Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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römisches Schwert
Band VII,1 (1910) S. 13721376
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Gladius. 1) Über die Urgeschichte des römischen Schwertes lassen sich nur Vermutungen äußern. Für uralten Gebrauch dieser Waffe spräche die zweifellos richtige Ableitung von ensis aus dem Sanskrit (Fick Vergleichendes Wörterbuch der indogerman. Sprachen I3 26. 504. Walde Lateinisch. etymologisch. Wörterbuch 194), wenn dort así wirklich Schwert und nicht vielmehr Messer bedeutete; vgl. Schrader Reallexik. d. indogerman. Altertumskunde 750; Sprachvergleichung u. Urgeschichte II3 1, 111. Dagegen führt die Etymologie von G., der eigentlichen, zumeist gebräuchlichen Bezeichnung, die Holder (Altkelt. Sprachsch. I 2024) und Schrader (a. a. O. 749; II 1, 110) im Gegensatz zu Walde (a. a. O. 267) wohl mit Recht von dem urkeltischen klaidebo herleiten, zu der Annahme, daß die Latiner Schwerter wahrscheinlich erst durch die Kelten kennen lernten. Tatsächlich wurden in der Nekropole von Alba Longa, der ältesten Latinerstadt, Schwerter nicht gefunden (Helbig Die Italiker [1373] in der Poebene 78). Das altrömische Schwert der Überlieferung, ein großes stumpfes, an der linken Seite getragenes bronzenes Hiebschwert (Verg. Aen. VII 743. IX 431. XII 458. Lydus de magistr. I 12, auf Tarrunteius Paternus zurückgehend) ähnelte jedenfalls dem durch zahlreiche Funde (vgl. Bertrand Archéologie celtique et gauloise [1876] 286. 295. Naue Die vorrömischen Schwerter [1903] 27) und ausführliche Beschreibungen (vgl. Diod. Sic. V 30. 3. Polyb. II 30, 8. 33, 5. III 114, 3. Liv. XXII 46. 5. XXXVIII 17, 4. Strab. IV 196) bekannten gallischen Langschwerte. Zur allgemeinen Ausrüstung gehörte der altrömische G. nicht. Nach der Servianischen Heerordnung trugen ihn nur die Angehörigen der ersten drei Klassen (Liv. I 43, 2ff.), nach Dion. Hal. IV 17, 1 auch die der vierten; vgl. dazu aber Marquardt St.-V. II2 327, 1. Daß die Reiter zu Coriolans Zeit längere Schwerter hatten als die Fußtruppen, bezeugt Dion. Hal. VIII 67, 5. Später erhielt der alte G., wie Polybios Bericht (II 33, 6) über die Schlacht von Telamon (225 v. Chr.) erkennen läßt, eine Spitze und diente nun auch zum Stechen (Fröhlich Die Bedeutung des 2. pun. Krieges für die Entwicklung des röm. Heerwesens 46f.). Aber gegen das iberische Kurzschwert, das die Römer zu Beginn des zweiten Punischen Krieges fürchten lernten, war damit gleichwohl nichts auszurichten (ebd. 44). Die Waffe des Gegners wurde daher, wohl auf Scipios Betreiben (ebd. 45f.), noch während des Krieges von den Römern übernommen (Polyb. VI 23, 6 frg. 179 Büttner-Wobst = Suid. s. μάχαιρα II 731 Bernhardy. Liv. XXII 46, 5) und bald darauf von Schwerbewaffneten (Polyb. VI 23, 6. 16) und Reitern (Liv. XXXI 34, 4) sowohl wie von Veliten (Polyb. VI 22, 1. Liv. XXXI 35, 5. XXXVIII 21, 13) getragen. Wenn bei Livius (VII 10, 5) und Gellius (IX 13, 14) Manlius Torquatus (361 v. Chr.) bereits mit derselben gerüstet erscheint, so ist das ein Anachronismus (Marquardt St.-V. II2 338. 6). Da der g. Hispaniensis (Liv. XXXI 34, 4. XXXVIII 21, 13) bis in die Kaiserzeit neben dem Pilum die wichtigste Angriffswaffe der Römer war, kennen wir Beschaffenheit und Gebrauch desselben sehr genau, nicht zum wenigsten durch Darstellungen und Fundstücke, im besonderen durch das sog. Schwert des Tiberius. Dieser bis auf den abgebrochenen Griff trefflich erhaltene G. (vgl. die Abbild. bei Lersch Das sog. Schwert des Tiberius [1849]), 1848 in Mainz gefunden, zur Zeit im Britischen Museum, wurde von Augustus dem Tiberius (so Klein und Becker Abbildungen von Mainzer Altertümern [1850] II 18) oder Drusus (so Bergk Archäolog. Anzeiger 1849, 64) anläßlich ihres Sieges (15 v. Chr.) über die Vindeliker (Bergk a. a. O. 61ff. und Bonn. Jahrb. XIV 1849. 185f.) als Ehrengabe verliehen. Der neue G. war in erster Linie ein Stoßschwert (vgl. Polyb. III 114, 3. Liv. XXII 46, 5. Veget. I 12. Villenoisy Rev. arch. III. sér. XXIV 1894, 1. 230ff.). mit dem der zuvor durch das geschleuderte Pilum verwirrte Feind niedergestoßen wurde (vgl. Caes. bell. Gall. I 25, 2. 3. II 23, 1. V 44, 6–8; bell. civ. III 93, 1. 2. Delbrück Gesch. der Kriegskunst I 241). Dieser Schwertangriff war darum so wirksam, weil Stichwunden kampfunfähiger [1374] machen als Hiebwunden und überdies ein Angreifer, der zusticht, weniger gefährdet ist (Veget. I 12. Fröhlich Das Kriegswesen Caesars I 61). Von der Reiterei wurde der G. nach Liv. XXXI 34, 4 auch weiterhin zum Einhauen benützt. Wohl nur aus diesem Grund waren Reiterschwerter in der Regel länger; vgl. Joseph. bell. Iud. III 5, 5. Auffallend kurz ist der G. auf einer in der Saalburg gefundenen Reiterdarstellung (Lindenschmit Tracht Taf. VIII 3).

