernten Thalmühle war. Der kleine Konrad, dessen musikalisches Talent sich frühzeitig offenbarte, erhielt vom 7. bis zum 10. Jahre bei dem tüchtigen Organisten und Chorregens Johann Baptist Rieger Unterricht in den Elementen der Tonkunst und besuchte sodann behufs der Gymnasialstudien die Schule der Benedictinerabtei Zwiefalten, in der Nähe der Reichsstadt Riedlingen[1] an der Donau, wo er sich unter der Leitung trefflicher Lehrer im Gesang, Generalbaß, Clavier- und Violinspiel mit besonderem Erfolg ausbildete. Namentlich verdankte er sehr viel seinem Compositionslehrer, dem Ordenspriester Ernst Weihrauch, damals dem berühmtesten Contrapunktisten im Schwabenlande. Nach dessen Tode, 1796, setzte er die Vorbereitung zur Universität in der Prämonstratenser-Abtei Schußenried bei Waldsee, jetzt zum württembergischen Donaukreis gehörig, fort und ging 1799 nach Freiburg im Breisgau, um daselbst, dem Willen seines Oheims zufolge, welcher für den 1797 gestorbenen Vater die Erziehung des Verwaisten übernahm, Medicin zu studiren. Indessen gelang es ihm bei demselben endlich seinen Lieblingswunsch, sich der Musik ganz widmen zu dürfen, durchzusetzen. Hierauf verließ er 1800 Freiburg und hielt sich vier Jahre lang in Konstanz und in der Schweiz auf, als Virtuos auf dem Clavier wie auf der Clarinette sich auszeichnend, nicht minder aber als Componist und seelenvoller, mit einer schönen Stimme begabter Sänger allgemeine Anerkennung erringend. Das Bedürfniß, die Werke großer Meister zu hören und zu studiren und der Drang nach Vermehrung seiner tonkünstlerischen Kenntnisse führten ihn 1804 von Zürich aus nach Wien. Da machte er bald Schuppanzigh’s Bekanntschaft und wurde von ihm an Albrechtsberger empfohlen, dessen Unterricht er zwei Jahre genoß. K. blieb nun mehrere Jahre in Wien, componirte fleißig Kirchen- und weltliche Sachen, Quartette, Clavierstücke u. dgl. m., sowie auch einige Opern. – Im J. 1811 verließ er Wien, machte zwei Jahre Kunstreisen durch Deutschland und kam als Virtuos auf dem Leppich’schen Panmelodikon nach Stuttgart, wo er nach Aufführung seiner Oper „Konradin von Schwaben“ 1812 zum königlich württembergischen Kapellmeister ernannt wurde, welche Stelle er 1816 niederlegte, um sie nach Beendigung einiger Kunstreisen mit einer gleichen am Hofe des Fürsten von Fürstenberg zu Donaueschingen zu vertauschen. Im [146] J. 1822 kehrte K. nach Wien zurück, wo mit großem Beifall seine neue Oper „Libussa“ zur Aufführung kam, worauf er Kapellmeister am Kärnthnerthor-Theater unter Barbaja’s Direction wurde. Im J. 1827 war Barbaja’s Pacht zu Ende und das Kärnthnerthor-Theater blieb für einige Zeit geschlossen. K. begab sich nun nach Paris, wo er seine komische Oper „L’eau de la Jouvence“ zur Aufführung brachte, welche jedoch nicht durchzudringen vermochte. Als Graf Gallenberg im J. 1828 die Leitung des Kärnthnerthor-Theaters übernahm, trat K. wieder in seinen Posten als Kapellmeister ein und behielt ihn bis zum Jahre 1833, in welchem er die Stelle des Kapellmeisters am Josephstädter Theater übernahm und diese durch sieben Jahre, bis 1840, behielt. Während dieser Periode componirte er „Das Nachtlager in Granada“ und die Musik zu Raimund’s „Verschwender“, zwei Schöpfungen, welche den bereits geschätzten Meister eigentlich erst allgemein bekannt machen sollten und sich bis heute auf dem Repertoir der deutschen Theater erhalten haben. Im J. 1840 verließ er Wien, um seine Tochter, die bekannte Sängerin Cäcilie K., auf ihren Gastspielen durch Deutschland zu begleiten, trat jedoch schon am 20. September desselben Jahres die angebotene Stelle eines städtischen Musikdirectors zu Köln an, wo er unter Anderem zu Pfingsten 1841 das 23. rheinische Musikfest leitete. Die in den Jahren 1843–1845 wiederholt von ihm unternommenen Reisen nach Paris, zu dem Zwecke, seine neuen Opern daselbst in Scene zu setzen und die damit verbundene längere Abwesenheit vertrugen sich jedoch nicht mit den Pflichten eines anderweitigen ständigen Amtes: K. gab deshalb schon im