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Artikel „Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 272–281, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karl_Wilhelm_Ferdinand&oldid=- (Version vom 3. Oktober 2024, 10:20 Uhr UTC)
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Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, ältester Sohn des Herzogs Karl I. und seiner Gemahlin Philippine Charlotte, einer Schwester Friedrichs des Großen, wurde am 9. October 1735 zu Wolfenbüttel geboren. Er wuchs in den geistig sehr angeregten Kreisen auf, welche seine Eltern, besonders in Braunschweig, um sich zu versammeln wußten. Seine erste Erziehung, die v. Wittorf, ein leichtsinniger Lebemann, als Hofmeister [273] leitete, war von Mißgriffen nicht frei. Aber bald wurde dem Prinzen in dem würdigen Abte Jerusalem ein vorzüglicher Lehrer gewonnen, der auf seine ganze geistige und religiöse Entwickelung den nachhaltigsten Einfluß ausübte. Er erhielt eine gründliche vielseitige Bildung, welche er durch den Besuch des neugegründeten Collegium Carolinum in Braunschweig, sowie durch Reisen, die er 1751 und 1752 in Holland, Frankreich und Deutschland unternahm, noch vervollkommnete. Mit Leidenschaft war K. W. F., zumal in seinen jungen Jahren, Soldat. Er that sich im siebenjährige Kriege auf das Vortheilhafteste hervor. An der Spitze zweier Bataillone erstürmte er in der Schlacht bei Hastenbeck eine feindliche Batterie, und nicht zum wenigsten durch sein kühnes Eingreifen wäre der Tag für die verbündeten Truppen siegreich geworden, wenn nicht der Herzog von Cumberland in unbegreiflicher Kopflosigkeit den Rückzug angeordnet hätte. Als Herzog Karl mit den Franzosen bei ihrem Einrücken in die braunschweigischen Lande eine Convention abgeschlossen hatte, wollte der Erbprinz K. W. F. auf Reisen gehen. Auf dem Wege nach Holland traf er in Hamburg seinen Oheim Herzog Ferdinand, der an Cumberland’s Stelle den Oberbefehl übernommen hatte. Durch dessen dringende Vorstellungen bewogen, sich dem Kampfe wider die Franzosen aufs Neue anzuschließen, nahm er an demselben bis zum Friedensschluß den ruhmvollsten Antheil. In der Schlacht bei Minden vorzüglich errang er sich neue Lorbeeren. König Friedrich sang sein Lob in einer Ode; er war der Ansicht, daß die Natur den Jüngling zu einem Helden bestimmt habe. Am 16. Januar 1764 vermählte sich der Erbprinz K. W. F. mit der Tochter des Prinzen Friedrich Ludwig von Wales, Auguste, die ihm eine äußerst reiche Mitgift zuführte. Im Spätsommer 1765 brachte er die Gattin nach England, wo dieselbe ihre Entbindung abwarten sollte. Als sie dem Erbprinzen Karl Georg August am 8. Februar 1766 das Leben geschenkt hatte, trat K. W. F. bald darauf eine längere Reise an. Er begab sich zunächst nach Frankreich, wo er mit Ehren überhäuft wurde. Besonders bemühten sich in Paris der Hof und der hohe Adel, ihn durch Feste aller Art zu feiern. Sein Auftreten war fürstlich, entsprechend dem Ansehen seines Hauses und dessen Familienverbindungen; er zeigte sich niemals so freigebig und glänzend wie auf dieser Reise. Nicht minder gern als in den aristokratischen Kreisen verkehrte er mit den geistigen Größen der Weltstadt. So vor Allem mit Marmontel, der von dem Herzoge stets mit großer Verehrung sprach. Von Frankreich ging er zunächst in die Schweiz, besuchte Voltaire in Verney und reiste dann nach Italien. Längere Zeit verweilte er in Rom. Auch hier fand er eine so ehrenvolle Aufnahme, wie sie kaum je einem protestantischen Prinzen zu Theil geworden. Allem anderen Verkehr aber zog er den Winckelmann’s vor, mit welchem er unermüdlich die reichen Kunstschätze der Stadt Rom und ihrer Umgebung besichtigte. Bis Neapel dehnte er seine Reise aus und kehrte dann über Paris, wo er mit seiner Gemahlin wieder zusammentraf, nach der Heimath zurück. Das Land befand sich zu jener Zeit gerade in der traurigsten Lage, die Finanznoth hatte nach dem siebenjährigen Kriege ihren Gipfel erreicht. Schleunige Hülfe war dringend von Nöthen. Diese wurde dem Lande vor Allem durch den Erbprinzen gebracht. Wie er durch kluge Maßregeln besonders mit Hülfe des Geheimen Raths Féronce v. Rotenkreuz (s. d.) den Credit des Landes wiederherstellte und eine gründliche Ordnung im Finanzwesen schuf, ist in einem früheren Aufsatze (s. Karl I.) bereits geschildert worden. Mit Recht verehrten ihn die Braunschweiger wie als tüchtigen