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Artikel „Sprengel, Kurt“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 296–299, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sprengel,_Kurt&oldid=- (Version vom 7. Dezember 2024, 02:30 Uhr UTC)
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Sprengel: Kurt Polycarp Joachim S., Botaniker, geb. zu Boldekow bei Anklam am 3. Aug. 1766, † zu Halle am 15. März 1833. Als Sohn eines Geistlichen genoß S. im elterlichen Hause eine treffliche Erziehung, die in ihm schon frühzeitig den Grund zu einer ungewöhnlichen linguistischen Fertigkeit legte, welche weniger auf Grundlage grammatikalischer Ausbildung, als vielmehr durch fleißige Lectüre, bezüglich der alten Sprachen besonders durch solche der Bibel gewonnen wurde. Neben den classischen Sprachen trieb er noch schwedisch, englisch, französisch, italienisch und spanisch. Ostern 1785 trat S. als Student in die theologische Facultät der Universität Halle ein, ging jedoch bald zum medicinischen Studium über, das mit seiner bereits 1787 erfolgten Promotion vorläufig abschloß. Seine Dissertation behandelte das Thema: „Rudimentorum nosologiae dynamicorum prolegomena“ und verschaffte ihm zugleich die venia legendi in der medicinischen Facultät. Eine außerordentlich umfangreiche litterarische Thätigkeit schloß sich an diese Erstlingsarbeit und bewegte sich, in ununterbrochener Folge bis zu seinem Lebensende nach den verschiedensten Richtungen hin. Namentlich tritt in seinen zahlreichen Publicationen sowol auf medicinischem, wie auf botanischem Gebiete seine ausgesprochene Neigung zu historischen Forschungen auf, worin er auch seine größten Resultate erzielte. Daneben war er auch ein fleißiger Uebersetzer und nicht ohne Erfolg journalistisch thätig. Durch seine geringen Mittel gezwungen, prakticirte S. eine Reihe von Jahren als Arzt, selbst noch, als er 1789 außerordentlicher Professor geworden war, da ihm diese Stelle kein Gehalt brachte. Erst mit seiner Berufung zum Ordinarius 1795 gab er die medicinische Praxis auf und übernahm dann 2 Jahre später die botanischen Vorlesungen und die Verwaltung des botanischen Gartens. Von [297] nun an konnte er mit noch größerem Eifer sich seinen wissenschaftlichen Arbeiten widmen. Großen äußeren Erfolg haben ihm zwar weder die letzteren, noch seine feste Berufsstellung gebracht; trotzdem lehnte er wiederholt vortheilhafte Berufungen nach Marburg, Dorpat und Berlin ab. Ueberhaupt hat seine wissenschaftliche Wirksamkeit auch die gebührende Anerkennung gefunden. Nahezu 50 Akademien und gelehrte Körperschaften des In- und Auslandes zählten ihn zu ihrem Mitgliede. Nach einem Leben, reich an Arbeit und Mühe, raffte ihn ein Schlaganfall im Alter von 67 Jahren dahin. – Sprengel’s botanische Arbeiten lassen kaum ein Gebiet dieser Wissenschaft unberührt, wie er denn zweifellos einer der vielseitigsten und gelehrtesten Botaniker seiner Zeit gewesen ist. In erster Linie stehen seine historischen Arbeiten. Nachdem schon 1807 und 1808 eine zweibändige „Historia rei herbariae“ in lateinischer Sprache erschienen war, folgte 10 Jahre später eine deutsch geschriebene Neubearbeitung des Werkes unter dem Titel „Geschichte der Botanik“, die später auch ins Französische übersetzt wurde. Es ist dies eine von großer Belesenheit zeugende Arbeit, in welcher namentlich auch die Werke älterer Botaniker einer genauen und sachlichen Kritik unterzogen werden. In denselben Rahmen gehören von kleineren Schriften noch Sprengel’s erste botanische Publication „Antiquitatum botanicarum specimen primum“, 1798 erschienen, sowie die Abhandlung „Dissertatio de germanis rei herbariae patribus“, abgedruckt aus den Denkschriften der Münchener Akademie 1811 und 1812 und endlich eine akademische Rede, gelegentlich der Habilitation seines Sohnes Wilhelm als Chirurg unter dem Titel „De frumentorum, maxime Secales, antiquitatibus“ vom Jahre 1816. Ein zweites Feld, welches S. auf Grund eigener Untersuchungen litterarisch bearbeitete, war die Phytotomie. Durch sein Hauptwerk in dieser Richtung „Anleitung zur Kenntniß der Gewächse“, 3 Sammlungen in Briefform, förderte er wesentliche Punkte der Zellenlehre. Er erkannte die Lage der