ADB:Dönhoff, August Graf von

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Artikel „Dönhoff, August Graf von“ von Hermann von Petersdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 20–26, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:D%C3%B6nhoff,_August_Graf_von&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 04:42 Uhr UTC)
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Dönhoff: August Heinrich Hermann Graf von D., preußischer Diplomat, geboren am 10. October 1797 zu Potsdam, † am 1. April 1874, war der Sohn des Grafen August Friedrich Philipp v. D. († am 7. Mai 1838) und der Gräfin D., geb. Gräfin Pauline v. Lehndorff-Steinort († am 2. März 1813). Der Vater, jener Flügeladjutant, den Friedrich Wilhelm III. nach Auerstädt an Napoleon sandte, nahm 1809 als Oberst seinen Abschied und wurde später Landhofmeister und Landtagsmarschall der Provinz Preußen. Seine Schulbildung genoß D. auf dem Friedrichscollegium in Königsberg, dessen Leitung in jenen Jahren der geistvolle und geistweckende F. A. Gotthold, ein leidenschaftlicher Freund der griechischen Classiker, übernommen hatte. Siebzehnjährig nahm D. im J. 1815 als Freiwilliger im 2. westpreußischen Dragonerregiment am Feldzuge gegen Napoleon theil und zog mit in Paris ein. Er studirte hierauf (nach Angabe des Universitätssecretariats nicht in Königsberg) seit dem 28. April 1818 in Göttingen und seit dem 1. September 1818 in Heidelberg Cameralwissenschaften. Dann hielt er sich einige Zeit in der Schweiz und Italien auf. [21] 1821 trat er in den Staatsdienst. Erst in Berlin im auswärtigen Amte beschäftigt, kam er 1823 zur Gesandtschaft nach Paris, 1825, inzwischen durch die Kammerherrnwürde ausgezeichnet, nach Madrid, Anfang 1828 nach London, wo er sechs Jahre blieb, zum Legationsrath aufrückte und öfter in Abwesenheit des preußischen Gesandten, Heinrich’s v. Bülow, des Gemahls der jüngeren Tochter Wilhelm’s v. Humboldt, als Geschäftsträger fungirte. Mit der schöngeistigen Familie des Gesandten stand er in vertrautem Verkehr. Auch sonst scheinen ihm die Londoner Verhältnisse zugesagt zu haben. Im Herbst 1833 kam er als Gesandter nach München und fand dort ein Jahrzehnt Gelegenheit zu selbständigem, wenn auch dornenvollem Wirken. Die Behandlung König Ludwig’s I. war nicht immer leicht für ihn. Es fiel ihm dort u. a. zu, den König zur Beschickung der Wiener Conferenzen und zur Unterzeichnung des Schlußprotocolls derselben (1834) zu bestimmen und gegen die Duldung der Beschimpfungen Preußens durch das ultramontane Zander’sche Blatt in Würzburg aus Anlaß der Kölnischen Bischofswirren lange vergeblich anzukämpfen. Verrieth doch König Ludwig damals geradezu eine gehässige Stimmung gegen Preußen. Schon in jenen Jahren dachte D. daran, wieder nach London zurückzukehren. Etwas leichter schien seine Stellung seit der Thronbesteigung König Friedrich Wilhelm’s IV. zu werden. Zur Zeit der Kriegsgefahr (1840) zeichnete ihn König Ludwig demonstrativ aus; aber bald wurde es offenbar, daß seine Aufgabe jetzt eher noch undankbarer wurde. Das von Ludwig gehaltene clericale Ministerium Abel machte den Münchener Aufenthalt für D. unerträglich. Die bedrückten Protestanten in Baiern suchten bei D. Schutz. Wenn er auch aus Rücksicht auf seine amtliche Stellung große Zurückhaltung übte, so benutzten die Ultramontanen des Landes doch die Gelegenheit, um ihn als den Führer der protestantischen Opposition hinzustellen, und König Ludwig ließ sich aufs höchste gegen die angebliche parteiische Haltung des preußischen Vertreters einnehmen. Verleugnet hatte D. seinen evangelischen Glauben allerdings nicht, und in seinen Berichten an seinen Hof konnte er nicht umhin, an dem Ministerium Abel und dessen „religiöser und politischer Heuchelei, seiner Unehrlichkeit und Würdelosigkeit“ scharfe Kritik zu üben. Mit Kummer verfolgte er die Unbill, die das Oberconsistorium der bairischen Lutheraner durch die Clericalen erlitt. Gern wäre er, als im Herbst 1841 der englische Gesandtschaftsposten frei wurde, wieder nach London gegangen. Er stand auch auf der Vorschlagsliste neben Bunsen und Heinrich Arnim. Nach einer Erzählung Humboldt’s an Leopold Gerlach (im Mai 1842) hätte man ihn jedoch, während Arnim gleich abgelehnt wurde, am englischen Hofe nicht genügend gekannt, vielmehr erst Erkundigungen über ihn einziehen wollen. Man weiß, daß Bunsen den Vorzug erhielt.

