Miscellaneen (Journal von und für Franken, Band 2, 4)

Textdaten
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Autor: Diverse
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Titel: Miscellaneen
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 2, S. 474–488
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1791
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
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XIII.
Miscellaneen.


1.
Aus dem Anspachischen. Im März 1791.
Unser verehrungswürdigster und allgepriesener Herr geheimer Minister von Hardenberg ist nun| dirigirender wirklicher geheimer Staats- und Finanzminister unserer beyden Fürstenthümer geworden. Seine großen Geistesvorzüge, besonders seine seltene Gabe, den wichtigsten und größten Gegenstand mit einem Blick zu überschauen und zu fassen; seine ungemeinen Staats- und Finanzkenntnisse; seine Gelehrsamkeit, die er, wie wir unten sehen werden, schon unter seinem Hofmeister auf dem Grunde der alten Litteratur zu bauen anfing, und was wir in dieser Verbindung billig zuerst hätten nennen sollen, sein reiner, tadelloser liebenswürdiger Charakter, nebst seiner ausserordentlichen Klugheit, Menschenliebe und Thätigkeit verdienten auf einen so erhabenen und glänzenden Posten gestellt zu werden. Unser geliebter Fürst, so wie unser ganzes Vaterland, weiß aber auch das Glück, diesen großen Mann zu besitzen, vollkommen zu schätzen. Jener hält den Minister wie sein edelstes Kleinod wehrt, und dieses erkennt dankbar in ihm den Mann, der von der Vorsehung gesendet wurde, viel Segen und Glück über zwey große Fürstenthümer zu verbreiten. Auf dem Dorfe spricht der entfernte Landmann des Ministers Namen eben so ehrerbietig aus, als der nähere Städter in der Residenz: denn jener hat in eben der Stunde offenen Zutritt zu ihm, in welcher dieser bey ihm vorgelassen wird. Hardenberg spricht zu der von ihm vestgesetzten Zeit den ärmsten Bauer mit eben der Sanftmüthigkeit und Milde, mit welcher er den vornehmsten Diener seines Fürsten anhört. Und zwar geschieht dieß nicht, während daß vielleicht auch noch andere Personen| oder Kammerdiener und Bediente zugegen sind, sondern jedermann, wer er auch sey, kommt allein bey ihm vor, kann ihm also ungestört und mit vollem Vertrauen seinen Zustand und die geheimen Anliegen seines Herzens vortragen.

Die wichtigsten Geschäffte liegen auf dem edeln Minister mit großen Lasten. Man bedenke, was zur Übersicht und Lenkung zwey so großer und in Ansehung ihrer Lage sowohl, als innern Verfassung, merkwürdiger Fürstenthümer erfordert wird; welche Schaaren von Menschen sich täglich von allen Gegenden herbeydrängen, um bey dem gepriesenen Minister Trost, Linderung und Unterstützung zu suchen; welche Aufmerksamkeit, Sorgfalt und Pünctlichkeit dazu gehört, das große Triebwerk der Geschäffte in raschem und doch gleichem und richtigem Gange zu erhalten. Allein mit unbegreiflicher Leichtigkeit thut Hardenberg dieß alles, und zugleich mit einer Heiterkeit und Freundlichkeit, die alle Untergebene, die um und für ihn arbeiten, in Entzücken versetzt und welche durch die Anhäufung der Geschäffte nicht verdunkelt, sondern vielmehr noch erhöht wird.

