ADB:Mereau, Sophie (2. Artikel)
[WS 1], geb. Schubert (nicht Schubart), Dichterin, die selbst Goethe’s, Schiller’s, Herder’s Antheil und Beifall erhielt. – Am 27. März 1773 (?) zu Altenburg geboren, zeigte sie früh große Anlagen. Aus Jena schreibt am 26. December 1791 ihr späterer Gemahl: „Sie war hier auf Schiller’s Einladung .. wenn ich sie nicht recht bald als mein Weib umarme, so bin ich ganz unglücklich.“ Die Ehe aber mit dem Professor der Rechte M. zu Jena (s. o.) war keine glückliche. Sie wurde getrennt, „unmittelbar vom Fürsten, blos auf ihre gegenseitige Uebereinstimmung hin“; so erzählt in einem Briefe an W. Schlegel Caroline Böhmer. Im Frühling 1801 äußert Knebel zu Herder’s Frau: „also Frau v. Berlepsch abermals verheirathet … dafür die Mereau getrennt. Das sind die poetischen Weiber!“ Der 21jährige Clemens Brentano hatte die schöne Frau 1799 in Jena kennen gelernt. Ernster als zu Marianne Jung, der späteren Willemer, wurde die neue Leidenschaft; sie konnte weder durch den Widerstand seiner Familie noch durch Reisen erkalten. Während seines Aufenthalts in Marburg und am Rhein hatte Brentano die Dichterin nicht vergessen: alle Hindernisse wußte er zu besiegen. Ich werde durch sie, schreibt er seiner Schwester Bettina, zur Ruhe gebracht, alle die Kräfte meines Geistes und meines Herzens im Tüchtigen glücklicher entwickeln. Mild und unendlich lebensfrisch nennt er sie ein andermal; sie werde das Eis schmelzen, „denn sie ist der Frühling und hat den Geist des Belebens.“ Im Sommer 1803 wurden die Liebenden vereint, ein lutherischer Geistlicher traute sie. Sie lebten in Marburg; ein Brief Brentano’s vom Januar 1804 bezeugt sein Glück (Ges. Schriften 8, 117). Dann im Herbste 1804 in Jena, im Winter 1805 in Heidelberg, wohin später Arnim und Görres, dieser erst October 1806, kamen. Im Jahre 1805 ließ sich Brentano in Walldürn katholisch trauen: für J. H. Voß und seinen Anhang Anlaß zum Unwillen. Schon am 31. October 1806 starb Sophie bei der Geburt eines Kindes, des dritten. Die beiden anderen waren schon vorher gestorben. Eine Tochter aus erster Ehe überlebte die Mutter. Brentano war verzweifelt. Für den genialen, aber haltlosen Mann, der schon ein Jahr darauf einer Unwürdigen in die Hände fiel, war der Tod der „halben Heidin“ ein Unglück. So urtheilte auch Arnim in einem Briefe an Görres 1812. In mehreren Gedichten und Schriften Brentano’s klingt die Erinnerung an die Gattin nach; s. besonders „Wiedersehn“ (Schriften 2, 380); die „Romanzen vom Rosenkranz“; das „Tagebuch der Ahnfrau“ (4, 71); vgl. den Brief an Maler Runge (8, 135).