Damit die Klinge, lamina, beim Stoß nicht zerbrach oder sich verbog, war sie aus Eisen (Polyb. VI 23, 7. Diod. Sic. V 33, 3). Eisern sind z. B. die G.-Klingen von Bonn und Klein-Wieternheim (Lindenschmit Altert. I 8, 6, 4. V 4, 21: 363). Um kräftig zustoßen zu können, war die Klinge kurz (Liv. XXII 46, 5). Sie mißt beim Tiberiusschwerte (a. a. O. II 5) und beim G. von Klein-Wieternheim (a. a. O.) weniger als 1/2 m (40 bezw. 49 cm) und bleibt selbst mit einer Länge von 58 cm beim G. von Bonn (a. a. O.) erheblich hinter der Durchschnittslänge (1 m) gallischer Klingen zurück (Cass. Dio XXXVIII 49, 4. Bertrand a. a. O. 286). Die Durchschlagswirkung der Stoßklinge (Diod. Sic. V 33, 4. Plut. Aem. Paul. 20, 6. Flor. I 23, 9. Veget. I 12) wurde dadurch erhöht, daß sie nicht nur auf beiden Seiten scharf geschliffen (Polyb. VI 23, 7 frg. 179 Büttner-Wobst = Suid. s. μάχαιρα II 731 Bernhardy. Diod. Sic. V 33, 3), sondern außerdem vorn noch mit einer ausgezeichneten Spitze, mucro, versehen war (Polyb. a. a. O. Liv. XXII 46, 5. Cass. Dio XXXVIII 49, 4). Treffliche zweischneidige Klingen haben z. B. die Schwerter von Rheingönnheim und Reichersdorf (Lindenschmit Altert. IV 27, 2. 38, 1), während die Klingen von Bonn und Klein-Wieternheim (ebd. I 8, 6, 4. V 4, 21: 363) durch ihre vierkantig verstärkten Spitzen bemerkenswert sind. Die obere Fortsetzung der Klinge, die Angel, umschloß der dreiteilige Griff, capulus. Das Oberteil, der Knauf, hatte die Form eines großen runden Knopfes; vgl. Lindenschmit Altert. IV 46, 11 und dazu I 4, 6, 2. 10, 5, 1. 11, 6, 1. III 6, 5, 1: Bonn. Jahrb. LXVI 1879 Taf. 2. Auf einer Reiterdarstellung (Altert. III 8, 4, 1) ist die Rundung in der Mitte unterbrochen. Das Mittelstück, die Hilze, wurde durch eine in der Regel mit vier Riefen zum Einlegen der Finger versehene Vertiefung gebildet (ebd. II 4, 3, 4 u. 7. IV 27. 2). Daran schloß sich das Unterteil, ein stark gewölbter Bügel (ebd. II 4, 3, 8). Im allgemeinen war der Griff wohl nur aus festem Holz (Lindenschmit Tracht 9). Dasselbe war jedoch bisweilen mit Metall überzogen, vgl. Lindenschmit Altert. III 2. 2, 3. IV 27, 2. Daneben fanden sich Griffe aus Bein (ebd. II 4, 3, 6–8) und Elfenbein (ebd. II 4, 3, 4. IV 46. 11). Die Grifflänge beträgt beim G. von Reichersdorf und Klein-Wieternheim (ebd. IV 38, 1. V 4, 21: 363), sowie bei einem Stück aus dem Nydammoor (Lindenschmit Tracht Taf. XI 4) 18 cm. Dagegen ist ein Mainzer Griff (ebd. XI 5) nur 121/2 cm lang. Die Scheide, vagina (Isid. orig. XVIII 9), bestand aus den der Form der Klinge angepaßten Scheidenwänden, dem nach oben abschließenden Mundstück (vgl. Lindenschmit Tracht Taf. XI 7; Altert. III 5, 5, 1. IV 71, 2–6) und dem Ortband [1375] am unteren Ende (ebd. Altert. II 4, 3, 1. 3. 9. 10. III 5, 5, 5. 7. IV 38, 3). Erstere waren, von Prunkscheiden, wie z. B. die des Tiberiusschwertes (a. a. O. II 5. 8) oder eines G. von Wiesbaden (Altert. I 1, 5, 1) abgesehen, für gewöhnlich wohl aus Holz mit Leder überzogen (Lindenschmit Tracht 9f.), Mundstück und Ortband dagegen aus Metall. Um die Scheidenwände in ihrem oberen Teil liefen zwei metallene Querbänder. An den Enden derselben befanden sich lose Ringe, mittelst deren der G. am balteus (s. o. Bd. II S. 2841f.) oder cingulum (s. o. Bd. III S. 2561) befestigt war; vgl. Lindenschmit Altert. IV 27, 1. 3 und dazu Tracht Taf. II 2. IV 1. VI 2.

