Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Bezeichnung für verschiedene Wasserpflanzen wie die Braunalgen
Band VII,1 (1910) S. 193198
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Fucus (φῦκος, τό, nebst den Weiterbildungen φυκία, φυκίον, φυκάριον und einigen weiteren Namen wie βρύον [θαλάσσιον], bryon, πράσον, alga [marina], conferva, ζωστήρ u. a.), teils allgemeine, teils spezielle Bezeichnung für gewisse Formen der Pflanzenwelt der Gewässer, insbesondere des Meeres, vor allem Pflanzen aus der [194] Phanerogamenfamilie der Potamogetonaceae und Kryptogamen aus den Klassen der Phaeophyceae und Rhodophyceae, seltener der Chlorophyceae (mehr im Süßwasser), sowie einige Moose umfassend. Eine genauere Bestimmung ist infolge der ganz unzureichenden Angaben und der an sich schwierigen Unterscheidung dieser aus biologischen Gründen einander oft sehr ähnlichen Formen nur in den seltensten Fällen möglich; höchstens bei Theophrastos ist einige Aussicht auf Erfolg vorhanden. Dieser widmet nämlich dieser Wasserflora das 6. Kapitel des IV. Buches περὶ φυτῶν ἱστορίας, dagegen beschäftigt sich das 7. Kapitel, das man früher wohl auch hierher bezog, mit der Mangrovenvegetation des Indischen und Roten Meeres (vgl. H. Bretzl Botanische Forschungen des Alexanderzuges, Leipzig 1903, 23ff.). Seiner pflanzengeographischen Tendenz gemäß unterscheidet er zwischen der Flora des Mittelmeeres und der des offenen Atlantischen Ozeans und stellt fest, daß von diesen Pflanzen die einen am Strande, die anderen in offener See und einige an beiden Stellen wachsen, was so ziemlich dem auftauchenden und untergetauchten Gürtel der Neueren entspricht (Schimper Pflanzengeographie auf physiologischer Grundlage, Jena 1898, 817ff.). Richtig ist auch beobachtet, daß die Tangvegetation des Atlantischen Ozeans wie aller kalttemperierten Meere im Winter dürftiger ist als im Sommer (4) λέγεται δὲ ἐπέτειον εἶναι ⟨τὸ πράσον⟩ καὶ φύεσθαι μὲν τοῦ ἧρος λήγοντος, ἀκμάζειν δὲ τοῦ θέρους, τοῦ μετοπώρου δὲ φθίνειν, κατὰ δὲ τὸν χειμῶνα ἀπόλλυσθαι καὶ ἐκπίπτειν. ἅπαντα δὲ καὶ τἆλλα τὰ φυόμενα χείρω καὶ ἀμπουρότερα γίνεσθαι τοῦ χειμῶνος. Auch der auf Tangen so oft befindlichen Epiphyten gedenkt er, zunächst allerdings nur tierischer (8). Sie sind Nahrung und Zufluchtsort der Weichtiere und Fische (Stat. Theb. IX 245), diese und die Tintenfische legen ihre Eier daran (Aristot. hist. an. V 90, vgl. VI 81). Die Einzelbeschreibungen bezeichnen als die bekanntesten und gemeinsten Formen φῦκος und βρύον (vgl. Aristot. hist. an. VIII 32 καὶ τὸ φῦκος καὶ τὸ βρύον καὶ τὸ καλούμενον καυλίον); φῦκος ist vielgestaltig, andere haben nur eine Form. Vom φῦκος hat eine Art breite, bandförmige Blätter von grüner Farbe, man heißt sie daher πράσον oder ζωστήρ. Die Wurzel ist rauhhaarig, inwendig schuppig, verhältnismäßig lang und dick, auswendig den Setzwiebeln (?) κρομυογητείοις ähnlich. Das scheint mir die im Mittelmeer so häufige Posidonia oceanica L. zu sein, die wirklich an ein Allium erinnert. Das ἄγρωστις-ähnliche, grasblätterige Gewächs mit der Queckenwurzel und dem halmartigen Stengel hat schon Sprengel in seiner Theophrastübersetzung (II 157) richtig als Zostera marina L. erkannt, ebenso das βρύον mit den grasgrünen, salatähnlichen, runzelig-zusammengezogenen Blättern als Ulva lactuca oder maxima L.; vgl. Diosc. IV 98. Schwieriger ist das fenchelartige bleiche