Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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'der Erfinder', Vertreter der dorischen Komödie
Band VI,1 (1907) S. 3441
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2) Der ,Erfinder‘, d. h. der erste greifbare Vertreter der dorischen Komoedie. Man wußte von ihm, daß er in Syrakus aufgetreten war, und nannte ihn darum Συρακόσιος (so schon Theocr. epigr. 17), obwohl Aristoteles (Poet. 8) ihn ausdrücklich als sikelischen Megarer bezeichnet hatte. Die Angabe des Neanthes (Steph. Byz. 382, 13), er stamme ebenso wie Lais aus der Sikanerstadt Krastos, wird für E. ebenso falsch sein wie für Lais, die Polemon (Athen. XIII 588 b) vielmehr aus dem Orte Hykkara nach Korinth gekommen sein läßt. Wie wenig Samos und Kos als Heimat des Dichters in Betracht kommen, wird sich später zeigen. Man wußte sehr wenig von [35] seinen persönlichen Verhältnissen, vielleicht war auch die Stadt Megara nur aus irgend welchen Anspielungen in seinen Dramen erschlossen, aber daß er Sikeliot war, mußte so sicher sein wie seine Tätigkeit in Syrakus zur Zeit des Hieron. E. selbst hatte (frg. 98) auf eine energische Tat des Hieron angespielt, wie er den Tyrannen von Rhegion, Anaxilas, an der Vernichtung der Lokrer verhinderte (im J. 476), er hatte auch den rheginischen Maler Sillax oder Sillon (frg. 135. 163) erwähnt, denselben, den auch Simonides, offenbar in einem zu Syrakus gedichteten Liede, zu nennen Gelegenheit fand. Danach gilt E. mit Recht als Zeitgenosse des Hieron (Marm. Par. v. 71 und Timaios bei Clem. Alex. Strom. I p. 353). Weniger klar ist der Ansatz bei Suidas: ἦν δὲ πρὸ τῶν Περσικῶν ἔτη ς’ διδάσκων ἐν Συρακούσαις· ἐν δὲ Ἀθήναις Εὐέτης καὶ Εὐξενίδη;καὶ Μύλλος ἐπεδείκνυντο. Der Tragiker Euetes siegte frühestens ein Jahr nach Aischylos erstem Siege (im J. 484), wie die Inschrift IG II 977 a ausweist, vielleicht wußte man aus den Didaskalien, daß er 486 seine erste Tragödie aufgeführt hatte, und da man diesen alten Tragiker aus uns unbekannten Gründen synchronistisch mit dem ältesten Komiker zusammenbringen wollte, so wurde für E. das gleiche Jahr angesetzt. Möglich freilich ist, daß auch auf das J. 486 historische Anspielungen bei E. selbst führten, aber gewiß nicht im Perserdrama, das unmöglich vor 480 gedichtet sein konnte. In welcher Weise die Dramen zur Bereicherung der Biographie des Dichters ausgenützt wurden, zeigt der bei Suidas überlieferte Name seiner Mutter Σηκίς, der wohl einem noch erhaltenen Scherz (frg. 125) seinen Ursprung verdankt. Nicht besser steht es mit dem Namen des Vaters, der bei Suidas Τίτυρος (d. h. Σάτυρος ἢ Χίμαρος) heißt; wäre einer dieser beiden Namen beglaubigt gewesen, hätten die Verfasser der Ψευδεπιχάρμεια gewiß nicht einen neuen Vatersnamen erfunden, der ihre Fälschungen sogleich diskreditieren mußte (s. u.).

