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Artikel „Henke, Ernst“ von Friedrich Wiegand in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 185–187, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Henke,_Ernst&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 10:48 Uhr UTC)
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Band 50 (1905), S. 185–187 (Quelle).
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Henke: Ernst Ludwig Theodor H. wurde am 22. Februar 1804 als jüngster Sohn des Kirchenhistorikers Heinrich H. in Helmstedt geboren. Nach des Vaters frühem Tode nahmen sich dessen Schüler und Biographen, Bollmann und Wolff, beide Lehrer am Helmstedter Pädagogium, des lebendigen und begabten Knaben an, bis er 1817 das Gymnasium seiner Vaterstadt und 1820 das Collegium Carolinum in Braunschweig bezog. In Göttingen, wo er von Ostern 1822 ab fünf Semester Theologie und Philosophie studirte, schloß er sich Planck und Bouterwek an und erfuhr er den fördernden Einfluß der Predigten des Superintendenten Ruperti. In Jena waren seit Herbst 1824 vorzugsweise Fries und Baumgarten-Crusius seine Lehrer. Der Promotion zum Doctor der Philosophie im März 1826 folgte schon im folgenden Jahre die theologische Habilitation auf Grund einer Dissertation: „De epistolae quae Barnabae tribuitur authentia“ und bereits 1828 die Berufung als Professor an das Collegium Carolinum zu Braunschweig, wo H. über theologische Encyklopädie, Kirchengeschichte, Einleitung ins Alte und Neue Testament, über Logik und Geschichte der Philosophie Vorlesungen hielt. Nachdem er Anfang 1833 einen vierteljährigen Urlaub dazu benutzt hatte, Schleiermacher und Neander in Berlin zu hören, ging er im Herbst als außerordentlicher Professor der Kirchengeschichte und Exegese nach Jena, wo er in Betty Fries, der Tochter seines alten Lehrers und Freundes, die Lebensgefährtin fand, kehrte jedoch drei Jahre später, im August 1836 als Consistorialrath und Director des Predigerseminars von Wolfenbüttel in die Heimath zurück. Zwar bot ihm die letztere Stellung aufs neue die erwünschte Gelegenheit exegetische Vorlesungen zu halten, die praktischen Uebungen der Candidaten zu leiten und zuweilen zu predigen (vgl. Bank und Henke, Das Predigerseminar zu Wolfenbüttel, 1837), aber die kirchenregimentlichen Verwaltungsgeschäfte des Consistoriums bildeten für seine peinliche und scrupulöse Natur eine drückende Last. So erschien ihm die Berufung zum ordentlichen Professor der Theologie in Marburg wie eine Befreiung, obwol sie ihn aufs neue und zwar dieses Mal definitiv von der Heimath trennte. Denn vom Herbst 1839 hat H. der hessischen Landesuniversität ununterbrochen 33 Jahre [186] lang, also fast die Hälfte seines Lebens, angehört. Neben der Kirchengeschichte, die er anfangs neben Rettberg, seit dessen Tode allein und zwar in dreisemestrigem Turnus vortrug, behielt er dauernd die Homiletik und Liturgik und die Einleitung in das theologische Studium als Lehrgegenstände bei. Neben der homiletischen Societät leitete er seit Hupfeld’s Weggang im J. 1843 als Ephorus noch die Stipendiatenanstalt und ward 1846 zweiter, 1848 erster Universitätsbibliothekar. Nach einer zielbewußten reich gesegneten Lehrthätigkeit erlag er am 1. December 1872 den Folgen eines Schlaganfalles.

