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Artikel „Abeken, Heinrich“ von Ludwig Wiese in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 9–11, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Abeken,_Heinrich&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 06:48 Uhr UTC)
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Abeken: Heinrich A., Wirklicher Geheimer Legationsrath im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten zu Berlin, war geb. zu Osnabrück 19. Aug. 1809, † 8. Aug. 1872. Sohn eines Kaufmanns, wuchs er in der Stadt Justus Möser’s heran in Umgebungen, welche noch immer von der alten niederdeutschen Einfachheit und Tüchtigkeit in Sinn und Sitte erfüllt waren. Zu höherem geistigen Streben regte ihn früh das Vorbild geliebter Verwandten, namentlich seines Oheims Bernh. Rud. A., des Herausgebers der Werke Justus Möser’s, an. Nachdem er das Rathsgymnasium seiner Vaterstadt absolvirt hatte, bezog er 1827 die Universität zu Berlin, um Theologie zu studiren. Bei seiner außerordentlich leichten Fassungskraft und lebhaftem geistigen Interesse konnte er damit nicht nur philologische und philosophische Studien verbinden, sondern sich auch eingehend mit der Kunst sowie mit der Litteratur der neueren Sprachen beschäftigen. Um Ostern 1831 erwarb sich A. die Würde eines Licentiaten der Theologie. Die 18 Thesen, welche er für die unter Dr. August Neander’s Vorsitz abgehaltene öffentliche Disputation aufgestellt hatte, sind größtentheils den wissenschaftlichen Gebieten entnommen, wo Theologie und Philosophie sich berühren. Gegen Ende desselben Jahres ging er nach Rom, und es war entscheidend für seinen ferneren Lebensgang, daß er in dem Hause Bunsen’s, des damaligen preußischen Geschäftsträgers beim päpstlichen Stuhl, Aufnahme fand. Er nahm Theil an dessen liturgischen Arbeiten, und im Zusammenhange damit auch an der Bearbeitung des 1833 von Bunsen herausgegebenen Allgemeinen evangelischen Gesang- und Gebetbuchs. Im Jahre 1834 wurde ihm die Predigerstelle bei der Kapelle der preußischen Gesandtschaft in Rom übertragen. Eine um dieselbe Zeit in Rom geschlossene Ehe mit einer Engländerin war von kurzer Dauer, da seine Frau bald nach der Verheirathung starb. Als Bunsen 1838 Rom verlassen hatte, gab A. bald danach sein Amt auf und kehrte nach Deutschland zurück. Im Jahre 1841 wurde er nach England geschickt, um für die Ausführung des Gedankens Friedrich Wilhelms IV., in Jerusalem ein der deutschen evangelischen und der englischen Kirche gemeinsames Episcopat zu gründen, thätig zu sein. Dem Widerstreben einer hochkirchlichen Partei in England gegen das Unternehmen begegnete er durch eine 1842 in London veröffentlichte Schrift: „A letter to the Rev. E. B. Pusey in reference to certain charges against the German Church“; und dem deutschen Publikum wurde die ganze Angelegenheit in einer von ihm (Berlin 1842) herausgegebenen geschichtlichen Darstellung mit den Urkunden vorgelegt. – Noch in demselben Jahre begab er sich mit königlicher Unterstützung auf eine Reise nach Aegypten und Aethiopien, und schloß sich daselbst der Expedition des Professors Lepsius an, dem er hinfort in engster Freundschaft verbunden blieb. Seine Rückkehr nach Deutschland, 1845 und 1846, geschah über Jerusalem und Rom. Seit 1847 lebte er dauernd in Berlin, und wurde, vorher als Legationsrath in besonderen Aufträgen beschäftigt, 1853 zum vortragenden Rath im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten ernannt. In dieser Stellung hat er dem preußischen Staat mehr als zwanzig Jahre in unmittelbarer Betheiligung an [10] den folgenreichsten politischen Verhandlungen gedient. Seine ungemeine Gewandtheit der Darstellung, seine Fertigkeit im mündlichen und schriftlichen Gebrauch fremder Sprachen und die Leichtigkeit, sich in die Anschauungen Anderer zu versetzen, machte seine Hülfe den verschiedenen Leitern der auswärtigen Beziehungen überaus werthvoll. Er hat die Wandelungen der preußischen Politik in den letzten 25 Jahren mit durchgemacht: wie er 1851 mit dem Minister v. Manteuffel in Olmütz war, so blieb er später in der Nähe v. Bismarck’s, von dem verschiedene Aeußerungen bezeugen, wie großen Werth er auf Abeken’s Dienste legte; man pflegte ihn Bismarck’s Feder zu nennen. Im Jahre 1866 befand er sich während des ganzen Krieges gegen Oesterreich im preußischen Hauptquartier; ebenso im französischen Kriege 1870 und 1871. Die Anstrengungen des Aufenthaltes in Versailles während des letzteren untergruben seine kräftige Gesundheit. Ebendaselbst und wiederholt in Ems und Gastein befand er sich in nächster Nähe des Kaisers und Königs Wilhelm. Bei allen diesen Gelegenheiten ist ein großer Theil der wichtigsten Depeschen von ihm verfaßt worden.