Die Zahl der in alexandrinischer Zeit erhaltenen Dramen wird verschieden angegeben. Aus unbekannter Quelle heißt es bei Suidas ἐδίδαξε δὲ δράματα νβ’, dem aber gleich eine zweite Angabe gegenüber steht ὠς δὲ Λύκων (d. h. doch wohl Λυκόφρων) φησὶ, λε’. Noch zuverlässiger lautet die Bemerkung des Anonymus π. κωμ. § 4: σώιζεται δὲ αὐτοῦ δράματα μ’, ὧνἀντιλέγονται δ’. Wir kennen heute 35 Titel, wenn wir von den bald dem E. bald dem Phormis zugeschriebenen und sicher keinem von beiden zugehörenden Ἀταλάνται absehen (E. frg. 14–18), also wohl dieselben, die Lykophron kannte. Unter den Titeln weisen auf Sagenstoffe Ἁλκυονεύς. Ἄμυκος, Βάκχαι, Βούσειρις, Διόνυσοι, Ἥβας Γάμος (davon zweite Bearbeitung Μοῦσαι, Athen. III 110 b). Ἡρακλῆς ὁ ἐπὶ τὸν ζωστῆρα, Ἡρακλῆς ὁ πὰρ Φόλωι (über die Namensform v. Wilamowitz Herm. XXXVII 325), Κύκλωψ, Κωμασταὶ ἢ Ἥφαιστος, Ὀδυσσεὺς αὐτόμολος, Ὀδυσσεὺς ναυαγός, Πύρρα καὶ Προμαθεύς (kürzere Titelform Πύρρα oder Προμαθεύς, in zweiter Bearbeitung vielleicht Δευκαλίων oder Λευκαρίων benannt), Σειρῆνες, Σκίρων, Σφίγξ, Τρῶες, Φιλοκτήτας, das sind 18 oder, wenn man die beiden διασκευαί besonders rechnet 20 Stücke, die einen im Epos überlieferten Sagenstoff travestierend, [36] zum Teil auch parodierend (Athen. XV 698 c) behandelten. Von den übrigen lassen sich Γᾶ καὶ Θάλασσα und ebenso Λόγος καὶ Λογίνα wohl mit Sicherheit als Agone zwischen den beiden im Titel genannten Personifikationen auffassen, der Ἀγρωστῖνος vielleicht als Typenkomoedie nach Art der μέση, ebenso etwa die Μεγαρίς. Die Θεαροί erinnern an sophronische Mimen (die Ἰσθμιάζουσαι vgl. mit Theokrits Ἀδωνιάζουσαι); eine Hauptszene war der Rundgang der Festgesandten durch die Sehenswürdigkeiten Delphis (frg. 79). Die Πέρσαι erklären sich im allgemeinen selbst, ob sie aber eine Travestie der Geschichte oder eine Parodie des Aischylos waren, können wir nicht sagen. Die Χύτραι hatten nach einer schönen Vermutung von Crusius eine Fabel zum Inhalt, die Annemarthens Milchtopf sehr ähnlich war (frg. 136), die Τριακάδες bezogen sich auf ein Hekatefest (v. Wilamowitz Herm. XXXIV 208), aber eine klare Vorstellung, wie der Stoff dramatisch behandelt war oder auch nur sein konnte, läßt sich hier so wenig gewinnen wie bei den übrigen Stücken, von denen nur die Namen und ein paar Fragmente, die den Titel nicht aufklären, erhalten sind: Ἁρπαγαί, Ἐλπὶς ἢ Πλοῦτος, Ἐπινίκιος, Μῆνες, Νᾶσοι (der scheinbar überlieferte Doppeltitel Ἑορτὰ καὶ Νᾶσοι beruht auf einem Schreibfehler, vgl. zu frg. 96), Ὀρύα oder Ὀρούα (Wurst), Περίαλλος (Personenname?), Πίθων (= πίθηκος?), Χορευταί oder Χορεύοντες.

Die Dichtgattung des E. heißt zwar, wo eine allgemeine Charakteristik für sie erfordert wird oder wo sie der attischen Komoedie zur Seite gestellt wird, κωμωιδία (Arist. Poet. 5. Plat. Theaet. 152 d. e), und der Dichter selbst gelegentlich ὁ κωμικός, ebenso wie sein Kunstgenosse Phormis (Athen. XIV 652 a), aber seine Gedichte heißen nicht κωμωιδίαι, sondern δράματα. E. hat zwar die Komoedie ,erfunden‘, da er der erste war von dem man literarische Produktionen auf diesem Gebiete kannte, aber er hat keine ,Komoedien‘ geschrieben. Diese gewissenhafte Bezeichnung seiner Poesien als δράματα, in der wir die Einsicht des ersten philologischen Herausgebers Apollodor leicht erkennen, zeigt deutlich, daß seine Stücke eben Possen waren, die zwar die komischen Elemente der Handlung mit der attischen Komoedie gemein hatten (vgl. E. Bethe Proleg. zur Gesch. des griech. Theaters S. 49ff.), aber der eigentlichen attischen Zutat, des κῶμος, entbehrten. Die Fragmente, die keine Spur lyrischer Poesie aufweisen, bestätigen das. Freilich klingen manche anapästischen Verse, als ob sie über dem Niveau des Dialogs lägen (frg. 101. 