Stärkekörner im Inhalte der Zellen, wenn er sie auch fälschlich für Bläschen ausgab, belegte die Spaltöffnungen der Blätter, deren abwechselndes Sichöffnen und Schließen er bestätigte, mit dem noch heute gangbaren Namen, war dagegen in der Deutung der Gefäße und ihrer Entwickelung weniger glücklich und scheint überhaupt vielfach mit schlechten Präparaten und mangelhaften optischen Hülfsmitteln gearbeitet zu haben. Trotzdem kann S. das Verdienst für sich beanspruchen, wie Mirbel für Frankreich, so für Deutschland das Interesse der Botaniker an phytotomischen Fragen im Beginne unseres Jahrhunderts wieder angeregt zu haben. Es erlebte sein Werk 2 Auflagen. Die ältere erschien 1802 und 1804 und erfuhr bezüglich ihres dritten Theils, welcher die Kryptogamen behandelt, auch eine Uebersetzung ins Englische. Die zweite, ganz umgearbeitete Ausgabe kam 1817 und 1818 heraus als ein dreibändiges Werk mit 25 theilweise colorirten Tafeln. Zwischen beiden Arbeiten liegt die Veröffentlichung einer kleineren, seine Ideen zusammenfassenden Schrift „Von dem Bau und der Natur der Gewächse“ 1812, welche Heinr. Fried. Link mit kritischen Bemerkungen und Zusätzen begleitet hat. Sie ist ins Schwedische übertragen worden. Endlich gab S. unter dem Titel „Grundzüge der wissenschaftlichen Pflanzenkunde“ 1820 eine Schrift für Vorlesungszwecke heraus und bezeichnete als Mitarbeiter daran Aug. Pyr. de Candolle, wiewol letzterer jede Autorschaft an derselben bestritt. Als „Elements of the philosophy of plants“ erschien 1821 dieselbe Schrift auch in englischer Sprache. Nicht weniger zahlreich sind Sprengel’s systematische und floristische Arbeiten. Seine Versuche zur Verbesserung des Linné’schen Systems, die namentlich darauf hinauslaufen, innerhalb der von Linné gegebenen Classen eine natürlichere Gruppirung der Unterabtheilungen zu schaffen, finden sich schon in der erwähnten Schrift „Anleitung zur Kenntn. d. Gew.“, werden aber ausführlicher behandelt in der von ihm besorgten [298] 16. Ausgabe von Linné’s „Systema vegetabilium“, die er während der Jahre 1825–1828 unternahm und bis auf einen, von seinem Sohne Anton 1828 herausgegebenen Supplementband, auch vollendete. Von Linné’s „Genera plantarum“ gab S. ebenfalls noch kurz vor seinem Tode eine zweibändige Bearbeitung der 9., beziehentlich 11. Auflage heraus. Als descriptive Arbeiten im engeren Sinne sind hier noch anzuführen: „Plantarum Umbelliferarum denuo disponendarum prodromus“, ein Sonderabdruck aus den Schriften der Naturforsch. Gesellsch. zu Halle 1813 erschienen, und über dieselbe Pflanzenfamilie „Species Umbelliferarum minus cognitae, illustratae“, 1818, ferner „Flora Halensis“, zuerst 1806 herausgekommen, später durch Zusätze vermehrt und 1832 in zweiter, verbesserter Auflage im Druck erschienen. Als Director des botanischen Gartens in Halle gelang es S., das bis dahin unbedeutende Institut bedeutend zu heben. Seiner Thätigkeit an demselben entsprangen auch einige litterarische Publicationen. So erschien, bald nach Uebernahme der Verwaltung, die Monographie „Der botanische Garten der Universität zu Halle im J. 1799“, mit dem Grundriß des Gartens, wozu 1801 noch ein Nachtrag kam. Ferner reihen sich hier an: „Plantarum minus cognitarum pugillus I et II“, 1813–1815 und „Novi proventus hortorum academicorum Halensis et Berolinensis“ 1819. Endlich hat sich S. noch verdient gemacht durch seine Versuche, durch Herausgabe wissenschaftlicher Zeitschriften die Botanik zu fördern. Freilich haben sämmtliche Unternehmungen dieser Art nur kurze Dauer gehabt. Es waren folgende. Eine 1804 begonnene „Gartenzeitung mit illuminirten Kupfern“ erlebte bis 1806 4 Quartbände; die gemeinschaftlich mit Ad. Heinr. Schrader und Heinr. Fried. Link herausgegebenen „Jahrbücher der Gewächskunde“ brachten es von 1818 bis 1820 nur auf 3 Bände und eine Fortsetzung derselben, die von S. allein redigirte Zeitschrift „Neue Entdeckungen im ganzen Umfang der Pflanzenkunde“ erlosch ebenfalls nach dem dritten Jahre ihres Erscheinens 1822. Unter seinen Uebersetzungen ist in botanischer Hinsicht von Interesse diejenige von Theophrast’s Naturgeschichte der Gewächse, der er in einem besonderen Theil noch Erläuterungen hinzugefügt hat.