Kriegshelden, so als Retter des Landes vor dem finanziellen Bankerott. Als sein Vater am 26. März 1780 gestorben war, trat K. W. F. die Regierung des Herzogthums an. Er führte dieselbe in echt landesväterlichem Sinne, sparsam [274] und haushälterisch, aber wohlwollend, stets auf das Beste der Unterthanen bedacht, gemäßigtem Fortschritte nicht abgewandt. Ihm widerstand alles gewaltsame Durchgreifen. Er betrachtete die Sache von allen Seiten, gestand abweichenden Ansichten ihre Berechtigung zu und zögerte mit dem Entschlusse. Seine Thatkraft wurde dadurch nicht selten in bedenklicher Weise gelähmt. Nicht nur in seinen Feldzügen, auch bei seinen Regierungshandlungen tritt dieser Zug deutlich hervor. Begegneten seinen Plänen, die er mit einsichtiger Bedächtigkeit entworfen, größere Schwierigkeiten, erregten sie namentlich den Widerspruch weiterer Kreise, so gab er sie mitunter auf halbem Wege wieder auf. Besonders war das der Fall, wenn er sich in Widerspruch mit seinen Landständen wußte. Seine Sparsamkeit erschien zuweilen drückend und übertrieben, aber Niemandem legte er größere Entbehrungen auf als sich selber. Auch litt die Verwaltung des Landes dadurch in keiner Weise. Im Gegentheil suchte er alle Einrichtungen zweckmäßig weiter zu entwickeln. Er zahlte seinen Beamten meist nur sehr mäßige Gehalte, aber er zog doch auch wieder tüchtige Leute gegen höhere Besoldung gern in seine Dienste. So vor Allem den Freiherrn K. A. v. Hardenberg (s. d.), den späteren preußischen Staatskanzler Fürsten v. Hardenberg, der 1782–90 als braunschweigischer Geheimrath eine rege Thätigkeit entfaltete. Ueberhaupt besetzte er höhere Staatsdienerstellen mit sehr einsichtsvollen Männern. Außer Féronce v. Rotenkreuz, v. Praun (s. d.) sind hier besonders noch der Hofrath, spätere Geheime Rath Mahner und der Geheime Legationsrath, spätere westphälische Staatsrath Henneberg zu nennen. Der Herzog wandte besonders dem Erziehungswesen eine sehr große Sorgfalt zu. Er suchte auch hier den Forderungen der Zeit möglichst gerecht zu werden, indem er den wol einzig dastehenden Versuch machte, das gesammte Erziehungswesen des Landes von Staatswegen nach philanthropischen Grundsätzen umzugestalten. Dieser Plan wurde vorzüglich durch den Geheimen Rath v. Hardenberg unterstützt. Man wollte die Leitung der Schule der Kirche vollständig nehmen und sie dem durch Verordnung vom 12. Juni 1786 neugegründeten Schuldirectorium übertragen, das über alle Schulen in den Städten und auf dem Lande, die sämmtlichen Lehrer, auch über die Geistlichen, die an ihnen beschäftigt waren, die unumschränkte Aufsicht führen sollte. Campe hatte ein umfassendes Gutachten geliefert. Dasselbe enthielt auch Vorschläge zur Umgestaltung der theologischen Erziehung, zu deren Ausführung man den Dr. Bahrdt nach Helmstedt berufen möchte. Doch konnten weder Hardenberg noch der Herzog diesen letzten Entwurf gutheißen. Um Druck, Verlag und Betrieb neuer brauchbarer Schulbücher zu bewerkstelligen und zu erleichtern, gründete Campe mit Unterstützung der Regierung die Schulbuchhandlung in Braunschweig. Kaum war aber die neue Behörde errichtet, als auch schon der landständische Ausschuß mit heftigen Einwendungen hervortrat, obwol unter den Landesdesiderien Verbesserung des Schulwesens zum Oefteren gefordert war. Man erblickte in der Neuerung eine Ueberschreitung der landesherrlichen Befugnisse. Die Geistlichkeit war äußerst erregt; es erwuchsen für eine gänzliche Trennung von Schule und Kirche erhebliche praktische Schwierigkeiten daraus, daß die Lehrer zumeist auch Kirchendienst zu versehen hatten; der Stadtmagistrat von Braunschweig weigerte sich das Martineum dem Schuldirectorium zu unterstellen. Es wurde eine Commission eingesetzt, welche die Grenzen zwischen Consistorium und Schuldirectorium feststellen sollte. Der ständische Ausschuß forderte die Aufnahme zweier seiner Mitglieder in das Directorium. Alle diese Weiterungen veranlaßten, daß dem Herzoge die Sache gründlich verleidet wurde; zwar behielt er sich die beanspruchten Befugnisse ausdrücklich vor, aber löste doch durch eine Verordnung vom 6. April 1790 das Schuldirectorium wiederum auf. Nicht minder erfolglos verliefen Verhandlungen in Betreff einer Verlegung der Universität [275] Helmstedt nach Wolfenbüttel oder Braunschweig. Kein Zweifel, daß zumal an letzterem Orte sich manche Institute nutzbringend mit ihr hätten vereinigen lassen, während