τριχῶδες zu fassen (3), das stengellos auf Muscheln und Steinen des auftauchenden Gürtels wächst (vgl. Aristot. hist. an. VIII 135); denn diese Beschreibung paßt doch auf gar zu viele Arten (Polysiphonia sp., Ceramium rubrum u. a.), ja es ist sogar schon an Hydroidpolypen (Sertularia) gedacht worden. Daß die außerordentlich große, mehr als handbreite Tangart des Atlantischen [195] Ozeans, welche durch die Strömung ins Mittelmeer getrieben, am Strande zu manchmal halbmannshohen Haufen aufgehäuft wird, auch πράσον heißen soll, ist unwahrscheinlich, der Name heißt bei Plinius n. h. XIII 136, der freilich alles bis ins Unsinnige gekürzt hat, grason – es sind wohl jene Sargassomassen gemeint, die meist aus Sargassum bacciferum (Turn.) Ag. bestehend, das vielgenannte atlantische Sargassomeer bilden. Die erste Nachricht hievon steht περὶ θαυμασίων ἀκουσμ. 136: Λέγουσι τοὺς Φοίνικας τοὺς κατοικοῦντας τὰ Γάδειρα καλούμενα ἔξω πλέοντας Ἡρακλείων στηλῶν ἀπηλιώτῃ ἀνέμῳ ἠμέρας τέτταρας παραγίνεσθαι εἴς τινας τόπους ἐρήμους, θρύου καὶ φύκους πλήρεις, οὓς ὅταν μὲν ἄμπωτις ᾗ, μὴ βαπτίζεσθαι, ὅταν δὲ πλημμάρα, κατακλύζεσθαι; vgl. Skylax peripl. Geogr. min. I 111. Nur als Rotalgen zu bestimmen sind zunächst die (2) συκῆ, δρῦς, ἐλάτη, ἄμπελος und φοῖνιξ benannten Pflanzen (7 ἡ δὲ δρῦς καὶ ἡ ἐλάτη ... χρῶμα δ’ ἐπιπόρφυρον ἀμφοῖν. 8 χρήσιμον δὲ ἡ δρῦς εἰς βαφὴν ἐρίων ταῖς γυναιξίν. 10 τὸ δὲ χρῶμα καὶ τούτων καὶ τῶν καυλῶν καὶ ὅλου τοῦ φυτοῦ ἐξερυθρόν τε σφόδρα καὶ φοινικοῦν). Sprengel bezeichnet ganz willkürlich und fast durchweg falsch die συκῆ als Alcyonium aurantium, eine Lederkoralle, die δρῦς als Fucus fimbriatus Desf., ev. Fucus siliquosus, die ἐλάτη als Fucus abrotanifolius L., die ἄμπελος als Fucus bacciferus Turn. oder natans L. und φοῖνιξ etwa als Fucus alatus Turn. Plocamium coccineum (Huds.) Lyngb. und Rytiphloea tinctoria (Clemente) C. Ag., die gleichfalls genannt wurden, scheinen im östlichen Mittelmeer nicht vorzukommen; also muß diese Frage offen bleiben. Da aber Theophrast angibt, jene Gewächse wüchsen in der Strandregion und seien leicht zu beobachten, so dürfte es an Ort und Stelle nicht schwer fallen, sie heute noch zu finden; Herbarexemplare und Abbildungen genügen mir dazu nicht. Vielleicht ist dann auch die ἄλλη δρῦς ποντία zu deuten; bei der φοῖνιξ möchte man an eine Laminaria (Rodrignezii Born.?) denken. Das πόντιον (oder ist Πόντιον zu lesen?) φῦκος ὃ οἱ σπογγιεῖς ἀνακολυμβῶσι πελάγιον (4) gehört wohl nicht zusammen mit Aristot. hist. an. VI 79 τοῦ δὲ Πόντου καθαιρομένου ἐπιφέρεταί τι κατὰ τὸν Ἑλλήσποντον ὃ καλοῦσι φῦκος · ἔστι δὲ ὠχρὸν τοῦτο · οἱ δὲ τινές φασι τοῦτο ἄνθος εἶναί τι φυσικὸν τὸ φυκίον. ἀρχομένου δὲ γίνεται τοῦ θέρους. τούτῳ τρέφεται καὶ τὰ ὄστρεα καὶ τὰ ἰχθύδια τὰ ἐν τοῖς τόποις τούτοις. φασὶ δέ τινες τῶν θαλαττίων καὶ τὴν πορφύραν ἴσχειν ἀπὸ τούτου τὸ ἄνθος. Denn das scheint eine Art Wasserblüte gewesen zu sein, die durch Chlamidomonas-, Trichodesmium- und Chroococcaceenarten erzeugt wird. Übrigens ist diese Stelle sehr unklar und von Wimmer für unecht erklärt worden. Plutarch de ira cohib. 6 redet dagegen nur von dem Auswerfen der Tange durch das Meer nach Stürmen (vgl. Hom. Il. IX 7. XXIII 693 m. Schol. rec. Theokrit. 11, 14. 21, 10. 7, 58. Etym. M. Suid. s. φῦκος. Hesych. Eustath. a. a. O. φῦκος εἶδός τι μνίου καὶ βρύου u. a.), wobei im Mittelmeer vielleicht an Cystoseiraarten zu denken ist.