October 1843 seinen Wirkungskreis in Köln auf, wo der später am Hoftheater in Berlin wirkende Kapellmeister Heinrich Dorn sein Nachfolger wurde und dirigirte vorübergehend 1844, gemeinsam mit dem hessischen Hofkapellmeister Ganz aus Mainz, mehrere von der dortigen Operngesellschaft in Gent gegebene Vorstellungen. – An letzterem Orte 1846 als Preisrichter bei einem Wettsingen verschiedener Männerchöre thätig, ging K. im Herbste jenes Jahres nach einem mehrmonatlichen Aufenthalte in Graz nach Hamburg, wo Cornet am 14. November seine Oper „Die Hochländerin“ zur Aufführung brachte. Als seine Tochter Marie 1848 eine Anstellung als erste dramatische Sängerin in Riga fand, begleiteten sie die Eltern und dort starb am 14. December 1849 K. rasch an einem Schlagflusse und zwar ohne im Besitze irgend einer Anstellung zu sein, wie oft irrthümlich behauptet worden ist. Der alternde Meister und Sänger hatte nirgends eine bleibende Stätte finden können und hinterließ seine zweite Gattin (Anna v. Ostheim) und seine Tochter Marie, welche während des Rigaer Engagements die Stimme verloren hatte, in drückender Lage. Die aus erster Ehe stammende Tochter Cäcilie hatte sich bereits 1845 glücklich verheirathet und übernahm nun die Sorge für Stiefmutter und Stiefschwester. – K. hat als Componist eine außerordentliche Fruchtbarkeit entwickelt. H. Giehne gibt in seiner in den „Badischen Biographien“ (Heidelberg 1875) enthaltenen trefflichen und pietätvollen Lebensskizze des Meisters, der viele der vorstehenden Notizen wörtlich entnommen sind, eine Uebersicht der Werke desselben. Sie zerfallen in folgende Hauptgattungen: Instrumentalwerke der Concert- und Kammermusik, Lieder und Männerchöre, Fest- und Gelegenheitscantaten, Messen und sonstige Vocalwerke für die Kirche; Opern und Singspiele, wozu dann noch viele Einlagen in verschiedene fremde Bühnenwerke (Einzelgesänge, Chöre, Ouverturen, Tänze etc.) kommen. – Die jetzt kaum mehr gespielten Instrumentalsachen bestehen in Solostücken für das Clavier zu zwei und vier Händen, für dasselbe mit Begleitung von Violine, Flöte, Clarinette, Violoncell oder Fagott, 6 Trio’s für Clavier, Violin und Violoncell, 3 Clavierconcerten, Concertstücken für Blasinstrumente u. dgl. m. Wol auf 150 belaufen sich die vierstimmigen Männergesänge und [147] zahlreich sind ebenfalls die Lieder, Romanzen und Balladen für erste und zweite Stimmen. Als geistliche und kirchliche Tonwerke sind fünf große und sechs kleinere Messen, ein Tedeum, Graduale’s, Offertorien und Motetten, sowie ein Oratorium „Moses“, 1814 in Stuttgart und 1815 in Zürich aufgeführt, zu erwähnen. – Ihnen reihen sich über 30 dramatische Schöpfungen an, deren Titel in chronologischer Reihe hier folgen mögen: „Aesop in Lydien“, 1808 (1823 umgearbeitet); „Jery und Bätely“, 1810 (Singspiel); „Zwei Worte oder die Nacht im Walde“, 1813; „Konradin von Schwaben“, 1813; „Der Taucher“, 1814 (1823 umgearbeitet); „Adele v. Budry“, 1814 (Melodram mit Chor); „Alimon und Zaide“, 1815; „Die Insulanerin“, 1815; „Téodora“ und „Die Alpenhütte“, 1816 (2 Operetten); „Orestes“, 1817 (lyrische Tragödie); „Cordelia“, 1819 (Monodram mit Chören); „Libussa“, 1822; „Sigune“, 1823 (nordisches Mährchen mit Musik); „Erfüllte Hoffnung“, 1824 (ländliche Scene mit Musik); „Die lustige Werbung“, 1826 (komische Oper); „L’eau de la jouvence“, 1827 (komische Oper); „Baron Luft“ und „Denise, das Milchmädchen von Montfermeuil“, 1829 (2 Singspiele); „Die Jungfrau“, 1831; „Der Lastträger an der Themse“, 1832; „Melusine“, 1833; „Das Nachtlager in Granada“, 1834; „Tom Rick“ oder „Der Pavian“, 1834 (Singspiel); „Der Bräutigam in der Klemme“, 1835 (Singspiel); „Traumleben“, 1835 (dramatisches Mährchen); „Der Verschwender“, 1836 (Zaubermährchen); „Die Höhle von Waverley“, 1837; „Fridolin oder der Gang nach dem Eisenhammer“, 1837; „Die beiden Figaro“, 1839 (komische Oper); „Der Edelknecht“, 1842; „Die Hochländerin am Kaukasus“, 1846. Die Oper „Aurelia“, welche erst mehrere Jahre nach Kreutzer’s Tode in Kassel und