sie in ihrem damaligen Zustande mit den in der Nähe aufblühenden Schwesteranstalten Halle und Göttingen nicht gleichen Schritt zu halten vermochte. Doch zogen sich die Vorberathungen, die seitens der Regierung hauptsächlich Hardenberg als Curator der Universität leitete, in die Länge und nach Ausbruch der französischen Revolution wie bei den nachfolgenden Kriegswirren gerieth die Angelegenheit bald völlig in Stillstand. Dagegen trugen des Herzogs Bemühungen für Verbesserung des Schulwesens in anderer Beziehung ihre guten Früchte. Das Katharineum in Braunschweig erhielt unter Heusinger’s Leitung vortreffliche Einrichtungen und tüchtige Lehrer. Der unermüdlichen Thätigkeit Junker’s (1798 von einem Magdeburger Pfarramte nach Braunschweig berufen) gelang es, aus der Garnison- und Waisenschule eine Musteranstalt zu schaffen, die Seminaranstalt im Waisenhause zu Braunschweig neu zu ordnen und ein Vorseminar ins Leben zu rufen. Das Consistorium wurde angewiesen, das Schulwesen auf dem Lande zu beaufsichtigen und thunlichst zu fördern, die Geistlichen zur regelmäßigen Visitation ihrer Schulen anzuhalten etc. Auch im Kirchenwesen suchte K. W. F. zeitgemäße Umgestaltungen zu treffen. Schon seit einiger Zeit hatte man zweckmäßigere liturgische Anordnungen und einen verbesserten Landeskatechismus gefordert. Auf Vorschlag des Generalsuperintendenten Küster hatte besonders das geistliche Gericht Braunschweig 1794 hierauf bezügliche Wünsche geäußert und die theologische Facultät zu Helmstedt sich in einem von Henke verfaßten Gutachten zustimmend ausgesprochen. Aber das Consistorium verwarf die geplanten Neuerungen auf das Entschiedenste und der ständische Ausschuß trat demselben bei, so daß es bei den bisherigen Zuständen sein Bewenden behielt. Damit trat K. W. F., welcher in seinen Plänen bei dem größten Theile der Geistlichkeit des Landes volle Unterstützung gefunden hatte, von weiteren Reformversuchen auf einem Gebiete zurück, auf welchem er bei ruhigeren Zeiten, zumal unter Henke’s Beirath, noch Manches hätte erreichen können. Gegen Andersgläubige war der Herzog sehr milde gesinnt; Reformirte, Katholiken und Juden hatten sich durch ihn mancher langerstrebten Freiheiten und Berechtigungen zu erfreuen. Einer gründlichen Umgestaltung bedürftig erschien vor Allem auch die Gerichts- und Finanzverwaltung, deren verwickelte Verhältnisse nur schwer einen Ueberblick gestatteten. Der Wirkungskreis der Justiz- und Verwaltungsbehörden war auf das innigste in einander verwachsen, die Competenzabgrenzungen der zahlreichen Gerichtsämter liefen wunderlich durch einander her und einer schnellen, sicheren Rechtspflege erwuchsen dadurch unzählige Schwierigkeiten. Aehnlich das Finanzwesen. Die Steuern wurden theils in die Landrenteikasse, theils in eine Anzahl herzoglicher Kassen erhoben, zwischen denen beständig Abrechnungen, Hin- und Herzahlungen stattfinden mußten. In Folge dieser Einrichtung, die eine unverhältnißmäßig große Zahl von Beamten erforderte, gestaltete sich die Verwaltung äußerst kostspielig. Während indeß der Herzog, vielleicht aus Scheu vor neuen Conflicten mit den Ständen, es unterließ, durch Vereinfachung des Geschäftsganges und Verminderung der Behörden hier Abhülfe zu schaffen, strebte er daneben, auf anderem Wege das Land vor einer Wiederkehr der ehemaligen Schuldenlasten zu bewahren. In dem berühmten Schuldenedict vom 1. Mai 1794 knüpft er aus freien Stücken die Belastung des Kammerguts mit Schulden, die Veräußerung und Verpfändung von Dominialgut an die Zustimmung der Landstände und bindet sich sonach selbst die Hände, damit „das enge Band zwischen dem Wohlstande des Landesherrn und der Glückseligkeit der Unterthanen nie möge geschwächt oder wol gar aufgelöst werde.“ Wie weise diese selbstlose Maßregel des Fürsten für das Wohl seines Landes berechnet war, hat [276] sich einige Jahrzehnte später unter seinem unwürdigen Enkel, dem Herzoge Karl II., zur Genüge gezeigt. Um überhaupt die Lasten der Unterthanen nach Kräften zu erleichtern, hob der Herzog schon im ersten Jahre seiner Regierung die Kopfsteuer auf und ermäßigte späterhin die Contribution und die Accisegefälle. Das Staatsgut erfuhr nicht unwesentliche Bereicherungen. Als einen dankenswerthen Gewinn mußte man, zumal für den Augenblick, den mit dem hannöverschen Kurhause abgeschlossenen Receß vom 4. October 1788 betrachten, durch welchen die bislang gemeinsamen