Mereau: Sophie M.Bevor sie durch Brentano mehr dem Geschmack der Romantiker sich näherte, war Sophie M. beeinflußt durch den Geist Schiller’s, weniger durch Goethe. Sie tritt aber nie, und das rühmte Herder an ihr, über die Grenzen ihres Geschlechts hinaus: aus einem weiblichen Herzen kamen ihre [421] Empfindungen wie ihre Grundsätze. Mit Schiller trat sie sehr früh in Verbindung. Es ist nicht bemerkt worden, daß er schon 1791 in der Thalia ein von ihr später ganz umgearbeitetes Gedicht aufgenommen hat: „Die Zukunft“ (Demoiselle S–t.). Vor dem Drucke hatte Schiller ihre Gedichte beurtheilt. Er lobt an ihnen „Klarheit, Leichtigkeit und, was bei Producten der weiblichen Muse ein seltenes Verdienst ist, Correctheit“. Auch in Briefen an Körner und Goethe urtheilt er mit Achtung von ihr; Goethe selbst ist der „dichterischen Freundin“ günstig gesinnt. In den „Horen“ erschienen Beiträge von ihr wie in den Musenalmanachen vom Jahre 1796 an. Im letzten für 1799 steht die schöne Elegie „Schwärmerei der Liebe“ S. 225–230. Auch in anderen Zeitschriften veröffentlichte sie Gedichte. Gesammelt sind sie erschienen, zum Theil verändert, zu Berlin 1800: im 2. Bändchen das größere erzählende Gedicht „Seraphine“. In der Prosa war sie weniger glücklich. Der kürzeren Erzählung „Das Blüthenalter der Empfindung“, Gotha 1794 – mit einem Kupfer von Chodowiecki – fehlt Handlung und Schärfe der Charakterzeichnung. Derselbe Mangel auch in dem Roman in Briefen „Amanda und Eduard“, 1803. Die ersten Briefe hatte Schiller sehr freudig begrüßt; s. Briefe an Sophie vom 25. October 1795 und an Goethe vom 30. Juni 1797. Eine Zeitschrift für Frauen „Kalathiskos“ (Körbchen), gab sie trotz dem Abrathen Schiller’s heraus, 1801 und 1802: darin poetische und prosaische Beiträge von ihr. Sie übersetzte außerdem Romane aus dem Englischen, italienische und spanische Novellen. Mit Lafontaine u. A. gab sie freie Bearbeitungen französischer Romane heraus und betheiligte sich hervorragend am Göttinger Musenalmanach für 1802 und 1803. Ein Jahr vor ihrem Tode erschien „Bunte Reihe kleiner Schriften“, Sophie v. La Roche gewidmet, unterzeichnet Sophie Brentano, geb. Schubert. Der Einfluß der Romantik ist nicht zu verkennen, aber sie bleibt mystischer Schwärmerei und Spielerei fern. Zwei schöne Sonette auf A. v. A. (Arnim, der im Widmungsschreiben ein junger und mächtiger Dichter unserer Zeit genannt wird) und auf eines Ungenannten Büste von Tieck (Clemens Brentano ist gemeint). Unter anderem Interessanten – Vorliebe für altdeutsche Studien – Scenen aus einem Trauerspiel, bearbeitet nach Gryphius’ Cardenio und Celinde. Den Stoff nahm 1811 Arnim wieder auf. Im J. 1806 erschien noch in Berlin „Fiametta aus dem Italienischen des Boccaccio übersetzt“. Brentano hatte die Geschichte „immer tief gerührt“ (an Runge 1810; 8, 139). Die ältere Schwester Sophiens, Henriette Schubert, war ebenfalls als Dichterin bekannt; sie übersetzte unter Anderem Walter Scott’s Jungfrau vom See und Robin der Rothe.
- Jördens, Suppl. 6, 586. – Meusel 10, 282; 14, 549. – Schindel, Die deutsch. Schriftstellerinnen 1, 58; vgl. 3, 54. – Goedeke S. 1103. Das Geburtsjahr geben sie falsch an 1761. Schindel widerspricht seiner eignen Angabe in den Worten 2, 285. Sophie ist etwa 5 Jahre älter als Brentano gewesen. – Varnhagen, J. B. Erhard S. 336. – Waitz, Caroline 2, 99. – Knebel’s Nachlaß 2, 374. – Creizenach, Goethe und Marianne Willemer S. 13². – Bettina, Frühlingskranz 403, 469. – Scherer, J. Grimm, 1885 S. 71 u. 80. – Diel-Kreiten, Brentano 1, 223, 321. – Herder in Erfurter Nachr. 1800 S. 361–64. – Thalia 1791 12, 143. – Schiller’s Briefe 2¹, 237, 286, 291. – Goethe-Jahrbuch 1885, S. 330 von D. J.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Über diese Person existiert in Band 3 ein weiterer Artikel.