An dieser großen und seltenen Thätigkeit, an diesem liebevollen Betragen gegen jedermann, an dieser entzückenden Freundlichkeit, die gleich dem Morgenstrale Leben und Freude um sich her verbreitet, an diesem nur für Menschen-Beglückung schlagenden Herzen, an diesem feinen Geschmacke endlich, der den anerkannten Vorzügen des Ministers das edelste Gewand zu geben und sie überall| in dem schönsten Lichte vorzustellen weiß, hat dessen ehemahliger Hofmeister, der jetzige verdienstvolle herzogliche Rath und Pädagogiarch, Herr Briegleb in Koburg nicht wenig Antheil. Der Minister gesteht dieß selbst, und bey dem Andenken an Briegleb ergießt sich sein gefühlvolles Herz in Strömen des freudigsten Dankes für die Verdienste, die sich jener geschätzte Gelehrte um die Bildung seines Geistes erworben, und für das vortreffliche Beyspiel, mit welchem er auf seinen Charakter gewirkt hat. Alle, die das Glück hatten, Schüler jenes verehrungswürdigen Mannes in Koburg gewesen zu seyn, versichern einstimmig, daß Briegleb durch sein Beyspiel sich um die Denkungsart seiner Zöglinge nicht minder, als durch seinen vortrefflichen Unterricht um deren Erkenntniß verdient zu machen wisse.
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Und dieser würdige Mann war es, der dem Minister (und nach ihm allen seinen Brüdern) in dem väterlichen Hause die vortrefflichste Bildung gab, seinen Geschmack besonders durch die Lesung der Alten verfeinerte und bevestigte, und ihn dann nach Göttingen auf die Akademie begleitete. Unter einer solchen Anleitung mußte freylich ein solcher Eleve zu den schönsten Hoffnungen aufblühen. Nach der Reihe von einigen Jahren wurde der gerührte Lehrer auch schon in eine sanfte Begeisterung versetzt, als er aus dem Saamen der vergangenen Handlungen seines ehemaligen Zöglings, wie im Geiste der Weissagung, große und entzückende Saaten für Menschenwohl und Menschenbeglückung| aufsprießen sah. „Einst lasen Sie als Jüngling, sagt er in einer Zueignungsschrift an den Minister, der damahls, wo wir nicht irren, Hannöverischer geheimer Kammerrath war, mit mir den Horaz; Sie fühlten selbst das Schöne in seinen unsterblichen Gesängen; Ihr edles Herz empfand schon damahls das, was in seinen Gesinnungen groß und erhaben ist, und bildete sich zu ähnlichen. Mit welcher Freudigkeit erneuere ich das Andenken der glücklichen Stunden! Wenn ich aber bedenke, was Sie nachher gethan haben und noch thun werden, dann bin ich bis zu Thränen gerührt. Erlauben Sie, daß ich die ersten Blätter einer Schrift, zu welcher Sie mir die allererste Aufmunterung gaben, mit Ihrem mir ewig theuern Namen schmücke. Ihr eignes Herz sage Ihnen, was das meinige für Sie empfindet; und die ewige Vorsehung des Allmächtigen erhöre das Gebet, welches ich mit dem Gebete so vieler, die Sie in der Stille glücklich gemacht haben, vereinige; das ernste, fromme Gebet für das Leben und Wohl eines Herrn, dessen Daseyn Segen für die Welt ist, für die er gebohren ward!“[1] Das schönste und würdigste Denkmahl, das jemahls ein Lehrer seinem Zögling errichtet hat, und welches hier um so mehr für unsere Fürstenthümer verneut aufgestellt zu werden verdient, je wenigere Menschen vielleicht in denselben sind, die das angeführte Buch, wenigstens auf der Seite, kennen und also wohl nicht wissen, was der Minister, den| sie jetzt mit Recht als den Schutzgeist ihres Vaterlandes verehren, schon vor vielen Jahren in seinem Vaterlande gewesen ist.


2.
Aus Wirzburg den 24 März.

Jeder Kenner Teutscher geistlicher Erziehungshäuser wird dem von unsern väterlichgesinnten Fürstbischoffe neu eingerichteten Priesterseminar die Gerechtigkeit widerfahren lassen und gestehen müssen, daß dieß Haus nach seiner äusserlichen Einrichtung und innern Verfassung ganz den großen Zweck erfüllen könne, den dessen erhabener Stifter sich vorgesetzt hat. Jeder, der dieses so gut eingerichtete Institut genau kennen zu lernen Gelegenheit hat, muß, voll warmen Antheils an der Verbreitung so gemeinnütziger Anstalten, wie ein Seelsorger-Institut ist, wünschen: Möchten doch alle Wirkungen dieser Anstalt aufs vollkommenste der erhabenen Absicht des Fürsten, der sie stiftete, entsprechen!