König Friedrich Wilhelm III. war mit Dönhoff’s Berichterstattung, die sich durch Freimuth und oft auch durch eine gewisse ironische Färbung namentlich in der Charakterisirung König Ludwig’s auszeichnete, äußerst zufrieden gewesen. So belobte er ihn wegen seiner rückhaltlosen Schilderung des anmaßenden und zudringlichen Auftretens des russischen Hofes in Bad Kreuth (1838). Als D. über König Ludwig schrieb: „Ein Fürst, den wir von ultraliberalen zu ultramontanen, von den übertriebensten constitutionellen Vorstellungen zur ausgesprochenen Willkürherrschaft haben übergehen sehen, kann auch in jeder andern Hinsicht noch seine Meinung wechseln“ bemerkte Friedrich Wilhelm: „ein sehr kurzes, aber sehr treffendes Bild Sr. Majestät“. Immerhin gewann D. zu König Ludwig persönlich ein leidlich gutes Verhältniß, sodaß er ihn noch im Jahre 1847, als er längst nicht mehr den [22] Münchener Posten bekleidete, in Brückenau besuchte, wo ihm der Wittelsbacher sein Herz über die Clericalen ausschüttete. Oefter fand D. schon von München aus Gelegenheit, selbständige und gemäßigt monarchische Anschauungen gegenüber seiner Regierung zur Geltung zu bringen, indem er z. B. dem Berliner Hofe klaren Wein über die zornige Stimmung ganz Süddeutschlands aus Anlaß des welfischen Staatsstreichs einschenkte, da das Vorgehen Ernst August’s das monarchische Princip schädige. Durch lange Beurlaubungen von München suchte er sich sein Dasein erträglicher zu gestalten und begrüßte es wol als angenehmen Tausch, als er Mitte 1842 den Posten des preußischen Bundestagsgesandten erhielt.

