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Artikel „Meusel, Johann Georg“ von Elias von Steinmeyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 541–544, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meusel,_Johann_Georg&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 21:58 Uhr UTC)
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Band 21 (1885), S. 541–544 (Quelle).
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Meusel: Johann Georg M., Litterarhistoriker, wurde geboren am 17. März 1743 in dem kleinen Dorfe Eyrichshof (ehemals zum Rittercanton Baunach, jetzt zum Bezirksamt Ebern gehörig) unweit Bamberg als das älteste der neun Kinder des freiherrlich Rotenhanschen Schulmeisters und Cantors Johann Nicolaus M., († am 30. December 1796 im achtzigsten Lebensjahre) und seiner Ehefrau Susanna Margaretha geb. Roth. Seit seinem fünften Jahre besuchte er die Schule des Vaters, vom siebenten an genoß er lateinischen Unterricht bei Pfarrer Slevogt. Als dieser aber Eyrichshof mit der besser dotirten Stelle in Wazendorf vertauschte, wurde M. behufs weiterer Ausbildung 1755 der zweiten Klasse der Rathsschule zu Coburg, im Frühjahr 1758 dem dortigen Gymnasium Casimirianum anvertraut. Er verließ die Anstalt, auf welcher er sich ausgezeichnet hatte, im Mai 1764, um dem Wunsche seiner Mutter gemäß Theologie zu studiren; aber ein Versuch im Predigen, den er unmittelbar nach seinem Abgange von der Schule in Lichtenstein, unfern seiner Heimath, machte, fiel so unglücklich aus, daß er alsbald seine Absicht aufgab und in Göttingen Philologie und Geschichte zu treiben begann. Er gehörte dem von Heyne geleiteten philologischen Seminar und Gatterers historischem Institut als Mitglied an; daneben besuchte er vorzugsweise Vorlesungen bei Hamberger und bei Klotz. Dem letzteren folgte er 1766 nach Halle und las dort, von der Wittenberger philosophischen Facultät zum Magister creirt, über griechische und lateinische Schriftsteller sowie über Gelehrtengeschichte. Aber schon am 10. Juni 1768 wurde er zum ordentlichen Professor der Geschichte in Erfurt mit dem für damalige Verhältnisse nicht unansehnlichen Gehalt von 200 Thalern ernannt; der Titel eines fürstl. Quedlinburgischen Hofraths ließ nicht lange auf sich warten. Gleichzeitig mit M. kam Riedel nach Erfurt, bald darauf Herel und der in Leipzig unmöglich gewordene Bahrdt, sämmtlich Freunde oder Schüler von Klotz. Der damalige Kurfürst von Mainz, Emmerich Joseph, wünschte nämlich seine Universität Erfurt zu reformiren und auf die wissenschaftliche Höhe der protestantischen Hochschulen zu erheben und bediente sich dabei Klotzens Berathung; dieser benutzte die günstige Gelegenheit, um seine Anhänger unterzubringen. Allerdings war die Stellung der neuen Professoren, zu denen im folgenden Jahre noch Wieland und Chr. H. Schmid traten, eine eigenthümliche: sie bezogen ihre Besoldungen nicht aus der Universitätskasse, sondern aus der Privatschatulle des Kurfürsten und hatten in der Facultät weder Sitz noch [542] Stimme. Daher blieb dieser Kreis, von dessen Treiben uns Bahrdt im 2. Bande seiner Lebensbeschreibung ein anschauliches Bild entworfen hat, nur kurze Zeit beisammen, Ende 1772 war er bereits in alle Winde zerstoben. M. allein hielt aus. Er hatte sich inzwischen, am 3. April 1769, mit Anna Cordula Herchenhahn, der ältesten Tochter des Koburgischen Rathsherrn Anton H. und Schwester des späteren Reichshofrathsagenten Johann Chr. H. (s. oben XII, 51), vermählt und fühlte sich, wie er selbst bezeugt (Briefe an Bahrdt I, 207), in Erfurt wohl, so wohl, daß er einen Ruf nach Gießen, wohin ihn seine Freundschaft mit Bahrdt hätte ziehen können, ausschlug (Erfurtische gelehrte Zeitungen 1772, S. 16). Ebenso scheiterten Verhandlungen, welche seine Uebersiedlung nach Jena zum Zwecke hatten, im J. 1779 (Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland III, 299). Dagegen folgte er einer Berufung nach Erlangen an Reinhard’s Stelle. Das Decret, welches ihn zum ordentlichen Professor der Geschichte mit dem Charakter Hofrath und einem Gehalte von 750 Fl. nebst 5 Klaftern Holz ernennt, datirt vom 6. Juli 1779. Am 29. April 1780 hielt er seine akademische Antrittsrede „De officiis doctoris historiarum“, zu welcher durch das Programm „De praecipuis commerciorum in Germania epochis“ eingeladen worden war. In Erlangen hat er dann seine weitere Lebenszeit zugebracht, durch mehrfache Gehaltserhöhungen, durch Ernennung zum Mitgliede verschiedener gelehrter Gesellschaften, und, anläßlich seines 50jährigen Lehrjubiläums, durch den Titel eines geheimen Hofraths ausgezeichnet. Er starb in Folge eines wiederholten Schlaganfalls am 19. September 1820. Die Gattin war ihm im Tode vorangegangen, eine Tochter früh gestorben; es überlebten ihn seine beiden Söhne, Johann Ernst M., damals Landrichter zu Heilsbronn, und Friedrich M., damals Appellationsgerichtsassessor zu Neuburg a. D. Seine reichhaltige Bibliothek, über 9500 Bände stark, wurde zerstreut.

