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Artikel „Emil, Prinz von Hessen und bei Rhein“ von Philipp Walther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 80–81, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Emil&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 05:43 Uhr UTC)
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Emil, Prinz von Hessen und bei Rhein, geb. 3. Sept. 1790, † 1856, war der jüngste Sohn des Landgrafen Ludewig I. (späteren Großherzogs Ludewig I.) von Hessen. Der Erziehung des Prinzen wurde theils in der Heimath, theils in Braunschweig, wo die Lehrkräfte des Carolinums mit benutzt wurden, vollendet. Von Braunschweig zurückgekehrt, trat er in die großherzogliche Armee ein, zunächst ohne Gelegenheit, sich im Felde zu bethätigen, aber für seine fernere militärische Ausbildung fleißig besorgt. Durch das Verhängniß der Zeit genöthigt, dem Rheinbunde beizutreten, hatte der Großherzog seine Truppen zu dem Feldzug des J. 1809 gegen Oesterreich gestellt; dem Prinzen war es dadurch beschieden, im Hauptquartier Napoleon’s und unter dessen Augen in das Kriegshandwerk eingeführt zu werden. Er machte die Schlachten dieses Feldzuges mit und erwarb sich durch seinen Muth und seine Tapferkeit, sowie durch seinen richtigen Blick in hohem Grade die Aufmerksamkeit jenes großen Kenners militärischen Talents. Der Feldzug gegen Rußland im J. 1812 brachte dem [81] Prinzen das Divisionscommando der hessischen Truppen, welche er bis Moskau in allen Schlachten und Gefechten, besonders in dem bei Krasnoe, ausgezeichnet führte. Die hessischen Truppen geriethen in das ganze Elend des furchtbaren Rückzugs; unter den Ueberlebenden haben sich manche ergreifende Erzählungen von der Sorge des Prinzen für die Seinen in dieser Noth, wie von der Aufopferung dieser für ihren Führer erhalten; diese Zeit begründete die innige Anhänglichkeit zwischen ihm und dem hessischen Soldaten und den hohen Einfluß, den er bis zu seinem Tode auf den Geist dieser Truppe geübt hat. In den Schlachten des J. 1813, besonders bei Lützen, Bautzen und bei Leipzig, focht er mit Auszeichnung; unwahr aber, wie er selbst mit Unwillen erklärte, ist das Märchen, als hätte Napoleon ihm in einer dieser Schlachten durch einen Zuruf den preußischen Thron verheißen. Nach der Entscheidung der Leipziger Schlacht wurde er gefangen und als Kriegsgefangener nach Berlin geführt. Inzwischen hatte auch das Großherzogthum Hessen sich vom Rheinbund losgesagt, und in den Kriegen 1814 und 1815 führte der Prinz das hessische Corps mit den Verbündeten nach Frankreich und zeichnete sich auch hier aus, besonders bei der Berennung Straßburgs, die er als Commandeur der durch eine Brigade österreichischer Grenadiere verstärkten hessischen Division erfolgreich ausführte. So wie sich der Prinz in der Zeit der Kriege als Soldat bewährt, so erwarb er sich in der nun folgenden friedlichen Epoche die Anerkennung als Staatsmann, zunächst auf dem Aachener Congreß, bei dem er die hohe Achtung bei Fürsten und Staatsmännern begründete, die ihm bis zu seinem Tode verblieb. Trotz lockender Anerbietungen, die ihm ein größeres Feld für seine staatsmännische Begabung eröffneten, erhielt er diese seinem eigenen Fürstenhause und seinem eigenen Vaterlande und verwerthete sie in der ersten Kammer des Landtages, nachdem Ludewig I. seinem Lande eine Verfassung verliehen hatte. Aber auch außerhalb der Kammer war es ihm bei dem Vertrauen, welches sein Bruder, Großherzog Ludewig II., seinem Urtheil zollte, möglich, seine reichen Gaben für den Glanz und die Ehre seines Hauses und für das Wohl des Landes, seinen Anschauungen entsprechend zu verwerthen. Die herrschenden liberalen Neigungen der Zeit fanden an ihm freilich in der Regel einen entschlossenen Gegner und zeigte er sich meist als entschiedener Anhänger des monarchisch-militärischen Systems. Es konnten daher die Ereignisse des J. 1848 und der Geist jener Jahre diesen seinen Anschauungen nicht zusagen und mußten auf seine Thätigkeit einen hemmenden Einfluß üben. Von dieser Zeit an war er viel von Darmstadt abwesend. Nur allmählich traten die trüben Erinnerungen des J. 1848 bei ihm in den Hintergrund und man hoffte, daß er in der wiederhergestellten ersten Kammer seine Thätigkeit aufs neue entfalten werde, als ihn ein unerwarteter Tod von der Erde abrief. Von einer Krankheit, die sein Ende werden sollte, schon ergriffen, hatte er sich nach Baden-Baden begeben, um bei einem oft bewährten Arzte Hülfe zu suchen, aber alle Kunst und alle Sorgfalt waren vergebens; er verschied am 30. April 1856. Die Ehren, die seinen irdischen Ueberresten bei deren Verbringung in die Fürstengruft zu Darmstadt zu Theil wurden, entsprachen der Bedeutung, die man ihm als Fürsten, Soldat und geistig hervorragendem Mann beigelegt hatte. Er ist unvermählt gestorben.