In Frankfurt sollte er denn auch das Hauptfeld seiner staatsmännischen Thätigkeit finden. Anfänglich verbrauchte er seine Kraft ziemlich nutzlos im Sinne der Reform des süddeutschen Militärwesens. Es war ein schwacher Trost, wenn Freunde der preußischen Heereseinrichtungen wie der Prinz Karl von Baiern und der Prinz Emil von Hessen ihm ihr Leid klagten, daß diese Sache nicht vorwärts käme. Halb belustigt, halb beklommen verfolgte er die albernen Streitigkeiten am Bunde, so den Zank um die Fürstentitulaturen, in dem er einmal durch eine scharfe Rede gegen bundesfeindliche Behauptungen der ernestinischen Herzöge eingriff. Schon sah er das Gespenst des Rheinbundes aufsteigen, da er befürchtete, daß Baden und Hessen sich an Frankreich halten würden, um für sich den Königstitel durchzusetzen. Allmählich gewann er Verständniß dafür, daß an ein „wahres, aufrichtiges Zusammenwirken von Wien und Berlin“ kaum zu denken sei, besonders seitdem er die vergiftende Thätigkeit der Wiener Publicisten Jarcke und Zedlitz in der süddeutschen Presse kennen gelernt hatte. Von vornherein widmete er der schleswig-holsteinschen Sache im Sinne einer Unterstützung der Elbherzogthümer gegen Dänemark seine Theilnahme. So machte er seinen Hof auf ein Schreiben des Studenten Aegidi, der aus Anlaß des Offenen Briefes (1846) die Entsendung eines Bundescommissars nach Kopenhagen befürwortete, aufmerksam, das ein „ernstes Zeichen der Zeit“ wäre. Dem jungen Legationsrath v. Gruner, der ihm am 1. Januar 1845 neben dem Gesandtschaftsrath v. Sydow beigegeben wurde und der ihn sonst nicht gerade mit besonderem Wohlwollen beobachtete, imponirte er durch sein klares Urtheil. Daneben verschafften ihm ernstes Wesen, Geschäftskenntniß, Unterhaltungsgabe, Umgangsform und vor allem der Nimbus der Vornehmheit, den er als Mitglied eines der berühmtesten und reichsten altpreußischen Adelsgeschlechter genoß, eine starke Position am Bundestage. Am 17. November 1843 vermählte er sich, 46jährig, zu Steinort in Ostpreußen mit seiner 18jährigen Cousine, der schönen und anmuthigen Gräfin Pauline Lehndorff, die auch einem der angesehensten ostpreußischen Adelsgeschlechter entstammte, und diese verstand es, ohne für die Politik Interesse zu bezeigen, eine vornehme Geselligkeit zu pflegen.

Der Umstand, daß der österreichische Bundestagsgesandte Graf Münch-Bellinghausen meist von Frankfurt fern weilte, begünstigte es, daß Dönhoff’s Einfluß in Frankfurt stetig wuchs, da ihm infolge dessen für den größten Theil des Jahres die Führung der Präsidialgeschäfte zufiel. Die Gesandten der deutschen Höfe faßten zu ihm Vertrauen; er erwarb sich sogar eine gewisse Beliebtheit. Von dem damaligen preußischen Militärbevollmächtigten in Frankfurt, der zwar meist in Karlsruhe weilte, Radowitz, trennte ihn insbesondere „die ausgesprochen ultramontane Tendenz“, die er bei jenem voraussetzte, so sehr er ihn objectiv zu würdigen suchte und so hohe Achtung er vor dessen geistigen Fähigkeiten hegte. Auch verhielt er sich damals mißtrauischer gegen Oesterreich als Radowitz. In Wien erfreute er sich daher bald nicht sonderlicher [23] Beliebtheit, wie General Rochow schon 1845 constatirte und wie auch dem Minister des Auswärtigen, dem Freiherrn v. Canitz, wohl bekannt war. Vielleicht wollte der vielgewandte preußenfeindliche badische Bundestagsgesandte Blittersdorff ihm eine Falle stellen, als er ihm von der Nothwendigkeit eines Anschlusses der kleinen Staaten an Preußen sprach (April 1845). Schon in dieser Zeit stand D. in Gunst bei dem Prinzen von Preußen, der ihn mehrmals