ADB:Praun, Georg Septimius Andreas von

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Artikel „Praun, Georg Septimus Andreas von“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 536–538, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Praun,_Georg_Septimius_Andreas_von&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 17:18 Uhr UTC)
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Praun: Georg Septimus Andreas v. P., geboren zu Wien am 4. August 1701, † am 1. Mai 1786, stammte aus einem alten Geschlechte des Erzherzogthums Oesterreich. Sein Vater Tobias Sebastian v. P., der in Wien kaiserlicher Rath und Agent verschiedener Fürsten und Reichsstände war, starb am 19. Mai 1710, als er gerade nach Regensburg übersiedeln wollte. Diese Absicht führte die Mutter Anna Marie eine geborne v. Fabrice († 1737) mit ihren sechs noch lebenden Kindern aus, von denen G. S. Andreas der älteste Sohn war, vorzüglich um drohenden Katholisirungsversuchen zu entgehen. Die Pest vertrieb die Familie 1713 nach Weißenburg im Nordgau, von wo sie jedoch im Mai 1714 nach Regensburg zurückkehrte. Hier erhielt v. P. von verschiedenen Lehrern Privatunterricht, der dann in Weißenburg, wohin die Mutter September 1719 wieder verzog, fortgesetzt und auch auf die Institutionen des römischen Rechts u. A. ausgedehnt wurde. Zugleich hatte v. P. hier Gelegenheit sich im Reiten und anderen Künsten auszubilden und den brandenburgischen Hof zu Anspach zu besuchen. Im Januar 1721 bezog er die Universität Altdorf. Hier trieb er neben dem juristischen Studium insbesondere das der Geschichte, zu [537] welchem ihm vorzüglich Joh. Dav. Köhlers Lehre und Anleitung nachhaltige Neigung erweckten. Im August 1723 verließ er Altdorf und suchte im folgenden Jahre weitere Ausbildung durch eine größere Reise über Straßburg nach Paris. Nach seiner Rückkehr wurde er am 30. April 1725 von dem Fürsten Albrecht Ernst II. von Oettingen zum Hofcavalier ernannt und zur Beschäftigung bei der dortigen Regierung zugelassen. Die Verwandtschaft dieses Fürsten mit dem Herzoge Ludwig Rudolf zu Braunschweig und Lüneburg, dessen Gemahlin Christine Luise die Schwester Albrecht Ernst’s war, führte P. im Anfange d. J. 1727 nach Blankenburg, das jener damals als selbständiges Fürstenthum regierte. Er trat hier in den Dienst Ludwig Rudolf’s über und wurde noch im April desselben Jahres als Kammerjunker und ein Paar Monate darauf als Auditor bei dem Consistorium und der Justizkanzlei angestellt; bei letzterer ward er am 1. December 1728 zum wirklichen Hofrathe ernannt. Daneben führte er auch die Oberaufsicht über die fürstliche Bibliothek, welche er selbst neu ordnete und verzeichnete. Als nach dem Tode Herzog August Wilhelm’s (s. A. D. B. I, 664) dem Herzoge Ludwig Rudolf auch die Regierung der braunschweigisch-wolfenbüttelschen Lande zufiel, wurde v. P. noch um die Mitte d. J. 1731 in Wolfenbüttel sowohl bei der Justizkanzlei als bei dem Hofgerichte angestellt; letztere Stellung gab er jedoch schon 1738 wieder auf. Am 18. April 1736 wurde v. P. zum Geheimen Justizrath und am 9. Januar 1749 zum Vicekanzler ernannt. Neben seinen eigentlichen Amtsgeschäften wurde er inner- und außerhalb Landes mit zahlreichen besonderen Aufträgen betraut, zu denen ein tüchtiger und fleißiger Arbeiter erforderlich war. So 1736 mit der Regulirung des Helmstädter Stadtwesens, 1745 und 1746 mit der Aufarbeitung der Concurse in der Stadt Braunschweig u. s. w. Im November 1746 erhielt er den Befehl, das Hauptarchiv und alle übrigen im Lande befindlichen Archive und Registraturen, welche sämmtlich seiner Oberaufsicht untergeben wurden, neu zu ordnen; im folgenden Jahre wurde ihm auch nach Erath’s (s. A. D. B. VI, 182) Abgang das braunschweigische Stadtarchiv unterstellt. P. hat sich hier um die Sicherung, Ordnung und Nutzbarmachung der gesammten Archivalien des Landes große Verdienste erworben; für das Landeshauptarchiv, an dem um diese Zeit auch H. A. Koch (s. A. D. B. XVI, 379) wirkte, ist seine Thätigkeit geradezu eine grundlegende geworden. Der Hauptgesichtspunkt war für ihn hierbei das staatliche Interesse; gegenüber der Benutzung der Archive zu rein wissenschaftlichen Zwecken verhielt er sich sehr zurückhaltend. Im November 1751 wurde ihm auch die Oberaufsicht über die herzogliche Bibliothek übertragen und in dieser Eigenschaft hat er später, am 7. Mai 1770, Lessing als Bibliothekar in dieselbe eingeführt. Als dem Herzoge Karl 1751 die Obervormundschaft über den Erbstatthalter von Holland zufiel, mußte v. P. auch diese Geschäfte, die bis 1766 währten, zeitweise an Ort und Stelle in Dillenburg führen; ebenso wurde ihm 1758 die