M. hat unendlich viel geschrieben (das vollständigste und genaueste Verzeichniß seiner Werke befindet sich in seinem „Gelehrten Teutschland“, fünfte Ausgabe V (1797) S. 194–199, X (1803) S. 287 f., XI (1805) S. 533, XIV (1810) S. 554 f., XVIII (1821) S. 685 f.), und ein Theil seiner Bücher ist bis auf den heutigen Tag nicht nur noch brauchbar, sondern sogar unentbehrlich. Aber dieser ihr bleibender Werth liegt ausschließlich in der fleißigen und sorgsamen Sammlung des Materials, das darin aufgehäuft ist, nicht in irgendwelchen fruchtbaren Gedanken, welche die Wissenschaft gefördert, oder gar ihr neue Bahnen angewiesen hätten, begründet. M. war eine ausschließlich receptive, keine productive Natur, er besaß Talent zum Sammeln, zum Redigiren, aber mehr nicht: höher kann er nicht gerühmt werden, als es Wachler gethan hat, der ihn (Handbuch III, 314) den hochverdienten Registrator alles historischen Wissens nennt. Doch auch diese seine registratorische Thätigkeit, die er Zeit seines Lebens ausgeübt hat, war keine von ihm in richtiger Erkenntniß seiner individuellen Begabung bewußt ergriffene; vielmehr folgte M. nur den Spuren seiner Lehrer Achenwall, Gatterer, Hamberger, Klotz. Der letztere, selbst unermüdlich in der Gründung von Zeitschriften, veranlaßte auch M., gemeinschaftlich mit anderen die „Commentarii de libris minoribus“ herauszugeben, und ermunterte ihn zu den „Betrachtungen über die neuesten historischen Schriften“ (Hausen, Leben und Charakter Klotzens, S. 79, allerdings in den Erfurtischen gelehrten Zeitungen 1772 S. 494 und im Allgemeinen litterarischen Anzeiger 1797 Spalte 1328 von M. bestritten). Als diese „Betrachtungen“ 1774 mit dem fünften Theile ihr Ende erreichten, setzte sie M. unter vier anderen Namen noch bis 1787 fort. Daneben redigirte er, ebenfalls unter wechselndem Titel, eine historische Zeitschrift, womit er zugleich Gatterer nachahmte, und leitete nach Riedels Abgang die durch diesen neubegründeten Erfurtischen gelehrten Zeitungen von 1772 bis 1779. Nicht minder werden auf die von Klotz empfangene Anregung die fünf verschieden bezeichneten kunsthistorischen Organe zurückzuführen sein, welche M. [543] von 1779 bis 1808 in fast ununterbrochener Folge erscheinen ließ. Daß seine großentheils auf dem Gebiete der klassischen Philologie sich bewegenden Jugendarbeiten wesentlich durch Klotz beeinflußt waren, ergiebt schon äußerlich der Umstand, daß Klotz mehrere derselben bevorwortete: eine erfuhr darum herbe Verurtheilung von Seiten Lessing’s (Werke ed. Lachmann VII, 461). Von Achenwall hängen M.’s „Lehrbuch der Statistik“ und seine „Litteratur der Statistik“ ab. Als Hamberger 1773 gestorben war, lieferte M. zunächst einen Nachtrag zur zweiten Ausgabe von dessen „Gelehrtem Teutschland“ und übernahm sodann die Fortführung dieses Unternehmens, dessen stete Erweiterung und Verbesserung ihn bis zu seinem Tode beschäftigt hat. Die Vollendung der letzten, fünften, Ausgabe des Werkes in 23 Bänden erlebte er nicht mehr. Eine wesentliche Ergänzung dazu bilden die 15 Bände des „Lexikons der von 1750 bis 1800 gestorbenen teutschen Schriftsteller“ (1802–1816), sowie sein in zwei Auflagen erschienenes „Teutsches Künstlerlexikon“. Diese von ausdauerndem Fleiße und hingebender Sorgsamkeit zeugenden biographischen Sammelwerke sind es hauptsächlich gewesen, die Meusel’s Namen auf die Folgezeit gebracht haben, und sie werden ihm auch weiterhin ein dankbares Gedächtniß erhalten. – Zeigt schon die ganze Art der litterarischen Thätigkeit, welche M. ausübte, daß er im Wesentlichen auf der Stufe stehen geblieben ist, die er unter dem Eindrucke seiner Göttinger