Ein vollständiges Verzeichniß von Sprengel’s Schriften findet sich in der Arbeit von Jul. Rosenbaum, Curtii Sprengelii opuscula academica 1844. – Vgl. noch Sachs, Geschichte der Botanik. – Pritzel, thes. lit. bot.

Nicht weniger wichtig wie die botanischen sind die medicinischen Arbeiten von S. Am bekanntesten ist in ärztlichen Kreisen sein berühmtes, fünfbändiges Universalgeschichtswerk der Medicin. Dasselbe führt den bescheidenen Titel: „Versuch einer pragmatischen Geschichte der Arzneikunde“ (Halle 1792–1799; 1800–1802; 1821–1828; 4. Aufl. von J. Rosenbaum, Leipzig 1846, davon aber nur Band I erschienen; französ. Paris 1810, 4 vols., von Geiger; ibid. 1815–1820, 9 vols. von Jourdan u. Bosquillon; italien. Venedig 1812–1816 von Artigioni; neu in 11 Bdn. bearbeitet von Freschi, Florenz 1839). Es gehört dieses Werk, wie Haeser sich ausdrückt, zu den glänzendsten Zierden der deutschen med. Litteratur, dem das Ausland kein auch nur einigermaßen ebenbürtiges Werk an die Seite zu stellen vermag. Wenn auch schon vor ihm eine Reihe brauchbarer Arbeiten auf dem Gebiete der med. Geschichte existirte, so hat doch S. mit seinem Werk sich unbedingt den Ehrentitel eines Vaters der med. Geschichtsschreibung erworben. Gerade die obenerwähnten „linguistischen Fertigkeiten“ Sprengel’s ermöglichten und erleichterten ihm das Zustandekommen der genannten Arbeit, deren Hauptvorzug besonders in der Berücksichtigung der altclassischen und semitischen (arabischen) Litteratur auf Grund von Originalstudien besteht. Andererseits besitzt dieses Werk, sowie eine Reihe anderer med.-historischer [299] Arbeiten von S., wie „Beyträge zur Geschichte des Pulses, nebst einer Probe seiner Commentarien über Hippocrates’ Aphorismen“ (Leipzig und Breslau 1787), „Galens Fieberlehre“ (ebda. 1788), „Apologie des Hippocrates und seiner Grundsätze“ (2 Theile, Leipzig 1789–1792), „Beyträge zur Medicin“ (Halle 1794 bis 1796); „Geschichte der Medicin im Auszuge“ (1. Theil, ebda. 1804) den Mangel, daß der Verfasser den Standpunkt eines sehr subjectiven Kriticismus vertritt und als Anhänger des Dynamismus resp. vitalistischer Ansichten entgegengesetzte Anschauungen, insbesondere die exacten Bestrebungen des 17. Jahrhunderts verwirft.

Vgl. über die Bedeutung von S. als Arzt und medicinischer Schriftsteller den Artikel im Biogr. Lexikon von Hirsch und Gurlt, Bd. V S. 493 und die daselbst angeführten Quellen.