Diese Anstalt hat auch zum Theil schon herrliche Wirkungen gezeigt, wenn man gleich nicht läugnen kann, daß in Rücksicht auf unsere Stadt Wirzburg sie gerade entgegensetzte und nachtheilige Folgen hervorgebracht habe, welche die Erreichung des ganzen Zwecks, den sie erfüllen könnte, zur Zeit noch hindern. Es wird fast allen unsern gut und vernünftig denkenden Männern bekannt seyn, daß der gemeine Mann das unserm jungen Klerus sehr nachtheilige Vorurtheil hegt,| man könne sich nicht auf dessen Orthodoxie verlassen. Aber nicht allen wird es eben so bekannt seyn, woher dieses den jungen Seelsorgern so schädliche Vorurtheil rühre, und wer dasselbe bestärke, weil nicht alle sich die Mühe nehmen, den Mann, der dieß thut, Calumnien auf seiner Canzel vortragen zu hören. Dieß ist der Exjesuit P. Winter, hiesiger Domprediger.
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Seine Predigten sind meistens voll von Anzüglichkeiten, Schmähungen und Verkleinerungen. Vornämlich treffen diese die hiesigen Seminaristen. Folgende Floskeln hört man öfter von ihm: „Es seynd Witzlinge, Schmutzlinge, wollte ich sagen, und Stockfisch, (sagts ihnen) die hier in den Kirchen predigen und läugnen: die seeligste Jungfrau Maria seye kein helfenbeinerner Thurm, kein Arch des Bunds etc. – Ich bin es ganz allein, der noch das alte Christenthum predigt; verlasset euch kecklich auf mich, meine Zuhörer: was ich euch sage, steht in der Bibel und den Vätern, und ich hab’s so aus dem theologischen Tractat genommen. Andre mögen euch sagen, was sie wollen; glaubt nur mir, es seynd nichts als Aufklärer, Witzlinge, schöne Geister etc.; und sie heissen mich ’n alten Narren und Schreyer. Ich predig’ euch aber das wahre Evangelium.“ Worin dieses sein immer ertönendes wahres Evangelium bestehe, davon will ich nur einige Beyspiele geben. Am 4ten Sonntage dieses 1791sten Jahrs predigte er, über das Evangelium von 5 Broden und 2 Fischen, vom Gnadenbrode, oder von der Gnade bey der Buße,| und sagte: „Wie ich denn immer das Evangelium predige, so muß ich euch, meine Zuhörer, sagen, daß 5 Brode im Evangelio 5 Gnaden bedeuten, nämlich die erleichternde Gnad, die helfende Gnad, die erweckende Gnad, und die innerliche und äusserliche Gnad.“ Die weitere Ausführung bestand in Personalitäten und Familien-Nachrichten, welche ihm alte Weiber zutragen.

Ein Beyspiel von der Art, wie dieser Mann die Dreistigkeit haben könne, auch gegen neue landesherrliche Anordnungen auf dem Predigtstuhl zu reden, ist folgender Vorgang.

