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Artikel „Glandorp, Johann“ von Ludwig Hölscher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 208–210, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Glandorp,_Johann&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 19:32 Uhr UTC)
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Glandorp: Johann G., Philolog, lateinischer Dichter, Schulmann, geb. am 1. Aug. 1501, † am 22. Febr. 1564. Melanchthon nennt ihn doctissimus pubis informator, historiarum exactus scrutator, prudens ingeniorum censor. Geboren in Münster, gebildet auf der Domschule unter dem Rector Camener, den Lehrern Bernh. Gwering, Joh. Hagemann, Joh. Pering, L. Bavink, Anton Tuniker, welcher letztere bestimmt als sein Lehrer aufgeführt wird und durch seine „Monosticha in Germanorum paroemias“ (1514), ein Schulbuch, auf Glandorp’s dichterische Versuche besonders eingewirkt zu haben scheint. Von seinen Lehrern an den gelehrten Herm. Busch empfohlen, ward er 1522 Lector an der Domschule. Im Verdacht des Lutheranismus, begab er sich nach Wittenberg, wo er mit H. Busch zusammenkam und mit Melanchthon bekannt wurde. Darauf ging er nach Rostock und Köln, wurde hier Doctor. Nach Münster als Rector der neuen evangelischen Schule 1532 zurückgekehrt, war er thätig für die evangelische Lehre und kam in Streit mit seinem katholischen Collegen Heinrich Vruchter aus Olfen (Schüler von Murmellius, 1521 Conrector an der Domschule zu Osnabrück, 1523 Rector an der Martinsschule zu Münster), der gegen ihn „Literae invectivae et falsa epigrammata in Jo. Glandorpium“ schrieb, aber den Kürzeren zog. Vor den Wiedertäufern wandte er sich am 1. Febr. 1534 in einem Bittschreiben an den Landgrafen Philipp und ging mit Zurücklassung seiner Bibliothek und sonstiger Habe nach Marburg und wurde als Herm. Busch’s Nachfolger als Historiae Professor unter dem Rectorat des Prof. juris Joh. Rudelius Sommer 1534 im Album inscribirt (s. Catalog. stud. scholae Marburg. ed. Caesar, 1875, p. 13). Er hatte viele Zuhörer. Wahrscheinlich 1536 begab er sich nach Wittenberg; auf Melanchthon’s Empfehlung ward er Rector am Martineum in Braunschweig; von seinen dortigen vielen Freunden wird besonders Dr. med. Anton Niger erwähnt. Wegen Streites mit dem Superintendenten Nic. Medler, dessen „Ratio instituendi juventutem christianam in scholis particularibus“ (Viteb. 1550. 8). er nicht in seiner Schule einführen wollte, verließ er 1551 Braunschweig und erhielt auf Empfehlung des Superintendenten Rud. Moller das Rectorat zu Hameln. Hier ließ er sich von seiner, 1542 geheiratheten, leichtsinnigen Frau (geb. Leffert) scheiden und übernahm deshalb 1551 das Rectorat in Hannover. Streitigkeiten mit dem Superintendenten Clemens Ursinus, der ihm die Verstoßung der Frau vorwarf, und andere Mißhelligkeiten bewogen ihn, von da nach Wittenberg abzureisen. Auf der Reise dorthin, von vielen seiner Schüler begleitet, erhielt er auf Vorschlag des Superintendenten Tilemann Heshusius das Rectorat zu Goslar. Auch hier von dem Superintendenten Jakob Großehans (Makrinus) wegen der Eheauflösung angegriffen, schrieb er gegen ihn beißende Epigramme, die er in der Schule mittheilte. Deshalb entlassen, wurde er, da Albert Lonicerus abgegangen war, 1560 Rector zu Herford. Nach drei Jahren wegen Altersschwäche in Ruhestand versetzt, starb er 1564 und ward in der Münsterkirche begraben; an einem Pfeiler auswärts an der Südseite des Chors hinter der Sakristei lautet seine Grabschrift:

[209]   Glandorpius de se ipso.
Glandorpi, cuius studiumque fidemque iuventus
Sensit amans, tellus hoc capit osse solo.
  Obiit 22. Febr. 1564.