harzischen Güter bis auf die Bergwerke am Unterharz und einiges Andere aufgetheilt wurden. Braunschweig erhielt in 3/7 des Territoriums höchst werthvolle Forsten, Hannover in 4/7 die Städte Zellerfeld, Grund, Wildemann, Lautenthal und den Bergbau des Oberharzes. Letzterer erforderte sehr bedeutende Zuschüsse. Die Ausführung des Reichsdeputationshauptschlusses vom 25. Februar 1803 wandte dem Herzogthum reiche Domänen zu. Es wurden in Folge desselben die Güter des Stifts Gandersheim und der ihm incorporirten Klöster Brunshausen und Klus, der Stifter St. Blasii und St. Cyriaci in Braunschweig, des Klosters St. Ludgeri bei Helmstedt für den Staat eingezogen. So war die Finanzlage bei Beendigung der Regierung Karl Wilhelm Ferdinands äußerst zufriedenstellend. Nebenher wurden auf Anregung und unter thätiger Beihülfe eines der Erzieher des Erbprinzen, des Geheimen Justizraths Leisewitz, Dichters des „Julius von Tarent“, wesentliche Verbesserungen im Armenwesen getroffen, gewerbliche Unternehmungen vom Herzog ins Leben gerufen, mit dem Bau guter chaussirter Landstraßen eifrig der Anfang gemacht. Nicht am wenigsten lag dem Herzog die Verschönerung seiner Residenzstadt am Herzen. Die nutzlos gewordenen Festungswerke wurden abgetragen und an deren Stelle unter der Leitung des Baumeisters P. J. Krahe, den man vom Rhein hatte kommen lassen, anmuthige Promenaden angelegt. Freilich war der Blick des Herzogs, wenngleich er selbst eine Anzahl neuer Gebäude aufführen ließ und zugleich Privatleuten den Bau thunlichst erleichtern half, immer nur auf das Nützliche gerichtet. Dem mittelalterlichen Ansehen der Stadt Braunschweig geschah durch Abbruch interessanter Baudenkmäler erheblicher Eintrag, die zahlreich im Lande zerstreuten Schlösser wurden eben hingehalten, zum Theil praktischen Zwecken eingeräumt. Auch für die Kunstanstalten, namentlich die Sammlungen seines Vaters, hat der Herzog nicht viel aufgewendet, obwol er zeitweise sich mit der Absicht trug, eine Kunstakademie in Braunschweig zu errichten. Wenn er sogar die reichen Schätze des wolfenbüttler Zeughauses, die kostbaren Rüstungen früherer Mitglieder des Fürstenhauses öffentlich versteigern ließ, so entsprach eine solche Maßregel immerhin dermaßen dem Geiste jenes rationalistischen Zeitalters, daß die Zeitgenossen auch hierin den sparsamen, haushälterischen Sinn des Herzogs zu rühmen fanden. Allerdings lag hinreichend Anlaß vor, das landesväterliche Walten des Fürsten dankbar anzuerkennen. Der persönlichen Anregung Karl Wilhelm Ferdinands sind fast alle Fortschritte im Staatswesen zu verdanken. Mit den Staatsverwaltungsgeschäften bis in die kleinsten Einzelheiten vertraut, erledigte er mittelst einer bewunderungswürdigen Arbeitskraft und Arbeitslust und in gleicher Sorgfalt und Pünktlichkeit die wichtigen und die unwichtigen Regierungsgeschäfte. Mehrfach gab das Land der innigen Verehrung Ausdruck, die es für seinen Fürsten hegte. Aber kein Lob wiegt schwerer als das, welches ihm der Feind ertheilte. Bei Eröffnung der Landstände zu Kassel äußerte sich der wackere westphälische Minister Siméon voll rückhaltsloser Anerkennung: „Braunschweig war glücklich durch die Weisheit und gute Verwaltung seines Fürsten.“

Neben dieser emsigen Regentenwirksamkeit hat K. W. F. eine sehr ausgedehnte Thätigkeit im Dienste der preußischen Krone entfaltet. Hier war er als Heerführer wie als Diplomat und Berather der Regierung auf das Mannigfachste [277] beschäftigt. Er hatte den Rang eines preußischen Generalfeldmarschalls erhalten und war Chef eines in Halberstadt garnisonirenden magdeburgischen Regiments, welches er nicht ohne große Kosten zu einer Mustertruppe des Heeres heranzubilden suchte. Sein kleines Land bestrebte er sich von der hohen Politik möglichst fern zu halten, um den aufblühenden Wohlstand nicht aufs Spiel zu setzen. Er hatte den Ehrgeiz, nur durch seine Persönlichkeit Einfluß zu erlangen bei Erledigung der Fragen, welche damals die Welt bewegten. Hier erhielt er bald eine sehr große Bedeutung, der seine wirkliche Machtstellung wenig entsprach. Das zeigte sich sehr deutlich, wenn es galt mit eigenen Kräften den politischen Ansichten Rückhalt zu verschaffen. Ueberhaupt wirkte die Enge seines Staatswesens, dessen Schuldenmenge ihm freie Bewegung selten gestattete, die hierdurch entstandene Gewöhnung stets mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die er mehr behutsam