In dieser allgemeinen Bedeutung gebrauchen die Lateiner meist das Wort alga. Diese wird als viridis (Stat. Theb. IX 245. Auson. Mos. 69 [196] u. ö.), mollis (Stat. silv. IV 6, 11. Ovid. hal. 91), decolor (Auson. 398, 5), nigra (Coripp. Joh. I 358. VI 758), rubra (Claud. carm. min. 29, 15) bezeichnet und dient insbesondere sprichwörtlich zum Ausdruck der völligen Wertlosigkeit (vilior alga z. B. Vergil. ecl. 7, 12. Hor. sat. II 5, 8. Porphyr. z. d. St. Ovid. ep. XVII 108; met. XIV 38 usw.). Plinius versteht unter bryon n. h. XII 108 vielleicht eine Baumflechte (etwa eine Usneaart, s. Art. Lichen und Muscus), n. h. XII 132 anscheinend eine Gallenbildung; die Stellen XIII 137, XXVII 56 und XXXII 110, wo von bryon marinum die Rede ist, sind aus Theophrastos bezüglich Sextius Niger entlehnt. Unzweifelhafte Süßwasseralgen beschreibt er XXVII 69: Peculiaris est Alpinis maxume fluminibus conferva appellata a conferuminando, spongia aquarum dulcium verius quam muscus aut herba; villosae densitatis atque fistulosae. Das sind also polsterbildende Ulotrichaceen (Conferva rivularis, nach Lenz Botanik der alten Gr. u. R. 751 in Norditalien heute noch conferva heißend) u. a. Dagegen ist bei Theophrastos (5) καὶ ἐν Κρήτῃ δὲ φύεται πρὸς τῇ γῇ ἐπὶ τῶν πετρῶν πλεῖστον καὶ κάλλιστον, ᾧ βάπτονσιν οὐ μόνον τὰς ταινίας, ἀλλὰ, καὶ ἔρια καὶ ἱμάτια · καὶ ἕως ἂν ᾗ πρόσφατος ἡ βαφὴ, πολὺ καλλίων ἡ χρόα τῆς πορφύρας · γίνεται δ' ἐν τῇ προσβόρρῳ καὶ πλεῖον καὶ κάλλιον (vgl. Diosk. IV 99. Plin. n. h. XIII 135. 136. XXVI 103) ganz deutlich kein Tang gemeint, sondern eine Flechte, nämlich die Orseilleflechte (Roccella tinctoria DC.), aus welcher man durch Extraktion mit Wasser und Eindampfen Orseillekarmin, durch Zermahlen zu einem feinen violetten Pulver Orseilleviolett (Persico, Cudbear, roter Indigo), durch Abscheidung gewisser Flechtensäuren den Pourpre français (Guinons Purpur), einen besonders schönen Farbkörper erhält. Alle die genannten Präparate färben Seide und Wolle substantiv, geben sehr feurige, satte, aber wenig lichtechte Farben. Seit der Entwicklung der Anilinfarbenindustrie sind sie für die Technik bedeutungslos geworden (Engler-Prantl Die natürl. Pflanzenfamilien I. Teil 1. Abt.* S. 48, vgl. auch H. Blümner Technolog. I 236). Diese Flechte also, die obengenannten Rottangarten, ferner vielleicht die Färbepflanze Anchusa (vgl. Dioskor. IV 90 und oben Bd. I S. 2111) lieferten, ohne daß man sie immer scheiden könnte, einen roten Farbstoff: φῦκος, fucus, den man sowohl zum Färben von Wolle, Seide u. a. (s. o. Theophr. und Plin. a. a. O. Hor. carm. III 5, 27; epist. I 10, 26. Serv. Georg. IV 39 genus est herbae, unde tinguntur vestes. Quintil. inst. or. VIII 3, 6 u. a.) als ganz besonders zum Schminken verwendete (Plaut. Most. 275 quae vitia corporis fuco occultant. Tibull. I 8, 11. Arnob. IV 16 u. a. Theokrit. 