Seine solide allgemeine und philosophische Bildung befähigte H. den kirchengeschichtlichen Stoff psychologisch zu durchdringen und auch den Gegner gerecht zu würdigen. Indem er scharf zwischen Religion und Theologie schied, lehnte er jeden Traditionalismus in der Lehre ab und hielt er daran fest, daß das Dogma eine fortgesetzte kritische Revision nöthig habe. Dementsprechend fand er gerade in der Mannichfaltigkeit ihrer Lebensformen die Größe und Schönheit der Kirche. So wurde er an der Universität Marburg neben Rettberg der Bahnbrecher einer Kirchengeschichtsschreibung im modernen wissenschaftlichen Sinne. Aus seiner Heimath brachte er das Interesse für Calixt mit, dessen unionsfreundliche Tendenzen seinen eigenen theologischen Anschauungen wahlverwandt waren. Bereits hatte er herausgegeben: „Georg Calixtus’ Briefwechsel. Aus Wolfenbüttelschen Handschriften“ 1833; „Georgii Calixti ad Augustum ducem Brunsv. epistolae XII ex autogr. nunc primum ed.“ 1835; „Commercii literarii Calixtini ex autogr. fasciculus tertius“ 1840; endlich das Prorectoratsprogramm: „Theologorum Saxonicorum consensus repetitus fidei vere Lutheranae“ 1846; auch hatte er schon einen Theil der Darstellung unter dem Nebentitel: „Die Universität Helmstädt im 16. Jahrhundert“ 1833 vorausgeschickt, ehe das Hauptwerk seines Lebens: „Georg Calixtus und seine Zeit“ in 2 Bänden 1853 und 1860 erschien, das noch immer zu den über die Kirchengeschichte des 17. Jahrhunderts vorzugsweise instruirenden Werken gehört. Die Biographie blieb überhaupt das Gebiet, welches H. am bequemsten lag; hier kam seine feine, genau abwägende und sich liebevoll versenkende Art am glücklichsten zur Geltung. Den zahlreichen Titeln seiner Schriften entsprechen ebensoviele Miniaturbildchen von beschränktem Umfang aber sorgfältiger Ausführung. Es sind zum guten Theile Gelegenheitsreden, die er beim Geburtstage des Kurfürsten oder bei sonstigen festlichen Anlässen gehalten hat, oder Aufsätze, zu deren Abfassung ihm ein specieller Anstoß gegeben war. Seine Antrittsrede in Jena handelte „De Th. Jac. Planckio ejusque historiam ecclesiasticam docendi ratione“ Vgl. Illgen’s Zeitschr. f. hist. Theol. 1843, in Marburg schrieb er die „Memoria C. G. Justi“ (1847) und die „Memoria F. G. Rettbergii“ (1849), sprach er über „Eduard Platner“ (1860), hielt er Theodor Waitz (1864) und August Vilmar (1868) die Grabrede und behandelte er eingehender das Leben seines Schwiegervaters („Jakob Friedrich Fries. Aus seinem handschriftlichen Nachlasse dargestellt“, 1867). Hatte ihn Calixt gefesselt als Landsmann wie als Vorkämpfer der Union, so zeigt sich ein gleiches persönliches Interesse bei zwei weiteren Gruppen seiner kleinen in Marburg entstandenen Schriften; denn sie offenbaren den warmen Sinn für die Localgeschichte der neuen hessischen Heimath und den Eifer für einen weitgreifenden Zusammenschluß aller evangelischen Kirchengruppen in alter und neuer Zeit. Unter die ersteren gehören außer vier der schon genannten biographischen Skizzen noch „Konrad von Marburg, Beichtvater der heiligen Elisabeth und Inquisitor“ (1861) und „Die Eröffnung der Universität Marburg im Jahre 1653“ (1862); unter die letzteren Henke’s anonym erschienene „Bemerkungen über Stahl’s Sendschreiben gegen die Erklärung vom 15. August 1845“ [187] (1845), seine Reden und Vorträge über „das Verhältniß Luthers und Melanchthons zu einander“ (1860), „Spener’s Pia Desideria und ihre Erfüllung“ (1862), „Rationalismus und Traditionalismus im 19. Jahrhundert“ (1864), „Caspar Peucer und Nicolaus Krell“ (1865), „Schleiermacher und die Union“ (1868), „Eine deutsche Kirche“ (1872); unter beide Gruppen zu gleicher Zeit: „Das Unionskolloquium zu Cassel im Juli 1661“ (1861). Neun dieser kleineren Sachen erschienen sammt der Vorlesung: „Papst Pius VII.“ (1860) unter dem Sammeltitel: „Zur neuern Kirchengeschichte. Akademische Reden und Vorlesungen“ (1867). Weitere Publicationen Henke’s dieser Art sind: „Johann Hus und die Synode von Constanz“ (Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftl. Vorträge, herausg. von Virchow und v. Holtzendorff 1869), „Französische Frauen vor dem Revolutionstribunal“ (Westermanns Illustrirte Monatshefte 1868), „Das häusliche Leben von Thomas Morus“ (Historische Zeitschrift 1869), „Theodor Agrippa d’Aubigné“ (Raumers Historisches Taschenbuch 1873). Auch schrieb er für die ersten Bände der Allg. D. Biogr. zwölf Biographien. – Dem akademischen Unterrichte dienten seine zusammen mit Lindenkohl besorgte erste vollständige Ausgabe von Abälard’ts Sic et non (1851) und „Zur Einleitung in das theologische Studium. Grundriß für Vorlesungen“ (1869). Henke’s Vorlesungen über neuere Kirchengeschichte seit der Reformation gaben Gaß und Vial in drei Bänden 1874 bis 1880, seine feinsinnigen und ästhetisch werthvollen Vorlesungen über Liturgik und Homiletik Zschimmer 1876 heraus.

Joh. Günther, Lebensskizzen der Professoren d. Universität Jena, 1858, S. 37 ff. – Cunze, Schüler-Album d. Helmstedt-Schöningenschen Gymnasiums 1817–1867, S. 5 ff. – Jul. Cäsar im Marburger Rektoratsprogramm vom J. 1873. – Joh. G. Dreydorff, Ergebnisse und Gleichnisse, 1874. (Enthält Bruchstücke aus Henkes Tagebüchern.) – Mangold, E. L. Th. Henke. Ein Gedenkblatt, 1879; – Derselbe in der Real-Encyklopädie f. protestantische Theologie und Kirche. 2. Aufl. Bd. V, 3. Aufl. Bd. VII.