Im Gegensatze zum altrömischen Schwerte wurde der g. Hispaniensis Polyb. VI 23, 6f. zufolge an der rechten Seite getragen. Zahlreiche Darstellungen von Legionaren (Lindenschmit Altert. I 4, 6, 1. 2. 8, 6, 1. 2. 9, 4, 1. III 6, 5, 1; Bonn. Jahrb. LXVI 1879 Taf. 2. Cichorius D. Reliefs der Traianssäule Taf. VII 4. XXXII 40), Auxiliaren (Lindenschmit Tracht Taf. V 2. VI 1, 2; Bonn. Jahrb. LXXVII 1884 Taf. I 1) und Reitern (vgl. Altert. I 3, 7, 1. 2. 11, 6, 2. III 8, 4, 1. J. Becker Die röm, Inschriften u. Steinskulpturen des Museums der Stadt Mainz 71f. nr. 221. Cichorius Traianssäule Taf. XXVII. XXVIII 37) der Kaiserzeit bestätigen das. Da die Klinge kurz war (Lindenschmit Tracht 12) und vermutlich locker in der Scheide saß (vgl. Fröhlich Das Kriegswesen Caesars I 61), zog die rechte Hand (vgl. Caes. bell. Gall. V 44, 8) sie unschwer heraus. Daß die Fußsoldaten den G. links trugen, wie Josephus (bell. Iud. III 5, 5) behauptet, war sicher nicht herrschender Brauch. Wenigstens läßt sich derselbe aus den Denkmälern nur insoweit belegen, als auf denselben eine Anzahl Aquiliferi (Lindenschmit Tracht Taf. II 2. v. Domaszewski Die Fahnen im röm. Heere 30 Fig. 4) und Signiferi (Lindenschmit Tracht Taf. III 2. v. Domaszewski a. a. O. 74 Fig. 87) mit dem G. an der Linken gegürtet ist. Daß die Reiter andererseits den G. rechts trugen, wie Josephus (a. a. O.) weiter bemerkt, trifft, wie wir sahen, im allgemeinen gewiß zu. Doch ist zu beachten, daß sowohl die Reiter auf dem Grabmal der Iulier (vgl. Antike Denkmäler, herausg. vom Deutschen archaeol. Inst. [1891] I Taf. XVI) wie der Reiter einer praetorischen Cohorte (CIL VI 2672[1] = Daremberg-Saglio Dict. II fig. 2743) mit dem G. an der Linken dargestellt sind.

Die höheren Offiziere, insbesondere der Kaiser, trugen den G. links am Cinctorium; vgl. Daremberg a. a. O. I fig. 1501. Cichorius Traianssäule Taf. X 9. XXXIX 54. Auf den Schwertern steht mitunter der Name ihres Verfertigers: auf der Klinge bei einem G. aus dem Nydammoor (Lindenschmit Altert. III 2, 2, 6), auf der Angel bei den Schwertern von Bonn und Reichersdorf (ebd. I 8, 6, 4. IV 38, 1), unter dem Bügel beim G. von Rheingönnheim (ebd. IV 27, 2). Auf einer in Karlsruhe befindlichen Scheide (vgl. Schumacher Beschreibung der Sammlung antiker Bronzen 147 nr. 759 und Taf. XII 54) ist außerdem noch der Fabrikort Aquae He[lveticae] d. h. Baden an der Limmat genannt. Über die spatha, ein besonders langes, bereits im 1. Jhdt. n. Chr., [1376] namentlich aber in der späteren Kaiserzeit häufig getragenes Schwert s. unter Spatha.

Literatur: Lindenschmit Die Altertümer unserer heidnischen Vorzeit (1858–1906) I–V; ders. Tracht u. Bewaffnung des römischen Heeres während der Kaiserzeit (1882) 9ff. 18ff. Jähns Handbuch einer Geschichte d. Kriegswesens (1880) 197ff. Demmin Die Kriegswaffen3 224ff. 710ff. Marquardt St.-V. II2 338f. 343. 348. 359. Fröhlich Das Kriegswesen Caesars (1889) I 61f. Schrader Reallexikon d. indogermanischen Altertumskunde (1901) 748–751. A. Müller in Baumeister Denkmäler III 2043–2074. Beurlier in Daremberg-Saglio Dictionnaire II 1604–1607.

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2672.