Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Saturninus, Cn. cos. suff. 4 n. Chr.
Band II A,2 (1923) S. 15281531
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11) Cn. Sentius Saturninus, Consul suffectus im J. 4 n. Chr.

a) Name. Cn. Sentius C. f. C. n. Saturninus CIL I2 p. 29[1] Fasti Cap.: Cn. Sentius Saturninus CIL VI 1263.[2] 1264. 6125. 36606, vgl. auch Dessau 9520; Cn. Se[ntius] CIL I2 p. 68[3] Fasti Gabini (min. XI); Cn. Sintius ebd. p. 70 Arv. (min. XIV); Cn. [Sentius] Fastenfragment Not. d. scavi 1902, 268 n. 1 = Bull. com. 1902, 75; Cn. Sentius Tac. ann. II 74. III 7; [Cn. Sentio] [1529] Saturnino stand vielleicht auf dem Steine aus Nikopolis (CIL III 6703,[4] s. u.), auf dem Mommsen [cur(ante) Cn.] Saturnino ergänzte.

b) Leben. S. war ein Sohn, wohl der zweitälteste, des C. Sentius Saturninus, Consuls im J. 19 v. Chr. (Nr. 9). Zusammen mit seinen beiden Brüdern finden wir ihn im J. 7 v. Chr. im Gefolge des Vaters in Syrien (Joseph. ant. XVI 368f.; bell. I 541), vielleicht war er damals Tribun einer syrischen Legion (s. Nr. 10). Im J. 4 n. Chr. wurde er Consul suffectus; am 1. Juli trat er als Nachfolger seines Bruders das Amt an, in dem er C. Clodius Licinus (den Geschichtschreiber) zum Kollegen hatte (s. o. beim Namen; vgl. Mommsen CIL I2 p. 164f.[5] Vaglieri Diz. epigr. II 1072). Stadtrömische Inschriften bekunden, daß die beiden Consuln terminaverunt locum publicum ab privato (CIL VI 1263.[2] 1264 = Dessau II 5938). Vielleicht gelangte S. in der letzten Zeit des Augustus zum Proconsulat von Africa oder Asia (Volusus Valerius Messalla cos. 5 war noch unter Augustus Proconsul von Asia, PIR III p. 371 nr. 96). Als Germanicus im J. 17 mit proconsularischer Gewalt in den Orient entsendet wurde, begleitete ihn S. als Legat (und zwar als legatus pro praetore; zwar erwähnt ihn Tacitus erst zum J. 19, aber es ist kaum zweifelhaft, daß er dem Caesar von vornherein beigegeben war); er war wohl der Ranghöchste unter den Legaten (s. u.). Wenn die Wahl auf ihn fiel, so war dabei gewiß maßgebend, daß er den Orient bereits von früher kannte, aber auch seine (allerdings weitläufige) Verwandtschaft mit Germanicus (vgl. Nr. 9 b) und die ähnliche Vertrauensstellung, die sein Vater bei Tiberius eingenommen hatte, werden mitbestimmend gewesen sein. Nach dem Tode des Germanicus (am 10. Okt. 19) wurde von seinen Legaten und den anderen anwesenden Senatoren die Frage erörtert, wer einstweilen (bis zur endgültigen Entscheidung durch den Kaiser) die Verwaltung Syriens übernehmen solle, dessen Legat Cn. Calpurnius Piso infolge des Zerwürfnisses mit dem Caesar die Provinz verlassen hatte (s. o. Bd. III S. 1381). Außer S. erhob noch C. Vibius Marsus nachdrücklichen Anspruch auf diese Funktion, trat jedoch schließlich hinter S., der ihm an Jahren voranging und sich eifriger darum bemühte, zurück (Tac. ann. II 74; Marsus war erst im J. 17 Consul gewesen). Auf Verlangen der Legaten Vitellius und Veranius, die gegen Piso eine Anklage wegen Giftmordes vorbereiteten, sendete S. die angebliche Giftmischerin Martina nach Rom (Tac. II 74. III 7). Piso ging mit den Seinen zu Rate, wie er sich S. gegenüber verhalten solle (Tac. II 76. 77). Ganz klar war die Rechtslage nicht: zweifellos war Piso der unmittelbar vom Kaiser ernannte rechtmäßige Legat, während Germanicus’ Imperium durch seinen Tod erloschen war, aber Piso hatte seinen Amtsbereich ohne ausdrückliche kaiserliche Erlaubnis verlassen und hätte sich zur Rechtfertigung nur auf einen Befehl des Germanicus berufen können, den er doch selbst nicht als rechtsgültig ansah (vgl. Tac. II 70. 76. 78 und dazu Viertel Tiberius u. Germanicus 1901, 38); überdies konnte S. geltend machen, daß die Provinz nicht ohne Legaten bleiben dürfe. Nach dem Tode seines Feindes faßte Piso den Entschluß, seine Statthalterschaft wieder [1530] anzutreten, und rechtfertigte sein Vorgehen in einem Schreiben an den Kaiser (II 78). Da anzunehmen war, daß S. sich widersetzen werde, war der Bürgerkrieg unvermeidlich geworden (vgl. Tac. II 76). Piso rechnete darauf, daß die Legionen sich freiwillig ihrem alten Legaten anschließen würden, aber gleich der erste Versuch dieser Art, den Domitius Celer unternahm, schlug fehl (Tac. II 79). S. teilte ihm dies mit und warnte ihn gleichzeitig davor, die Ruhe der Provinz und die militärische Zucht zu erschüttern (Tac. II 79), aber sein Gegner ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen und besetzte zunächst das kilikische Kastell Kelenderis. In einer Ansprache an seine zusammengewürfelte Mannschaft verteidigte er sein Anrecht auf Syrien und beschuldigte S., daß er ihn nicht aus sachlichen Gründen, sondern aus Privathaß von seiner Provinz fernzuhalten suche (Tac. II 80). Gegen ihn führte S. reguläre Truppen (unter ihnen die Legio VI. Ferrata oder eine Vexillation derselben) heran, denen das ungeschulte Aufgebot Pisos nicht standhalten konnte. Nach einem unglücklichen Treffen mußte sich Piso in das Kastell zurückziehen (Tac. II 80). Noch einmal versuchte er, von der Mauer herab seine früheren Soldaten persönlich zu gewinnen, und hätte beinahe einen Erfolg erzielt, da ließ S. zum Sturmangriff vorgehen und vereitelte damit seine Bemühungen. Piso sah jetzt die Zwecklosigkeit eines weiteren Widerstandes ein; er verlangte, nach Auslieferung der Waffen, im Kastell bleiben zu dürfen, bis der Kaiser die Entscheidung gefällt habe, erreichte aber nur, daß ihm sein Gegner die sichere Fahrt nach Rom ermöglichte (Tac. II 81).

