ADB:Rehtmeyer, Philipp Julius

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Artikel „Rehtmeyer, Philipp Julius“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 604–606, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rehtmeyer,_Philipp_Julius&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 00:00 Uhr UTC)
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Rehtmeyer: Philipp Julius R., geb. zu Schliestedt im Kreise Wolfenbüttel am 21. Februar 1678, † 1742, kam als vierjähriger Knabe nach Braunschweig, wo sein Vater Rudolf Heinrich R. 1682 die Pfarre zu St. Michaelis erhalten hatte, mit welcher 1684 noch die des bei der Stadt gelegenen Dorfes Rüningen vereinigt wurde. Dieser war am 10. November 1642 zu Minden geboren, zu Rinteln und Königsberg gebildet, am letzteren Orte 1672 zum Magister und dann 1674 zum Pfarrer in Schliestedt befördert; 1675 hatte er [605] sich mit einer Braunschweigischen Patriciertochter Elisabeth von Kalm vermählt, die um den Anfang Octobers 1707 gestorben ist. Der Sohn besuchte zunächst in Braunschweig das unter dem Rectorate Joh. Alb. Gebhardi’s stehende Gymnasium Martineum und bezog darauf behufs Studiums der Theologie die Universität Jena, wo Bechmann, Treuner und Danz seine Lehrer waren. Er ging dann nach Helmstedt über, wo er am 4. October 1700 immatriculirt wurde und sich besonders an Joh. Andreas Schmidt anschloß. Nachdem er zu weiterer Ausbildung noch eine Reise nach Holland unternommen hatte, beschäftigte er sich in Braunschweig mit kirchengeschichtlichen Arbeiten. Er wollte ursprünglich nur einen kurzen lateinischen Bericht von der Reformation der Stadt Braunschweig ausarbeiten, aber auf Anregung des Kanzlers Probst von Wendhausen, der ihm den Zutritt zu dem Archive des Raths u. a. eröffnete, erweiterte er den Plan und schrieb „Der berühmten Stadt Braunschweig Kirchen-Historie“ von der ältesten bis auf seine Zeit. Das Werk erschien in 5 Theilen von 1707 bis 1720. Da R. wohl erkannte, daß die chronikalischen Nachrichten nicht „zulänglich“ und vor Allem „die bewährten documenta“ heranzuziehen seien, so hat er in seiner Arbeit zahlreiche Urkunden zum Abdrucke gebracht, welche seinem Werke vor Allem eine bleibende Bedeutung verschafft haben. Für die spätere Zeit hat er besonders die Catalogi ministrorum verbi divini in eccl. Brunsv. ausgiebig benutzt. Ein großes werthvolles Material hat er so in seinem Buche zusammengetragen und weiterer Benutzung zugänglich gemacht. Aber über die Thätigkeit eines verdienstvollen Sammlers geht sein Verdienst nicht weit hinaus; zu einer inneren Beherrschung und künstlerischen Gestaltung des Stoffes, den unentbehrlichen Vorbedingungen einer wirklichen Geschichtschreibung, hat er es nicht gebracht, bei seiner geringen kritischen Begabung und schwachen Darstellungskunst auch nicht bringen können. Dagegen hat er, wo er Thatsächliches berichtet, sorgfältig gearbeitet, mit großem Fleiße zahlreiche Quellen herangezogen, so daß seine Arbeit die Grundlage für viele spätere geworden ist. Den ersten Band dieser Kirchengeschichte widmete R. dem Herzoge Anton Ulrich, der durch das Werk so für den Verfasser eingenommen wurde, daß er ihn durch Decret vom 2. Januar 1708 zu einem Adjuncten des geistlichen Ministeriums, wie die Vereinigung der Prediger der Stadt Braunschweig genannt wurde, erklärte. Am 24. Januar hat R. das übliche Examen gut bestanden und am 27. d. M. wurde er ordinirt. Außer besonderen Diensten mußte er nach Umständen sämmtliche Amtsbrüder vertreten, soweit ihn nicht, wie beim Beichtehören, seine Schwerhörigkeit in der Ausübung seines Berufes