G. war tüchtiger Philolog und höchst gewandter lateinischer Dichter. Er war sehr fleißig bis zuletzt, das Rectorat in Herford trat er mit dem „Elenchus sive epistola de suscepta gubernatione scholae Hervordiensis“ an, namentlich aber in Braunschweig. Seine Schriften hat nach seinem Tode großentheils sein gelehrter Schüler Reiner Reineccius aus Steinheim, Professor in Helmstädt, herausgegeben. Dahin gehören: „Annotationes in C. Julii Caesaris et Hirtii et Oppii de bello Gallico, civili, Alexandrino, Africano et Hispaniensi commentariorum libros, editae studio Reineri Reineccii“, Lips. 1574 (geschrieben 1551), auch in Jungermann’s Ausgabe des Caesar, Frankf. 1606, noch werthvoll, wegen der Emendationen zum auct. de bell. Hispan. noch 1876 von Fleischer (obss. crit., Meißen 1876) gerühmt. „Annotationes in Ciceronis epistolas quae vulgo familiares, rectius ad familiares appellantur, editae studio et opera Reineri Reineccii“, Basileae 1580. 8. „Descriptio gentis Antoniae inter Romanas familias non postremae“, Lips. 1557. 8. (in Goslar gearbeitet). „Familiae Juliae gentis etc. Item distichorum variarum rerum et sententiarum liber secundus“, Basileae 1576. 8. Das Werk gab sein Sohn Ambrosius heraus mit Unterstützung des Reiner Reineccius, der dann von ihm den Nachlaß seines Vaters, noch unverarbeitet, erhielt und nach vorgenommener Bearbeitung herausgab als: „Onomasticon historiae Romanae etc.“, Frankfurt 1589. Fol. „Sylva carminum elegiacorum in enarrationem commentariorum C. Julii Caesaris de bello Gall. et civili“, Frankfurt 1551. 8. Es sind 15 Gedichte von je 8 Versen, Argumente der Bücher Caesar’s, nicht blos des bell. gall. und civile, auch in der Jungermann’schen Ausgabe des Caesar. Die „Disticha var. rer. et sent.“ sind 291 an der Zahl, von G. für seine Schüler geschrieben. Daß diese Distichen größtentheils eine lateinische Bearbeitung der ersten deutschen Sprichwörtersammlung, der des Joh. Agricola, sind, also daß die Ueberschriften fast wörtlich Agricola’s Worte wiedergeben, mithin ein höchst werthvolles Zeugniß für die Verbreitung dieses Buches, diese Entdeckung hat Rector Dr. Suringar in Leiden gemacht und in seiner kritischen Außgabe: „Disticha proverbialium sententiarum Jo. Glandorpii“, 1874 veröffentlicht, und nicht blos die Parallelen aus Agricola, sondern auch die Stellen der alten Autoren, die G. im Ausdruck nachgeahmt haben mag, mitgetheilt. Der erste Theil dieser disticha war von G. selbst unter dem Titel: „Disticha ad bonos mores paraenetica“, Magdeb. 1553, veröffentlicht, an Zahl 351. Dies verschollene Buch ist auf der Wolfenbüttler Bibliothek wiedergefunden, und auch dessen Stoff ist nur zum Theil der Bibel und den Alten, besonders Seneca, entlehnt, hauptsächlich eine Bearbeitung der Sprichwörter des Agricola, theilweise derselben wie im zweiten Theil, nur in anderer Redaction (mit ausführlichen Noten herausgegeben von Suringar, Leiden 1876, 8.). G. hinterließ auch „Epitaphia Graeca“; mit beigefügter lateinischer Uebersetzung stehen sie in der Beilage z. 3. Thl. von Rehtmeyer’s Braunschweigischer Kirchenhistorie. – Glandorp’s Ruhm war weit verbreitet; u. A. schließt das schöne Epitaphium, welches ihm H. Sibaeus, früher Rector in Herford, damals in Lemgo, widmete:

Lector amans Christum, cubat hic Glandorpius, ille
  Musarum cultor Pieridumque chori,
Quem nunquam divum Germania tota prehendit,
  Defunctum tumulus cohibet exiguus,
Claraque quem parvi fecit (!) Hervordia vivum
  Mortuus hic illi gloria semper erit.

[210] Hamelmann. — Vita J. Glandorpii scr. Reiner Reineccius (in dessen Schrift: De M. Tulli Ciceronis morte et monumento, Helmst. 1589. 8). — Heineccius antiq. Goslar. p. 482 sq.Strodtmann, Hannov. gel. Anz., 1751, S. 322. 1753, 855 ff. – Strieder, Hess. Gelehrtengesch., 4. Bd., 411. – Biedermann, Antiq. schol. V, 561. – Ludovici, Schulhistorie II, 125. – Baring, Hannov. Schulgesch., S. 63. – Rotermund, Gelehrtes Hannover II, 133. – König, Gesch. des Gymn. zu Münster, 1821. – Raßmann, Schulprogr. Münster 1862. – Döllinger, Reformation, 1848, I. 441. – Cornelius, Münsterische Humanisten, S. 77, Gesch. des Münsterschen Aufruhrs, I. 179. – Suringar l. c. Leiden 1874. 76.