zu beseitigen als kühn von sich zu stoßen suchte, auch auf das Entwerfen politischer Pläne ungünstig ein. Er war ein gewandter Diplomat, scharf beobachtend, kalt berechnend, aber zu viel erwägend, kein Staatsmann höheren Stiles, der mit der ruhigen Sicherheit des Genies die einmal gefaßten Pläne fest und entschieden verfolgt. Sein ängstliches Bestreben, Alles ohne Tadel auszuführen, ließ ihm auch einen großen Wurf niemals gelingen. Er kehrte sich sorgsam an die Meinungen zumal Höhergestellter; ein plötzlicher Einwand konnte ihn den bestentworfenen Plan leicht wieder verwerfen lassen. Dadurch wurde seine Thatkraft gelähmt, die Unentschlossenheit, Bedachtsamkeit seines Wesens zu bedenklicher Höhe gesteigert. Das hat sich zumal in den späteren Feldzügen aufs Klarste erwiesen. Er hatte manche Züge mit seinem Oheim Friedrich dem Großen gemeinsam. Schon die großen blauen Augen erinnerten an ihn; er theilte mit ihm die Vorliebe für französisches Wesen und französische Bildung, von der sich sein Vater Karl I. weit freier gemacht hatte, den haushälterischen, strengen Sinn, die Nichtachtung des einzelnen Individuums, die Neigung für Musik, in der K. W. F. Hervorragendes leistete; aber es fehlte ihm das Geniale des großen Königs in der Heerführung wie in der Politik, wenn auch manche Einzelheiten oft an ihn erinnern. Friedrich II. schenkte seinem Neffen ein sehr großes Vertrauen. Wenn er auch zeitweise, wie während des baierischen Erbfolgekriegs, heftig über die Unschlüssigkeit des Herzogs erzürnt war, so ließ er ihn doch häufig an der Berathung wichtiger Fragen nicht unwesentlichen Antheil nehmen. K. W. F. war ein unbedingter Anhänger der preußischen Politik zumal gegen das österreichische Kaiserhaus. Das Auftreten Kaiser Josephs II., der von ihm beabsichtigte Austausch der Niederlande gegen Kurbaiern erregten Besorgniß bei fast allen Fürsten des Reichs vor der drohenden Uebergewalt des Habsburgischen Hauses. Aber die besonnene nüchterne Natur Karl Wilhelm Ferdinands wandte sich dennoch von allen Plänen ab, die ihm keinen praktischen Erfolg versprachen. Als ihn mehrere der kleineren Fürsten, wie Karl August von Weimar, der Fürst von Dessau, der Herzog von Gotha etc., zu einer Vereinigung aufforderten, hielt er den Plan für einen schönen patriotischen Traum, ohne Preußens Mitwirkung für unausführbar. Als aber von diesem aus die Gründung des Fürstenbundes geschah, schloß auch er sich demselben an. Sein damaliger Minister v. Hardenberg wirkte auf das Lebhafteste für diesen Bund; auch England und Hannover wurden durch diesen für denselben gewonnen. Nur einen Vorbehalt machte dem Herzoge die ungünstige Finanzlage seines Landes zur Pflicht, daß bei der Festsetzung seines Contingents die Bestimmung darüber immer von seinem eigenen Ermessen abhängig bleiben sollte. Nach Friedrich II. Tode glaubte man wol, daß der Einfluß des Herzogs in Berlin nun ein maßgebender werden würde. Aber er hatte gar nicht den Ehrgeiz, einen solchen dort geltend zu machen. Nur gelegentlich, meist in Folge an ihn ergangener Aufforderung, trug er seine Ansichten [278] dort vor, vorzüglich in Militärangelegenheiten. Man erblickte in ihm jetzt den ersten Feldherrn seiner Zeit. Als der Herzog von Gotha mit dem Herzoge von Weimar über die Gründung eines Fürstenbundes verhandelt, schreibt ersterer: „Niemand Anders solle das Reichsheer befehligen als der Herzog von Braunschweig; er würde es sich zur Ehre schätzen unter ihm zu dienen.“ Noch erhöht wurde der Kriegsruhm des Herzogs durch die Erfolge, die er 1787 mit leichter Mühe in Holland errang. Als König Friedrich Wilhelm II. sich entschlossen hatte mit gewaffneter Hand in die holländischen Wirren zu Gunsten der oranischen Partei einzugreifen, erhielt K. W. F. den Oberbefehl über das preußische Heer. Ohne offenem Widerstande zu begegnen, durchzog er das Land. Er eroberte Amsterdam und brach damit die Gegenwehr der republikanischen oder patriotischen Partei. Die Macht des Erbstatthalters wurde neu wieder hergestellt. Der Herzog erlangte auch bei seinen Gegnern ein sehr bedeutendes Ansehen. Als die Patrioten 1789 den Plan gefaßt hatten aus den Provinzen Brabant und Flandern eine Republik zu bilden, forderten sie ihn auf sich an ihre Spitze zu stellen und sicherten ihm die Herrschaft über ein aus den Provinzen Limburg, Geldern und Luxemburg zu bildendes Gebiet zu. Der Herzog, welcher derartige Verhandlungen stets