109), aber das ist subjective Schätzung ohne Wert, da wir die sonstigen Möglichkeiten nicht überschauen. Daß gelegentlich eine tanzende oder singende Person auftrat, ist keineswegs ausgeschlossen; auf musikalische Vorträge führen mancherlei Spuren, vielleicht frg. 4 und frg. 75, sicher frg. 127 und frg. 210 (da das vermutete πυκτικὸν μέλος sich in den Hss. des Pollux gefunden hat, gehört das Fragment zum Ἄμυκος). Die Μοῦσαι im Titel der zweiten Bearbeitung der Hebehochzeit mag man sich kaum anders erklären als so, daß beim Hochzeitsmahl, wie dereinst bei der Vermählung des Kadmos mit der Harmonia, die Musen einen Festreigen aufführten. Ein stehender Chor ist [37] damit keineswegs erwiesen, der Titel Χορευταί (oder Χορεύοντες) spricht eher dagegen als dafür, zumal gerade von diesem Stück Hephaistion (p. 49, 2) bezeugt, daß es ausschliesslich aus anapästischen Tetrametern bestand, also für lyrische Partien keinen Raum bot. Die pluralen Titel deuten gewiß nicht ohne weiteres auf einen Chor, in manchen Fällen bezeichnen sie, wie in den Θεαροί, den Κωμασταί, den Σειρῆνες, nur die Personen der Handlung.

Der Anonymus Estensis Π. κομωιδίας (p. 7 meiner Ausg.) sagt von E. οὗτος πρῶτος τὴν κωμωιδίαν διερριμμένην ἀνεκτήσατο πολλὰ προσφιλοτεχνήσας, wobei sich viel und wenig denken läßt, aber so viel ist gewiß richtig, daß das sikelische Drama weit älter war als E.; das beweist allein die gut bezeugte Überlieferung, daß zwei Kunstgenossen, Phormis und Deinolochos, gleichzeitig mit ihm ähnliche Dramen aufführten. Wenn Aristoteles (Poet. 5) sagt, daß E. und Phormis (zuerst) dem Spiel eine geschlossene Handlung (τὸ μύθους ποιεῖν) gegeben hätten, so fragt sichs doch, ob die sikelische Posse jemals der Handlung hat entbehren können; jedesfalls kannte Aristoteles keine Literatur, die älter war als E. Eine sehr merkwürdige Tatsache scheint sich aus frg. 6 zu ergeben. Kastor sagt zu Amykos Ἄμυκε, μὴ κύδαζε μοι τὸν πρεσβύτερον ἀδελφεόν. Das hat doch nur Sinn, wenn Amykos eben den Polydeukes vor den Ohren der Zuschauer beschimpft hat; also waren drei Schauspieler zu gleicher Zeit auf der Bühne anwesend, und das vermutlich geraume Zeit, bevor dem attischen Tragiker der dritte Schauspieler bewilligt wurde. Ein Bühnendialog zwischen drei Personen stellt erhebliche Anforderungen an das künstlerische Können des Dichters, und so wenig wir uns den Aufbau auch nur eines Dramas veranschaulichen können, so gestattet doch schon der Charakter der Sprache allein den Schluß, daß E. keineswegs in den kindlichen Anfängen seiner Dichtgattung stand oder stehen geblieben ist. Der Dialekt ist keine naturgetreue Nachahmung des syrakusanischen Straßenjargons, die poetische Form sowie der Stoff selbst, meistens Travestie epischer Sagen und Personen, verlangte eine Stilisierung. Der Dichter ist ein gebildeter Mann und spricht zu einem gebildeten Publikum, von dem er nicht nur für direkte Zitate (frg. 58 κατ τὸν Ἀνάνιον, frg. 88 Aristoxenos von Selinus), sondern auch für leisere Anspielungen (z. B. auf den Kyprienvers frg. 221) und ebenso für die feinen Nuancen der sehr gemässigten Nachahmung epischer Sprache (frg. 99) Verständnis erwartet. Es kann Zufall sein, daß unter den Fragmenten derbe Unanständigkeiten fehlen, aber man hat doch den Eindruck, als ob auf dem gehobenen Niveau dieses Lustspiels für sie ebensowenig Raum mehr war wie für gewisse volkstümliche Ausdrücke des sophronischen Mimos. Der Dichter verschmäht