hinderte. Am 10. März 1709 wurde R. als besonderer Gehülfe seines Vaters und künftiger Nachfolger sowohl zu St. Michaelis als zu Rüningen eingeführt, und nach dem Tode jenes am 24. September 1718 hat er diese Stellung wirklich übernommen. Im J. 1734 rückte er im geistlichen Ministerium zum Subsenior auf und am 7. December 1742 ist er gestorben. In religiöser Hinsicht stand R. den Pietisten nahe, ohne daß er sich jedoch bei der entschieden feindseligen Haltung der stadtbraunschweigischen Geistlichkeit gegen diese Richtung offen für sie erklärte. Verheirathet ist R. zweimal gewesen. Am 15. October 1709 führte er Elisabeth Eleonore Crusius, eine Tochter des 1682 verstorbenen braunschweigischen Hofpredigers Kaspar Crusius heim, die ihm im Anfange des Jahres 1711 eine Tochter schenkte, aber schon zwei Monate darauf gestorben ist. Am 1. November 1713 vermählte er sich mit Anna Margarethe Frantzen, einer Tochter des verstorbenen Kämmerers Frantzen in Uelzen, die ihm 3 Söhne und 4 Töchter gebar. Rehtmeyer’s Hauptwerk ist neben seiner Kirchengeschichte seine „Braunschweig-Lüneburgische Chronica“, die als stattlicher Folioband 1722 erschien. Zu Grunde liegt derselben das fünfte Buch von Joh. Letzner’s (s. A. [606] D. B. XVIII, 465) ungedruckter „Großer Braunschw.-Lüneburg-Göttingischer Chronika vom Anfang der Welt bis auf seine Zeit“, welche in 114 Capiteln „von denen Herzogen zu Braunschweig und Lüneburg“ handelt und sich im Rathsarchive zu Braunschweig befand. Zu diesem Werke Letzner’s, dessen Leben und Schriften er in der Vorrede seines Werkes verzeichnete, hat er dasjenige, was aus Bünting’s Chronik zu ergänzen war, hinzugenommen; er hat ferner Leibniz’ Scriptores, Eccard’s Schriften und was er sonst aus gedruckten Werken und handschriftlichen Chroniken, wie an Originaldocumenten, die ihm namentlich wieder das Braunschweiger Rathsarchiv lieferte, gewinnen konnte, in seine Chronik verarbeitet. Die Vorzüge und Schwächen seines Werkes erklären sich aus dieser Entstehungsart. Er bringt zuverlässige Angaben, wo ihm gute, unzuverlässige, wo ihm schlechte Nachrichten in die Hand kamen. Nach einer wirklichen Verarbeitung des Stoffes hat er gar nicht gestrebt, da er den Wortlaut seiner Quellen einfach beibehalten hat. Dadurch erklären sich die ungleiche Schreibart des Buches, die Widersprüche zwischen einzelnen Theilen des Textes, die gutgläubige Aufnahme von mancherlei Fabeln, die kritiklose Vermischung von Wichtigem und Werthlosem. Dennoch hat das Werk, das mit zahlreichen Tafeln von Siegeln, Münzen, Wappen und sonstigen Darstellungen reich geschmückt ist, in Ermangelung besserer sich bis jetzt in Gebrauch und einem gewissen Ansehen erhalten. R. hat die Herausgabe weiterer Chroniken aus Letzner’s reichem litterarischem Nachlasse ins Auge gefaßt, aber nicht ausgeführt. Er hat sonst nur noch eine Anzahl kleinerer Arbeiten, wie die Lebensbeschreibung des Theologen Joach. Lütkemann, die zuerst 1720 vor Lütkemann’s Vorschmack der göttlichen Güte, dann von Märtens mit Zusätzen vermehrt ebenda und zugleich als besonderes Buch 1740 erschien, u. a. geliefert, welche sich mit Ausnahme der „Dissertatio de oblatis eucharisticis“ (Helmst. 1733) und einer bei Gelegenheit der goldenen Hochzeit H. Häseler’s verfaßten Schrift „Das Geheimniß der Vollkommenheit der 73. Zahl“ (Braunschw. 1706) in v. Praun’s Bibliotheca Brunsvico-Luneb. und in Erath’s Conspectus hist. Br.-Lün. verzeichnet finden.

Vergl. Götten, Das jetzt lebende gelehrte Europa I, 642. – Die angeführten Catalogi ministrorum etc. im Stadtarchive zu Braunschweig. – Nachrichten der betr. Kirchenbücher.