besuchte. Kraft seiner einflußreichen Stellung am Bundestage konnte er (was in auffälligem Gegensatze steht zu den Angaben Herzog Ernst’s von Coburg-Gotha I, 288) im Anfang des Entscheidungsjahres 1848 eine umfassende Thätigkeit zur Lösung der deutschen Frage entwickeln und sich dadurch einen Platz in der deutschen Geschichte sichern. Seine Handlungsweise dabei ist gekennzeichnet durch jene politische Abgeschliffenheit, die schon General v. Brandt richtig an ihm hervorgehoben hat, sowie durch hohen patriotischen Schwung, der sonst auf den Höhen der altzünftigen Diplomatie in dieser Weise nicht häufig gewesen ist. Schon gegen Ausgang des Jahres 1847 fand er Gelegenheit, das Seinige dazu beizutragen, um die deutsche Frage in Fluß zu bringen, indem er die Denkschriften des Fürsten Leiningen und des Prinzgemahls, welche einer Verdrängung Oesterreichs durch Preußen das Wort redeten, an König Friedrich Wilhelm IV. sandte und dadurch eine lebhafte, wenn auch zunächst mehr ablehnende Stellungnahme des Königs herbeiführte. Mit gemischten Gefühlen entdeckte er freilich hinterher, daß abermals Blittersdorff bei diesen Denkschriften die Hand im Spiele hatte. Hellen Auges verfolgte er den beschleunigten Gang der Ereignisse und erkannte sehr bald, daß das Zugeständniß der Periodicität des Vereinigten Landtages nicht mehr ausreichen würde, um der im Lande anschwellenden Bewegung Herr zu werden. Es schien ihm eine Nothwendigkeit, daß Preußen die Lösung der deutschen Frage in die Hand nähme, da von Oesterreich nichts zu erwarten wäre, die Unthätigkeit in dieser Sache aber die deutschen und europäischen Verhältnisse schädige und da es überhaupt auf die Dauer so nicht weiter ginge. Je mehr sich die Ohnmacht Oesterreichs vor aller Welt offenbare, um so mehr richteten sich, so legte er seinem Hofe dar, die Blicke erwartungsvoll auf Preußen als diejenige Macht, die allein helfen könne. Da ihm einige Bundestagsgesandten dringend versicherten, daß sie je eher je lieber ein Vorgehen Preußens erwarteten und ihm sogar die Frage gestellt wurde, ob es nicht rathsam wäre, den Bundestag zeitweise nach Berlin zu legen, so hielt D. den Zeitpunkt für gekommen um zu handeln. Er befürwortete nicht nur jenen Vorschlag auf Verlegung des Bundestages, sondern er veranlaßte ganz aus sich heraus am 29. Februar die Einsetzung eines Ausschusses, der sich zur gegenwärtigen Lage des Bundes gutachtlich äußern und zeitgemäße Anträge stellen sollte. Zugleich verfaßte er einen „Aufruf an alle Deutschen“, der im Hinblick auf die „stürmische Zukunft“, die „möglicherweise“ Deutschland bevorstünde, „alle Deutschen, denen das Wohl Deutschlands am Herzen liegt – und andere Deutsche giebt es nicht –“ zur Bewahrung der Eintracht zwischen den Regierungen und Völkern aufrief. „Der Bundestag wird von seinem Standpunkte alles aufbieten, um gleich eifrig für die Sicherheit Deutschlands nach außen sowie die Förderung des nationalen Lebens im Innern zu sorgen.“ Am 1. März machte sich der Bundestag diesen Aufruf zu eigen und freudig druckten ihn die Tagesblätter, voran die „Deutsche Zeitung“, ab. Einer der Führer der liberalen Bewegung, David Hansemann, suchte D. auf, um sich mit ihm über die einzuhaltende Politik zu verständigen. Seinem Hofe gegenüber begründete D. seine eigenmächtigen Schritte mit den Worten: „Es ist gleichsam eine neue Bahn, die der Bundestag betritt, auf der er Aussicht hat, das bisher verlorene [24] Terrain im öffentlichen Vertrauen wiederzugewinnen“. Er blickte voller Hoffnung in die Zukunft, obwol er sich nicht verhehlte, daß das von Oesterreich