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Artikel „Cäsar, Julius“ von Theodor Birt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 460–461, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Caesar,_Julius&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 00:04 Uhr UTC)
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Cäsar: Carl Julius C., Marburger Universitätsprofessor, geboren am 4. Februar 1816, † am 21. Juni 1886. Das Bild seines Lebens steht eingeschlossen in den engen Rahmen seiner hessischen Heimath und in den noch engeren der Universitätsstadt, die zu seiner Zeit zu den kleinsten im deutschen Vaterlande zählte. Er stammte aus Kassel; sein Vater Johann Dietrich war Regierungssecretär dortselbst, seine Mutter Philippine, geb. Pfister. Er hatte schon auf der Bürgerschule Latein gelernt, verließ 1833 siebzehnjährig das dortige Lyceum, gab theologische Interessen bald auf und studirte vornehmlich unter K. F. Hermann’s Leitung classische Sprachen. Ein Studienjahr in Göttingen 1835–36 zog ihn in die Gedankenkreise Otfried Müller’s; wichtiger wurde für ihn noch der Einfluß von Leutsch. Seine Promotion 1837 brachte ihm nach damaligem Herkommen zugleich die venia legendi, und so hat er thatsächlich in Marburg unausgesetzt von 1838–1886 durch fast fünfzig Jahre ohne Unterbrechung und ohne Urlaubsreisen docirt. Er hatte lange mit den engen Verhältnissen, die ihn umgaben, und einer gedrückten Position zu kämpfen. 1842 kam Th. Bergk als Ordinarius für das classische Fach nach Marburg; im selben Jahre gelangte C. zur außerordentlichen Professur, aber erst nach zehn Jahren, als Bergk Marburg verließ, zum Ordinariate. Bald danach heirathete er, fast vierzigjährig, eine Marburgerin aus wohlangesehenem Hause, Caroline Bücking. C. F. Weber wirkte bis 1861 im gleichen Fach neben ihm, in späteren Jahren Leopold Schmidt. Die Zahl der Zuhörer war minimal, die Einnahmen sehr dürftig, und C. sah sich genöthigt seine beste Jugendkraft zu theilen und für verschiedene Aufgaben herzugeben; er war mit Bergk der Herausgeber der Zeitschrift für Alterthumswissenschaft in den zehn Jahren ihres Zusammenwirkens und trug hernach bis 1858 die Last der Redaction allein. Er begab sich aber auch 1848 in den Dienst der Universitätsbibliothek und wirkte hier ordnend und fördernd unter und neben Rehm, Gildemeister und Henke, bis 1874 die Leitung der Bibliotheksgeschäfte ganz allein auf seine Schultern fiel. Seine schriftstellerische Thätigkeit war infolge dessen eine begrenzte. Er disserirte eximia cum laude über Ursprung und Begriff der griechischen Elegie, erörterte in kleineren wohldurchdachten Schriften und Aufsätzen Fragen wie nach der Idee der Promethie; wie weit sein Interessenkreis reichte, zeigt sein Vortrag über das finnische Volksepos Kalewala. Nach einer Reihe von Vorarbeiten lieferte er aber erst 1851, als er die Redactionslasten abgeworfen, sein Hauptbuch „Grundzüge der griechischen Rythmik“, Erläuterungen zum Text des Aristides, ein damals überaus nützliches Correctiv zu den gleichzeitigen Arbeiten R. Westphal’s über das Capitel: antike Rhythmik und Aristoxenos. Auch später hat er die Auseinandersetzung mit Westphal fortgesetzt. Man bemerkt an diesen Schriften Sorgsamkeit bis ins kleinste, sowie ein gerechtes Zurgeltungbringen der Ansichten, die frühere Männer vertreten hatten. Dazu kam ein allumfassendes Fachwissen, das er als Pflicht von seinem Lehrer Hermann ererbt hatte und das in der Fülle der Gegenstände sich darstellt, die er in seinen Vorlesungen mit Ausführlichkeit behandelte. Aber die genannten Eigenschaften sind schriftstellerischer Productivität nicht allzu günstig. Mit Rührigkeit warf er sich dagegen in die Amtsgeschäfte, als Bibliothekar, als Facultätsmitglied, Professor der Eloquenz, Decan, Rector und in anderen Eigenschaften mehr, erwarb besonders seit 1866, als die Universität preußisch geworden und ein neues, größeres Leben am Orte begann, mehr und mehr die Führung der Angelegenheiten und stand schließlich als geschäftskundiger Träger der Tradition ehrwürdig und maßgebend [461] unter dem Geschlecht der jung hinzu gekommenen Docenten: eine Charakterfigur, hager, bleich und hochgewachsen, rasch in Wort und Bewegung, gern scheltend und knurrend im Ausdruck, aber von einer Gutherzigkeit, die oft plötzlich aus dem hellen Auge hervorbrach und keinen Wunsch abzuweisen vermochte. Eine ausführliche Schilderung seines Typ würde in jede Localgeschichte seiner Heimath gehören. Sein Amtszimmer auf der Bibliothek war ein zweites Universitätssprechzimmer geworden. Eine Fülle von Hassiaca, die er sprudelnd erzählte, sind leider unaufgeschrieben mit ihm zu Grabe gegangen. Nützlich für die Geschichte des Unterrichtswesens wurden immerhin seine Veröffentlichungen der Marburger Studentenverzeichnisse seit Philipp’s des Großmüthigen Zeit und sonstige im Druck niedergelegte Beiträge zur Universitätsgeschichte, die allmählich Nachahmung fanden.

Vgl. L. Schmidt, Caroli Julii Caesaris vitae memoria, Marburger Index lect. Winter 1886/87. – C. Boysen, im Centralblatt für Bibliothekswesen Bd. III, S. 514 ff. (mit Schriftenverzeichniß). – G. Zedler, Gesch. der Universitätsbibliothek zu Marburg (1896), S. 138–146.