das Lachen des Publikums um so billigen Preis, er hat Geist und Witz genug, durch groteske Phantasien, durch drastische Situationen, die um so besser wirken, je enger sie sich dem travestierten Original anschließen, durch feine Charakteristik der Personen, durch äußerst mannigfaltige Sprachkunst die Zuhörer zu erfreuen und zu fesseln. Vater Zeus, der beim Hochzeitsschmaus für sich und seine Frau die [38] besten Bissen beansprucht (frg. 71), Odysseus, der seine Schlauheit nicht dazu benutzt, um den Seinen einen Vorteil zu erringen, sondern um sich selbst aus einer gefährlichen Situation herauszulügen (frg. 99), und vor allem der Parasit (frg. 34. 35), der mit unvergleichlicher Selbstironisierung in ganz kurzen Zügen einen Tag seines Lebens, dem alle übrigen gleichen, schildert, von dem redlich verdienten und reichlich genossenen Mahle im Hause des Patrons bis zur Heimkehr in die eigene armselige Häuslichkeit, das sind Prachtstücke, mit denen der alte E. all die vielen ähnlichen Szenen der wortreichen μέση in Athen leicht aus dem Felde schlagen konnte. Bewundernswert ist die dialektische Gewandtheit und sprachliche Klarheit, mit der E. die neuesten Gedanken der ionischen wie der einheimischen Philosophen benützt, um zu erweisen, daß, wer gestern eine Schuld kontrahiert hat, heute nicht mehr verpflichtet ist, sie zurückzuzahlen, da er ja nach dem Satze πάντα ῥεῖ inzwischen eine ganz andere Person geworden sei, und daß aus dem gleichen Grunde, wer gestern irgendwo zu Tisch geladen war, heute unmöglich der Einladung folgen könne. Das hat man mit Recht als Pointe des großen Bruchstücks (frg. 170) ergänzt, das mit drei andern der Sikeliot Alkimos (bei Diog. Laert. III 12-16) excerpiert, um seinem Landsmann E. die Priorität für gewiße platonische Lehrsätze zu vindizieren; offenbar liefen auch die übrigen Stücke (frg. 171–173) in eine ähnliche drastische Nutzanwendung aus. Die Umständlichkeit der Beweisführung z. B. frg. 171 ist nicht Ungeschick, sondern rechnet damit, daß dem gebildeten Sikelioten diese neuerworbenen dialektischen Künste an sich Freude machen. Die weit ausgeholte Deduktion frg. 170 dient lediglich der komischen Wirkung; sie beginnt mit dem Chaos und endet mit dem zahlungsunlustigen Schuldner. Ein wesentlicher Faktor der Travestie und Parodie ist der Kontrast, die Gegenüberstellung des Wirklichen und des Erfundenen, des Erhabenen und des Gemeinen, des Ernsthaften und des Lächerlichen. Darauf beruht im Satyrspiel die Wirkung der tragischen Helden, daß sie von ihrem eigenen Wesen nicht lassen können und doch handeln und reden müssen, wie es bei Satyrn Brauch ist. Das wird auch die Wirkung sein, die E. in der ,Hochzeit der Hebe‘ erzielen wollte, da er, um die Üppigkeit des Göttermahls zu schildern, eine unendliche Liste von Braten, Kuchen, Fischen, Austern, Krebsen und andrer frutti di mare vortragen ließ, die Poseidon selbst auf phoinikischen Kähnen herbeigebracht hatte (frg. 54); der detaillierteste Fischmarkt von Syrakus in den Olymp versetzt. Und dazu die sieben nach bekannten Flüssen benannten Musen, die Töchter von ,Herrn Fettwanst und Frau Füllmagen‘ (Πιέρου καὶ Πιμπληίδος, frg. 41), die ebenfalls ihre Schätze zum Mahle beisteuerten und dann, obwohl ihren Eltern gewiß an Art und Gestalt ähnlich, zur Freude der göttlichen Gäste singen und tanzen mußten; das alles war gewiß lustig genug, und wir können sicher sein, daß die Aufzählung des Menüs, von dem die mehr als 50 erhaltenen Verse nur einen geringen Teil umfaßten, den Hörern nicht langweilig war. E. wollte nicht mit seiner Küchengelehrsamkeit prunken, etwa wie später Leonidas [39] von Tarent mit seinen, den technischen Lexika entlehnten Glossen renommierte, sondern anschaulich machen, was den Göttern alles an Leckereien zu Gebote stand und was die Seligen bei Tisch zu leisten im stande waren, besonders wenn als Bräutigam Herakles, der unermüdliche Freßsack, beteiligt war. Eine rasche und geschickte Rezitation des Schauspielers mußte allerdings dem Dichter zur Hülfe kommen. Gelegentlich eingestreute Witze (frg. 53) und Wortspiele (frg. 54. 