so lange festgehaltene System des Stillstandes immer noch schädlich nachwirkte; er wäre sonst gern noch kräftiger vorgegangen. Mit einer gewissen Sorge sah er der Entscheidung seines Königs entgegen; er bot all seine Beredsamkeit auf, um ihn zur That anzuspornen. „Nationale Verschmelzung der verschiedenen Bestandtheile Deutschlands im Verein mit seinen Institutionen“ bezeichnete er als das Ziel „aller politischen Männer in Deutschland“ bei allen Unterschieden im einzelnen. „Es ist ein entscheidender Moment in Ew. K. Maj. Hände gelegt; die richtige Benutzung dieses Moments kann große glückliche Folgen haben, die deutsche Nationalität auf einer neuen Basis constituiren und Deutschland groß, stark und mächtig machen. Die Versäumniß dieses Augenblicks kann dagegen um so gewisser unwiederbringlichen Schaden bringen“. Wenn Preußen nicht stark handle, so meinte er, wäre ein constitutioneller Sonderbund, ja eine süddeutsche Republik zu befürchten. Das einzige Rettungsmittel gegen die Republik sei das „constitutionelle System“. Unter seiner Führung gewährte der Bundestag am 3. März Preßfreiheit, am 9. empfahl er den Regierungen die Entsendung von Männern des öffentlichen Vertrauens nach Frankfurt zur Revision der Bundesverfassung. Der am 29. Februar eingesetzte Ausschuß übte an der bestehenden Verfassung, insbesondere an der Präsidialmacht, eine sehr scharfe Kritik. Am 9. März erklärte die Bundesversammlung „die Farben des alten deutschen Reichspaniers Schwarz-Roth-Gold zu Bundesfarben. Freimüthig rechtfertigte D. in seinen Berichten dieses Vorgehen. Man werde es in Wien übel vermerken, „aber das bisherige Verfahren Oesterreichs in den Bundesangelegenheiten war auch in der That unverantwortlich“. Er ging jedoch nicht ganz so weit wie die süddeutschen Liberalen; das „Nationalparlament“, das jene forderten, mußte nach seiner Meinung „unfehlbar früher oder später zur deutschen Republik führen“. Aber er befürwortete doch die Bildung eines Bundesparlamentes unter Betonung der Nothwendigkeit, sich an das Bestehende anzuschließen. Seiner Ansicht entsprach etwa die Schrift des Heidelberger Staatsrechtslehrers Zöpfl „Bundesreform, deutsches Parlament und Bundesgericht“. Eindringlich aber warnte er vor der Einsetzung des von Preußen vorgeschlagenen Fürstentages: „Ein Congreß der Souveräne kann der Spaltung nicht mehr vorbeugen, denn er hätte nicht das öffentliche Vertrauen“. Ebenso warnte er vor Anwendung von Gewalt; es würde, so meinte er, zur Entthronung der süddeutschen Fürsten führen, falls man die constitutionelle Richtung mit den Waffen niederkämpfen wolle. Es seien Gerüchte von derartigen Absichten Preußens in Umlauf; dies müsse sofort durch Thaten widerlegt werden. „Die unerläßliche Vorbedingung einer führenden Stellung Preußens ist die breite nationale volksthümliche Richtung“ schrieb er am 13. März. Durch seine rasch aufeinander folgenden Depeschen unterstützte er die Bemühungen des Ministers v. Bodelschwingh, König Friedrich Wilhelm für die constitutionelle Idee zu gewinnen, auf das wirksamste. Aber im letzten Augenblicke mußte er es erleben, daß man in Berlin sich nicht entschließen konnte, allein die Führung zu übernehmen, sondern dies gemeinsam mit Oesterreich zu thun unternahm. Noch am 17. März hat D. auf die Nachricht hiervon dem Minister v. Canitz geschrieben: „Die moralische Action Preußens auf Deutschland würde in diesem Augenblick größer sein, wenn Preußen allein, als wenn es im Verein mit Oesterreich handelt“. Gleich darauf, noch bevor er Kenntniß von den Vorgängen am 18. März erhielt, hat er sich