durch Mittelspersonen führen ließ, verhielt sich erst längere Zeit abwartend; er brach dieselben erst vollständig ab, als Preußen sich in der Reichenbacher Convention verpflichtet hatte, Oesterreich wiederum zu dem Besitze der Niederlande zu verhelfen. Noch mehr konnte ein anderer Antrag überraschen, der dem Herzoge aus Frankreich zuging. Man wollte ihn hier mit der schwierigen Aufgabe betrauen, das französische Heer vollständig neu zu reorganisiren. Der Plan ist von dem Kriegsminister v. Narbonne, wenn nicht ausgegangen, so doch bereitwillig aufgenommen; auch König Ludwig XVI. war mit ihm einverstanden. Der junge v. Custine weilte Anfang des Jahres 1792 längere Zeit in Braunschweig, um den Herzog für diese Aufgabe zu gewinnen. Aber diesem schien das Wagniß zu groß, der Erfolg zu zweifelhaft, wenn sein Ehrgeiz auch für die Verlockungen des Anerbietens keineswegs unempfindlich blieb. Bald nachdem Custine Braunschweig verlassen, reiste der Herzog nach Potsdam, um an den preußischen Kriegsberathungen Theil zu nehmen. Er war dort vielleicht der Einzige, der die Schwierigkeit des Unternehmens richtig erkannte und die gewaltige Kraft der nationalen Bewegung in ihrem ganzen Umfange würdigte. Er stand damals auf dem Gipfelpunkte seines Ruhmes. Bald sollte der bewunderte Vertreter der Friedericianischen Schule im Kampfe mit den frisch aufstrebenden revolutionären Mächten des Nachbarreiches, mit dem gewaltigen Erben der Revolution an jenem Ruhme die beträchtlichste Einbuße, zuletzt gänzlichen Schiffbruch erleiden. Wenn K. W. F. auch die Emigranten in nicht unbedeutender Anzahl in sein Land aufnahm, dem Könige Ludwig XVIII. als comte de Lille sogar in Blankenburg durch dritte Personen ein Unterkommen besorgte – das dortige Schloß ihm einzuräumen weigerte er sich aus politischen Gründen –, so war er doch keineswegs für einen Krieg gegen die Franzosen sehr eingenommen. Ihn beherrschte gegen Oesterreich ein starker Widerwille, welcher der Grundzug der Politik Friedrichs II. gewesen war. Ungern zog er mit diesem Staate in Waffenbrüderschaft zu Felde. Er erhielt den Oberbefehl über die Truppen der verbündeten Mächte; ein von ihm entworfener Feldzugsplan wurde dem Unternehmen zu Grunde gelegt. Man wollte die Maasfestungen und damit eine sichere Grundlage für einen zweiten kräftigeren Feldzug gewinnen. Die Bedingungen, unter denen der Herzog seine Aufgabe übernahm, waren sehr ungünstig, doppelt ungünstig aber für einen Charakter wie den des Herzogs. Ein kraftvoller rücksichtsloser General würde gewiß verstanden haben auch der widrigen Umstände Herr zu werden. Aber bei dem Herzoge entsprach die eigene Unlust [279] zu dem Feldzuge der Langsamkeit, mit der die Rüstungen betrieben wurden, der Unvollständigkeit der Machtmittel, mit denen man den Krieg begann. Die Politik trat einem entschiedenen Handeln Schritt für Schritt hindernd in den Weg. Die Bundesgenossen trauten sich unter einander nicht. Während sie im Westen Krieg führen wollten, waren ihre Gedanken im Osten argwöhnisch beschäftigt. So wurde der geeignetste Zeitpunkt zum Schlagen leichtsinnig verpaßt. Erst im Spätsommer 1792 wurden die Operationen eröffnet. Denselben voran ging das berüchtigte Manifest des Herzogs vom 25. Juli 1792, das, von dem blinden Hasse kurzsichtiger Emigranten verfaßt, die maßlosesten Drohungen gegen die französischen Revolutionäre, besonders die Stadt Paris, enthielt. Als das traurige Schriftstück die Zustimmung der Monarchen gefunden, wagte der Herzog nicht Bedenken gegen dasselbe zu erheben; er unterschrieb es in einem Augenblicke unverzeihlicher Schwäche. Ein kühner Angriff der wohldisciplinirten preußischen Truppen würde unter energischer Führung über die zusammengewürfelten französischen Schaaren zweifellos den Sieg davon getragen haben. Unaufhörlich drängte König Friedrich Wilhelm II. zu entscheidender Feldschlacht. Der Herzog ließ sich jedoch in seiner methodischen bedächtigen Kriegführung nicht stören. Zwar gibt er dem Könige nach, indem er die Maasfestungen im Rücken liegen läßt. Aber er führt den veränderten Kriegsplan nicht ehrlich durch, auf Umwegen sucht er doch seine ursprüngliche Absicht zu erreichen, die er sich scheut offen vor dem Könige zu vertheidigen. Er mißtraut sich und seinen Kräften; darüber verliert er den Blick für die Blößen, welche die Feinde sich mehrfach geben. Vor Allem offenbarte sich bei Valmy diese Unentschlossenheit