67), rhetorische Antithesen (frg. 56. 57. 58 u. a.), pointierte oder prunkvoll neugebildete Beiwörter (frg. 60 δράκοντες ἄλκιμοι. frg. 42, 7. 45. 46. 67, 69) fesselten überdies die Aufmerksamkeit immer aufs neue. Ein Sprachkünstlcr ist K., wie die griechische Bühne wenige gesehen hat. Rhetorische Schulung verbunden mit der angeborenen sikelischen Denk- und Redegewandtheit haben ihn dazu gemacht. Sein reicher Wortschatz, bald der Literatur, bald dem Leben abgewonnen, seine Kenntnis des Lebens und der menschlichen Eigenart, lassen seine Personen reden, was und wie sie müssen und sollen. Ihm gelingt die schalkhafte Pracht der Parodie wie der ernsthaft zugreifende Spott, die kurz pointierte sprichwortreiche Rede wie die schlagfertige Beweisführung, die lebendige Erzählung wie die drastische Schilderung, und alles voll Geist und Witz, selbst, Anmut (frg. 101. 109) ist dem dorischen Manne nicht versagt. Die Fragmente des E., so wenige ihrer sind, beweisen am bündigsten, daß Sicilien die Wiege aller rhetorischen Kunst gewesen ist.

Es ist an sich glaublich, daß E.s Dramen, da sie einmal aufgeschrieben waren, aus der engeren Heimat nach dem literaturreichen Athen übertragen wurden, nicht zur Aufführung, wohl aber zur Lektüre, und es ist denkbar, daß mancherlei Ähnlichkeiten der attischen Komoedie nicht sowohl Keime der alten Wurzel sind, aus der auch E.s Possen hervorgewachsen waren, sondern auf direkter Nachahmung beruhen. Die vielen Titel epicharmischer Dramen, die in Athen wiederkehren (vgl. Herm. XXIV 54), mögen nur wenig beweisen ; mehr besagt die inhaltliche Ähnlichkeit von Archippos Ἡρακλῆς γαμῶν mit E.s Ἥβας γάμος, noch mehr die Verwendung des anapästischen Tetrameters in der attischen Komoedie. Daß Aristophanes ferner im Frieden (185) eine Stelle aus E.s Skiron (frg. 125) benützt, haben schon die Scholien angemerkt, und hätten wir Scholien zu Aristophanes Telmessiern, so würden wir auch hier (frg. 530 K.) die deutliche Nachahmung von E. angemerkt finden. Es ist also ausgeschlossen, daß erst Platon ebenso wie die Mimen des Sophron so die Dramen E.s nach Athen gebracht habe, und wie sollten die Athener den echten E. erst im 4. Jhdt. kennen gelernt haben, da sie den unechten schon im 5. kannten?

Als Apollodor eine kritisch gesicherte Ausgabe des E. in zehn Bänden machte und einen gelehrten Kommentar dazu schrieb (Porphyr. Vit. Plot. 24, Spuren des Kommentars z. B. bei Hesych. περιαμβίδες), sah er sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, von den allein echten Dramen eine Fülle unechter Gedichte zu sondern, die zum Teil noch der Aristophaneer Diodoros für echt angesehen hatte (vgl. Frg. Com. II p. 90). Es gab unter E.s Namen eine Πολιτεία in trochäischen [40] Tetrametern mit pythagoreischen Anklängen (frg. 255–260), die nach dem Zeugnis des Aristoxenos (Athen. XIV 648 d aus Apollodor) vom Flötenspieler Chrysogonos verfaßt war, demselben, der bei der Rückkehr des Alkibiades das τριηρικόν spielte. Ferner waren dem E. ein κανών unbestimmbaren Inhalts und ein Buch Γνῶμαι zugeschrieben , die beide nach