Als im vorigen Jahr von unserm Fürsten weislich verordnet wurde, jährlich an einem dazu bestimmten Sonntage nach dem bey Wirzburg gelegenen Nikolausberg einen öffentlichen Bittgang zu halten, so erhub dagegen P. Winter, der sogleich einsah, was dieser neue Bittgang eigentlich für eine Absicht habe, seine Stimme. Er ertheilte am nächsten Sonntage seinen Zuhörern die traurige Nachricht: „Böse Leute hätten diese Procession nach dem Niklasberg angeordnet, um die bis daher üblich gewesene, die alle Jahre nach dem H. Kreuzberg an der Rhöne ging und fuhr, mit guter Art abzuschaffen. Sie sollten sich aber dadurch nicht abwendig machen lassen und als fromme Christen auf ihrem alten Glauben fortleben;“ und was des Unsinns mehr war. Seine Zuhörer, die seine Art zu poltern schon kannten, fanden dieß nicht auffallend, und hatten kein Arges daraus. Aber das Ordinariat setzte über ihn eine Commission nieder,| und – Pater Winter log sich hinaus, indem er vorgab: Er habe von der Anordnung dieses Bittgangs nach dem Niklasberg nicht anders geglaubt, als daß sie einzig von einigen Bürgern herrühre. – Er sollte das nicht eingesehen haben, daß die Anordnung einer neuen Procession nicht die Sache einiger, oder auch aller Bürger seyn könne?

Vergleichet man mit diesem Manne verschiedene andere unserer hiesigen Prediger, so kann man kaum zweifeln, daß das, was andere durch ihre guten und zweckmäßigen Predigten von Zeit zu Zeit Gutes stiften, von ihm wieder zerstört und vereitelt werde, indem er den Predigtstuhl zum Tummelplatz seiner Ungezogenheiten macht, und seiner Zunge ohne alle Überlegung den Lauf läßt. Jede gute und nützliche neue Einrichtung wird seine Kritik passiren müssen, wenn ihm nicht das Handwerk niedergelegt wird. Denn er meint, er thue Gott einen Dienst daran!


3.
Gegen das in unserm Journal Heft 2. Bd. 2. S. 145. sub. Lit. (i) Gesagte hat Herr P. Cajetanus a S. Andrea d. Z. Prior des Reuerer Klosters zu Wirzburg in die Beylage zum XXIX Stücke der Wirzburgischen gelehrten Anzeigen eine so betitelte Apologie einrücken lassen. Wir müssen nothwendigerweise erst die Antworten unserer Herrn Correspondenten über das dort Gesagte abwarten, versichern aber zum Voraus: daß wir von ihrer Rechtschaffenheit und ausgebreiteten Kenntniß des| Hochstifts W. gar füglich hoffen können, daß sie so, wie überhaupt in diesem Aufsatze, also auch in dieser Note (i) unser Publicum nicht durch leere unzuerweisende Sagen hinhalten wollten. Das erweisen auch die vielen uns hierüber zugekommenen schriftlichen und mündlichen Äusserungen mancher angesehenen und allgemein geschätzten Männer des kathol. Frankenlandes. Indessen wollen wir aus Liebe zur Wahrheit dem Hr. P. Prior Cajetanus a S. Andrea vorläufig zu bedenken geben: daß,

1) da seine Apologie eigentlich nur den Umstand mit dem schön geputzten Jesus-Kinde in dem Ursuliner Kloster und den daraus entsprungen seyn sollenden Streit zwischen den P. P. Reueren und diesen Klosterfrauen betrifft, es sehr unbequem gesagt ist, wenn er schreibt:

„Das im Journal von und für Franken im II Hefte des II Bds S. 145 sub Lit. (i) vorkommende Schreiben vom 18ten December 1790 ist ganz ungegründet.“

Das Schreiben, welches S. 121 schon anhob, und von der Vorerinnerung, dem Aufsatz, und den gemachten Zusätzen wohl unterschieden werden muß, ist, mit Erlaubniß des Hrn P. Priors sey es gesagt, nicht ganz ungegründet. Wenigstens bleibt es so lange wahr, bis das Gegentheil gründlich erwiesen ist. Machtsprüche entscheiden nichts. Will der Herr Prior sagen, er meine durch „das vorkommende Schreiben“ nur das in der Note| Lit. (i) Geschriebene, so wird er bey nochmahliger Durchlesung seiner Apologie das Unbequeme und Zweydeutige dieses Ausdrucks wohl bemerken können. In Apologien muß man sich vorzüglich bestimmt ausdrücken.