des Herzogs in ihrer ganzen Schädlichkeit. Die zwecklose Kanonade hatte keinen Erfolg. Wäre derselben von preußischer Seite ein kräftiger Angriff gefolgt, so wären nach dem eigenen Zugeständniß der Franzosen die Heere Kellermann’s und Dumouriez’ ohne Zweifel vernichtet worden. Der König wurde immer unzufriedener mit der Heerführung des Herzogs. Das empfand dieser sehr wohl; seine Unsicherheit wurde dadurch nur noch vermehrt. Er fühlte sich beleidigt, daß directe Befehle des Königs an ihm untergebene Offiziere ergingen. Die Eigenwilligkeit des österreichischen Generals Wurmser bereitete ihm mancherlei Schwierigkeiten und Verdruß. Es würde hier zu weit führen die einzelnen Kriegsoperationen des Näheren zu verfolgen. Genug, daß zumeist durch des Herzogs Schuld die Feldzüge zweier Jahre, wenn auch einzelne Siege des Herzogs, wie bei Pirmasens und Kaiserslautern, die alte Waffenehre aufs Neue bethätigten, doch ohne eigentliches Ergebniß verliefen, daß dadurch für die verbundenen Mächte viel verloren, für Frankreich viel gewonnen war. In großer Verstimmung legte der Herzog den Oberbefehl im Anfange d. J. 1794 nieder, den darauf der Feldmarschall v. Möllendorf erhielt. Schon damals wurden öffentlich gegen den Herzog heftige Anklagen erhoben. Er ließ sie unbeantwortet, aber er sprach die Erwartung aus, daß man dereinst seine Rechtfertigung aus seinen Papieren erweisen werde. Leider sind diese Acten zum größten Theile absichtlicher oder elementarer Vernichtung anheim gefallen. Auch ein richtiger vollständiger Einblick in die politische Thätigkeit des Herzogs wird durch diesen Verlust außerordentlich erschwert. Er nahm auch in der Folgezeit an den Berathungen der preußischen Politik nicht unwesentlichen Antheil. Er ergriff zwar mit seinen Ideen fast niemals die Initiative, gab selten den Ausschlag, aber als gewandter Vermittler, zu dem ihn seine Talente, sein Ansehen, seine fürstliche Stellung und seine Familienverbindungen besonders befähigten, wurde er öfter mit Vortheil verwandt. So in Verhandlungen mit England, an dessen Herrscherhaus ihn enge verwandtschaftliche Bande knüpften. Letzteres hinderte ihn übrigens nicht die Erwerbung Hannovers für Preußen zu wünschen. Nach Petersburg unternahm er 1803 eine erfolgreiche diplomatische Sendung, um ein freundliches [280] Verhältniß zwischen dem preußischen und russischen Hofe zu Stande zu bringen. Eine genaue Darstellung der politischen Wirksamkeit des Herzogs ist bislang noch nicht geliefert worden. Leider ließ sich der Herzog in hohem Alter noch einmal bewegen, als es zwischen Preußen und Frankreich zur Waffenentscheidung kam, an die Spitze der preußischen Truppen zu treten. Lange hatte er sich gesträubt. Erst die beredten Worte der Königin Luise, die persönlich nach Braunschweig kam, vermochten ihn zur Annahme der verantwortungsvollen Stellung. Dem Feldherrngenie eines Napoleon war er nicht gewachsen. Die Doppelschlacht von Jena und Auerstädt vernichtete wie das alte Staatswesen Friedrichs des Großen, so den Kriegsruhm des Herzogs. Schon bei Beginn des Kampfes beraubte ihn eine feindliche Kugel des Augenlichts. Er wurde, ein völlig gebrochener Mann, vom Schlachtfelde geführt, vor dem siegreich nachrückenden Feinde um den Harz nach Braunschweig geflüchtet. Da sein Herzogthum neutral geblieben war, er selbst nur als preußischer Offizier sich an dem Kriege betheiligt hatte, so hoffte der tödtlich verwundete Fürst für sich und sein Land Gnade von Napoleon zu erlangen. Aber mit schnödem Hohn wies dieser die Bitte zurück. So mußte die Flucht dann fortgesetzt werden durch die Lüneburger Haide über Hamburg nach Ottensen, wo der greise Held am 10. November 1806 verschieden ist. Die Leiche ruhte auf dem Kirchhofe daselbst, bis sie 1819 in der Domgruft zu Braunschweig feierlich beigesetzt ward. Das letzte Werk vor seinem Tode war die Feststellung der Regierungsnachfolge in seinem Herzogthume. Der Erbprinz Karl Georg August war bereits am 20. September 1806 plötzlich gestorben. Die beiden nun ältesten Söhne Georg Wilhelm Christian (geb. am 17. Juni 1769, † am 16. September 1811) und August (geb. am 18. August 1770, † am 18. December 1820) waren zur Regierung nicht fähig, da jener geistesschwach, dieser blind war. Es gelang sie zu einem Verzichte auf die Thronfolge zu bewegen, den sie am 27. October 1806 zu Gunsten ihres jüngeren Bruders, des Herzogs Friedrich Wilhelm (s. d.) ausstellten.