mißmuthig niedergesetzt, um in einem vertraulichen Schreiben an Canitz die deutsche Politik seines Königs einer [25] scharfen Kritik zu unterziehen: „Hätte der König gleich zu Anfang (ohne erst nach Wien zu schicken, wo acht Tage mit Conversation verloren sind und in der letzten Zeit waren die Tage wie früher Wochen) alle deutschen Fürsten oder ihre Bevollmächtigten, den Bundestag, wie ich damals vorschlug, nach Berlin berufen, so würde ein großes Resultat möglich gewesen sein“. Zudem schien ihm gerade Radowitz durchaus ungeeignet als Unterhändler, weil dieser im Geruche des Ultramontanismus stände und als anticonstitutionell und Gegner der Einheitsbewegung gelte. „Als Ausdruck der Beziehungen Preußens zum Fortschritt in der Entwickelung der deutschnationalen Richtung kann er Preußen nur nachtheilig sein.“

In der That war es ein schweres Versäumniß König Friedrich Wilhelm’s, daß er die durch Dönhoff’s Vorgehen am Bundestage eröffnete Möglichkeit, sich direct mit den deutschen Fürsten über die deutsche Frage zu verständigen, nicht sofort benutzte. Als nun der kurz vorher an Münch-Bellinghausen’s Stelle getretene Graf Colloredo wieder die Geschäfte am Bunde übernahm, war Dönhoff’s Mission in Frankfurt erfüllt. Schon im Februar hatte er die vertrauliche Mittheilung erhalten, daß er zum Gesandten in Paris ausersehen sei und damals gegen die Ernennung des Generals Radowitz zu seinem Nachfolger energisch protestirt. Nunmehr wurde er (im April) endgültig von Frankfurt abberufen. Doch hatte dem König sein temperamentvolles Vorgehen entschieden imponirt. Denn er dachte damals (April) an Dönhoff’s Berufung zum Minister des Auswärtigen an Stelle Heinrich’s v. Arnim, und die Königin Elisabeth trat gegen Leopold v. Gerlach lebhaft für ihn ein. „D. sei doch ein braver Mann.“ Damals wäre Dönhoff’s Eintritt vielleicht noch nützlich gewesen. Als er jedoch im September aufgefordert wurde, im Ministerium Pfuel das Auswärtige zu übernehmen, waren die Dinge bereits so weit gediehen, daß er nicht mehr in der Lage war zu helfen. Wie geschaffen, um in diplomatischer Stellung eine frische, geschickte und thatkräftige Politik zu treiben, erwies er sich doch nicht aus so festem Holze geschnitzt, um als Minister, zumal in dem herrschenden Wirrwarr, mit der nöthigen Entschlossenheit die Zügel ergreifen zu können. Das fühlte er auch selbst und lehnte daher anfänglich (19. Septbr.) den ihm angebotenen Ministerposten ab. Nur auf eindringliches Zureden gab er nach (21.). Es zeigte sich sofort, daß diese Arena nicht sein Feld war. Die Zeugnisse über seine Ministerthätigkeit stehen sämmtlich unter diesem Eindruck, nicht nur das Gerlach’s, sondern auch das des milden Abeken, des Generals v. Brandt, Stockmar’s, Gruner’s. Er fühlte sich auf dem neuen Terrain völlig unsicher. Wol nahm er eine freundliche Haltung gegen die Paulskirche an und vertrat zugleich gegen deren Abgesandten Stockmar mit Klarheit den Standpunkt, daß die Selbständigkeit des preußischen Staates nicht beeinträchtigt werden dürfte. Ludolf Camphausen’s Stellung in Frankfurt schien ihm sehr der Stützung bedürftig. Er warf die Frage auf, ob nicht eine Verlegung der deutschen Nationalversammlung nach Erfurt wünschenswerth wäre, um den Einfluß der Demokratie zu schwächen. Auch in der schleswig-holsteinschen Sache war er in positivem Sinne thätig, indem er die Bildung eines Fünfmännerausschusses zur Führung der Verwaltung in den Elbherzogthümern während der Dauer des Malmöer Waffenstillstandes veranlaßte. Bei der Hauptaufgabe aber, die es im Augenblick zu lösen gab, der