Darmstadt und mit Beifall gegeben wurde, war bereits im J. 1843 während einer wiederholten Anwesenheit des Componisten in Paris entstanden, aber erst 1847 ausgearbeitet worden. Kreutzer’s Talent entfaltet sich am hervorragendsten als Lyriker, nicht als Dramatiker. Eine Charakteristik seiner musikalischen Bedeutsamkeit gibt Riehl. In den „Musikalischen Charakterköpfen“ führt er ein Wort Gutzkow’s über Uhland an und schreibt: „Was Gutzkow von Uhland gesagt hat, das gilt in diesem Sinne auch von Kreutzer: Er zog die Glocken der Kapellen, stellte Hirtenknaben auf die Bergesgipfel und legte ihnen selige Lieder in den Mund. Er zauberte die Vergangenheit in verklärter Gestalt aus den Keimen wieder auf, ließ noch einmal die alten Falken der Jagden steigen – ließ Sänger an die Burgen um Einlaß klopfen, zauberte uns Jungfrauen auf den grünen Plan und Königssöhne, die vorüber zogen und sie liebten.“ Die neuere Musiklitteratur fertigt Kreutzer’s compositorische Thätigkeit oft sehr rücksichtslos und kurz angebunden ab, gewiß mit Unrecht. Freilich schuf auch er wie viele seiner Kunst- und Zeitgenossen oft rasch und flüchtig, ohne tiefer aus dem Born der Erkenntniß zu schöpfen. Er gehörte zu jenen Musikern, die naiv und unbesorgt um strenge Kritik componirten und nicht mehr gaben, als ihrem Naturell möglich war. Des tüchtigen Meisters Einfluß als ächt deutscher Liedercomponist ist nicht zu unterschätzen. Am glücklichsten äußert sich diese Wirkung in seinen Männerchören, welche noch heute allgemein und gern gesungen werden. Hierunter zählen insbesondere: „Das ist der Tag des Herrn“, „Dir möcht’ ich diese Lieder weihen“. „Ich suche Dich“, „Süßer Hauch der Frühlingsluft“ (Frühlingsandacht), „Die Kapelle“ (zweimal), „Weil’ auf mir, du dunkles Auge“. Giehne bemerkt treffend a. a. O.: „Ihre Entstehung fiel in die Zeit vor und nach den Befreiungskriegen, darin frisches nationales Leben in Kunst und Wissenschaft durch ganz Deutschland sich zu entwickeln begann, mit gewaltigem Flügelschlag der kommenden besseren Zeit eines Wiedererwachens des deutschen Geistes Bahn brechend. Damals theilte K. mit C. M. v. Weber den Ruhm, an dem reformatorischen Streben [148] zur Verjüngung des von ihnen geliebten deutschen Volkes auch durch die Musik erfolgreich mitzuarbeiten und besonders auf die vielversprechenden Sprossen eines neuen Triebes, die Jugend, bildend wie begeisternd einzuwirken. Was beide Meister im Bunde mit Gleichgesinnten angestrebt, ist jetzt herrlich im deutschen Reiche in Erfüllung gegangen; nur war es K. vergönnt länger als Weber und Andere an dem Regenerationswerke fortzuschaffen.“ Die Dankbarkeit des deutschen Volkes hat sich in neuester Zeit bei Gelegenheit des 100jährigen Geburtstages des Meisters gezeigt. Aller Orten ward dieser Gedenktag durch Aufführung des „Nachtlagers“ oder der herrlichen Männerchöre Kreutzer’s gefeiert, wobei man sich, freilich spät genug, auch seiner in Dresden lebenden Wittwe erinnerte. Das Hoftheater zu Dresden allein machte dieser ein Ehrengeschenk von 300 Thalern; außerdem bezieht sie seit dem Tode ihres Gatten eine Pension Seitens des Wiener Männergesangvereins. Seit einigen Jahren hat sich auch der badische Männergesangverein diesem Beispiele rühmlich angeschlossen. Die Ausführung eines Denkmals für K., das demselben von den Liedertafeln Deutschlands in seiner Vaterstadt Meßkirch errichtet wird, ist dem Konstanzer Bildhauer Hans Baur von dem hierfür bestellten Ausschusse übertragen worden. Dasselbe wird in einer säulenartigen Unterlage, zu der Stufen emporführen, und einer überlebensgroßen Büste des großen Musikers bestehen. Der untere Theil wird aus dem harten, bei Albbruck vorkommenden Syenit, die an demselben anzubringenden Symbole und Schriften sowie die Büste aber werden in Bronze ausgeführt werden.

Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreichs, 13. Thl.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 145. Z. 26 v. o.: Riedlingen war vorderösterreichisch, nicht Reichsstadt. [Bd. 55, S. 890]