So überbedächtig K. W. F. in seinem Alter sich zeigte, so leidenschaftlich war er in seiner Jugend. Er hatte von Natur einen äußerst heftigen, leicht in Jähzorn ausbrechenden Sinn. Aber schon als Knabe lernte er seiner leidenschaftlichen Regungen Herr zu werden, vollkommene Gewalt über sich zu gewinnen. Sein Erzieher, der Abt Jerusalem, verglich sehr richtig den lebendigen Geist des jungen Fürsten mit einem Feuer, das in einem feuerfesten Gewölbe eingeschlossen sei. Das Vorbild seines Oheims, Friedrichs des Großen, die Noth des Landes, das er von großer Schuldenlast befreien mußte, spornten ihn zu emsiger Thätigkeit, zu treuer Pflichterfüllung an. Er war wol der fleißigste Mann in seinem Staate. Aber die verzweifelte Lage seines Landes, sein Bemühen derselben abzuhelfen machte ihn auch hart gegen die Menschen; er war mitunter bei der Wahl der Mittel die Finanzen des Staates zu heben kleinlich, fast grausam. So gab er kaltherzig den Befehl, Krüppel und Lahme bei der Rückkehr der braunschweigischen Truppen in Amerika zurückzulassen. Dabei zeigte er sich leutselig im Verkehr mit dem Bürger und Landmann. Aber er besaß nicht die joviale Gutmüthigkeit seines Vaters. Er that auch hier das Meiste mit Berechnung. Weniger aus Liebe zu seinen Unterthanen als aus Pflichtgefühl traf er seine auf das Wohl des Landes gerichteten Maßregeln. Die Erwägungen des Verstandes überwanden bei ihm stets die Regungen der Leidenschaft. So sehr hatte er seine ursprüngliche Natur zu überwältigen vermocht. Man erkannte später in dem unentschlossenen Feldherrn den Jüngling kaum wieder, der todesmuthig den größten Gefahren sich aussetzte und die Warnungen seiner Begleiter mit den Worten zurückwies: „Mein Vater hat noch mehrere Söhne, die einst regieren können.“ Alle die Leidenschaften, die sonst das Herz eines jungen Menschen erfüllen, die Freuden der Tafel, der Jagd, des [281] Spiels etc. blieben ihm fremd. Nur der bunte Wechsel des Kriegerlebens, sowie die Freuden der Liebe konnten ihn fesseln. Seine gutmüthige, aber geistig unbedeutende Gattin konnte den Ansprüchen des hochgebildeten Fürsten keineswegs genügen. Von seiner italienischen Reise brachte er die Frau v. Branconi[WS 1], eine jugendliche Wittwe, mit heim, der auch ein Goethe seine Bewunderung zollte. Sie gebar dem Erbprinzen in Braunschweig einen Sohn, den Herzog Karl I. durch den Kaiser zu dem Range eines Grafen von Forstenburg erheben ließ. Später lernte K. W. F. in Potsdam als Hofdame seiner Tante das Fräulein H. L. F. v. Hartefeld kennen, das 1777 eine Stelle als Stiftsfräulein in Steterburg erhielt. Sie verlebte den größten Theil des Jahres stets in Braunschweig, wo sie zuletzt eine Wohnung im Schlosse erhielt. Sie war eine edelgesinnte geistreiche Dame, die in anspruchsloser Stille in ununterbrochenem regen, geistigen Verkehre mit dem Fürsten lebte; ihr Tod, der am 31. Juli 1806 erfolgte, war für ihn ein äußerst herber Schlag. Seine Gemahlin überlebte den Herzog um mehrere Jahre; sie starb in London am 22. März 1813. Die westfälische Herrschaft, welche der Regierung Karl Wilhelm Ferdinands folgte, brachte dem Lande bedeutende unleugbare Vortheile. Aber keines von ihren Verdiensten ward nach Gebühr vom Volke anerkannt. Mit Sehnsucht blickte man stets auf die Zeit zurück, wo als angestammter Fürst K. W. F. die Landesregierung führte.

Anmerkungen (Wikisource)