Bändigung der Preußischen Nationalversammlung, versagte er. Die Volksbewegung war seiner aristokratischen Natur zuwider, war ihm mehr als nöthig unbehaglich und hatte die Wirkung, ihn einen verkehrten Weg einschlagen zu lassen, indem er mit den übrigen Ministern unter Führung Eichmann’s einen Druck auf den König auszuüben suchte. Er hat ihm u. a. nach [26] einer Aufzeichnung Gerlach’s gesagt: er würde mediatisirt und wäre es schon; Der König blieb jedoch fest, nahm das ihm von den vier Ministern Eichmann, Bonin, Kisker, Dönhoff vorgelegte Programm, das ihm unnöthige Nachgiebigkeit gegen die Berliner Nationalversammlung zumuthete, nicht an und berief das Ministerium Brandenburg. General v. Gerlach vermochte es nicht zu fassen, daß die Revolution eine solche Gewalt über D. ausüben konnte. Kaum sechs Wochen hatte Dönhoff’s Ministerschaft gedauert. Mit dem Rücktritt des Ministeriums am 1. November trat D. politisch in den Schatten. Einer älteren Familientradition folgend, verzichtete er auf eine Pension, obwol die allmähliche Befreiung seines Grundbesitzes von der erdrückenden Schuldenlast, die sich besonders in der Franzosenzeit aufgehäuft hatte, ihm zahllose Sorgen und Arbeiten verursachte. Noch ließ er sich im Februar 1849 von dem 2. Gumbinner Wahlkreis in die Erste Kammer wählen und ging von dort ins Staatenhaus nach Erfurt (1850), an dessen Berathungen er regelmäßig theilgenommen hat, ohne rednerisch hervorzutreten. Er hielt es dort mit der gemäßigten Richtung. Bei den Neuwahlen 1850 wiederum zum Mitglied der Ersten Kammer gewählt, trat er der zur Rechten gehörigen, aber gemäßigten Partei Jordan bei. Am 24. November 1854 wurde er auf Grund Präsentation des alten und befestigten Grundbesitzes im Landschaftsbezirke Samland ins Herrenhaus berufen, dem er, nachdem er 1859 die ihm gehörige, eine Fläche von 23 000 Morgen mit 27 Ortschaften umfassende Herrschaft Friedrichstein zum Familienfideicommiß gemacht hatte, seit dem 18. November 1861 als erbliches Mitglied angehörte. In demselben Jahre wurde er, nachdem er bereits mehrmals von dem Prinzregenten für den Posten des Hausministers ins Auge gefaßt worden war, von seinem inzwischen auf den Thron gelangten Gönner zum Obergewandkämmerer ernannt, so daß der schon damals traditionelle Einfluß der Dönhoffs am preußischen Hofe äußerlich aufs neue bekundet wurde. Am 1. April 1874 ist er auf seinem Gute Friedrichstein gestorben. Er hinterließ drei Söhne. Die ersten beiden, August Karl und Karl Ludwig, waren Zwillinge und wurden am 26. Januar 1845, der dritte, Friedrich Heinrich, wurde am 4. Januar 1850 geboren.

Taschenbuch der gräflichen Häuser. – v. Treitschke, Deutsche Geschichte Bd. IV u. V. – Koser, Friedrich Wilhelm IV. am Vorabend der Märzrevolution. Histor. Zeitschr. Bd. 83 (1899), S. 43 ff. (Der Aufsatz verbreitet zum ersten Male helleres Licht über Dönhoff’s Bedeutung.) – Rachfahl, Deutschland, König Friedrich Wilhelm IV. und die Berliner Märzrevolution. Halle 1901. – Gerlach’s Denkwürdigkeiten (zum Theil ungedruckte Aufzeichnungen). – Briefe des Generals v. Rochow an einen Staatsbeamten (Kelchner). Frankfurt a. M. 1873. – v. Gruner, Rückblick auf mein Leben. Deutsche Revue, Febr. u. März 1901. – v. Brandt, Aus dem Leben des Generals d. J. H. v. Brandt. 3. Theil, S. 256. Berlin 1882. – Abeken, Ein schlichtes Leben. – Gabriele v. Bülow, Tochter Wilhelm’s v. Humboldt. – Denkwürdigkeiten aus den Papieren des Freiherrn Ch. v. Stockmar. Braunschweig 1872. – Aus den Papieren Theodor v. Schön’s, IV. 1876. – Anna Caspary, Ludolf Camphausens Leben. Stuttg. 1902.