15, 16. Plut. quaest. conv. VI 2; coniug. praec. 29. Alciphr. II 8, 3. IV 6, 4. Lukian. Amor. 41 τὰς ἀναίσχυντους παρειὰς ἐρυθραίνουσιν ἐπιχρίστοις φύκεσιν, ἵνα τὴν ὐπέρλευκον αὐτῶν καὶ πίονα χροιὰν τὸ πορφυροῦν ἄνθος ἐπιφοινίζῃ. Pollux V 102 φύκει ⟨τὸ πρόσωπον⟩ πυρσαίνει, ψιμμυθίῳ λευκαίνει. Lexic. rhet. in Bekk. Anecd. p. 258, 9. Anth. Pal. XI 408. Galen. protrept. 10. Lucian. pisc. 12. Sap. Salom. 13, 14. Hesych. Etym. M. Suidas u. a.). In erweiterter Bedeutung wurde aber das Wort fucus und fucare [197] auch für Purpur gebraucht (z. B. Lacan. X 123. Seren. Sammon. 798, wo allerdings auch für fuco auch suco gelesen wird. Avien. Ar. 346. Sidon. Apollin. c. 13, 26 u. a.); ferner für Farbstoff und Farbe überhaupt, z. B. Lucret. IV 84 lintea ... fucum mittunt. Propert. II 18 b, 31 caeruleo fuco. Ovid. trist. I 1, 5. Plin. n. h. IX 134. XXI 170. Auson. 384, 112. Ambros. hexam. V 11, 33 qui diversis fucis obducunt vellera; ja Spätere, wie Boethius inst. arithm. praef. p. 4, 8. Gregor Tur. curs. stell. 29, sagen sogar colorum fuci. Bildlich steht es dann auch für unnatürlichen, erkünstelten Prunk (z. B. Cic. de or. II 188 sine pigmentis fucoque puerili; Brut. 162 sine ullo fuco veritatis color; ad Att. I 1, 1 sine fuco ac fallaciis. Lucret. II 745. Ovid. fast. I 303. Gell. XII 4, 3 usw.), ja geradezu für Schwindel, blauer Dunst: z. B. Terent. Eun. 589 fucum factum mulieri. Q. Cicero de pet. cons. 35 si eum, qui tibi promiserit, fucum ut dicetur facere audiveris. Plin. n. h. XXX 91. Auson. 417, 63 u. a.

Weitere Verwendung fanden die Seegräser und Tange zum Ausstopfen von Kissen und Polstern, besonders zu militärischen Zwecken (z. B. Diod. XVII 45 διφθέρας πεφυκωμένας. Vitruv. X 20 coria alga farcta); in Notzeiten wohl auch ausnahmsweise als Viehfutter (Bell. Afric. 24, 4) und in der Medizin (Plin. n. h. XXVI 102. 128. Diosc. IV 98. 99 u. a.), und zwar verwendete man sie hauptsächlich zu Überschlägen bei Podagra, Gliederkrankheiten und Geschwülsten aller Art, gegen welche sie infolge ihres Jodgehaltes tatsächlich eine gewisse Wirkung ausüben mochten. Eine ganz eigenartige Kur berichtet Plinius n. h. XXVII 69 von der conferva. Vgl. auch noch Lenz a. a. O. 745ff. Fraas Synopsis 318. Murr Die Pflanzenwelt in d. griech. Mythologie 283. Thesaur. l. l. s. alga, bryon, conferva, fucus.