Besorgung der Weimar’schen Obervormundschaft nach dem Tode des Herzogs Ernst August II. Constantin, der zwei Söhne und eine selbst noch unmündige Wittwe, die Herzogin Anna Amalie, Tochter Herzog Karl’s zu Braunschweig und Lüneburg, zurückließ, übertragen, und zu voller Zufriedenheit auch des Herzogs Karl August von Weimar ausgeführt. Eine unfreiwillige Unterbrechung seiner Dienstgeschäfte verursachte ihm 1761 die Einnahme Wolfenbüttels durch die Franzosen, welche ihn am 15. October von dort als Geisel mit fortnahmen und in Göttingen, Rheinfels und Metz mehrere Jahre in milder Haft hielten. Er benutzte die Muße zu verschiedenen litterarischen Arbeiten. Als er am 5. Juli 1764 nach Wolfenbüttel zurückgekehrt war, wurde er am 4. Januar 1765 zum wirklichen Geheimenrathe, Kanzlei- und Consistorialpräsidenten ernannt. Da er in dieser Stellung wöchentlich [538] einmal zu den Sitzungen des Geheimerathscollegiums nach Braunschweig fahren mußte, so ließ er sich 1771 seines Alters wegen von diesen Reisen und den laufenden Geschäften jener Behörde dispensiren. Nach dem Tode Schrader’s von Schliestedt aber wurde v. P. am 23. Juli 1773 an seiner Stelle zum ersten Minister und zugleich zum Präsidenten des Kriegscollegiums ernannt. Er mußte als solcher jetzt seinen festen Wohnsitz in Braunschweig nehmen. Als er 1783 seinen Abschied forderte, wollte ihn Herzog Karl Wilhelm Ferdinand nicht ziehen lassen, gewährte ihm aber in zuvorkommendster Weise jede Erleichterung seines Amtes. Am 1. Mai 1786 ist v. P., bis zuletzt geistig frisch, in Braunschweig gestorben. – G. S. A. v. Praun verband mit einer großen Arbeitskraft eine unermüdliche Arbeitslust. Seine zahlreichen Dienstgeschäfte hat er mit seltener Pflichttreue erfüllt, in den verschiedensten Stellen sich stets nicht nur den Ruf eines tüchtigen und kenntnißreichen, sondern auch eines uneigennützigen und rechtschaffenen Beamten erworben. Ihn beseelte innige Anhänglichkeit an sein Fürstenhaus, über dessen Rechte er stets eifersüchtig wachte. Jedes Haschen nach Gunst oder Ehren war seiner offnen ehrlichen Natur vollkommen fremd. Seine liebste Erholung fand er in wissenschaftlicher Beschäftigung. Er hatte für die verschiedensten Wissenschaften ein reges Interesse; sein Hauptarbeitsfeld aber war hier die Erforschung der braunschweigischen Geschichte und Landesverfassung, auf welche ihn nicht selten auch schon die praktischen Aufgaben seines Amtes hinwiesen. Er hat zahlreiche hierauf bezügliche Ausarbeitungen handschriftlich hinterlassen, während er verhältnißmäßig nur weniges zum Druck befördert hat. Er zeigt sich uns in ihnen als ein besonnener und gewissenhafter Forscher, der ein umfangreiches Material mit Sicherheit beherrscht und, ohne Werth auf äußere Darstellung zu legen, nur die Feststellung geschichtlich wahrer Ergebnisse im Auge hat. Es sind zumeist diplomatische, heraldische und numismatische Untersuchungen von ihm erschienen, daneben auch einige anonyme philosophische Arbeiten. Verzeichnet sind dieselben an den unten a. O. bei Remer und Meusel. In seiner Stellung zu Lessing ist v. P. oft ungerecht beurtheilt worden. An Alter und Lebensanschauungen sehr von ihm verschieden ist er zwar in nähere Beziehung zu ihm, wie es scheint, nicht getreten, aber er hat ihm auch niemals in kleinlicher Weise Schwierigkeiten bereitet, ja seine Stellung durch die geplante Berufung Langer’s als zweiten Bibliothekars wesentlich zu erleichtern gesucht. – P. ist zwei Mal verheirathet gewesen. Am 17. Juli 1728 vermählte er sich mit Friederike Luise von Brandenstein, die Hofdame bei der Herzogin Christine Luise gewesen war, und am 2. Juni 1745 starb, darauf am 15. Febr. 1746 mit deren Schwester Dorothea Marie Anna Eleonore v. B., die erst am 20. December 1791 verstorben ist. Jene gebar ihm 8 Söhne und 4 Töchter, diese 2 Töchter; nur 2 der Söhne haben den Vater überlebt, Karl, der später Geheimerath wurde († am 30. März 1808) und August Ernst, der als Oberforstmeister in Walkenried am 31. December 1806 gestorben ist. –

Vgl. den Lebenslauf v. P.’s von J. A. Remer im historischen Portefeuille auf d. J. 1788 Juli, Stück 7, 42–58 und wiederholt in der zweiten von Remer besorgten Ausgabe des braunschweig-lüneburgischen Siegelcabinets v. Praun’s, (Br. 1789) 3–24. – Meusel, Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller Bd. X, 531–536. – Ueber Praun’s Stellung zu Lessing vgl. Schönemann im Serapeum 1844, S. 213 ff., 229 ff. und Akademische Blätter herausgegeben von Sievers, S. 605–612. Dazu die Personalacten v. P.’s, die von seinem Urenkel, Oberlandesgerichtsrath v. Praun in Braunschweig, dem Unterzeichneten zur Verfügung gestellt sind.