Wenn A. zu den hervorragenden Männern gehörte, die, ursprünglich in geistlichen Aemtern, sich später einer politischen Thätigkeit zugewandt haben, so hat er doch das Interesse an der Theologie und an dem kirchlichen Leben des deutschen Volks niemals verloren. Ein merkwürdiges Document davon ist u. a. sein Sendschreiben an die Gräfin Ida Hahn-Hahn „Babylon und Jerusalem“ (1851). Die Ordnung der kirchlichen Verhältnisse der in der Diaspora auch in anderen Erdtheilen lebenden evangelischen Deutschen verdankt seiner fortwährenden Fürsorge viel. Von Vorträgen, die er im evangelischen Vereinshause in Berlin gehalten, sind im Druck erschienen: „Der Gottesdienst der alten Kirche“ (1853) und „Das religiöse Leben im Islam“ (1854). – Seiner feinen ästhetischen Bildung und Liebe zur Kunst entsprach die Förderung, welche er dem archäologischen Institut in Rom, dessen Mitglied er seit seinem ersten Aufenthalt daselbst war, von Berlin aus angedeihen ließ, wo er auch zu der von seinem Freunde Ed. Gerhard gestifteten archäologischen Gesellschaft gehörte. Er selbst stiftete in Berlin eine griechische Freundesgesellschaft, die lange Zeit bestanden und in der Lectüre der griechischen, besonders der poetischen, Classiker ihr vereinigendes Band gehabt hat. Selbst von außerordentlich leichtem und ergiebigem poetischen Talent, fand er Gelegenheit, poetische Kritik zu üben als Mitglied der Commission für Ertheilung des dramatischen Preises der königlichen Schillerstiftung in Berlin vom Jahre 1860. Zum Gedächtniß seines Freundes Bunsen schrieb er 1861 für das „Jahrbuch zum Conversationslexikon (Leipzig, Brockhaus), Unsere Zeit“, die Biographie: Chr. C. Josias Freiherr von Bunsen. Im Jahre 1866 verheirathete er sich mit Hedwig v. Olfers, Tochter des General-Directors der königl. Museen, Wirkl. Geh. Raths v. Olfers. Sein Tod erfolgte nach mehrmonatlicher Krankheit. Was er dem Kaiser Wilhelm gewesen, sprach dieser der Wittwe in einem Telegramm auf die Todesnachricht aus: „Einer meiner bewährtesten Rathgeber, stand er mir in den entscheidungsreichsten Augenblicken zur Seite; sein Verlust ist mir unersetzlich; in ihm hat das Vaterland einen seiner edelsten und treuesten Menschen und Beamten verloren.“ – Die ungewöhnliche geistige Begabung, durch welche A. ausgezeichnet war, ein Reichthum vielseitiger Bildung, Schärfe und Sicherheit eines weitblickenden Urtheils, eine glückliche sprachliche Productivität, unermüdliche Arbeitsausdauer, eine nie versagende Gedächtnißkraft, gesellige Talente, und besonders die Gabe einer im besten Sinne des Wortes geistreichen Unterhaltung: alles das wurde gleichwol überwogen durch die liebenswürdigen Eigenschaften seines Gemüths. Eine edle Uneigennützigkeit des Herzens, innige Familien- und Freundespietät und nie [11] wankende Treue, warme Theilnahme für alle menschliche Freude und Noth, Bereitwilligkeit zu helfen, wo und wie er konnte, waren Grundzüge seiner Persönlichkeit.