Philochoros Zeugnis (Athen, a. O.) den Lokrer oder Sikyonier Axiopistos zum Verfasser hatten. Den Χίρων, eine Nachbildung der hesiodeischen Χίρωνος ὑποθήκαι, die auch unter dem Titel Ὀψοποιία ging (frg. 290), hat erst Apollodor als Fälschung erkannt. Einen Λόγος πρὸς Ἀντήνορα zitiert allein Plutarch. vit. Numae 8, um daraus zu beweisen, daß Pythagoras zur Zeit Numas römischer Bürger geworden sei. Endlich trug ein altes und gutes Gedicht den Namen E.s, das seinem Inhalte nach wohl Περὶ φύσεως überschrieben sein konnte, dasselbe, das Ennius in seinem Epicharmus übersetzt hat. Es geht nicht an, die mehrfachen mit Ennius übereinstimmenden Gedanken, die schon Euripides benutzte (z. B. Bacch. 276; frg. 195. 941 N.), für Zitate aus den Dramen anzusehen, weil dann das Undenkbare angenommen werden müßte, daß Ennius Gedicht ein Florilegium philosophischer Sätze war, die er selbst sich zusammengelesen haben müßte. Das Richtige hat gegenüber Diels (Sibyllin. Blätter S. 34) und Rohde (Psyche S. 551) zuerst v. Wilamowitz festgestellt, Weiteres s. Frg. Com. I 1 p. 134. Aus diesen auf E.s Namen gefälschten Gedichten ist alles entnommen, was bei Diog. Laert. VIII 3 zu lesen steht: Ἐ. Ἡλοθαλοῦς Κῶιος· καὶ οὗτος ἤκουσε Πυθαγόρου· τριμηνιαῖος δ’ ὑπάρχων ἀπηνέχθη τῆς Σικελίας εἰς Μέγαρα, ἐντεῦθεν δ’ εἰς Συρακούσας, ὥς φησι καὶ αὐτὸς ἐν τοῖς συγγράμμασιν . . . οὗτος ὑπομνήματα καταλέλοιπεν ἐν οἷς φυσιολογεῖ γνωμολογεῖ ἰατρολογεῖ. καὶ παραστιχίδια ἐν τοῖς πλείστοις τῶνὑπομνημάτωνπεποίηκεν, οἷς διασαγεῖ ὅτι ἑαυτοῦ ἐστι τὰ συγγράμματα. Eine derartige Beglaubigung durch akrostichische Zeugnisse bedurften die Fälscher allerdings; man möchte nur gern wissen, auf Grund welcher Tatsachen Aristoxenos den Chrysogonos, Philochoros den Axiopistos als die Verfasser einiger der Fälschungen ermittelt haben. Ebensowenig läßt sich die Überlieferung des Aristoxenos bei Iamblich. vit. Pyth. 241 kontrollieren (vgl. Frg. Com. I 1 p. 88, 6), daß ein Enkel des E. Namens Metrodoros manche Lehrsätze seines Großvaters auf die Medizin übertragen habe. Soviel stand auch für Aristoxenos, der doch die pythagoreisierende Πολιτεία nicht für ein Gedicht des E. hielt, durchaus fest, daß E. der Schule oder Gemeinde des Pythagoras angehörte, und vermutlich erklärt sich daher die Nachricht bei Suidas, E. sei in Samos geboren. Man wollte ihn zum direkten Schüler des Pythagoras machen, und da dieser nicht in Syrakus, E. nicht in Kroton gelebt hatte, so setzte man die persönliche Berührung der beiden großen Weisen in die Zeit vor Pythagoras Auswanderung aus Samos, wobei sich freilich einige, wenn auch nicht unüberwindliche chronologische Schwierigkeiten ergaben. Die Nachricht, daß E. von Kos stamme und daß sein Vater Helothales geheißen habe, findet sich ebenfalls nur bei Diogenes, stammt also aus den Akrostichen der Fälschungen. Vielleicht [41] sollte Kos nur den Namen der Komoedie erklären, der wirklich bei Diomedes so abgeleitet wird; daß E.s Dramen gar keine Komoedien waren, wußte man eben vor Apollodor nicht. Von gelehrten Arbeiten über E. aus dem Altertum verlautet vor Apollodors Ausgabe naturgemäß nicht viel; daß der jüngere Dionysios Περὶ τῶν ποιημάτων Ἐπιχάρμου geschrieben habe, sagt Suidas s. Διονύσιος. Ob diese Schrift die Dramen anging oder, was nach den Titeln glaublich ist, die unechten Gedichte, läßt sich nicht sagen. Eine Auswahl von Fragmenten des E. findet sich bei Ahrens De dial. II 435, eine vollständige Sammlung bei Lorenz Leben und Schriften des E. (1864) S. 219ff. und neuerdings von G. Kaibel in den Fragmenta Poetarum graec. vol. VI 1, 1899.

[Kaibel. ]