Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Fransen, Fäden am Rande des Stoffes zur Zierde
Band VI,2 (1909) S. 23202322
Franse in der Wikipedia
Franse in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register VI,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|VI,2|2320|2322|Fimbriae|[[REAutor]]|RE:Fimbriae}}        

Fimbriae, Fransen (nach Varro de l. l. V 79 und Festus ep. 90, 3 von einem alten Wort fiber, [2321] Rand), θύσανοι, κροσσοί, ursprünglich so entstanden, daß man am Rande des Stoffes die Fäden stehen ließ; einfach herabhängend oder zusammengeknotet oder in dicken Büscheln gekräuselt, dienten sie als Zierde; sie wurden auch als Besatz an die Kleider angenäht.

Gefranste Gewänder waren sehr üblich in chaldäischer und assyrischer Tracht; zahlreiche Beispiele bei Perrot und Chipiez Hist. de l'art II; einige auch bei Woermann Gesch. d. Kunst I 160–179. Auch die Ägypter trugen solche Gewänder, wenngleich ihre Monumente es nicht zeigen, Herodot. II 81. Und so erscheinen sie denn auch an Darstellungen der Isis und ägyptischer Priester und Priesterinnen, Clarac Taf. 308. 987. 988. 992. 993. Helbig Wandgem. 1097. 1099. 1112; vgl. Apul. met. XI 3. So sind auch die libyschen Ἡρῷσσαι Anth. Pal. VI 225, 2 στρεπτοῖς ζωσάμεναι θυσάνοις; vgl. Herodot. IV 189. Als orientalische Tracht sind auch die gefransten Kleider der Zenobia, Hist. aug. XXX tyr. 30, 14, zu betrachten.

Dem entsprechend erscheinen in bildlichen Darstellungen F. an orientalischer Kleidung (Amazonen, Paris, Orpheus), Millingen Peint. de vases 37. Dumont und Chaplain Céram. de la Grèce propre I 10. 14. 17; auf kyrenäischen Vasen Arch. Ztg. 1881 Taf. 12, 3. 13, 5. Auch die Briseis des bekannten pompeianischen Bildes, Helbig Wandgem. 1309, soll wohl durch das gefranste Gewand als Orientalin bezeichnet werden. Statue eines Mannes in orientalischer Tracht (Diener eines orientalischen Kultes?) Clarac 936 C, 2511 A = Michaelis Anc. marbles in Gr.-Brit. 614, 56.

Im übrigen erscheinen in den Bildwerken mit wenigen Ausnahmen solche Kleider nur in bestimmten Kreisen. Mit Vorliebe im bakchischen Kreise, dessen fremdländischer Ursprung stets bewußt geblieben zu sein scheint. So Dionysos selbst, Inghirami Mus. Chius. 50. Mon. Inst. III 31. Panofka Mus. Blacas 13. Gerhard Ant. Bildw. 41, 4; die schlafende Ariadne des Vatikan, Baumeister Denkm. d. Alt. Fig. 130. Hermaphrodit Clarac 667, 1519 A. Vereinzelt Demeter und Kore, C. R. St. Petersb. 1862 II. Ferner an Aphroditestatuen das Gewand, das die ins Bad steigende Göttin auf ein Gefäß legt. Clarac Taf. 343. 344. 608. 614. 617. 621. 624. 626 A. Musen Clarac 508, 1624. Helbig Wandgem. 878. 885 b.

Im wirklichen Lehen waren, nach den Bildwerken zu urteilen, F. wenig üblich. Doch waren sie der griechischen Tracht nicht ganz fremd. Die, welche bei Araros, Poll. VII 65, κροσωτούς lasen, betrachteten das gefranste Kleid als Kennzeichen der Jungfrauen. Und nach Poll. IV 120 trug in der Komödie die Erbtochter (ἐπίκληρος) ein weißes gefranstes Gewand. Statue eines Schauspielers in weiblicher Tracht mit einem solchen Clarac 874 D, 2221 G. Aber auch komische Schauspieler in männlicher Tracht mit solchen Gewändern kommen vor: Clarac 874, 2221 B. 2224. 874 B, 2221 E. Baumeister Denkm. Fig. 911–912. Vermutlich ist dies so zu erklären, daß in der Komödie mehr die Tracht des gewöhnlichen Lebens zur Geltung kam, während in der gewählteren Tracht der besseren [2322] Stände, wie die Plastik sie wiedergibt, die F. vermieden wurden. Zu bemerken sind mehrere weibliche Gewandstatuen des Typus der sog. Pudicitia, Clarac 331, 1885. 765, 1884. Heydemann Pariser Antiken 27. Römische weibliche Porträtstatuen Clarac 310, 2344. 888, 2274 E. 889, 2274 A. G. 979, 2519. Weibliche Bronzestatuette mit unten gefranster kurzer Obertunica, abgeb. bei Smith Dict. of antiqu. s. v.

Bei den Römern sind F. der Kriegstracht eigen. Nach Varro de l. l. V 79 hatte sie der Soldatenmantel, sagum, ein ursprünglich unrömisches, wahrscheinlich gallisches Kleidungsstück: in sagis extrema fimbriae. Ein solches gefranstes Sagum, κροσσωτὴν ἐφεστρίδα, trug Lucullus in der Schlacht bei Tigranokerta, Plut. Luc. 28, und es erscheint oft in den Reliefs der Traianssäule, seltener in denen der Marcussäule, getragen vom Kaiser und seinem Gefolge, von Legionären und Auxiliartruppen. Der unten gefranste Schurz der Opferdiener auf eben diesen Säulen (und so auch in dem Relief des Louvre Clarac 218, 310) ist vielleicht als das um den Leib gegürtete Sagum zu verstehen. Auch die barbarischen Gegner tragen gefranste Mäntel, so wie auch Tuniken (vgl. die Statuen Clarac 848 B, 2161 K. 852, 2161 E).

Ferner hatte die unter dem Panzer getragene Tunica F. unten am Rande und an den Ärmeln; bestes Beispiel die Augustusstatue von Primaporta, Mon. Inst. VI–VII 84. Baumeister Denkm. Fig. 183. Am unteren Rande eben dieser Tunica haben sie auch die Auxiliartruppen auf den beiden Säulen; vermutlich beruht auch dies auf fremdländischem Einfluß. Schon auf mykenischen Vasenfragmenten (Schliemann Mykene 153. 161 = Furtwängler und Loeschcke Myk. Vas. 42) sind Krieger dargestellt mit einer ähnlichen Tunica, die unten etwas wie F. hat.

An Tüchern und Decken verschiedenen Gebrauchs waren F. bei Griechen, Etruskern und Römern üblich. So an Bettdecken: Cels. II 6. Plin. n. h. VII 171; an einem Polster auf dem etruskischen Sarkophag Mon. Inst. XI 1; an dem Tuch, das bei Petron. 32 Trimalchio um den Hals trägt; an dem Mantele als Opfergerät: Relief am Altar des Vespasiantempels in Pompeii, Overbeck-Mau Pompeji4 119; ferner Clarac 218, 310. Lasinio Sarcof. di Pisa CII. Alabastermodell einer Art Gürtel Schliemann Mykene 279. Gefranste Pferdedecken häufig an der Traians- und Marcussäule; ebd. sind auch die Vexilla gefranst.

Smith Dict. of antiqu. s. v. Sehr vollständig P. Paris bei Daremberg-Saglio Dict. d. Ant. II 1136–1140.

[Mau. ]