2) vertheidigt sich der Herr P. Prior gegen Behauptungen, die in der Note (i) gar nicht vorkommen. Er versichert nämlich ein unbefangenes Publicum:

„Daß die Bildniß des sogenannten Prager Kindleins bey den P. P. Reuerern so alt als ihre Kirche und ihr Kloster sey. Nur das Behältniß, worin es ohne alles Gepränge und ohne Anathemen aufbewahrt war, sey im Jahr 1774 durch einige ansehnliche Freunde des Klosters ganz neu und einfach verfertiget worden.“

Hatte denn Jemand von dem Jesus-Kinde bey den P. P. Reuerern, weder im erstern, noch im andern Fall, das Gegentheil behauptet? Es heißet ja nur: daß bey den Ursuliner Klosterfrauen auch neuerer Zeit ein Jesus-Kind ausgestellt worden sey, und daß dahin mehr Zugang entstanden sey, wodurch die Eifersucht der P. P. Reuerer rege geworden; weil sich diese Frauen besser auf den Putz des Kindleins verstanden hätten. Herr P. P. hat also den Verfasser mißverstanden, oder er widerlegt, um widerlegt zu haben. – Es gibt vielleicht Fälle, wo es schon genug ist, sagen zu können: wir haben ihn widerlegt, um das Geschreib,| das man Widerlegung nennt, stehe es auch, wie es möge.

3) Aus dem bereits Gesagten erhellet zugleich, was für Wehrt der Ausruf des Herrn P. P. hat:

„Nur Wunder: daß ein neues im Jahr 1774 verfertigtes Behältniß erst im Jahre 1790 so viel Aufsehen erregen konnte!“

Es machte also Aufsehen: daß in diesem Aufsatz so mancher mönchische Unfug, der schon so lang im Finstern getrieben wird, ans Licht gezogen wurde. Desto besser! Es macht den Leuten Ehre, die bey dem hereinbrechenden Lichte der Aufklärung in ihren Mitteln vielleicht so manches nicht mehr vermutheten.

4) Endlich schreibt Herr P. P. in seiner Apologie „die Anekdote von abgenutzten Schuhen; worüber sich der Verf. der Note lustig machet, ist ein offenbares Mährchen und gewiß von keinem vernünftigen Manne je im Ernste behauptet worden.“

Brav! Herr P. P. das wollte ja eben der Mann sagen, der über das Ablaßwesen schrieb. Gibts denn religieuse Behauptungen im Spaße? In der Apologie hätte ichs lieber erwiesen gelesen: daß solcher Unsinn nie unter die Leute gekommen sey. Denn, wenn er wirklich da ist, wie Sie nicht läugnen und nicht läugnen können, wer pfropfte ihn denn in die Köpfe des unglücklicher Weise mit solchen Träumen hingehaltenen Volkes??| Warum widersprechen Sie, und die Ihres Theils sind, solchen offenbaren Mährchen nicht von Ihren Kanzeln, und in Ihren Volksschriften?
d. H. H.     