Universitätszeit erreicht hatte, so ergiebt sich dasselbe auch aus dem Inhalte der Zeitschriften, welche M. leitete, und aus der Anlage der Aufsätze, die ihn selbst zum Verfasser haben: überall rein stoffliches Interesse, Kleinigkeiten, Anekdoten, Klatsch, nirgends das Streben nach allgemeineren Gesichtspunkten oder tieferen Einsichten. Es kann daher nicht Wunder nehmen, daß sich M. allen Umwälzungen auf dem Gebiete des geistigen Lebens in Deutschland gegenüber durchaus ablehnend verhielt, daß er also z. B. der reinigenden Kritik, welche im Jahrgang 1772 der „Frankfurter gelehrten Anzeigen“ zu Wort kam, keinen Geschmack abgewinnen konnte (vgl. darüber die ergötzlichen Mittheilungen W. Scherer’s in der „Deutschen Rundschau“ XVII (1878) S. 65 ff.), daß er die Xenien verabscheute (vgl. P. Zimmermann, Ernst Theodor Langer, Wolfenbüttel 1883, S. 51), daß er mit der Romantik nichts zu schaffen haben mochte: wegen einer günstigen Recension, welche über A. W. Schlegel’s Ehrenpforte für Kotzebue in der „Erlanger Litteraturzeitung“ erschien, trat er im Februar 1801 von der Redaction dieser Zeitschrift, welche er 1799 allein, 1800 zusammen mit J. G. Mehmel geführt hatte, zurück (vgl. die Angaben bei Koberstein, Grundriß 5 IV, 651, Anm.). – Derselbe conservative Sinn zeigt sich endlich auch in der Auswahl der Vorlesungen, welche er in Erfurt (wo er allerdings auch noch über klassische Philologie Vorträge hielt, wie früher in Halle) und Erlangen ankündigte: immer und immer wieder Universalgeschichte, Staatengeschichte, Reichsgeschichte, daneben Statistik und Gelehrtengeschichte. Als akademischer Lehrer hatte er in Erfurt keine Erfolge aufzuweisen (Bahrdt, Lebensbeschreibung II, 22), günstiger lauten die Zeugnisse aus der Erlanger Zeit. Aber an den Geschäften der Universität Erlangen hat er keinen Theil genommen, er ist weder in den Senat noch in die Facultät eingetreten. Allseitige Uebereinstimmung herrscht dagegen in dem Lob seiner Herzensgüte und seines Edelsinnes; er hat sich viele Freunde in seinem langen Leben gewonnen, darunter manche, die wie Wieland ihm früher mit Mißtrauen entgegengetreten waren (vgl. Auswahl denkwürdiger Briefe von C. M. Wieland I, 229, 239 und Briefe an Bahrdt I, 208), und hat diesen seine Freundschaft treu bewahrt: mit Bahrdt z. B. correspondirte er bis zu dessen Tode, obwohl ihre religiösen und sittlichen Anschauungen immer weiter sich von einander entfernten.

Andreas Meyer, Biographische und litterarische Nachrichten von den Schriftstellern, die gegenwärtig in den Fürstenthümern Anspach und Bayreuth [544] leben (Erlangen 1782) S. 227 ff. – W. A. Fikenscher, Vollständige akademische Gelehrten-Geschichte der königl. preuß. Friedrich-Alexanders Universität zu Erlangen. Zweite Abtheilung (Nürnberg 1806) S. 254–272. – Cl. A. Baader, Lexikon verstorbener baierischer Schriftsteller I, 2 (Augsburg und Leipzig 1824) S. 31–38. – Dem Andenken Meusels gewidmet von der Universität Erlangen. 1820. Erlangen, gedruckt bei Heinrich Ludwig Kunstmann. – Eine kleine Gabe, am hundertjährigen Geburtstage des Herrn Joh. Georg Meusel, weiland geheimen Hofraths und k. Universitäts-Professors zu Erlangen, zu seinem ehrenden Andenken bei der dießjährigen Säcularfeier der dortigen Universität dargebracht. Auf den Wunsch mehrerer Freunde des Gefeierten und zum Besten der Armen in der Pfarrei Eyrichshof dem Drucke übergeben. Erlangen, in Commission der Palm’schen Buchhandlung. 1843. – Personalacten der Universität Erlangen. – Privatmittheilungen aus Coburg. – Vgl. auch die Charakteristik M.’s in seinen letzten Lebensjahren bei M. Reimlein, Unser Erlangen (Erlangen 1843), S. 95–97.