Wie Tiberius selbst sich zu dem Vorgehen des S. stellte, sagt uns Tacitus nicht, aber die Inschrift einer Wasserleitung, die im Namen des Kaisers für die Stadt Nikopolis am Golf von Issos angelegt wurde, spricht dafür, daß er sie nachträglich anerkannt, und S. zu seinem Legaten in Syrien ernannt hat (CIL III 6703).[4] Die Bauurkunde, die zwischen 21 und 30 n. Chr. gesetzt ist (Tiberius heißt cos. IIII.), schließt mit den Worten: [Cn. Sentio] Saturnino leg(ato) Caesaris Augusti (zur Ergänzung des Namens s. o.). Mommsen läßt zwei Möglichkeiten offen: entweder habe S. als Legionslegat die Stellvertretung des Statthalters gehabt oder er sei von Tiberius dem Piso zum Nachfolger gegeben worden; diese Kombination zieht er vor (ebenso Dessau PIR III 200 nr. 295. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I4 329. Lang Beitr. z. Gesch. d. Ti. 91) – mit Recht, denn abgesehen davon, daß die Ausdrucksweise der Inschrift für einen Legionslegaten ungebräuchlich ist, kann doch der Consular, der eine Zeitlang ganz Syrien (samt Kilikien und Phönizien) verwaltet und den Oberbefehl über die Legionslegaten geführt hatte (Tac. II 79), von Tiberius nicht degradiert worden sein; hätte ihm der Imperator sein Verhalten verübelt, dann hätte er ihn eben abberufen. Gerade bei Tiberius wäre allerdings noch die eine Möglichkeit denkbar (die Mommsen indes für kaum glaublich hält), daß der Kaiser die endgültige Entscheidung über die Besetzung der syrischen Legation einige Jahre lang hinausgeschoben. S. demnach in dieser Zeit sich den Titel legatus [1531] Augusti (pro praetore) ohne ausdrückliche kaiserliche Genehmigung beigelegt habe (ohne Belang ist für diese Frage, daß Tiberius in der Inschrift als der auftraggebende Bauherr erscheint). Jedenfalls führte S. im J. 21 noch die Verwaltung der Provinz; er wurde – wir wissen nicht, zu welchem Zeitpunkt – abgelöst von L. Aelius Lamia (cos. 3), der anscheinend bis zum J. 32 Landeschef blieb – freilich, ohne daß ihm Tiberius gestattete, den Boden seiner Provinz zu betreten (Tac. VI 27).

Ein Inschriftfragment, das sich im Paviment der Laterankirche fand, gibt uns Kunde von einem Bau, den ein Cn. Sentius zusammen mit einem anderen Manne in Rom aufführen ließ: ...us Cn. Sentius Saturni[nus] ...as cum epistylis zo[phoris] [pe]cunia sua fecerunt ide(m) de[dicaverunt] (CIL VI 36606).[6] Hier könnte entweder unser S. oder der Consul des J. 41 gemeint sein; für ersteren würde sprechen, daß sich dann als Name des Miterbauers leicht der seines Bruders Gaius ergänzen ließe. Der Consul 41 (Nr. 12) war allem Anschein nach ein Sohn des S. Grabschriften seiner Sklaven und Sklavinnen haben sich in stadtrömischen Kolumbarien gefunden (CIL VI 6125.[7] 33102; vgl. Nr. 10 und 13). In Monte Compatri Colonna im Gebiete von Tusculum kam eine große Travertinplatte zutage mit dem Namen einer Sentia Saturnini Cn. l(iberta) Soteris – Saturnini scheint ein nachträglicher Zusatz –, die auch die Worte enthielt: tutost agros oecia cepos taphos, d. i., wie Dessau erkannte, den iambischen Senar τοῦτ' ἐστιν ἀγρός, οἰκία, κῆπος, τάφος (Dessau Bull. com. XLI 1913, 149f. = Inscr. sel. III 9520, nach ungenauer Abschrift Eph. epigr. IX 727). Da die Grabinschrift in augusteische Zeit gehört, wird der Consul des J. 4 der Patron der Soteris gewesen sein (Dessau a. a. O.).

[Groag. ]

Anmerkungen (Wikisource) Bearbeiten

  1. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 29.
  2. a b Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1263.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 68.
  4. a b Corpus Inscriptionum Latinarum III, 6703.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 164.
  6. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 36606.
  7. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 6125.