4.
Aus Wirzburg den 10 April.
Die Darstellung des Ablaßwesens in Franken, welche im II Hefte des II Bandes Ihres Journals steht, hat schon gute Wirkungen hervorgebracht, und meine Freude über diesen Erfolg ist so groß, daß ich Ihnen sogleich davon Nachricht geben muß. Es ist dieß ein neuer Beweis, wie viel Gutes die Publicität stiften kann. Die hiesigen Klosterobern sind vor die geistliche Regierung gefordert, über ihren heiligen Kram zu Rede gesetzt, und es ist bereits den schwarzen Franciscanern ihr Unwesen mit dem St. Valentin, den Augustinern ihr Unfug mit dem Sebastianspfeil und den Schotten ihr Handel mit dem Macarikopf, und allen Mönchen das Aushängen der Ablaßtafeln, auch das Aussetzen der Opferteller oder Opferstöcke bey den Bruderschafts-Versammlungen für die Zukunft untersagt worden. Ihre unnöthigen silbernen Kirchen-Zierrathen mit Reliquien sollen sie ad meliorem fratrum sustentationem verwenden, und ihr Personale auf die fundirte Anzahl herabsetzen. Zur Aushülfe der Pfarrer sollen künftig keine Mendicanten, sondern Priester aus Abteyen genommen werden. Wie viel Ersprießliches läßt sich nicht von diesen Anstalten erwarten, wenn sie| einen glücklichen Fortgang haben! Es erhellt zugleich hieraus, daß unsere geistliche Regierung in Ansehung dieser kirchlichen Mißbräuche bisher nicht genug unterrichtet war, und daß es ihr sehr erwünscht seyn müsse, von ähnlichen Hindernissen, welche der Erreichung der vortrefflichen Absichten unsers Fürstbischoffs im Wege stehen, Nachrichten zu erhalten. Fahren Sie also fort, unserm Lande Wohlthaten zu erweisen, indem Sie in Ihrem Journal ähnliche Aufsätze mittheilen, und auf Dinge, die abgestellt werden müssen, wenn Menschen vernünftig und glücklich werden sollen, aufmerksam machen. Plinius hatte schon, wie Sie wissen, aus der Erfahrung gelernt: Praeter id, quod in tantis vitiis hominum plura culpanda sunt, quam laudanda; tum si laudaveris, parcus, si culpaveris, nimius fuisse dicaris: quamvis illud plenissime, hoc restrictissime feceris. Sed, dieß muß das Symbol jedes Patrioten seyn, sed haec me non retardant: est enim mihi pro fide satis animi.


5.
Eyershausen ist ein Dorf im Amte Königshofen im Grabfelde. In diesem Dörfchen fiel es einer Weibsperson ein, mit der armen Seelen Erlösung zu spectakeln. Viele in der Gegend zogen bereits dahin und erwarteten ihrer verstorbenen unglücklichen Freunde Erlösung. Der wackere Centgraf dieses Amts war so vorsichtig, die Sache zu untersuchen und an die weltliche Regierung zu berichten. Sein Bericht blieb unerörtert liegen, obgleich der Mann Belege des Unfugs beygefügt| hatte: nämlich die armen Seelen hatten zum Beweis ihrer Gegenwart ihre glutheisen Hände auf weiße ihnen zu dem Ende hingebreitete Tüchlein abgedruckt. Die Frau des Centgrafen machte von diesem abscheulichen Abdrucke höchst ehrl. und uneigennützigerweise einen Nachdruck, welcher, wie ein Augenzeuge versichert, noch weit besser gerathen war, als das Original, was doch sonst zwischen Druckern und Nachdruckern des Heil. Röm. Reichs der Fall nicht ist. Allein auch diese verschönerte Beylage war ohne Wirkung. Äusserst aufgebracht über diese Unthätigkeit der Regierung und den immer weiter um sich greifenden Unfug zu Eyershausen faßte ein Pfarrer den Muth, unmittelbar in das Cabinet des gnädigsten Fürsten und Herrn davon zu berichten. Unverzüglich faßte hier der weise Bischoff und Regent den Entschluß, dem Amte aufzutragen: diese Person einzuziehen, sie ins Spital nach Königshofen zu thun und die Sache genau zu untersuchen. In Kurzem entdeckte sich der ganze Betrug. Gewisser Beweis, wie empfänglich für Wahrheit und wie thätig zur Ausrottung des Aberglaubens Franz Ludwig ist: würde der Kenntniß von beyden nur nicht der Zugang bis zu ihm verschlossen!





  1. S. dessen Vorles. über den Horaz Zw. Th. Altenb. 1780.